50.000 Unternehmen statt 12.000 – so viele Betriebe sind europaweit künftig zur nicht-finanziellen Berichterstattung verpflichtet. So hat es die EU Ende 2022 beschlossen, um den Kontinent weiter in Richtung Nachhaltigkeit zu treiben. Die Bundesregierung muss diese Richtlinie, die „Corporate Sustainability Reporting Directive“, kurz CSRD, bis Anfang Juli in deutsches Recht überführen und hat jetzt das Verbändeverfahren gestartet.
Justizminister Marco Buschmann hält viele Änderungen für erforderlich. Vor allem im Handelsgesetzbuch, im Wertpapiergesetz und in der Wirtschaftsprüferordnung seien Eingriffe nötig, erklärte Buschmann in seinem Anschreiben. Nun arbeiten sich Verbände, Unternehmen und Wirtschaftsprüfer gerade durch sämtliche angepassten Paragrafen, die die 631 Seiten umfassende Synopse auflistet. Wie schnell die Kommentare zurückgeschickt werden – die Frist läuft am 19. April ab –, ist sehr verschieden. Einige große Industrieverbände wollen in Ruhe prüfen und sich vorläufig nicht äußern, so deren Auskunft. Anders Birgit Buth, Geschäftsführerin des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV). Sie begrüße die „vorgesehene 1:1-Umsetzung der CSRD“, warnt aber, dass zusätzliche bürokratische Belastungen „unter allen Umständen vermieden“ werden müssten. Richtig sei deshalb „die weitgehende Verknüpfung der Berichtspflichten des Lieferkettengesetzes und der CSRD“.
Nicolette Behncke, Partnerin bei PwC, hält es für „eine deutsche Besonderheit und eine kleine Überraschung“, dass CSRD-Anwender von der Berichtspflicht nach dem Lieferkettengesetz befreit sind. Insgesamt erwartet sie „eher wenig Kritik“ von den Unternehmen, da sich der Entwurf eng an der EU-Vorgabe orientiere. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft, glaubt, dass das Gesetz in dieser Form „für einen Aufbau von Nachhaltigkeits-Knowhow in den Unternehmen“ sorgt. Sie befürchtet allerdings, dass die Prüfung der Berichte zu einer „Exklusivdomäne der Big Four“ werden könnte. Hintergrund: Schon im vergangenen Herbst hatten sich technische Sachverständige wie der TÜV und Dekra übergangen gefühlt und dagegen beim Justizministerium protestiert.
Die Vorgängerregelung der CSRD betraf in Deutschland bislang rund 500 Konzerne. Sie müssen die CSRD erstmals für das Geschäftsjahr 2024 anwenden. Folgen sollen dann alle im bilanzrechtlichen Sinne großen Unternehmen sowie kleine und mittlere, die kapitalmarktorientiert sind. Voraussichtlich steigt ihre Zahl in Deutschland auf rund 15.000. Wenn sie vergleichbare Daten erheben und nach einheitlichen Standards berichten, wird das einiges kosten. Das Ministerium rechnet mit einem Aufwand von einmalig 748 Millionen Euro und jährlichen Ausgaben von 1,4 Milliarden Euro für alle berichtspflichtigen Unternehmen. Das Gesetz sieht eine stufenweise Einführung bis spätestens 2028 vor.
Um die Unternehmen zu entlasten, hat die EU die Annahme der noch fehlenden Standards bis Sommer 2026 ausgesetzt. Ursprünglich war das für Juni 2024 terminiert. Allerdings gibt es auch Kritik. In einem gemeinsamen Schreiben an den Bundesjustizminister forderten Umweltverbände und NGOs einen „Neustart“. Das Deutsche Rechnungslegungs-Standards Committee (DRSC), das den europäischen Prozess im Auftrag der Bundesregierung begleitet, vertrete „nur einen Bruchteil“ der berichtspflichtigen Unternehmen und benachteilige „weniger finanzstarke“ Firmen.
Den Referentenentwurf zu CSRD finden Sie hier.