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Erscheinungsdatum: 31. Oktober 2024

Global Gateway: Eine transformative Alternative zu Chinas Neuer Seidenstraße dringend nötig

Der neue Ansatz der EU-Kommission für Internationale Partnerschaften könnte einen radikalen Wandel in der Entwicklungszusammenarbeit nach sich ziehen. Während Investoren bereits potenzielle Gewinne wittern, warnen NGOs vor dem Verlust einer fairen Entwicklungspolitik. Die Debatte hält Udo Bullmann für oberflächlich und erklärt, wie eine „neue ökonomische Außenpolitik“ inhaltlich ausgestaltet werden müsste.

Josef Síkela, ein ehemaliger tschechischer Banker, soll im neuen Mandat Kommissar für Internationale Partnerschaften werden. Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat für ihn bereits einen Missionsbrief verfasst, in dem sie eine grundlegende Kursänderung für die Entwicklungspolitik der EU beschreibt.

Um die erwünschte „neue ökonomische Außenpolitik“ zu fundieren, sollen die Mittel für die Global-Gateway-Initiative aufgestockt werden. Im Fokus dabei: die ökonomischen Eigeninteressen Europas. Ein Konzept, so die Lesart, das ebenfalls dem Wunsch der Entwicklungsländer nach mehr wirtschaftlicher Prosperität entspricht. Jozef Síkela, der bei der österreichischen Erste Group erfolgreich aufgestiegen ist, scheint mit seinem beruflichen Hintergrund wie geschaffen für den Job.

Schon heute ist ein zunehmend wachsender Anteil des 79,5 Milliarden Euro schweren siebenjährigen Topfs für Entwicklungspartnerschaft für Global-Gateway-Projekte vorgesehen. Die bisherigen Erfolge sind allerdings fragwürdig, wirtschaftlich wie entwicklungspolitisch, so das Fazit einer aktuellen Studie von Oxfam, Counterbalance und Eurodad.

Kein Zweifel, Infrastrukturinvestitionen spielen in vielen Entwicklungsländern eine entscheidende Rolle bei der Förderung integrativen Wachstums, der Verringerung der Armut und der Minderung von Ungleichheiten. Dennoch sind nicht alle Investitionen immer vorteilhaft für alle, wie die eklatante Ungleichverteilung des Reichtums und die fortschreitende Verarmung weiter Teile des Globalen Südens unterstreicht.

Statt alte Fehler zu wiederholen und auf vermeintliche Trickle-down-Erfolge zu setzten, sollte sich eine ehrliche Diskussion deshalb lieber auf die folgenden Fragen konzentrieren:

Führt die proklamierte Investitionsorientierung in der Tat zu einer Vertiefung nachhaltiger Wertschöpfungsketten in den Partnerländern oder kaschiert sie lediglich den Hunger des Nordens nach kritischen Rohstoffen vor dem aktuellen geopolitischen Hintergrund? Eine ernsthaft am gegenseitigen Nutzen orientierte Strategie wird ohne eine Stärkung der Schlüsselfaktoren Bildung und Gesundheit kaum auskommen. Kollektive Güter zugunsten breiter Bevölkerungsschichten, die Bekämpfung von Klimawandel und Ungleichheit sind es, die aus privatwirtschaftlichen wie öffentlichen Investitionen erst gesellschaftliche Erfolge und soziale Stabilität erwachsen lassen. Beides sind dringend benötigte Voraussetzungen, um eine eigenständige und nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen.

Bleibt die Nachhaltigkeitsstrategie 2030 der UN die zentrale Kompassnadel, die mit Global Gateway effektiver wird oder läutet die „neue ökonomische Außenpolitik“ eine Abkehr davon ein? Die Antwort auf diese Frage kann nicht durch verbale Bekenntnisse gegeben werden. Sie ist in der Konzeption der Projektlinien und den Modalitäten ihrer Umsetzung angelegt. Sind die Projekte anschlussfähig im Sinne einer selbsttragenden Entwicklung unserer Partnerländer, werden zivilgesellschaftliche Akteure hinreichend einbezogen und gibt es – neben der einflussreichen aus Unternehmensvertretern bestehenden Business Advisory Group – eine Stärkung bislang randständiger parlamentarischer Beteiligung?

Gute Partnerschaftsarbeit muss man an ihren Ergebnissen messen können. Die scheidende EU-Kommission hat deshalb bereits Instrumente etabliert – insbesondere den Inequality Marker – die helfen, sicherzustellen, dass Investitionen den schwächeren Bevölkerungsgruppen zugutekommen. Diese Mechanismen müssen gestärkt und erweitert werden, auch weil eine Messbarkeit der Resultate den berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger in der EU entspricht.

Will Síkela Erfolg haben, braucht Global Gateway 2.0 eine auf nachhaltige Zukunft gestellte konzeptionelle Ausrichtung, mehr Transparenz und demokratischere Beteiligungsverfahren. Nur dann würde ein solcher Ansatz der EU im geopolitischen Kontext wirklich helfen, sich im Globalen Süden zu profilieren. Anstelle Chinas Einfluss mit einer europäischen Kopie hinterher zu eifern, würde Europa seine komparativen Vorteile dort ausspielen, wo sie liegen: in der Beförderung gesellschaftlichen Fortschritts, der auf Eigenkompetenz, integrativem Wachstum und sozialer Teilhabe beruht – Werte unseres europäischen Sozialmodells, die in weiten Teilen der Welt weiterhin für Hoffnung und Erwartung stehen.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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