Kanzler ist Friedrich Merz noch lange nicht. Trotzdem unternimmt der Kandidat der Union schon jetzt viel, um für den Tag X vorbereitet zu sein. Der Grund: Merz fühlt sich unter Zeitdruck. Nicht so sehr für sich selbst, sondern vor allem in der Frage, ob es die Parteien der Mitte schaffen, alsbald das nötige Vertrauen in die Lösungsfähigkeit der demokratischen Institutionen zurückzugewinnen. Seit Monaten spricht der CDU-Chef über das Jahr 2029. Für Merz ist es das Schicksalsjahr im Kampf gegen Populisten und Extremisten in Europa. Bis dahin müssen Brüssel und Berlin aus seiner Sicht liefern.
Vor diesem Hintergrund empfängt Merz Ende dieser Woche neun christdemokratische Staats- und Regierungschefs aus den EU-Staaten in Berlin, um über Europas Wettbewerbsfähigkeit und Antworten auf Donald Trump zu diskutieren. Auf der Gästeliste für die Klausurtagung der EVP-Parteienfamilie stehen etwa der Grieche Kyriakos Mitsotakis, der Finne Petteri Orpo, der Schwede Ulf Kristersson und der Ire Simon Harris. Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird nach überstandener Lungenentzündung teilnehmen, ebenso wie EVP-Chef Manfred Weber und die Oppositionsführer aus den Mitgliedsparteien.
Merz möchte sich als Wahlkämpfer im Kreis der Regierenden mit neuer Stärke schmücken; andererseits will er gemeinsam mit Weber und von der Leyen schnell Veränderungen in der EU anstoßen. Dazu zählt er zuallererst einen radikalen Bürokratieabbau; Merz spricht von „Disruption“ und fordert nicht etwa einen Ab-, sondern einen Rückbau von Berichtspflichten und anderen Auflagen. Erkennbar wird, dass er bei diesen Zielen weniger auf die Kommission (für Merz zu schwerfällig) und das EU-Parlament (für Merz zu zersplittert) setzt, sondern auf die Zusammenarbeit unter den EVP-Staats- und Regierungschefs. Bis zum Scheitern von Karl Nehammer, dem Ex-Kanzler in Wien, konnte er sogar hoffen, dass die EVP künftig die Mehrheit der Regierungschefs stellen würde.
Sollte Merz tatsächlich nach der Wahl am 23. Februar neuer Bundeskanzler werden, könnte der CDU-Politiker aber gemeinsam mit von der Leyen und Weber seine politische Agenda vorantreiben. Bislang zieht das Trio weitgehend an einem Strang, vor allem zu von der Leyen pflegt Merz inzwischen ein enges Verhältnis, wie es in der Union heißt. Mehr über die EVP-Klausur und das mögliche neue Macht-Trio lesen Sie im Europe.Table.