Analyse
Erscheinungsdatum: 21. April 2024

Digitalisierungsstrategie des BMAS: Wie die Verwaltung effizienter werden soll

Der Sozialstaat muss effektiver werden, darin sind sich alle einig. Das Arbeitsministerium legt nun Pläne vor, die dabei helfen sollen.

Nach dem vernichtenden Gutachten des Normenkontrollrats geht Hubertus Heil in die Offensive. „Digitalisierung und Automatisierung haben enorme Potenziale für die Verwaltung“, sagte der Bundesarbeitsminister zu Table.Briefings. Das BMAS hat deshalb eine Digitalisierungsstrategie entwickelt – gemeinsam mit sieben Trägern und Behörden der Arbeits- und Sozialverwaltung, um eben diese bis 2030 zu transformieren. Beteiligt sind:

Das Ziel ist nicht nur mehr Bürgernähe, sondern auch das Abmildern des Fachkräftemangels, von dem längst auch der öffentliche Dienst betroffen ist. Die Pläne umfassen mehrere Dutzend Maßnahmen, manche laufen bereits oder sind schon länger in Arbeit. Wirkung und Umsetzung sollen regelmäßig überprüft werden, unterteilt sind sie in drei Handlungsfelder: Zum einen geht es um nutzerfreundliche Angebote und behördenübergreifende Zusammenarbeit, zum anderen um einen grundsätzlichen Kulturwandel hin zu mehr Innovation.

Ein Beispiel: Die BA arbeitet an einer für 2025 geplanten Bürgergeld-App. Anträge stellen, Termine vereinbaren, Stellenangebote erhalten: Alles soll direkt auf dem Handy möglich sein. Im Rahmen eines Pilotprojekts ist zudem vorgesehen, in ausgewählten Jobcentern auf eine vorrangig elektronische Beantragung der Leistung umzustellen. Wer Arbeitslosengeld bezieht, kann bereits heute die „BA-mobil“-App nutzen. Was bisher nur die Agenturen für Arbeit bieten, ist zudem der elektronische Abruf von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei Krankenkassen. Das soll künftig auch Jobcentern möglich sein.

Angedacht sind auch Verbesserungen für ausländische Fachkräfte. Eine große Bremse sind bisher die langsamen Abstimmungsprozesse zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Ausländerbehörden und Auslandsvertretungen. Damit Drittstaatler in Deutschland arbeiten können, braucht es in der Regel eine Zustimmung der BA. Seit Mitte 2023 läuft diese sogenannte Arbeitsmarktzulassung grundsätzlich elektronisch, sie soll weiter verbessert werden. In bestimmten Fällen kann zudem vorab geprüft werden, ob die Voraussetzungen erfüllt sind.

Die Bearbeitung dieser „Vorabzustimmungsanfragen“ soll eine weitere Beschleunigung erfahren. Überhaupt soll die Prüfung ausländischer Berufsqualifikationen für verschiedene Aufenthaltstitel wie im Fall der neuen Chancenkarte künftig vollständig digital ablaufen. Unter Federführung des Innenministeriums will die Bundesregierung aus dem Ausländerzentralregister (AZR) zudem die „zentrale Austauschplattform von behördenrelevanten Informationen im Bereich der Erwerbsmigration“ machen. Das Ziel auch hier: schnellere und vereinfachte Verfahren.

Eine zentrale Rolle bei den Bemühungen um Beschleunigung und Vereinfachung spielt künstliche Intelligenz. Das BMAS nennt unter anderem diese Nutzungsszenarien:

Fortschritte erhofft sich die Arbeits- und Sozialverwaltung auch beim Datenaustausch. Bisher müssen Antragsteller oft bei mehreren Behörden die gleichen Daten abgeben. Abhilfe schaffen würde das Once-Only- Prinzip, das besagt, dass das nur einmal zu geschehen hat. Es soll nun gesetzlich im Sozialrecht verankert werden. Nach dem Vorbild von Digitalvorreiter Estland soll dazu eine zentrale Datenaustauschplattform für Behörden entstehen.

Vorangehen soll es auch auf internationaler Ebene. Das von der EU geplante European Digital Identity Wallet, also eine virtuelle Brieftasche, soll genutzt werden für die Speicherung und Vorlage von Nachweisen in allen Zweigen der Sozialversicherung. Auch die bei Tätigkeiten im europäischen Ausland benötigte A1-Entsendebescheinigung soll sich in Zukunft digital abrufen lassen. Mit ihr weisen beispielsweise Dienstreisende nach, dass sie in ihrem Heimatland versichert sind.

Zu den erklärten Zielen gehört auch der Verzicht auf die Pflicht, Dokumente handschriftlich zu unterzeichnen. Hier sieht die Strategie aber erst mal nur eine Prüfung vor, was überhaupt möglich ist. Überhaupt nennt sie außer dem Ziel 2030 keinen genauen Zeitrahmen für die Umsetzung der beschriebenen Vorhaben. Gemein ist vielen von ihnen jedoch eins: Sie sollen die Beschäftigten entlasten und mehr direkte Kontakte zu den Bürgern ermöglichen. Das betont denn auch Arbeitsminister Heil: „Es ist ein wichtiger Beitrag, das Vertrauen der Menschen in den Sozialstaat zu stärken.“

Genau das hatte der Normenkontrollrat in seinem Gutachten angemahnt: Harmonisierte, digital und einfach zugängliche Sozialleistungen seien nötig, „um die Handlungsfähigkeit der Sozialleistungsverwaltung sicherzustellen und das Vertrauen der Menschen in den Staat zu stärken“.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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