Wenn Friedrich Merz an diesem Mittwochmittag seine erste Regierungserklärung als Kanzler im Deutschen Bundestag hält, beginnt die schwarz-rote Koalitionsuhr zu laufen. Gut, genau genommen läuft sie schon etwas über eine Woche. Aber nach dem holprigen Start in der Kanzlerwahl musste die neue Regierung zunächst einmal in ihren neuen Ämtern ankommen. Doch spätestens jetzt beginnt die Arbeit für alle. Die Erwartungen sind hoch. Nicht weniger als einen Politikwechsel hatte die Union im Wahlkampf versprochen. In der Migration, beim Bürgergeld, mit Blick auf die Wirtschaft – das alles in trauter Harmonie mit der SPD.
Aus dem geplanten 100-Tage-Programm wird nun ein 70-Tage-Programm. Nach Informationen von Table.Briefings hat man entschieden den Zeitrahmen zu reduzieren, um nicht in die bevorstehende Sommerpause zu rutschen. Inhaltlich hat jede Partei bereits Vorstellungen von den Prioritäten: Die CSU plädiert für ein Begrenzungsgesetz bei der Migration und eine Senkung der Stromkosten für die Wirtschaft und private Verbraucher bis zur Sommerpause. Zudem will man das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wieder abschaffen. Auch eine Verlängerung der Mietpreisbremse und ein „Bauturbo“ sollen nach Informationen von Table.Briefings im Gespräch sein.
Lars Klingbeil will mit Investitionen und maßgeblich verbesserten Rahmenbedingungen nicht weniger als „die größte Modernisierung seit Jahrzehnten in unserem Land anstoßen“, wie ein Sprecher des Finanzministeriums Table.Briefings mitteilte. Das werde insbesondere die steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen und Innovationen umfassen. Konkret bedeute das unter anderem „die (Wieder)Einführung einer degressiven Abschreibung als ,Investitions-Booster‘, die Senkung der Stromsteuer und die Senkung der Unternehmensteuerbelastung ab 2028.“ Die Gesetzentwürfe des Sofortprogramms sollen Mitte Juli von Regierung und Koalitionsfraktionen parallel eingebracht werden, um das Verfahren zu beschleunigen, wie Merz ankündigte. Der Bundestag kann dann seine Beratungen bereits beginnen, während der erste Durchgang im Bundesrat läuft.
Vor dem Kabinett soll jedoch der Koalitionsausschuss über den Maßnahmenkatalog entscheiden. Einen Termin dafür soll es Regierungskreisen zufolge noch im Mai geben – wann genau ist aber bislang noch unklar. Teil des Koalitionsausschusses sind nach Informationen von Table.Briefings acht Vertreter jeder Partei. Für die CDU: Friedrich Merz, Carsten Linnemann, Jens Spahn und Thorsten Frei. Für die CSU: Markus Söder, Alexander Dobrindt, Martin Huber, und Alexander Hofmann. Und für die SPD: Lars Klingbeil, Bärbel Bas, Matthias Miersch und Tim Klüssendorf.
Ein besonderes Interesse an der Aufwertung des Gremiums hatte Markus Söder. Mit dem Koalitionsausschuss will sich der CSU-Chef die Garantie sichern, bei allen großen Fragen frühzeitig mit einbezogen zu werden und sicherzugehen, dass die bayerischen Interessen im Kabinett ausreichend berücksichtigt werden. Söder sei der Einzige, der die Stimmung der Bevölkerung außerhalb des Berliner Regierungsviertels wirklich wahrnehme, so erzählen es die Christsozialen.Doch auch in der CDU-Spitze hatte man sich schon vor der Wahl Gedanken gemacht, wie die Regierungsarbeit funktionieren solle, und den Koalitionsausschuss als zentrales Organ ausgemacht. Probleme sollen hier frühzeitig erkannt und die großen Leitlinien im Voraus festgelegt werden. Vom „Hirn und Herz der Regierung“ ist in der Union die Rede. Einen festen Turnus gibt es indes nicht. Angedacht sind „alle vier bis sechs Wochen“. Wenn nötig, auch öfter.Denn, anders als in der Ampel, wollte man ja weniger streiten. So richtig gut will das bislang nicht funktionieren. Schon nach der ersten gemeinsamen Woche sieht man sowohl bei Union als auch bei SPD Verbesserungsbedarf. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion Steffen Bilger kritisierte an diesem Dienstag Äußerungen der SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas zur Rente. „Auch die Regierungsmitglieder sollten sich an dem orientieren, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist“, so Bilger mit Blick auf Bas’ Forderung, Beamte und Selbstständige sollten künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden.