Analyse
Erscheinungsdatum: 04. März 2025

Historischer Schuldenplan: Wie Union und SPD mit Milliarden Bundeswehr und Infrastruktur aufrüsten wollen 

Nach sechs Tagen Verhandlungsmarathon haben sich Union und SPD in einem ersten Schritt auf die Schaffung eines Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro verständigt – und damit einen ersten großen Schritt zur Bildung einer neuen Koalition hinter sich gebracht.

Wie Friedrich Merz, Markus Söder, Lars Klingbeil und Saskia Esken in einem Pressestatement erklärten, soll sich die Laufzeit über zehn Jahre erstrecken. Damit sollen Schulen und Krankenhäuser, die Bahn, Straßen und Netze, Forschungsbereiche und Universitäten auf einen modernen Stand gebracht werden; 100 Milliarden der Summe sind für die Bundesländer vorgesehen.

Die Verteidigungsausgaben sollen künftig gar nicht mehr gedeckelt sein. Alle Militärausgaben, die ein Prozent des BIP übersteigen, sollen von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Merz sagte: „Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: ‘whatever it takes’“. Auch die Länder sollen die Möglichkeit erhalten, mehr Kredite als bisher aufzunehmen. Sie dürfen bisher außer in konjunkturell schwierigen Phasen gar keine strukturellen Schulden aufnehmen; dies soll an die Bundesregelung angepasst werden, die unabhängig von der konjunkturellen Lage neue Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des BIP erlaubt. Für alle diese Vorhaben braucht es eine Verfassungsänderung – und damit eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Insgesamt ist die Dimension des Pakets enorm. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt 2024 betrug 465 Milliarden Euro.

In der kommenden Woche soll sich der Bundestag in seiner alten Besetzung mit der Einigung beschäftigen. Und nach dem Willen der neuen Mehrheit möglichst auch gleich zustimmen. Denn in seiner neuen Zusammensetzung könnte es mit den nötigen Mehrheiten schwierig werden. Bis zum Abend hatte Friedrich Merz allerdings noch keinen belastbaren Draht zu Grünen und FDP hergestellt. Sie seien „informiert“ worden, wie er auf Nachfrage sagte. Auch Katharina Dröge bestätigte am Abend eine „Kontaktaufnahme“.

Die Verständigung war mit heißer Nadel gestrickt. Das war dem nur eine Seite umfassenden „Ergebnis aus den Sondierungsverhandlungen“ zu entnehmen, aber auch der Tatsache, dass Klimaschutz oder Transformation an keiner Stelle Erwähnung fanden. Die Schuldenbremse soll grundsätzlich überarbeitet werden. Eine Expertenkommission soll dabei helfen und die Grundlagen für eine Reform erarbeiten. Die soll bis Ende des Jahres verabschiedet werden. Das Problem dabei: Auch dazu wird eine Zweidrittelmehrheit nötig sein, also auch die Grünen müssen zustimmen.

Die Union hat damit ziemlich vieles von dem über Bord geworfen, was ihr noch im Wahlkampf wichtig und teuer war.Dass Merz daran nicht würde festhalten können, war absehbar. Nun ist sogar mehr Geld im Topf, als SPD und Grüne je gefordert hatten. Die diversen Entscheidungen des US-Präsidenten, darunter etwa die Mittel für die Ukraine einzufrieren, haben die Kurskorrektur offensichtlich massiv beschleunigt. Am Abend wurden die Fraktionen von Union und SPD in Konferenzschaltungen über die Einigung informiert. Merz sagte in der Fraktionsschalte über die Einigung: „Ist das schön oder nicht schön? Es ist notwendig.“ Die Sondierungsgespräche sollen am Donnerstag und Freitag weitergehen.

Erste Reaktionen: Moritz Schularick lobt, Tanja Gönner vorsichtig optimistisch.Der Kieler Ökonom sagte Table.Briefings: „Machen wir uns nichts vor. Das ist das Ende der Schuldenbremse, wie wir sie kannten.“ Das Maßnahmen-Paket sei aber ein „extrem wichtiger Schritt“, denn bei der Aufrüstung des Militärs habe Europa einige „Manhattan-Projekte“ vor sich, so Schularick in Anspielung auf den Plan zum Bau der Atombombe in den USA zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Auch die Ökonomin Philippa Sigl-Glöckner lobte den Schulden-Plan als wichtigen Schritt zur Sanierung maroder Bereiche der Infrastruktur und der Bildung.

Kritische Töne kommen dagegen von der FDP und dem früheren Wirtschaftsweisen Lars Feld.Die Wirtschaft reagierte verhalten optimistisch auf den Plan von Union und SPD. BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner sagte Table.Briefings: „Das kann einen positiven Impuls für die Konjunktur bringen. Aber wir halten weiter auch Strukturreformen und Prioritätensetzungen im Haushalt für erforderlich.“

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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