In den WhatsApp-Gruppen der CDU laufen nach der Ankündigung des Milliardenpakets durch Friedrich Merz und die sich anbahnende schwarz-rote Koalition hitzige Debatten. „Merkel 2.0“, „verheerend“, „Wahnsinn“ sind nur einige der Kommentare der Konservativen in der Partei, die von ihrem Idol Merz abrücken.
Dabei mehren sich Zweifel am Verhandlungsgeschick von Friedrich Merz. Dass der CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat plötzlich mit einem 900-Milliarden-Schuldenpaket der SPD so weit entgegengekommen ist, ohne in dem Beschlusspapier auch eigene Unionsforderungen wie Steuersenkungen oder die Begrenzung der Migration zumindest zu thematisieren, halten manche für ein „Verhandlungsdesaster“. Der JU-Vorsitzende Johannes Winkel spricht öffentlich von einer „deutlichen Niederlage“ für die Union.
In der Schaltkonferenz des Präsidiums am Dienstagabend gab es erstmals seit Monaten auch Kritik an Merz. Treue Merz-Unterstützer wie Julia Klöckner, Silvia Breher oder Christina Stumpp monierten, dass sie dieses Ergebnis ihren Wählern kaum erklären könnten, wenn sich die Union beim Thema Migration und Wettbewerbsfähigkeit jetzt nicht auch durchsetzen sollte. Dabei geht es CDU-Kreisen zufolge um dauerhafte Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylbewerbern, eine ernsthafte Prüfung des Drittstaatsverfahrens und ein Update des EU-Türkei-Abkommens.
Merz wiederum verteidigte sein Vorgehen. Er begründete die Kehrtwende in der Finanzpolitik auch damit, dass Donald Trump den Austritt der USA aus der Nato erklären könnte. Dazu kam es in Trumps Rede vor dem US-Kongress allerdings nicht. Über die SPD äußerte sich Merz mehreren Teilnehmern zufolge kritisch, die Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil seien „kein Gespann“, der Generalsekretär Matthias Miersch habe keine Verhandlungsmacht. Merz hob die Rolle von Anke Rehlinger und Manuela Schwesig hervor. Die SPD-Ministerpräsidentinnen hatten angeblich am Montagabend in den Verhandlungen auf eine generelle Reform der Schuldenbremse gepocht, wonach es kurzzeitig zu einer Unterbrechung der Sondierungen kam. Am Ende setzte sich die SPD damit durch, eine Kommission soll nun eine Reform vorschlagen, die bis Ende 2025 umgesetzt werden soll. Merz legte dies in der Fraktionssitzung allerdings anders aus und sprach Teilnehmern zufolge davon, dass „die Schuldenbremse darüber hinaus nicht zur Disposition“ stehe. Weitere Modifikationen müssten noch besprochen werden.
Der Unions-Kanzlerkandidat drückt aufs Tempo. Die Verhandlungen über die Finanzen wollte Merz unbedingt vor dem EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel (und CSU-Chef Markus Söder auch vor dem politischen Aschermittwoch) beenden. Laut Zeitplan sollen die Sondierungen nun Freitagabend beendet sein. Die Themen Migration, Bürgergeld und Wirtschaft stünden noch aus, heißt es bei den Verhandlern. Am 13. März sollen die Gesetzesänderungen für das Sondervermögen und die Schuldenbremse in erster Lesung im Bundestag diskutiert werden, am 18. März die zweite und dritte Lesung stattfinden. Der Bundesrat könnte am 21. März abstimmen.
In der Wirtschaft und bei den Fachleuten sind die Reaktionen gemischt. Während die Wirtschaftswissenschaftler Monika Schnitzer, Michael Hüther oder Moritz Schularick die Maßnahmen loben, um Deutschland zu sanieren, kritisieren die Ökonomen Veronika Grimm oder Lars Feld fehlende Strukturreformen und Anpassungen im Haushalt. Auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall und die Familienunternehmen sehen die massive Schuldenaufnahme kritisch. Die Deutsche Bank dagegen sprach in einer Analyse von einem „historischen Whatever-it-takes-Moment“. Manche in der CDU hatten den im Wahlkampf angekündigten Politikwechsel allerdings anders verstanden.