Rigorosum
Erscheinungsdatum: 10. Juli 2024

Dati: Wer will das tote Pferd noch weiter reiten? 

Seine erste Einschätzung, die Dati könnte als Gartenzwerg enden, scheint sich zu bewahrheiten, schreibt Thomas Sattelberger. Dass die Kanzlerpartei das Projekt dabei selbst beerdigt, habe ihn aber doch überrascht. Anerkennende Worte gibt es für die Dati-Gründungskommission: für Frustrationstoleranz und Marathonspirit.

Eine Nachricht überrascht mich dann doch in den letzten Tagen. Die SPD-Bundestagsfraktion beerdigt die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (Dati) vollends, indem sie fordert, die bislang gesperrten Mittel für die Dati für eine zweite Vergaberunde der Pilotlinien auszugeben, damit die „Dati-Idee ein Lebenszeichen sendet“ (Oliver Kaczmarek, bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion). Welch Abgesang!

Die Kanzlerpartei glaubt selbst nicht mehr an eine Agenturgründung in dieser Legislatur. Und wer in der nächsten das Sagen hat, steht in den Sternen. Damit bestätigt sie meine Einschätzung von vor über einem Jahr, dass die Dati in dieser Legislatur als Gartenzwerg enden könnte. Warum? Weil die Akteure keine Kompromisslinie zwischen Stärkung der Forschung an HAWs und der Akteursfreiheit sowie der Konsortialsführungsfreiheit finden wollen.

Während die SPD und wohl auch das Ministerium die Konsortialführerschaft bei den Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) sehen, wollen das die Grünen und auch jetzt die Gründungskommission ganz anders: Die HAWs müssten sich beweisen wie jeder andere Akteur.

Dabei wäre doch ein pragmatischer Kompromiss zu erzielen gewesen. Ich sagte schon Anfang 2022 Karim Khakzar, dem damaligen Vorsitzenden der Mitgliedergruppe der Hochschulen für angewandte Wissenschaften/Fachhochschulen in der HRK, dass bei weitem nicht jede Hochschule für angewandte Wissenschaften für eine gute anwendungsorientierte Forschung steht, geschweige denn für exzellenten regionalen Technologietransfer.

Übrigens gilt das genauso für regionale Unis, Zuse- oder Fraunhofer-Institute oder auch für TUs. Wer eine tolle Hochschule sucht, die solche Standards mühelos überspringt, der kommt an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe mit dem „Innovation Campus Lemgo“, dem „Kreativ Campus Detmold“ und dem „Sustainable Campus Höxter“ nicht vorbei.

Was hätte denn das BMBF oder eine der Regierungsfraktionen gehindert, entweder Qualitätsmaßstäbe, eine x-prozentige Mindestquote für HAWs oder eine Evaluierungsbegehung als Voraussetzung für Konsortialführung vorzuschlagen und in eindeutig negativen Fällen oder bei starken Zweifeln ein Zuse-Forschungszentrum, ein forschungsintensives Unternehmen, ein regionales Fraunhofer-Institut oder eine große Universität mit der Konsortialführerschaft zu beauftragen? Dies wäre doch eine elegante Lösung und gleichzeitig ein Qualitätsindikator für die manchmal sich selbst überschätzenden HAWs. Schon zu meiner Zeit so vorgesehen!

Aber vor allem die dogmatische SPD, in persona Haushälterin Wiebke Esdar, scheint solche Kompromisse gar nicht erst anzudenken. Hand aufs Herz, Frau Esdar: Die Agentur war Ihnen ja schon in den Koalitionsverhandlungen unheimlich, und Sie wollten eigentlich nur mehr Geld für die forschenden Fachhochschulen. Seit mehr als 26 Monaten für ein schlüssiges Konzept ein „schlüssiges Konzept“ zu fordern und jetzt mehr Projektförderung zu verlangen, das ist doch absurd. Außer es war immer schon Ihre Absicht.

Tatsächlich habe ich nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich die Dati-Pilotförderlinie für eine Notlösung oder ein Ausweichmanöver des Ministeriums hielt. Sie wurde – sozusagen wie im alten Rom nach der Methode „Brot und Spiele“ – für eine Innovationscommunity kosmetisch aufgepäppelt, die das Geld natürlich gern mitnahm, sich stattdessen sehnlichst eine wirklich innovative Dati herbei gewünscht hätte.

Die 20 ausgewählten Community-Initiativen in Ehren, aber die allermeisten Projekte hätten auch von einem ordentlichen Zuse-Forschungszentrum stammen können. Denn sie haben nichts mit dem Aufbau eines regionalen Innovationsökosystems zu tun. Dass die HAW-Mitgliedergruppe in der HRK die Forderung der SPD-Fraktion unterstützt, zeigt nur deren Hilflosigkeit. Sie sind jetzt vom Spieler zum Spielball geworden.

Der Dati-Gründungskommission zuallererst ein Kompliment! Sie hätte einen Orden für Frustrationstoleranz und Marathonspirit verdient. Das Papier hat jedoch, neben den vielen zu würdigenden Punkten, eine entscheidende Schwäche: Die Rolle der Dati beim Aufbau regionaler Innovationscluster wird nicht beleuchtet. Da ist verräterisch nur von Communitys und Partnerschaften die Rede. Doch hier geht es um den Kern der Dati.

Wenn man – so wie es strategisch wie auch anspruchsvoll intendiert war – solche regionalen Innovationsökosysteme entwickeln will, muss man dazu mindestens die Evaluierungen zum Spitzencluster-Wettbewerb 2007-2017 (hier die Kurzfassung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, RWI ) verschlungen haben. Alle Evaluierungen thematisieren unisono die Herausforderungen von Organisation und Governance wie auch von Vernetzung und Wissensaustausch der regionalen Spitzencluster. Da geht es wirklich zur Sache.

Und von diesen Best Practices wäre eigentlich zu lernen gewesen für die Auswahl von Regionen, für die Anforderungen an die Transfer-Manager, überhaupt für den Grundansatz der Agentur. Doch leider kein Wort davon in dem Bericht der Kommission.

Begeistert bin ich von der Klarheit, in der die Kommission eine unabhängige Governance und eine unternehmerische Geschäftsführung fordert und entsprechende Vorschläge macht. Genauso schätze ich auch die durchgängige Nutzerorientierung. Entscheidend ist nicht, was man im Forschungsbauchladen hat, sondern was man beiträgt, wichtige Probleme des Nutzers, der Region zu lösen. Dass sich die Kommission dabei selbst ein Bein stellt, indem sie das Konstrukt „Förderrat“ nicht auf das Rat geben (aber auch nur das! ) wichtiger Vertreter der Deutschland AG aus nationaler Sicht beschränkt, sei ihr als lässliche Sünde verziehen.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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