Analyse
Erscheinungsdatum: 11. Juli 2024

Lindners Pläne: Wie Deutschland ein modernes Steuersystem bekommen soll 

Das Finanzministerium hat zwei Expertenkommissionen beauftragt, Konzepte für ein modernes Steuersystem vorzulegen. Am Freitag werden die Berichte dem Ministerium übergeben. Table.Briefings kennt bereits einige Ideen.

Die Einschätzung von Christian Lindner ist alarmierend. „Der Standort ist nicht mehr wettbewerbsfähig“, sagte der Bundesfinanzminister im Frühjahr. Seit Oktober arbeiten zwei Expertenkommissionen an Vorschlägen, um die Rahmenbedingungen zu ändern. Ein großer Wurf könnte es werden: Deutschland soll ein wettbewerbsfähiges und modernes Steuersystem bekommen, die Gesetze sollen vereinfacht, die Digitalisierung vorangetrieben und die Finanzämter entlastet werden. Die unabhängigen Kommissionen, besetzt mit je dreizehn Experten aus Wissenschaft und Praxis, haben sich zur „bürgernahen Einkommenssteuer“ und „vereinfachten Unternehmenssteuer“ unter Moderation der Parlamentarischen Staatssekretärin Katja Hessel regelmäßig getroffen, im Hintergrund unterstützte Abteilungsleiter Nils Weith.

Nun sind die beiden rund 200-seitigen Berichte fertig und werden an diesem Freitag dem Bundesfinanzminister übergeben. Table.Briefings liegen einige Ideen vor.

Die Vorschläge zur Einkommenssteuer sollen zu einer erheblichen Aufwandsreduzierung bei steuerpflichtigen Arbeitnehmern, Rentnern und Selbständigen führen. Möglichst vielen Steuerpflichtigen soll durch Typisierung und Pauschalierung die Steuererklärung entweder ganz erspart oder deutlich vereinfacht werden. Die Kommission unter Leitung des früheren Bundesfinanzhofpräsidenten Rudolf Mellinghoff schlägt etwa eine Rentenabzugssteuer auf alle Renteneinkünfte vor. Die Rentenkassen sollen für den Einbehalt der Steuern auf Renten sorgen. Damit wären 4,4 Millionen Rentnern von der Steuererklärung befreit.

Die Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmenssteuer“ unter Leitung von Max-Planck-Direktor Wolfgang Schön schlägt vor, die Steuerbelastung auf 25 Prozent abzusenken. Das ist eine Größenordnung, die aus Sicht der Kommission wettbewerbsfähig wäre. Eine Idee ist dabei, die Gewerbesteuer von derzeit 15 Prozent so auf die Körperschaftssteuer anzurechnen, dass die Einhaltung der internationalen Mindestbesteuerungspflicht von 15 Prozent nicht in Frage gestellt ist. Für die Kommunen könnten dann nur noch eingeschränkt Anreize bestehen, mit besonders niedrigen Hebesätzen zu arbeiten, sodass der Wettbewerb unter den Kommunen relativiert würde.

Die beiden Gutachten sollen eine grundlegende Debatte anstoßen. Für viele der Vorschläge braucht es die Zustimmung der Länder, in dieser Legislaturperiode wird das Meiste nicht umsetzbar sein. Manches könnte jedoch schnell kommen, die Gruppenabschreibung für kleinere Investitionen zum Beispiel. Aus BMF-Kreisen ist zu hören, dass die Nutzungsdauer für alle Anschaffungen bis 5.000 Euro schon in einem kommenden Steuergesetz auf drei Jahre vereinheitlicht werden könnte. Die Experten können sich das auch für Güter bis zu 10.000 Euro vorstellen.

Um die Vorschläge der Kommissionen und die Frage, was aus dem Solidaritätszuschlag werden soll, geht es auch im Table.Today-Podcast mit dem Finanzminister von Baden-Württemberg, Danyal Bayaz. Das Gespräch hören Sie ab 6 Uhr hier.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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