Analyse
Erscheinungsdatum: 05. August 2024

Die Ampel und ihr Haushalt: Warum die Koalition mehr trennt als fünf Milliarden Euro 

Der Streit ums Geld ist das eine; das schwindende Vertrauen in das, was mal Koalitionspartner waren, ist das andere. Im neuen Konflikt um fünf Milliarden geht es nicht mehr nur ums Geld.

Die reine Zahl kann es eigentlich nicht sein. 5 von 480 Milliarden Euro – das sollte keine Größenordnung sein, um eine Koalition aus den Angeln zu heben. Und doch zeigen die letzten Tage, wie klein bei SPD, Grünen und FDP die Fähigkeit zu echter Kooperation geworden ist. Während der eine, Finanzminister Christian Lindner, zwei kritische Gutachten zu einzelnen Haushaltsfragen nutzt, um seine eigene Position öffentlichkeitswirksam zu untermauern, wettern die anderen mit einer Verve gegen den Liberalen, dass man vermuten könnte, sie hätten nur darauf gewartet, ihrem Frust auf den FDP-Parteichef Raum zu geben. Die Sommerpause ist noch nicht vorbei; trotzdem stehen sich Rote, Grüne und Gelbe schon gegenüber, als würden sie nicht mehr mit-, sondern nur noch gegeneinander arbeiten.

Die Schärfe der Reaktionen ist nicht das wichtigste Zeichen für den internen Vertrauensverlust. Zumal Insider darauf verweisen, dass Saskia Esken und Kevin Kühnert, die aktuell Lautesten im Streit mit Lindner, in der Regel nicht alle Volten und erst recht nicht alle Kommunikationsstränge zwischen Olaf Scholz, Robert Habeck und Lindner kennen (können). Deswegen ist es möglich, dass sie das Fehlen von Absprachen kritisieren, obwohl es offenbar Vorabinformationen gegeben hat.

Als gravierender könnte sich der neuerliche Vertrauensverlust in der Koalitionsspitze erweisen. Das ist am Montag in Koalitionskreisen deutlich zu vernehmen: Lindner habe im Alleingang, zum eigenen Nutzen und zum Schaden des Ganzen gehandelt – so lauten im Kern die Vorwürfe von denen, auf die es im engsten Kreis ankommt. Das verursacht besondere Schmerzen, weil Scholz, Habeck und Lindner unmittelbar vor der Sommerpause bewusst noch einmal versucht hatten, den Ampel-Kritikern geschlossen entgegenzutreten. Vor allem jene, die in den Reihen der Grünen und der Sozialdemokraten immer wieder versucht haben, die Brücke zur FDP nicht einstürzen zu lassen, fühlen sich von Lindner düpiert.

Insbesondere die Genossen sind auf der Palme. Dass der Finanzminister nur die Einschätzung seines ökonomischen Beirates lancierte und die nicht unkritische, aber differenziertere Expertise des Rechtsexperten Johannes Hellermann zurückgehalten hat, wird als grobes Foulspiel gewertet. „Das war professionell aufgezogen“, heißt es. Entsprechend zornig fielen die Reaktionen von Fraktionschef Rolf Mützenich („unverantwortlich und einmalig“) und Saskia Esken („Grenze des Erträglichen überschritten“) aus. „Mit Einzelmeinungen vorzupreschen ist dabei der falsche Weg“, sekundierte auch Fraktionsvize Achim Post.

Und doch wollen sich Partei und Fraktion jetzt erst einmal zurückhalten. Verbunden mit der anhaltenden Erwartung an Lindner, einen tauglichen Entwurf vorzulegen. Nicht minder, auch das wird zwischen den Zeilen deutlich, ist die Erwartung an den Kanzler: Er soll seine Autorität endlich einbringen, um dem Finanzminister einen für die Sozialdemokraten akzeptablen Vorschlag abzuringen. Ein Vorschlag soll es sein, der auf weitere Kürzungen im Sozialbereich oder ein späteres Rentenalter verzichtet. Insbesondere in der Fraktion, und Vormann Rolf Mützenich hat es bereits mehrfach öffentlich kritisiert, ist man es zudem leid, auf Arbeitsebene die wiederkehrenden Regierungs-Dissonanzen auszubügeln.

Die Liberalen ihrerseits staunen über den Glauben der Partner, man könne gegenüber dem Verfassungsgericht nochmal mit halbgaren Rechnungen bestehen. Exakt dieses Halbgare, so heißt es jetzt in der FDP und bei Lindner-Vertrauten, sei durch die Gutachten zutage getreten. Deshalb sei dem Finanzminister gar nichts anderes übriggeblieben, als früh und klar zu sagen, dass man nun neue Wege finden müsse. Und nicht nur das: Lindner und seine Leute staunen nicht schlecht über die Risikobereitschaft von Scholz und Co., obwohl das Bundesverfassungsgericht der Ampel gerade bei Haushaltsmanövern schon einmal die rote Karte gezeigt hat.

Bis Mitte August soll, wie verabredet, der Regierungsentwurf an die Haushälter des Bundestages versandt werden. Der daueroptimistische Achim Post glaubt an eine Verständigung in den nächsten Tagen. Die noch offene Lücke von rund fünf Milliarden Euro zu schließen, erscheine als „keine unlösbare Aufgabe“. Nach den letzten Tagen ist man geneigt zu sagen: mal schauen.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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