Die Mehrheit der Sachverständigen, die die Bundesregierung für eine Stellungnahme zu möglichen Asylverfahren außerhalb der EU beauftragt hat, steht der Idee kritisch gegenüber. Das haben zwei Anhörungen Ende Februar und am 17. März im Bundesinnenministerium ergeben, erfuhr Table.Briefings aus Regierungskreisen.
Eingeladen waren mehr als 20 Migrationsforscher, Wissenschaftler und NGO-Vertreter. Die meisten Experten äußerten sich kritisch. „Das Verfahren ist machbar, aber aus politischen, juristischen und praktischen Gründen extrem komplex“, sagte Daniel Thym, Europarechtler an der Universität Konstanz, Table.Briefings. Dieser Ansatz könne nur „Teil eines Gesamtpakets“ sein. Sogar in Australien, wo Asylbewerber seit langem schon ihre Verfahren in Lagern durchlaufen, habe dies in mehr als 20 Jahren nur zu 4000 Rückführungen von Asylbewerbern in ihre Heimatländer geführt. „So viele Flüchtlinge kommen in Italien pro Monat an“, sagte Thym. Auch die Vertreter der EU-Kommission, von Pro Asyl und Think Tanks äußerten sich skeptisch.
Der Migrationsforscher Gerald Knaus steht der Idee dagegen positiv gegenüber. Er sieht die Asylverfahren außerhalb der EU als einen wichtigen Baustein zur Begrenzung irregulärer Migration und schlägt ein europäisches Pilotprojekt vor. Als mögliche Länder für die Verfahren sind Georgien, Bosnien-Herzegowina, Albanien im Gespräch. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni will Flüchtlinge, die in Italien ankommen, nach Albanien schicken und dort die Verfahren durchführen. Entsprechende Verhandlungen zwischen Albanien und Italien laufen bereits.
Bundeskanzler Olaf Scholz sieht den Vorschlag skeptisch. Er hatte aber den Ministerpräsidenten zugesagt, bis zum nächsten Bund-Länder-Treffen am 20. Juni die Stellungnahmen der Experten zu veröffentlichen und zu diskutieren. Vor allem Länderchefs der Union wie Hendrik Wüst dringen auf Asylverfahren außerhalb der EU. Damit sollen die Anreize zur Flucht nach Europa gesenkt werden; Asylbewerber ohne Chance auf Schutzstatus sollen Deutschland schneller wieder verlassen. In Zukunft sollen Asylanträge für Deutschland nach diesem Plan in den Drittstaaten gestellt werden. Diese Forderung steht auch Grundsatzprogramm der CDU.