
Das abrupte Ende der Null-Covid-Politik stellt auch die staatliche Propaganda vor ein großes Problem. Chinas Führung sucht ein neues Narrativ – und greift auf bewährte Methoden zurück. Doch der Vertrauensverlust in der Bevölkerung könnte noch Konsequenzen haben.
Von Fabian Peltsch
Das Coronavirus SARS-CoV-2 soll seinen Ursprung in China haben. Die Volksrepublik bekam die Pandemie mit rigorosen Maßnahmen unter Kontrolle. Wie es in China nach der Pandemie weiter geht, lesen Sie hier.
Die Abkürzung COVID-19 steht für „Corona Virus Disease 2019“. Die Bezeichnung SARS ist die Kurzform für „Schweres Akutes Atemwegssyndrom“ oder „Severe Acute Respiratory Syndrome“. Das wurde erstmals im Jahr 2002 entdeckt. Der aktuelle Erreger gehört zur gleichen Virusfamilie. Wegen der engen Verwandtschaft wird er SARS-CoV-2 genannt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen SARS und SARS-CoV-2 ist, dass beim aktuellen Coronavirus erst sehr spät Symptome auftreten. So ist es bereits ansteckend, bevor es diagnostiziert werden kann.Mitte der 1960er Jahren wurde das Coronavirus erstmals entdeckt. Deswegen wird in der aktuellen Berichterstattung häufig die Bezeichnung „neuartiges“ Coronavirus verwendet. Der Erreger erhielt seinen Namen aufgrund seines Aussehens. Unter dem Mikroskop lässt sich ein Kranz oder eben eine Krone erkennen. Coronaviren sind vor allem dafür bekannt, Erkältungskrankheiten auszulösen.
Die aktuelle Coronavirus-Pandemie könnte ihren Ursprung bei asiatischen Fledermäusen haben. Dies ist allerdings nur eine Vermutung. Einen Beweis dafür gibt es noch nicht. Die ersten Menschen sollen sich im Dezember 2019 auf einem Seafood-Markt in der chinesischen Stadt Wuhan angesteckt haben. Dort werden unter anderem Wildtiere, Reptilien und deren Organe gehandelt.Coronaviren können grundsätzlich sowohl Menschen als auch Tiere befallen. In bestimmten Fällen ist auch eine Übertragung von Tieren auf Menschen und umgekehrt möglich. Bereits in der Vergangenheit war das bei Ausbrüchen von SARS-CoV der Fall. Tiere oder speziell Fledermäuse spielen bei der Verbreitung nach aktuellem Wissensstand allerdings keine Rolle.
Die meisten Experten glauben, dass das aktuelle Coronavirus ursprünglich von Fledermäusen stammt. Diese Tierart ist bekannt dafür, eine Vielzahl von Coronaviren in sich zu tragen. Eine Übertragung auf den Menschen könnte über einen Zwischenwirt erfolgt sein. Viele Wissenschaftler halten es für wahrscheinlich, dass beispielsweise Marderhunde aus Pelztierfarmen dafür verantwortlich gewesen sein könnten.Auch Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) halten diese Erklärung für „höchstwahrscheinlich“. Der Fachbegriff dafür lautet Zoonose. Also eine natürlich entstandene Seuche, die auf den Menschen übergegangen ist. Ein dafür notwendiger Zwischenwirt konnte aber noch nicht zweifelsfrei identifiziert werden. Neben den erwähnten Pelzfarm-Tieren haben Experten lange Zeit auch Pangoline in Betracht gezogen. Das sind Schuppentiere, die trotz weltweitem Verbot in China gehandelt werden.
Vor allem der ehemalige US-Präsident Donald Trump verbreitete die Theorie, das Coronavirus sei aus einem Labor in China entkommen. Beweise konnte er nicht liefern. Der amerikanische Geheimdienst erklärte sogar im Gegenteil, dass er davon ausgehe, dass es sich um einen natürlichen und nicht um einen vom Menschen gemachten Virus handele. Noch vor der Beschuldigung Chinas durch Trump.Ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation aus dem März 2020 stufte die Möglichkeit, dass das Coronavirus aus einem Labor in China käme als „extrem unwahrscheinlich“ ein. Die Theorie, dass Sars-CoV-2 über eine Fledermaus und einen Zwischenwirt auf den Menschen übertragen wurde aber als „wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich“. Dennoch forderte auch WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus, dass Labore in China überprüft werden müssten. Hintergrund dürfte allerdings sein, dass sich die Volksrepublik China beim Thema Coronavirus als sehr intransparenter Partner erweist.
Die ersten Fälle des neuartigen Coronavirus dürften bereits Anfang Oktober oder Mitte November im Jahr 2019 auf den Menschen übertragen worden sein, errechnete eine Analyse, die im Fachjournal „PLOS Pathogens“ veröffentlicht wurde. Offiziell bestätigt wurde die erste Infektion jedoch erst im Dezember 2019 in Wuhan. Diese Berechnung deckt sich mit Vermutungen der Weltgesundheitsorganisation.Für die Analyse verwendeten die Wissenschaftler von der britischen University of Kent ein mathematisches Modell, das sonst im Naturschutzbereich eingesetzt wird, um das Aussterben von Arten zu prognostizieren. Im Falle des Coronavirus in China verwendete Dr. David Roberts das Tool, um den Zeitraum zu errechnen, in dem der Erreger vom Tier auf den Menschen übergesprungen sein müsste. Im Januar 2020 verbreitete sich das Coronavirus dann weltweit.
Seit Herbst 2020 gilt das Coronavirus in China als besiegt. Bereits im August 2020 eröffnete eine Ausstellung über den Sieg gegen COVID-19 im Nationalmuseum. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Volksrepublik seit zwei Monaten keine Neuinfektion mehr gemeldet. Innerhalb des ersten Jahres der Pandemie hat China gerade einmal 86.00 Neuinfektionen und 4.600 COVID-19-Tote gemeldet. Für die USA waren das über lange Wochen die täglichen Zahlen.Wirtschaftlich litt China zwar massiv unter der Pandemie, konnte im globalen Vergleich aber sogar gewinnen. Im Jahr 2020 wuchs die Volkswirtschaft Chinas nur um zwei bis drei Prozent. Für die Volksrepublik ein eher enttäuschender Wert. Die Volkswirtschaften der westlichen Länder mussten allerdings ein Minus von fünf bis sieben Prozent verkraften. Im globalen Vergleich ging China als Gewinner aus der Krise hervor.
China konnte den Kampf gegen das Coronavirus vor allem deswegen so schnell gewinnen, weil die Führung eine strikte Null-COVID-Strategie verfolgte. Sobald es in einer Stadt zu Infektionen kam, wurden die betroffenen Gebiete abgeriegelt. Es gab strenge Lockdowns, Reisebeschränkungen und jeder Einwohner des betroffenen Clusters wurde umgehend getestet.Im Sommer 2021 kam es zu mehreren Fällen der so genannten Delta-Variante. Als in Wuhan sieben Infektionen gemeldet wurden, kam es umgehend zu Tests für alle elf Millionen Einwohner. In Nanjing, der Metropole, die als Infektionsherd galt, kam es umgehend zu strengen Einschränkungen. Dort wurde zuerst das Reinigungspersonal des Flughafens positiv getestet.
Im Sommer 2021 kam es in China innerhalb weniger Wochen zu etwa 400 Infektionen mit der Delta-Variante des Coronavirus. Die Volksrepublik verfolgt dabei weiter eine Null-COVID-Strategie. In Nanjing wurden die meisten öffentlichen Gebäude, Ämter und Behörden geschlossen, die meisten Büros und Firmen durften ebenfalls nicht öffnen. Etwa neun Millionen Einwohner wurden umgehend mehrfach getestet. Nach Angaben der Regierung sei das Virus über einen Flug aus Russland in die Volksrepublik gelangt.Zu einem kleinen Skandal wurde, dass sich der simbabwische Vizepräsident in China mit dem Coronavirus infizierte. Er hielt sich privat in Peking auf. Jene Region, die besonders streng kontrolliert wird. Ein Luxushotel im Zentrum der Stadt musste abgeriegelt und hunderte Menschen in Quarantäne geschickt werden, berichtete das „Wall Street Journal“. Die Zeitung berichtete auch, dass dieser Fall in der offiziellen Coronavirus-Statistik in China nicht beachtet wurde.
Im Juli 2021 waren 40 Prozent aller Menschen in China bereits vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Im Juni 2021 hatten es die Behörden geschafft, dass sich innerhalb von nur fünf Tagen einhundert Millionen Chinesen haben impfen lassen.In Peking hatten zu diesem Zeitpunkt bereits über 80 Prozent mindestens eine Impfdosis bekommen. Experten sprachen davon, dass in der Hauptstadt der Volksrepublik bereits Herdenimmunität herrsche.Eine aufwändige Werbe- und Aufklärungskampagne trieb die chinesische Bevölkerung in die Impfzentren. Es gab Rap-Songs, die für die Impfung warben, Infostände und Nachbarschaftskomitees. Dazu gab es diverse Anreize wie Einkaufsgutscheine, Lebensmittel oder sogar Bargeld.
Lange Zeit war China ein Land mit hoher Skepsis gegen die Impfung. Viele Chinesen vertrauten den Impfstoffen aus eigener Produktion nicht. Etwa die Hälfte der Bevölkerung meldete Zweifel an. Neben den erwähnten Anreizen sorgten auch Bestrafungen und Überwachungen für eine erhöhte Impfquote. Staatliche Unternehmen werden zukünftig bei Beförderungen die Impfungen berücksichtigen. Lehrer sollten außerdem über die Kinder Druck auf die Eltern ausüben.Auch die strenge Null-COVID-Strategie nach dem Auftreten der Delta-Variante in China führte aus Angst vor Einschränkungen zu einer Steigerung der Impfbereitschaft. Einreisen waren nur schwer möglich. Einreisevisa hatten im Sommer 2021 Seltenheitswert. Eine zweiwöchige Isolation in einem staatlichen Quarantänehotel war Pflicht.
An der Wirksamkeit der Impfstoffe aus China gegen das Coronavirus gibt es bis heute Zweifel. Das liegt zu großen Teilen an der Intransparenz der Pharmafirmen aus der Volksrepublik. Aber auch an ersten Erfahrungswerten aus anderen Ländern. Denn die Mongolei, die Seychellen, Chile und Bahrain haben ihre Bevölkerung allesamt mit dem Wirkstoff aus China geimpft, müssen aber dennoch mit ungewöhnlich hohen Infektionszahlen kämpfen.Als Israel im Juni 2021 das Land mit den zweitmeisten Impfungen weltweit war, kamen auf eine Million Einwohner 4,95 Coronafälle. Israel hatte Biontech und Pfizer geimpft. Das einzige Land mit einer höheren Impfquote waren die Seychellen, die chinesischen Impfstoff hatten. Hier kamen zur gleichen Zeit 716 Fälle auf eine Million Einwohner.
Das Coronavirus wird die Berichterstattung in der Welt noch auf Monate dominieren. COVID-19 hat nicht nur in China massive Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens. Von Wirtschaft und Kultur bis Bildung und Politik. Alle relevanten News zum Coronavirus in China liefert die Table.Media-Redaktion.