Executive Summary
Erscheinungsdatum: 27. September 2025

Souveränität: Chip-Herstellung geht nicht national

Zu Gast im Table-Café: Infineon-CEO Jochen Hanebeck (Infineon)

Das Halbleitergeschäft funktioniert ohne die USA und China nicht. Einige für die Chipproduktion notwendige Anlagen können weltweit dafür ausschließlich hiesige Unternehmen liefern.

Wirtschaftliche Souveränität ist im Chipgeschäft keine Option. „Es gibt keine Autarkie in der Halbleiterindustrie“, sagt Infineon-Vorstand Jochen Hanebeck im Gespräch mit Table.Briefings. „Für kein einzelnes Land, weder für China noch für die USA, gibt es eine Chance, alle Segmente der Kette komplett zu besetzen. Was man erreichen kann, sind gegenseitige Abhängigkeiten.“

Obwohl die Chipproduktion weniger als 0,5 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) direkt ausmacht, trägt sie über Zulieferketten und Investitionen überproportional zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung bei. Deutscher Marktführer ist der Dax-Konzern Infineon Technologies, für den 2025 ein Jahresumsatz von 14,6 Milliarden Euro erwartet wird und der neue Werke plant. Mit zahlreichen mittelständischen Spezialisten hat Deutschland seine Rolle als Schlüssellieferant für Leistungshalbleiter und Sensorik zuletzt gefestigt.

Während der Corona-Pandemie wurde die große Bedeutung der Halbleiterindustrie deutlich: Im Zuge der weltweiten Chipkrise 2021 bis 2023 erlitt Deutschland laut ZVEI-Zahlen einen BIP-Verlust von rund 102 Milliarden Euro (2,4 Prozent des BIP 2021) aufgrund fehlender Halbleiter. Seitdem wurden über 15 Milliarden Euro an Fördermitteln in nationale Mikroelektronik-Projekte zugesagt.

„Silicon Saxony“ – der Standort Dresden entwickelt sich zum europäischen Chipzentrum. Auf der Produktionsebene markierten der Baubeginn der ESMC-Fabrik (Gemeinschaftsprojekt von TSMC, Bosch, Infineon, NXP) im August 2024 mit einem Investitionsvolumen von mehr als zehn Milliarden Euro und die Genehmigung für GlobalFoundries’ Erweiterung im Juni 2025 entscheidende Meilensteine für Europas Chip-Fertigungskapazitäten. Weitere wichtige Produktionsstandorte befinden sich in Erfurt (X-FAB), Regensburg und anderen Regionen.

“Die Kompetenz ist da.”
— Jochen Hanebeck

Deutschland verfügt über eine kritische Masse in der Halbleiterfertigung, die auf jahrzehntelanger Expertise beruht. „Die Kompetenz ist da“, betont der Infineon-CEO. Mit dem neuen Fabrikprojekt in Dresden – ein Ökosystem, das inklusive Zulieferern bis 2030 insgesamt 100.000 Arbeitsplätze schaffen soll – steht die Branche exemplarisch für Deutschlands Ambitionen, im globalen Technologiewettbewerb zu bestehen.

Die deutschen Stärken liegen vor allem in der Leistungshalbleiter-Technologie, optischen Chips und Sensortechnik. In diesen Segmenten konkurriert Deutschland erfolgreich mit den USA und Japan, während asiatische Länder wie Taiwan und China hauptsächlich bei integrierten Schaltkreisen dominieren.

Mit Blick auf KI misst sich Hanebeck nicht direkt mit den großen Chipherstellern. „Wir liefern für KI-Datenzentren die Stromversorgungslösungen: vom Netz bis zum Prozessor. Das wird schon kommendes Jahr ein Milliardengeschäft für Infineon.“ Im KI-Markt sei natürlich Nvidia der Trendsetter, „und deswegen arbeiten wir in diesem Feld sehr eng zusammen.“ Gleiches gilt für den Bereich der fortgeschrittenen AI-basierten Roboter, wo Infineon und Nvidia gerade eine Partnerschaft eingegangen sind.

So wie Deutschland beim Thema Halbleiter auf die weltweiten Chiphersteller angewiesen ist, so sind die Chiphersteller auf Unternehmen des deutschen Mittelstands angewiesen. Um die neueste Generation von Mikrochips herzustellen, sind riesige Lithografie-Anlagen nötig. Das deutsch-niederländische Konsortium um ASML, Trumpf und Zeiss ist bei dieser Schlüsseltechnologie der einzige Anbieter weltweit. Der Entwicklungsvorsprung wird auf fünf bis zehn Jahre geschätzt, und die Roadmap deckt einen noch deutlich längeren Zeitraum ab.

Damit die Branche international führend sein kann, benötigt es laut Hanebeck:

  • Entbürokratisierung: Genehmigungsverfahren für Fabrikneubau und Infrastrukturprojekte in Arbeits-, Bau- und Umweltrecht müssen drastisch beschleunigt werden. Statt 27 nationaler Umsetzungen der EU-Richtlinie zum AI-Act fordert Hanebeck „ein Level Playing Field, um Innovationshemmnisse zu beseitigen“.

  • Energiepolitik: Hanebeck will langfristig verlässliche Energiepreise sowie die Senkung von Stromsteuern und -abgaben. Das Halbleiterbusiness sei „eine sehr energieintensive Industrie“.

  • Kapital: Hanebeck betont, dass staatliche Förderinstrumente trotz mancherlei Vorbehalten „notwendig“ seien, um global ein Gleichgewicht herzustellen: „Wir bekommen ja auch Fördermittel für die beiden Fabriken.“

  • Strukturwandel: Um die notwendigen Kenntnisse in den Regionen aufzubauen, fordert er begleitende Qualifizierungsprogramme und regionale Ausgleichsmechanismen sowie eine Bildungsoffensive, die naturwissenschaftliche Kompetenzen früh fördert. „Das sind notwendige Transformationsprozesse, die sozialverträglich begleitet werden müssen.“

Die Branche kämpft mit einem erheblichen Fachkräftemangel: Rund 82.000 Stellen können deutschlandweit nicht besetzt werden. Der Personalmangel könnte die ambitionierten Ausbaupläne gefährden und erfordert verstärkte Anstrengungen bei Ausbildung und internationaler Rekrutierung.

Geht die Bundesregierung mit ihren vielschichtigen Ankündigungen in die richtige Richtung? „Am Ende zählt, was rauskommt – und nicht das, was nur in den Verlautbarungen steht“, sagt Hanebeck. Aus der Wirtschaft bestehe ein extremer Erwartungsdruck, insbesondere bei der Entbürokratisierung. „Was oft zunächst als ,low-hanging fruit’ erscheint, erweist sich in der Umsetzung dann als eine ,high-hanging fruit’.“

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Letzte Aktualisierung: 27. September 2025

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