Freiwillig oder per Ordnungsrecht – das ist ein Dauer-Streitthema in der politischen Debatte in Deutschland, wenn es um die Umsetzung von mehr Naturschutz in Agrarlandschaften geht.Landwirte-Kooperativen für Agrar-Biodiversität nach dem niederländischen Vorbild stimmen die Streithähne und -hennen allerdings versöhnlich. Das wird auf dem diesjährigen Agrarkongress des Bundesumweltministeriums (BMUV) in Berlin deutlich.
„Wir sehen darin, einen möglichen Gamechanger“, sagte Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband (DBV) am Dienstag während es Agrarkongress. Die Finanzierung müsse einzelbetrieblich oder standortspezifisch kalkuliert werden, wenn Landwirte damit Geld verdienen können sollen, forderte Pingen. Seit dem Jahr 2016 gibt es in den Niederlanden 40 agrarische Gebietsvereine, sogenannte Kollektive, die von Bauern selbst geführt werden. Ihre Mitglieder, gut 9.000 Bauern und andere Bodenbesitzer, setzen Agrarumweltmaßnahmen innerhalb der 2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) auf insgesamt 78.000 ha um. Der Reiz, einem Kollektiv beizutreten, liegt auch darin, dass diese quasi als Subventionsempfänger funktionieren und den bürokratischen Prozess für einen finanziellen Ausgleich über die 2. Säule der GAP abwickeln. Im Gegenzug zahlen die Landwirte einen Teil der Fördersumme an die kooperativen Dienstleister.
Das BMUV ist grundsätzlich offen für diesen Ansatz, will aber eigene Akzente setzen. „Den Grundgedanken, naturschutzfachliche Ziele in Zusammenarbeit verschiedener landwirtschaftlicher Betriebe, zu verfolgen, halten wir für sehr unterstützenswert“, sagte Jochen Gebauer, BMUV-Abteilungsleiter Naturschutz, zu Table.Briefings. „Prioritär wäre für uns unter dem Aspekt der Sicherung einer langfristig nachhaltigen Landbewirtschaftung beispielsweise der Insektenschutz, der Schutz von Vögeln, weil hier viele Arten Schirmarten darstellen, deren Schutz somit auch das Überleben der Lebensgemeinschaften in Ökosystemen sichert sowie der Schutz von Bodenorganismen als Grundlage für gesunde Böden. Den müssen wir noch viel mehr in den Fokus rücken“, so Gebauer weiter.
In Deutschland gibt es bereits zwei Pilotprojekte MoNaKo und Kombi, um in verschiedenen Bundesländern zu testen, wie kooperativer Agrarnaturschutz gelingen kann. Für Letzteres hat der WWF die Projektleitung inne. „Vertrauen ist der Grundbaustein, damit kooperative Lösungen funktionieren“, sagte Julia Vogel, Kombi-Projektleiterin beim WWF, am Rande des Agrarkongresses zu Table.Briefings. Nur mit Beinfreiheit und Flexibilität, anstelle von starren, teils widersprüchlichen Vorgaben gelinge das. Vogel sieht Vorteile für Landwirte und Naturschutz. „Die Betriebe profitieren von der engen naturschutzfachlichen Begleitung. Die Beratung gibt ihnen Sicherheit bei der Planung und Umsetzung der Maßnahmen, das Sanktionsrisiko wird geringer.“ Derzeit werden Kooperativen allerdings nur in drei Bundesländern gefördert: Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.
Eine Datenbasis zum naturschutzfachlichen Erfolg der niederländischen Landwirte-Kooperativen steht bislang allerdings noch aus. „Wir haben von Henny Hartmann gehört, dass es auch nach knapp zehn Jahren noch keine ganz aussagekräftige Datenbasis über die naturschutzfachliche Wirkung gibt. Es scheint aber in die richtige Richtung zu gehen, und das ist schon mal ein Vorteil“, gibt BMUV-Abteilungsleiter Gebauer daher zu Bedenken. „Außerdem habe ich den Eindruck, dass sehr viel von der Art der naturschutzfachlichen Beratung und dem Engagement derjenigen Personen abhängt, die den Laden quasi zusammenhalten und darauf achten müssen, dass vereinbarte Ziele eingehalten werden.“ Das sicherzustellen, würde für Gebauer auch in Deutschland eine zentrale Rolle spielen. has