Thema des Tages | Wahlkampf
Erscheinungsdatum: 26. September 2025

Politische Werbung: Warum eine kaum beachtete EU-Verordnung für großen Wirbel sorgen könnte

Wahlbotschaften in sozialen Netzwerken müssen künftig klar gekennzeichnet werden.
Elon Musk leistete vor der Bundestagswahl im Frühjahr Wahlkampfhilfe für die AfD – unbezahlt. (picture alliance/dpa | Jan Woitas)

Die TTPA-Verordnung soll transparent machen, wer hinter politischen Kampagnen steckt. Die neuen Vorschriften treten bald in Kraft, doch die meisten EU-Staaten sind darauf nicht vorbereitet. Dabei greifen die Regeln tief ein in den politischen Betrieb.

Die Abkürzung ist denkbar einfach: TTPA. Dahinter verbirgt sich eine EU-Verordnung, die in Deutschland und vielen anderen EU-Staaten kaum jemand auf dem Schirm hat, obwohl sie für Parteien, Verbände, NGOs und Werbetreibende große Konsequenzen haben kann. Es geht um die Transparenz politischer Werbung. Die EU hatte damit auf die Gefahr politischer Einflussnahme von innen und außen reagiert; ausgelöst durch die Affäre um das britische Unternehmen Cambridge Analytica, mit dessen Hilfe die Trump-Kampagne 2016 gezielt einzelne Wählergruppen auf Facebook ins Visier nahm.  

Derartige Kampagnen gibt es längst auch in EU-Ländern. Doch die regulatorische Antwort hat womöglich unbeabsichtigte Folgen. Die Verordnung „Transparency and Targeting of Political Advertising“ soll alle, die mit politischer Werbung arbeiten, zu Transparenz zwingen. Ob nun in Zeitungen, im Fernsehen, auf Social Media oder in digitalen Medien. Es handelt sich im Kern um eine umfassende Offenlegungspflicht derjenigen, die solche Werbung schalten, seien es nun politische Parteien, Verbände, NGOs oder Einzelpersonen.  

Dabei geht es um Namen, Ziele und Finanzen. Die Verordnung sieht vor, dass bei jeder politischen Werbung erkennbar werden muss, wer der Sponsor oder Financier ist; wie hoch die Finanzierung ist; welchen Zweck die Anzeige verfolgt, sei es nun eine Einflussnahme auf Wahlen, Regulierungen der EU oder Gesetzgebungsverfahren in einem Mitgliedsland; wer die Werbung erstellt hat; zu welcher Kampagne sie gehört; wie teuer diese Kampagne insgesamt ist; ob man im Lobbyregister verzeichnet ist; aus welcher Quelle sich das Budget für Anzeige und Kampagne speist; welche spezifischen Gruppen mit der Anzeige angesprochen worden sind (targeting) und wie sich die Anzeige, so sie mehrfach geschaltet wird, entwickelt. 

Die Pflichten beziehen sich dabei nicht nur auf soziale Medien und die klassische Wahlwerbung. Sie gelten selbst für die lokale Ebene, wie die EU-Kommission im Entwurf ihrer Umsetzungsleitlinien klarstellt. Das bedeutet: Auch wenn sich ein SPD-Ortsverband irgendwo in der Republik mit einem Flyer für den Erhalt des lokalen Freibads einsetzen will, müssen sich die Verantwortlichen darum kümmern, dass sie auf dem Flugblatt einen QR-Code untergebracht und hinter dem QR-Code alle nötigen Informationen aufgelistet haben. Ein mit der Verordnung vertrauter Bundestagsabgeordneter kommt deshalb zu dem Schluss: „Mit der Verordnung wollte man die Demokratie beschützen, jetzt beschädigt man sie.“ 

Den italienischen Europaabgeordneten Sandro Gozi überrascht die Kritik nicht. Die neuen Regeln bedeuteten einen „Systemwechsel“, sagt der für TTPA damals zuständige Berichterstatter des Europaparlaments, dagegen sei Widerstand zu erwarten gewesen. Gozi fordert die Mitgliedstaaten aber auf, konsistent zu sein: „Sie wollten TTPA, um ihre Demokratien zu schützen.“ Manipulationen wie das verdeckte Bezahlen von Influencern bei der Präsidentschaftswahl in Rumänien seien unter den neuen Regeln nicht mehr möglich, argumentiert er.

Doch wird nun ersichtlich, wie groß der Aufwand werden dürfte. Und wie viel Ärger die Verordnung noch auslösen könnte. Allerdings hat auch die EU-Kommission noch nicht alle Voraussetzungen dafür geschaffen. So soll es bei digitalen Anzeigen ein für alle Mitgliedsstaaten einheitliches Icon geben, den Leser anklicken können, um alle oben genannten Transparenzinformationen in einer einheitlichen Datenbank einsehen zu können. Diesen Link gibt es noch nicht.

Und so drängt die Zeit: Die Verordnung wird am 10. Oktober in Kraft treten. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Mehrzahl der EU-Staaten eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten von TTPA die Voraussetzungen noch nicht geschaffen hat. In Deutschland gibt es einen Referentenentwurf für das Durchführungsgesetz, in dem definiert wird, wer prüfen und wer bei Verstößen sanktionieren darf. Nach jetzigem Stand sollen dafür der Bundesdatenschutzbeauftragte, die Bundeswahlleiterin und der Digital Services Coordinator bei der Bundesnetzagentur zuständig sein.  

An den Pflichten aus der Verordnung aber ändert sich nichts. Aus einem Ministerium, das früh an der Ressortabstimmung beteiligt gewesen ist, heißt es nur: „In der Sache ist die Messe gelesen.“ In Regierungskreisen wird damit gerechnet, dass das Gesetz noch im Oktober im Kabinett verabschiedet werden könnte. Der Weg ins Bundesgesetzblatt ist aber auch dann noch lang; für die erste, zweite und dritte Lesung dürften weitere Wochen ins Land gehen. 

In der Bundesregierung heißt es, bislang nehme man im Apparat wenig Aufregung wahr. Dazu passt, dass bei der Verbändeanhörung Ende August wenig Kritik kam. Aber auch in der Regierung gibt es manchen, der vermutet, dass die Konsequenzen damals nicht wirklich erkannt wurden. Veränderungen wird es trotzdem kaum geben. Es sei denn, die EU-Kommission könnte selbst zu dem Ergebnis kommen, dass in diesem Fall eine Verschiebung oder ein Moratorium angesichts des großen Aufwands doch noch sinnvoll sein könnte. 

Die Grünen-Europaabgeordnete Alexandra Geese weist das zurück. Die Verordnung sei ausgiebig von den Regierungen im Rat diskutiert worden, die Parteien seien über das Europaparlament eingebunden gewesen. „Ich hätte deshalb wenig Verständnis für eine Verschiebungsdiskussion, nur weil Deutschland mal wieder spät dran ist bei der Umsetzung.“

Briefings wie Europe.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 26. September 2025

Teilen
Kopiert!