Analyse
Erscheinungsdatum: 16. Februar 2025

Nach der MSC: Wahlkampf in der neuen Welt  

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz hat sich manifestiert, dass Deutschland und Europa es mit einer neuen Weltordnung zu tun haben. Die USA verabschieden sich von ihrer Rolle des großen Bruders. Die transatlantische Konfrontation war in München denkbar sichtbar.

Dass die MSC Überraschungen parat halten würde, war den meisten vorher klar. Dass aber in diesem Ausmaß Grundpfeiler der atlantischen Freundschaft umgeworfen und damit auch die Sicherheit Europas grundsätzlich in Frage gestellt würden, hatten wenige erwartet. Am Ende der drei Tage von München stellt sich die Welt neu dar: eine Welt in Unordnung, wie sie es seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr gewesen ist. Mit Folgen auch für die Schlussphase des deutschen Wahlkampfs. Kein Kandidat und keine Partei dürfte sich mehr raushalten können bei der Frage: Wie hältst Du es mit dieser neuen Welt?

Offen sichtbar wurde ein großer Graben im Selbstverständnis beider Seiten. Der scheidende Vorsitzende der Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, formulierte es bei seiner Verabschiedung noch hochdiplomatisch, als er mit Blick auf die Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance beklagte, „dass unsere gemeinsame Wertegrundlage nicht mehr so gemeinsam ist“. Der einstige Berater von Angela Merkel umschrieb damit vorsichtig, was andere deutsche Politiker, allen voran Boris Pistorius, Olaf Scholz, Robert Habeck und Friedrich Merz, als inakzeptable Provokation und Einmischung kritisierten. Vance hatte den Europäern nicht nur vorgeworfen, sie würden ihre Demokratien von innen aushöhlen. Er warb auch noch offen für die AfD, nicht wissend oder ignorierend, dass diese Partei genau jene Verantwortung für die eigene Geschichte ablehnt, die für die Demokratie in Deutschland nach 1945 konstituierend wurde. Gemeinsame Werte ließ Vance kaum mehr erkennen.

Die transatlantische Konfrontation ging in München aber noch weiter. Nach Trumps Entscheidung, über die EU und die Ukraine hinweg mit Russland Gespräche über die Zukunft der Ukraine zu suchen, zeigte sich, wie groß der Spalt inzwischen ist. Zum einen versuchten Vertreter der EU demonstrativ (und fast schon verzweifelt), bei den Verhandlungen über eine Friedenslösung nicht von Washington und Moskau an den Rand gedrängt zu werden. Zum anderen richtete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen eindringlichen Appell an die EU-Staaten, ihre Verteidigungsanstrengungen massiv zu erhöhen, um sich gegen einen möglichen russischen Angriff zu wappnen. Seine Forderung nach einer europäischen Armee allerdings stieß auf breite Ablehnung durch europäische Politiker und Nato-Generalsekretär Mark Rutte.

Die logische Konsequenz: In München wurde schon sehr konkret übers Geld und über Truppenstärken geredet. So gelten eine Konsolidierung der europäischen Rüstungsindustrie und Militärausgaben in Höhe von eher drei statt zwei Prozent des BIPs inzwischen als Konsens unter EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitikern. In Kreisen des BMVg kursiert außerdem ein Szenario, nach dem eine robuste Schutztruppe für eine mögliche Absicherung der ukrainisch-russischen Grenze bis zu 200.000 Soldaten umfassen müsste. Sollten die USA sich wie angedroht bei einer solchen Truppe enthalten, rechnen die Experten im Ministerium mit allein 50.000 Soldaten aus Deutschland. Auf einem Sondergipfel am Montag in Paris wollen die EU-Staaten über ihr künftiges Vorgehen beraten, um zu verhindern, dass Russland und die USA ohne europäische Beteiligung über die Zukunft der Ukraine verhandeln. Warum die Diplomatie auf Hochtouren läuft, lesen Sie im Security.Table.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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