Analyse
Erscheinungsdatum: 30. August 2023

Berlin fordert EU-Aktionsplan zum Bürokratieabbau

Die Bundesregierung will abgestimmt mit Paris auf einen ehrgeizigen Abbau von Verwaltungslasten drängen. Vertreter von CDU und CSU reagieren mit deftiger Kritik, die Wirtschaft pocht auf Taten.

Die Bundesregierung will gemeinsam mit Frankreich auf größere Anstrengungen zum Bürokratieabbau auf EU-Ebene drängen. Man fordere die EU-Kommission auf, „einen ehrgeizigen Aktionsplan für kurzfristig umsetzbare Beschleunigungs- und Entlastungsmaßnahmen auszuarbeiten“, heißt es in einem Diskussionspapier für die Kabinettsklausur in Meseberg. Zudem brauche es für die kommenden Jahre eine ambitionierte Agenda, wie wichtige Investitionsvorhaben beschleunigt und Unternehmen und Verwaltungen entlastet werden könnten.

Das Papier stammt aus der Feder von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) und soll am Mittwoch in Meseberg beschlossen werden. Dort will die Ampel-Koalition auch die Eckpunkte eines weiteren nationalen Bürokratie-Entlastungsgesetzes verabschieden. „In Deutschland ist über die Jahrzehnte ein regelrechtes Bürokratie-Dickicht entstanden, das nur noch schwer zu durchdringen ist“, heißt es in einem gestern vorgelegten Zehn-Punkte-Papier für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Viele Regelungen aber hätten ihren Ursprung in Brüssel, meinen die Koalitionspartner. Daher wolle man entsprechende Äußerungen von Präsident Emmanuel Macron aufgreifen und „eine deutsch-französische Bürokratieentlastungsinitiative in der EU starten“. Diese könne der Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Welt einen Schub bringen und sei zugleich von geostrategischem Interesse. Man sei dazu in Kontakt mit Paris, heißt es in der Bundesregierung.

Macron hatte sich im Mai für eine Regulierungspause ausgesprochen, um die Industrie nicht zu überlasten. Der belgische Premier Alexander De Croo stieß etwas später ins gleiche Horn. Die EVP und dort insbesondere CDU/CSU drängen schon länger auf ein Belastungsmoratorium. So weit geht das von Habeck mit erarbeitete Papier aber nicht: „Wir wollen Beschleunigung und Entlastung schaffen, ohne auf notwendige Schutzstandards zu verzichten “, heißt es dort.

Habeck will vielmehr den Umstieg auf klimafreundliche und digitale Technologien erleichtern und zugleich der wachsenden Kritik aus der Wirtschaft an lähmenden Vorschriften begegnen. Eine ähnliche Stoßrichtung haben auch jüngste Vorstöße der EU-Kommission wie der Net-Zero Industry Act, der die Planungs- und Genehmigungsverfahren für grüne Investitionen in den Mitgliedstaaten beschleunigen soll.

Zudem hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Wettbewerbsfähigkeitsstrategie angekündigt, ein Viertel der durch EU-Vorgaben verursachten Berichtspflichten für Unternehmen beseitigen zu wollen. Ein Kommissionssprecher sagte auf Anfrage, die ersten Vorschläge im Herbst zielten auf die Bereiche Green Deal, Digitales und Wirtschaft.

Von der Leyen hatte zudem eine „One-in-one-out“-Regel verankert. Sie besagt, dass zusätzliche Lasten durch neue Kommissionsvorschläge durch Entlastungen im gleichen Politikbereich kompensiert werden sollen. Die Behörde werde dazu in ihrem Annual Burden Survey erstmals berichten, sagte der Sprecher. Mitte September will die Kommission zudem ein Entlastungspaket für kleine und mittelgroße Unternehmen vorlegen. Und sie hat den neuen Green-Deal-Koordinator Maroš Šefčovič beauftragt, das Gespräch mit Stakeholdern zu suchen.

Bei CDU/CSU wird aber bezweifelt, dass Habeck und Buschmann es wirklich ernst meinen. „Man muss den beiden Bundesministern dazu gratulieren, dass sie scheinbar endlich verstanden haben, dass die bürokratischen Belastungen für unsere Wirtschaft inzwischen ein teils unerträgliches Ausmaß erreicht haben“, ätzte Daniel Caspary, der Vorsitzende der CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Markus Ferber, kommentierte: „Die Ampel-Parteien haben in Brüssel noch jedes Mal die Hand gehoben, wenn über neue Bürokratiemonster wie ein europäisches Lieferkettengesetz oder vollkommen ausufernde Nachhaltigkeitsberichterstattung abgestimmt wurde.“ Überdies würden EU-Gesetze in Deutschland regelmäßig so umgesetzt, dass sie mehr Aufwand als nötig für die Unternehmen verursachten.

Freya Lemcke, Leiterin der DIHK-Vertretung bei der EU, verwies darauf, dass eine Vielzahl an Regelungen wie die REACH-Verordnung, die Verpackungsrichtlinie oder Medizinprodukteverordnung von unnötiger Bürokratie befreit werden könnten. Zudem solle die „One-in-one-out“-Regel auf europäischer Ebene künftig konsequent von allen an der Gesetzgebung beteiligten Institutionen angewendet werden. „Gerade der Mittelstand setzt daher große Hoffnungen in die aktuellen Initiativen der Bundesregierung und der EU-Kommission“, sagte sie.

Konkret schlagen Buschmann und Habeck eine Reihe von Maßnahmen vor:

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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