Analyse
Erscheinungsdatum: 15. April 2024

Iran, Russland, Weltwirtschaft: Warum das Treffen Scholz – Xi anders laufen dürfte als von vielen erhofft 

Olaf Scholz trifft Xi Jinping: Das wäre in normalen Zeiten schon eine Herausforderung für den Kanzler. In diesen turbulenten Zeiten ist es das erst recht.

Irans Attacke auf Israel, Russlands Krieg gegen die Ukraine, dazu zahlreiche deutsche CEOs in seiner Delegation: Wenn Olaf Scholz am Dienstag Xi Jinping trifft, wird enorm viel auf dem Tisch liegen. Eng verbunden mit der Hoffnung, dass der Kanzler Peking dafür gewinnt, den Iran zu bremsen, Russland einzuhegen und die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen auf gute Füße zu stellen. Doch so groß diese leisen Hoffnungen auch sein mögen - es spricht vieles eher dafür, dass Fortschritte (oder Erfolge gar) rar sein werden.

Eines allerdings hat der Kanzler geschafft: Er wird der erste westliche Regierungschef sein, der seit der Eskalation zwischen Iran und Israel mit Chinas Präsidenten zusammenkommt. Mit seinem Besuch verbindet sich daher die kleine Hoffnung, etwas für den Frieden im Nahen Osten tun zu können. Als Handelsmacht hat China hier erheblichen Einfluss. Außerdem hat es zur Verblüffung vieler westlicher Staaten zwischenzeitlich eine Annäherung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien durchgesetzt. Damit hatte niemand gerechnet – und viele verbinden damit die Erwartung, Peking könne jetzt erst recht auf den Iran einwirken.

Und doch: Sehr, wenn nicht zu sehr ähnelt das der bis heute enttäuschten Hoffnung, China könne oder müsse gar am Ende irgendwie vernünftig werden und sich im Ukraine-Konflikt an die Seite des Westens stellen. Zuletzt hatte der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, derlei Signale aus Peking empfangen. E r hatte mit Chinas Außenminister gesprochen und ein leichtes Abrücken Pekings von Moskau wahrgenommen. Oder wahrnehmen wollen.

Von Table.Briefings befragte Experten mahnen jedoch zur Skepsis. „Westliche Politiker sollten die Idee aufgeben, dass sie einen Keil zwischen China und Russland treiben können“, sagt Alexander Gabuev, Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin. Auch der Hinweis des Kanzlers, China müsse eine Rufschädigung vermeiden, werde wenig bringen. „Es beeindruckt die Chinesen nicht“, so Gabuev im Gespräch mit Table.Briefings. Sinngemäß gelte das gleiche für die Iran-Frage, wo man sich nur geringe Hoffnungen auf ein handfestes Ergebnis im Sinne des Westens machen sollte.

Xi will nicht das Gleiche wie der Westen, sondern verfolgt eher gegenteilige Interessen. Er sieht es als seine Mission an, China an die Weltspitze zu führen und die alte, westlich geprägte Weltordnung durch eine Ordnung nach eigenen Vorstellungen zu ersetzen. Je mehr Probleme der Westen hat, desto besser steht er da. Russland ist in seinem Weltbild ein wertvoller Verbündeter. Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat der Popularität des Brics-Bündnisses aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika im Globalen Süden mehr geholfen als geschadet.

Aus diesem Grund wird Xi bei seiner Begegnung mit Scholz eher unklare, wohlklingende Dinge wählen, die man mit deutschem Wunschdenken als Haltung einer verantwortungsvollen Supermacht deuten könnte. Dazu wird die Wiederholung der oft gehörten Position gehören, die Konfliktparteien sollten verhandeln und keine Atomwaffen verwenden. Scholz wird das als Erfolg präsentieren, der handfeste Nutzen ist aber fraglich.

Nicht viel besser sind die Erfolgsaussichten beim Bemühen, China zu einem ausgeglicheneren Handel und einer echten Marktöffnung zu bewegen. Xi muss die deutsche Forderung nach einer Verringerung seines Handelsbilanzüberschusses gar nicht ernst nehmen. Der Kanzler will vor allem etwas von ihm und hat selbst kaum Verhandlungsmasse, mit der er Xi zum Einlenken bewegen kann. Außerdem hat Chinas Führung natürlich registriert, dass ihr kein wirklich geeintes Deutschland gegenübertritt.

Während die Außenministerin für Risikominimierung kämpft und darauf hofft, auf diese Weise die Erpressbarkeit Deutschlands zu verringern, wollen die Dax-Vorstände in Scholz‘ Delegation mehr in China investieren als je zuvor.De-Risking im Sinne einer Verringerung der China-Exposition ist das nicht. Die Statistik bestätigt das schon. Sie zeigt eine Zunahme der deutschen Investitionen und der Abhängigkeiten. Indem Berlin zudem die von Brüssel geplanten E-Auto-Zölle ablehnt, verzichtet es auf mögliches Druckmittel in den Verhandlungen mit Peking. Interne Begründung: Der Schaden durch chinesische Gegenaktionen wäre noch größer. Mehr zum Kanzler-Besuch in China lesen Sie im China.Table.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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