Analyse
Erscheinungsdatum: 09. März 2025

Arbeit und Soziales: Was Union und SPD planen

Bürgergeld, Rente, Arbeitszeit: CDU/CSU und SPD haben sich in mehreren Bereichen geeinigt. Viele Punkte waren schon unter der Ampel-Koalition vorgesehen.

Sozialleistungen wolle man zusammenfassen und besser aufeinander abstimmen, schreiben die Parteien in ihrem Sondierungspapier. Fachleute kritisieren schon lange, dass es neben dem Bürgergeld als offiziellem System der Grundsicherung ein zweites gibt in Form von Wohngeld und Kinderzuschlag. Je nachdem, wie viel man verdient und wie viel Miete man zahlt, rutschen Menschen zwischen beiden Systemen hin und her. Union und SPD planen nun eine Zusammenführung von Wohngeld und Kinderzuschlag. Das wäre ein Fortschritt, würde das grundlegende Problem aber nicht lösen.

Des Weiteren heißt es in der Vereinbarung „großangelegter Sozialleistungsmissbrauch" müsse beendet werden. Laut der aktuellen Jahresbilanz der BA kommen schwerwiegende Fälle jedoch „in Relation zu allen leistungsberechtigten Personen (...) eher selten vor“. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit soll gestärkt werden, um härter gegen Schwarzarbeit vorgehen zu können. Schon die Ampel wollte Leistungsbeziehern, die dabei erwischt werden, das Bürgergeld kürzen. Wegen der Natur der Sache sind entsprechende Nachweise allerdings nicht leicht und auch die Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Zollverwaltung nicht immer reibungslos.

Das erst 2023 eingeführte System soll umgestaltet werden zu einer „neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende“. Der sogenannte Vermittlungsrang wird wieder eingeführt für „Menschen, die arbeiten können“. In der Vergangenheit bedeutete das häufig, dass jede Arbeit angenommen werden muss, auch wenn sie für die suchende Person nicht passend ist. Für diejenigen, die aufgrund von „Vermittlungshemmnissen“ keinen Zugang zum Arbeitsmarkt finden, soll der Fokus auf Qualifizierung liegen. Das ist ein Widerspruch, denn genau die Menschen, die offiziell als „erwerbsfähig“ eingestuft sind, finden bisher in vielen Fällen keine Stellen eben aufgrund solcher Hemmnisse wie Krankheiten oder Sucht, aber auch fehlenden Abschlüssen.

Sanktionen sollen verschärft und Leistungen komplett gestrichen werden für „Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern“. Ersteres plante auch die Ampel-Koalition: Bei Ablehnung einer „zumutbaren“ Beschäftigung sollte der Regelsatz für drei Monate, beim Versäumen eines Jobcenter-Termins für einen Monat um 30 Prozent gekürzt werden – statt wie bisher staffelweise um 10 bis 30 Prozent für ein bis drei Monate. Höhere Sanktionen hat das Bundesverfassungsgericht verworfen und einer Komplettstreichung enge Grenzen gesetzt.

Diese ist bereits seit Anfang 2024 möglich: Wer innerhalb eines Jahres schon mal wegen Ablehnung einer Stelle sanktioniert wurde und noch mal Nein sagt, bekommt maximal zwei Monate lang keinen Regelsatz mehr. Die Kosten der Unterkunft und Heizung sind gemäß Vorgaben aus Karlsruhe aber davon ausgenommen, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Abgesehen davon, dass die Zahl der sogenannten Totalverweigerer sehr gering ist, ist der rechtliche Rahmen so eng, dass es in der Praxis kaum Komplettstreichungen geben dürfte.

Anfang Dezember antwortete die Bundesregierung denn auch auf eine entsprechende Frage des FDP-MdB Jens Teutrine, ihr lägen hierzu „keine validen, vollständigen Daten für alle Jobcenter vor“. Laut Bundesagentur für Arbeit gab es zwischen Januar und Oktober 2024 in 18.607 Fällen Sanktionen, weil jemand die „Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses“ abgelehnt beziehungsweise abgebrochen hat.

Das derzeitige Rentenniveau von 48 Prozent wird gesichert und die Möglichkeit zum abschlagsfreien Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren („Rente mit 63“) bleibt erhalten. Das Renteneintrittsalter wird nicht erhöht. Wie schon von der Ampel vorgesehen soll sowohl die betriebliche als auch die private Altersvorsorge reformiert werden – mit dem Ziel, mehr Menschen eine zusätzliche Absicherung zu bieten. Außerdem sollen finanzielle Anreize zu längerem Arbeiten führen: Wer im Rentenalter bis zu 2.000 Euro verdient, müsste dann keine Steuern mehr zahlen. Mehr hinzuverdienen könnten den Plänen zufolge auch Bezieher von Hinterbliebenenrente, derzeit beträgt der Freibetrag für sie 1.038,05 Euro (netto).

Neue Selbstständige, die nicht wie Landwirte und Angehörige von Kammerberufen schon verpflichtend versichert sind, sollen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Laut Deutscher Rentenversicherung betrifft das mehr als zweieinhalb Millionen Personen. An der Stelle ist das Papier nicht ganz eindeutig, da es schon im Satz darauf heißt, dass andere Formen der Altersvorsorge, „die eine verlässliche Absicherung (...) gewährleisten“, weiter möglich bleiben. Wie von der CSU gefordert kommt die sogenannte Mütterrente III. Für vor 1992 geborene Kinder werden Eltern bislang nur bis zu zweieinhalb Jahre Kindererziehung angerechnet, für danach geborene Kinder bis zu drei Jahre. Künftig soll es die drei Rentenpunkte für alle geben.

Über die von der Union in ihrem Wahlprogramm vorgeschlagene „Frühstart-Rente“ heißt es nur, sie soll Gegenstand der Koalitionsverhandlungen werden. Das Konzept sieht vor, dass der Staat für Kinder zwischen 6 und 18 Jahren pro Monat zehn Euro in ein kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot einzahlt. Anschließend könnte jeder in sein Depot bis zum Renteneintritt selbstständig weiter einzahlen und würde das Geld nicht vor Erreichen der Regelaltersgrenze ausgezahlt bekommen.

Es soll die „Möglichkeit“ einer wöchentlichen statt wie bisher einer täglichen Höchstarbeitszeit geben. Bisher liegt das Limit bei acht Stunden. Es kann aber auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, „wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden“. Die geltenden Ruhezeitregelungen – 11 Stunden für Erwachsene, 12 Stunden für Jugendliche – bleiben unberührt. Schon im Koalitionsvertrag der Ampel waren Flexibilisierungen und eine „begrenzte Möglichkeit“ zur Abweichung von der Tageshöchstarbeitszeit vereinbart. Diese kamen am Ende wegen Widerstand aus der SPD jedoch nicht.

Auf Überstunden sollen keine Steuern gezahlt werden müssen. Das Problem: Schon bisher sind die meisten Überstunden unbezahlt. Laut IAB waren es 2024 637,6 Millionen im Vergleich zu 552,3 Millionen bezahlten. Pro Arbeitnehmer waren es 15,1 unbezahlte und 13,1 bezahlte. Zahlen Arbeitgeber künftig eine Prämie, damit ihre Beschäftigten mehr arbeiten, soll diese steuerlich begünstigt werden.

Die Mietpreisbremse soll um zwei Jahre verlängert werden, also bis 2027. Das wäre ein Rückschritt im Vergleich zu den Plänen der noch amtierenden Bundesregierung. Im Ampel-Koalitionsvertrag stand 2029, nach einer langen Blockade der FDP war in einem Kompromiss zwischenzeitlich zumindest von 2028 die Rede. Der soziale Wohnungsbau soll ausgebaut werden.

Das schon länger geplante Tariftreuegesetz soll kommen und der Mindestlohn sich 2026 auf 15 Euro zubewegen. Als einheitliche Ansprechpartnerin für ausländische Fachkräfte ist eine „digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung“ geplant, geprüft wird zudem ein „jährliches Familienbudget für Alltagshelfer“ zur Entlastung im Haushalt. Die Barrierefreiheit, bei der Deutschland nicht nur hinterherhinkt, sondern gegen internationale Vorgaben verstößt, soll ausgebaut werden. Menschen mit Behinderungen sollen stärker gefördert werden, um auf dem Arbeitsmarkt statt nur im umstrittenen Werkstätten-System Fuß fassen zu können. Die Mitbestimmung in Unternehmen soll „weiterentwickelt“ werden. Die Ampel wollte etwa gegen die Behinderung von Betriebsräten vorgehen und Gewerkschaften ermöglichen, auch digital für sich zu werben. Nichts davon wurde umgesetzt.

Anmerkung: In einer früheren Fassung stand fälschlicherweise, dass bei der Mütterrente zweieinhalb beziehungsweise drei Jahre Erziehungszeit angerechnet werden. Richtig ist: Es sind bis zu zweieinhalb beziehungsweise drei.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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