Zwischen Super Tuesday und State of the Union: Robert Habeck fährt in einer heißen Zeit nach Amerika. Der Bundeswirtschaftsminister beteuert, dass er sich in den Wahlkampf nicht einmischen werde. Aber neutral ist er natürlich trotzdem nicht. Donald Trump habe in seiner ersten Präsidentschaft alle Kooperationsformate zwischen USA und EU „kaputt gehauen“, sagt Habeck kurz nach seiner Ankunft in Washington in der deutschen Botschaft. Deshalb will er nun die Zeit bis zu den Wahlen nutzen, um die Wirtschaftsbeziehungen zu stärken. Die Idee: Falls Trump noch mal gewählt wird, soll es für ihn so schwierig wie möglich sein, die gemeinsamen Projekte noch einmal kaputt zu hauen.
Habeck setzt hier auf das Prinzip Hoffnung. Denn dass sich bis zum November substantiell etwas bewegt, ist unwahrscheinlich. Der protektionistische Reflex der Amerikaner ist nicht nur gegenüber China stark, sondern auch gegenüber den Europäern. Mitten im Wahljahr hat die amerikanische Administration nicht nur andere Sorgen, auch innenpolitisch wird es immer schwieriger, Europa Zugeständnisse zu machen.
Dass es noch eine Einigung über nachhaltiges Stahl und Aluminium gibt, gilt weithin als ausgeschlossen. Aber es sieht auch nicht danach aus, dass sich EU und USA noch über den Inflation Reduction Act einigen. Das ist nicht nur ein grünes Konjunkturprogramm für die US-Wirtschaft, sondern auch eine Maßnahme, die ausländischen Unternehmen das Leben schwer macht. Die EU-Kommission hätte gern die Zusage, dass auch E-Autos, in denen Rohstoffe wie etwa Lithium aus Europa verbaut sind, von der massiven Förderung des Inflation Reduction Act profitieren. In Washington ist allerdings zu hören, das Momentum für das sogenannte Critical Minerals Agreement sei verstrichen.
Ein umfassendes Handelsabkommen hält Habeck derzeit für ausgeschlossen, auch Amerika zeigt daran kein Interesse. Es gab unter Obama ein besonderes Zeitfenster für den Abschluss von TTIP, aber damals haben die Europäer die Chance leichtfertig verstreichen lassen. Der Hauptprotest gegen die „Chlorhühnchen“ kam übrigens aus Deutschland. Wäre das damals gelungen, wäre die Ausgangslage eine andere. Aber nun muss Habeck kleine Brötchen backen: Er hoffe auf die Vereinbarung gemeinsamer Standards für Zukunftstechnologien. Im April tagt der Trade und Technologie Council, Berlin hofft, dass es m Bereich von Künstlicher Intelligenz, Halbleitertechnologie, und elektrischer Ladeinfrastruktur für E-LKWs vorangeht.
Aber was ist, wenn das alles nicht klappt? Und was ist, selbst wenn es klappt? In beiden Fällen gilt : Eine enge wirtschaftliche Verflechtung ist kein Bollwerk gegen Trump. Wer nicht zurückschreckt, die Bündnispflicht der NATO infrage zu stellen, den werden Verabredungen über Ladesäulen nicht beeindrucken. Und bereits Stand heute würden auch die Amerikaner selbst und ihre Wirtschaft sehr leiden, wenn Trump die Zusammenarbeit herunterfährt. Eine Million Arbeitsplätze hängen in den USA an deutschen Unternehmen. Aber in seiner ersten Amtszeit hat sich Trump von rationalen Argumenten nicht überzeugen lassen, es spricht nicht viel dafür, dass sich das künftig anders wäre, eher im Gegenteil.
Daher muss Habeck sich eine andere Frage gefallen lassen: Warum nutzt er die Reise nach Amerika nicht, um Kontakt zum Umfeld Trump aufzunehmen, zu den Leuten, die ihn im Fall seiner Wahl beraten würden. Habecks sieht sich selbst als Brückenbauer, oft gelingt das auch: Er hat der Grünen-Fraktion vermittelt, dass sie die Bezahlkarte für Flüchtlinge schlucken muss zum Beispiel. Aber in Amerika streckt er den Arm nicht aus. Vor dem Abflug sagte er, er werde nur Gespräche mit Vertretern der amerikanischen Regierung, also mit Demokraten, führen. Später korrigierte der Bundeswirtschaftsminister: Doch, es gebe auch ein Treffen mit Republikanern, nämlich den Mitgliedern der Congressional Study Group on Germany, der Parlamentariergruppe im Kongress, die sich für Deutschland interessiert. Aber diese Republikaner seien alle Transatlantiker beziehungsweise gerierten sich als solche, wenn ein Deutscher zu Besuch ist. Also auch dieses Treffen kein Grund, eine Brücke zu bauen, man ist ja schon auf derselben Seite.
Auch hier gilt am Ende das Prinzip Hoffnung: Habeck hält sich an der Möglichkeit fest, dass Biden noch einmal gewinnt. „Der Wahlkampf hat noch gar nicht angefangen“, sagte er in Washington. In neun Monaten könne viel passieren. Das stimmt – aber das heißt auch, dass das Pendel in Richtung Trump ausschlagen kann. Von solchen Gedankenspielen will Habeck aber nichts wissen. Er warnt die mitreisenden Medienvertreter vor „Self-fulfilling Prophecy“, also dem „Herbeischreiben“ einer zweiten Amtszeit Trumps. Das ist etwas kurz gedacht. Trump lässt sich nicht verhindern, indem man ihn ignoriert.