ein drittes und damit letztes Mal stellten sich die Kanzlerkandidat:innen von CDU, SPD und Grüne gestern Abend den Fragen der Moderatorinnen im TV-Triell. Zuvor kamen FDP und die Grüne nochmals zu Sonderparteitagen zusammen. Für die Parteien geht es eine Woche vor der Bundestagswahl in den Wahlkampf-Endspurt, der allerdings weniger von Bedeutung sein dürfte als noch vor vier Jahren. Schließlich hat sich ersten Einschätzungen zufolge der Anteil der Briefwähler im Vergleich zu 2017 fast verdoppelt. Ein erheblicher Teil der Wahlwilligen hat sein Kreuz also bereits gemacht.
Die Wahl wird EU-weit mit Spannung verfolgt, schließlich könnte der Ausgang auch die Rolle Deutschlands in Europa entscheidend verändern. Dass diese im Wahlkampf kaum ein Thema war, wurde unter unseren Nachbarn entsprechend irritiert zur Kenntnis genommen. Denn auf EU-Ebene stehen wichtige Entscheidungen an, besonders beim Kampf gegen den Klimawandel. In unserem Herbstausblick fassen wir die bevorstehenden Weichenstellungen beim Green Deal für Sie zusammen.
Nicht direkt involviert ist die EU in die außenpolitische Krise zwischen Frankreich, den USA, Australien und Großbritannien wegen eines geplatzten U-Boot-Deals. Warum der Streit die Brüsseler Agenda dennoch durcheinanderwirbeln könnte, analysieren Jasmin Kohl und Eric Bonse.
Die außenpolitische Krise zwischen Frankreich, den USA, Australien und Großbritannien wegen eines geplatzten U-Boot-Deals wirbelt auch die Brüsseler EU-Agenda durcheinander. Der Start des Handels- und Technologierats (TTC) am 29. September sei zwar nicht unmittelbar gefährdet, hieß es in Brüsseler EU-Kreisen. Doch andere wichtige Vorhaben könnten unter der neuen transatlantischen Eiszeit leiden.
Frankreich hatte am Freitag seine Botschafter aus den USA und Australien zurückgerufen und von “Doppelzüngigkeit, Geringschätzung und Lügen” gesprochen. Dass Australien den Kauf französischer U-Boote zugunsten von U-Booten mit US-Technologie aufgebe, sei “inakzeptables Verhalten zwischen Verbündeten und Partnern”, sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian. Der Streit belaste auch die Zusammenarbeit in der Nato.
Staatspräsident Emmanuel Macron will darüber auch mit US-Präsident Joe Biden sprechen. Es werde in den nächsten Tagen ein Telefonat der beiden Staatschefs geben, bei dem Macron eine “Klarstellung” erreichen wolle, sagte ein Regierungssprecher in Paris.
In Brüssel hofft man, dass die Krise am Rande der UN-Vollversammlung in New York beigelegt werden kann und nicht auf die EU durchschlägt. Frankreich ist nach dem Austritt Großbritanniens die einzig verbleibende Militärmacht in der EU. Erst am vergangenen Donnerstag hatte die EU-Kommission eine neue Indopazifik-Strategie vorgelegt. Genau um diese strategisch wichtige Region kreist der Streit.
Mittlerweile geht es allerdings nicht mehr nur um U-Boote, die den Indopazifik vor möglichen chinesischen Störmanövern schützen sollen. Frankreich stellt auch die Verlässlichkeit der USA, Australiens und Großbritanniens infrage und droht mit Konsequenzen für die weitere Zusammenarbeit. Dies könnte auf mehrere wichtige EU-Vorhaben ausstrahlen – vorausgesetzt, dass Paris bei seiner harten Linie bleibt.
So warnt der einflussreiche Europaabgeordnete Arnaud Danjean Australien vor Konsequenzen für den geplanten Freihandelspakt. “Die Australier können sich auf mehr einstellen als einen verspäteten Abschluss des Freihandelsabkommens mit der EU”, schrieb er auf Twitter. Gefährdet scheint auch der geplante Sicherheits- und Verteidigungspakt zwischen der EU und Großbritannien.
London habe sich wie ein “Vasall” der Amerikaner verhalten und am “Dolchstoß” gegen Frankreich beteiligt, heißt es in Paris. Allerdings wurde der französische Botschafter in London bisher nicht zurückgerufen. “Großbritannien ist in dieser Angelegenheit nur das fünfte Rad am Wagen”, sagte Le Drian. Man sei an den “Opportunismus” der Briten gewöhnt.
Noch keine Auswirkungen zeichnen sich für den Start der TTC-Gespräche mit den USA ab, die am 29. September in Pittsburgh beginnen sollen. Sie können zwar nicht ohne Frankreich zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden. Der Lead liegt jedoch bei der EU-Kommission. Ein Kommissionssprecher sagte, man sei “zuversichtlich, dass das Treffen wie geplant stattfinden wird”. Man habe dafür von allen Mitgliedstaaten ein “klares Mandat” erhalten. Der Rat werde auch an den letzten Vorbereitungen eng beteiligt.
EU-Kommissar Thierry Breton reist in dieser Woche in die USA und trifft dort unter anderem die US-Handelsministerin Gina Raimondo. Bei dem Gespräch am Dienstag soll es neben Halbleitern auch um die bevorstehenden TTC-Verhandlungen gehen.
Kommissionsvertreter stellten vergangene Woche ihre Pläne den EU-Botschaftern der Mitgliedstaaten vor, auch die Abgeordneten der US-Monitoring Group im Europaparlament sowie Vertreter von Unternehmen und Zivilgesellschaft wurden gebrieft. Konfliktreiche Themen will die Behörde anfangs vermeiden und nur über vergleichsweise unstrittige Sachverhalte diskutieren sowie Rahmen und Zeitplan festlegen. Vizepräsidentin Margrethe Vestager mahnte, nicht zu viel von dem ersten Treffen zu erwarten.
Beobachter rechnen damit, dass es am 30. September bereits zu ersten inhaltlichen Gesprächen auf Ebene der Arbeitsgruppen kommen könnte. Zu den weniger heiklen Themen dürfte die gegenseitige Anerkennung von Zertifizierungen in bestimmten Sektoren gehören, ebenso ein Informationsaustausch bei der Sicherheitsprüfung von Investitionen und gemeinsame Standards etwa für Systeme mit künstlicher Intelligenz.
Das Kalkül: Die Kommission will zunächst einige “Low Hanging Fruits” ernten und darüber gegenseitiges Vertrauen für strittige Themen aufbauen. Konfliktpotenzial sieht der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), unter anderem bei den Themen Datenschutz, Privacy Shield und Stahlzöllen.
Zudem muss die Kommission Acht geben, nicht durch zu forsches Agieren die Mitgliedstaaten gegen sich aufzubringen. Anders als in klassischen Handelsgesprächen hat sich die Behörde bislang kein Verhandlungsmandat der Regierungen besorgt. Sie rechtfertigt dies mit dem Verweis, dass die Themenpalette weit über Handelsfragen hinausreiche und die Agenda des TTC noch sehr im Fluss sei.
Deutschland und andere EU-Staaten haben die Kommission ermahnt, nicht ohne Rücksprache Vereinbarungen mit Washington abzuschließen. Auch der juristische Dienst des Rates machte entsprechende Bedenken geltend. Spätestes bei der Sitzung der EU-Botschafter am Mittwoch soll die Behörde nun Farbe bekennen, welche schriftlichen Erklärungen sie mit der US-Seite zu verabschieden gedenkt.
Der europäische Verbraucherverband BEUC betont, dass Transparenz ganz oben auf der Agenda stehen sollte: “Wir müssen nicht mit am Verhandlungstisch sitzen, aber wir sollten die Möglichkeit haben, den politischen Entscheidungsträgern Empfehlungen zu geben – auf Augenhöhe”, sagt ein BEUC-Sprecher auf Anfrage.
Eine gute Lösung wäre zum Beispiel, die Sitzungsprotokolle der Gespräche auf einer eigens eingerichteten Website zu veröffentlichen, so BEUC. “Der TTC darf kein Instrument für die US-Administration oder US-Unternehmen werden, mit dem sie die EU davon abhalten können, ihre Verbraucher auf den digitalen Märkten zu schützen“, so der Sprecher.
Das Europaparlament wiederum soll nach dem Willen Langes über die U.S. Monitoring Group im INTA-Ausschuss eingebunden werden. “Meine Idee ist es, die ständigen Berichterstatter anderer Ausschüsse für Themendiskussionen, die sie betreffen, mit in die Kommissionsbriefings in der INTA-U.S. Monitoring Group einzuladen.” Eric Bonse/Jasmin Kohl
Größte Baustelle für die kommenden Wochen und Monate dürfte das “Fit-for-55”-Klimapaket werden, das die EU-Kommission im Juli vorgestellt hat. Das Maßnahmenbündel umfasst 13 Legislativ-Vorschläge. Sie sollen nicht nur das Erreichen der EU-Klimaziele, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft und die Sozialverträglichkeit der grünen Transformation sicherstellen. Dieser Tage werden im Europäischen Parlament die Zuständigkeiten für das Mammut-Projekt abgesteckt (Europe.Table berichtete), bevor es dann voraussichtlich im November in die ersten Verhandlungsrunden mit dem Rat gehen soll.
Diese werden nicht einfach, ist doch die Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmen teils sehr umstritten. Das Herzstück des Pakets bildet die Reform des Europäischen Emissionshandels (ETS). Die Position des Parlaments wird im Umweltausschuss unter Federführung der EVP-Fraktion ausgearbeitet und bereits jetzt kontrovers diskutiert.
Der Plan der Kommission sieht vor, die Anzahl der im Umlauf befindlichen Emissionszertifikate zu senken und den Faktor der jährlichen Kürzung (Cap) von 2,2 auf 4,2 Prozent zu erhöhen. Mit einem Beginn der ETS-Triloge wird in Brüssel im zweiten Halbjahr 2022 gerechnet. Erste Ergebnisse werden für das Frühjahr 2023 erwartet.
Zähe Auseinandersetzungen werden auch bei der Einführung eines weiteres ETS für die Bereiche Gebäude und Straßenverkehr erwartet (Europe.Table berichtete). Streitpunkt hier: fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung und mögliche soziale Schieflagen.
Daneben sollen die kostenfreien Zuteilungen an die Industrie auslaufen und parallel ein Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) eingeführt werden, der ab 2026 vollständig in Kraft treten soll. CBAM-Kritiker befürchten für die Übergangsphase eine doppelte Bevorteilung der europäischen Industrie und Handelskonflikte mit Drittländern. Berichterstatter ist Mohammed Chahim (S&D).
Auch die neuen CO2-Standards für PKW sind umstritten. Die Pläne der Kommission sehen eine Emissionsminderung um 100 Prozent bis 2035 vor, was defacto einem Aus des Verbrenners gleichkommt. Gegner fordern hier mehr Technologieoffenheit. Berichterstatter ist der Niederländer Jan Huitema (Renew).
Die Richtlinien zur Energieeffizienz sowie zum Ausbau der erneuerbaren Energien (RED) werden im Industrieausschuss verhandelt. RED-Berichterstatter ist der CDU-Abgeordnete Markus Pieper.
Am 14. Dezember und damit exakt fünf Monate nach Präsentation der Fit-for-55-Maßnahmen will Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans ein weiteres Klimapaket vorstellen. Darin soll auch eine Richtlinie zur Reduktion von Methan-Emissionen im Energie- und Industriebereich enthalten sein.
Der Vorschlag gehört zur Umsetzung der Methanstrategie der EU, über die das Parlament im Oktober oder November abstimmen wird. Mit der neuen Richtlinie soll eine Verpflichtung zur besseren Erkennung und Reparatur von Gaslecks eingeführt und das Ablassen von Gas verboten werden. Über Standards sollen auch Handelspartner aus Drittländern in die Pflicht genommen werden. Methan verursacht zwar in Summe weniger Emissionen als CO2, ist laut Berechnungen des Weltklimarats IPCC aber bis zu 28-mal klimawirksamer.
Ergänzend dazu soll das Energiepaket für Gas, das aus mehreren Richtlinien besteht und ursprünglich zur Liberalisierung und Harmonisierung des europäischen Gasmarktes verabschiedet wurde, überarbeitet und an die Dekarbonisierungspläne angepasst werden.
Auch die Richtlinie zur Gebäudeeffizienz soll auf den Prüfstand. 36 Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU entfallen auf den Gebäudesektor. Zugleich sind nach Angaben der EU-Kommission 75 Prozent des Gebäudebestands nicht energieeffizient und die Modernisierungsrate liegt aktuell bei gerade einmal einem Prozent. Das soll sich ändern. Erwartet werden außerdem Vorschläge zu sogenannten Nullenergie-Gebäuden, etwa mit konkreten Vorgaben zu einer möglichen Solarpflicht bei Neubauten oder Ladestationen für Elektroautos.
Außerdem sollen mehrere Gesetzesinitiativen und -vorschläge im Rahmen des Green Mobility-Pakets auf den Weg gebracht werden. Darunter ein Vorschlag für die Neuauflage des Gesetzes zu den transeuropäischen Transportnetzen (Ten-T), das den Ausbau zwischen den Mitgliedstaaten beschleunigen, Netzlücken schließen und technische Barrieren zwischen den nationalen Verkehrsunternehmen abbauen soll. Dabei geht es sowohl um Straßen als auch um Schienentrassen und Wasserstraßen.
Mit dem innerstädtischen Verkehr soll sich ein neuer Rechtrahmen für die Mobilität in der Stadt befassen. Er soll Mitgliedstaaten Anreize geben, “urbane Verkehrssysteme aufzubauen, die sicher, zugänglich, inklusiv, erschwinglich, intelligent, resilient und emissionsfrei sind”. Bis zum 23. September läuft die öffentliche Konsultation.
Ebenfalls am 14. Dezember will die Kommission eine Initiative für nachhaltige Produktbestimmungen, einschließlich einer Überarbeitung der Ökodesign-Richtlinie, vorstellen.
Die EU überarbeitet derzeit ihre Beihilfeleitlinien für Umwelt, Energie und Klimaschutz (Europe.Table berichtete), was ohne formelle Beteiligung von Rat und Parlament unter die Zuständigkeit der Kommission fällt und schon deshalb umstritten ist. Das Verfahren soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Im Januar 2022 würden die neuen Leitlinien dann in Kraft treten.
Im Rahmen des Beihilferechts sollen Mitgliedstaaten die Umweltziele des europäischen Green Deals mit staatlichen Subventionen fördern können; beihilfebedingte Wettbewerbsverzerrungen sollen dabei aber auf ein Minimum begrenzt werden.
Das Ergebnis der Neufassung könnte insbesondere für die deutsche Industrie gravierende Auswirkungen haben. Der Strompreis ist hierzulande EU-weit am höchsten und seit einigen Tagen auf Rekordniveau. Im Zuge der grünen Transformation wird der Bedarf weiter steigen: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sind staatliche Subventionen für die Industrie entscheidend.
Im Herbst will die EU-Kommission entscheiden, welche Investments als klimafreundlich abgeschrieben werden dürfen und welche nicht. Mit der sogenannten Taxonomie stellt sie also die Weichen (Europe.Table berichtete), mit welchen Mitteln die EU klimaneutral werden will. Die Entscheidung soll auf wissenschaftlichen Fakten fußen, ist aber hochpolitisch. Besonders viel steht für die Atomindustrie auf dem Spiel: Die Taxonomie legt auch fest, ob Investitionen in Kernenergie als nachhaltig qualifiziert werden (Europe.Table berichtete), was der Branche wertvolle Finanzspritzen sichern würde.
Die neue Regulierung für Batterien und Altbatterien soll einen EU-weiten Batterie-Standard festlegen. Ziel: die europäische Batterieproduktion anzukurbeln, die Umwelteinwirkungen der Batterieproduktion zu minimieren und besseres Recycling zu ermöglichen.
Das Gesetz legt unter anderem Sammelziele für Altbatterien, Recyclingeffizienz-Ziele und die Verpflichtung zur Meldung des CO2-Fußabdrucks über den gesamten Lebensweg der Batterie fest.
Im EU-Parlament hauptverantwortlich ist der ENVI-Ausschuss, der voraussichtlich im Januar über eine gemeinsame Position abstimmen wird. Berichterstatterin ist die italienische S&D-Abgeordnete Simona Bonafè. Doch auch der TRAN-Ausschuss bezieht Stellung. Dort ist die Abstimmung für Mitte November vorgesehen. TRAN-Berichterstatter Ismail Ertug (S&D) will die Sammel- und Recyclingziele noch erhöhen, dann könne der Vorschlag einen “Goldstandard” für Batterien nicht nur in Europa, sondern weltweit erreichen.
Auch für die neue Euro 7-Abgasnorm wird noch in diesem Jahr der entsprechende Kommissionsvorschlag durch die Generaldirektion GROW erwartet. Seit 2014 gilt die Norm Euro 6, dessen neueste Fassung Euro 6d ist seit Anfang 2021 Pflicht für alle Neuzulassungen. Dennoch wird bereits eine neue Norm erarbeitet. Die Kommission ist der Auffassung, dass die aktuellen Standards nicht ausreichen, um das Ziel des emissionsfreien Straßenverkehrs zu erreichen.
Die neue Norm dürfte sich jedoch nicht so sehr auf höhere Grenzwerte fokussieren. Stattdessen wird sie voraussichtlich strengere Testvorgaben machen. Die hatten die Autoindustrie zwischenzeitlich in helle Aufregung versetzt, da sie durch die Vorgaben ein “faktisches Verbot” des Verbrenners befürchtet hatten. So ganz ist die Sorge auch immer noch nicht vom Tisch.
Beim Thema E-Fuels soll aus Brüssel noch in diesem Jahr ein Entwurf für einen Rechtsakt kommen, der die Rahmenbedingungen für die Herstellung von erneuerbaren Kraftstoffen festlegt. Wann synthetische Kraftstoffe tatsächlich als vollständig erneuerbar gelten, ist noch nicht ausgemacht. Das muss die Kommission klären, denn E-Fuels-Produzenten würden den ohnehin schon enormen Ökostrombedarf weiter erhöhen (Europe.Table berichtete).
Die gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) nimmt den größten Einzelposten des EU-Haushalts ein – fast 400 Milliarden Euro. Da sich die Mitgliedstaaten nicht rechtzeitig auf eine neue Regelung zur Verteilung der Agrarsubventionen einigen konnten, läuft seit diesem Jahr und noch bis Ende 2022 eine Übergangsverordnung.
Im Juni hatten sich Kommission, Rat und Parlament im Trilog schließlich auf eine GAP-Reform verständigt, die stärkere Anreize für nachhaltiges Landwirtschaften vorsieht, insbesondere den Grünen aber noch nicht weit genug geht. Der Agrarausschuss hat in seiner Sitzung am 9. September bereits der Trilog-Einigung zugestimmt (Europe.Table berichtete), in der zweiten Novemberhälfte soll in Straßburg das Plenum des EU-Parlaments abstimmen.
Bis Ende des Jahres müssen die Mitgliedstaaten ihre nationalen Strategiepläne zur Umsetzung der neuen GAP bei der Kommission vorlegen, um sie genehmigen zu lassen. Deutschland arbeitet derzeit noch an seinem GAP-Strategieplan, hat jedoch schon zahlreiche Arbeitspapiere veröffentlicht, die in den Plan mit einfließen werden.
Die EU schickt sich an, die biologische Vielfalt durch die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 besser zu schützen. Kurz vor Weihnachten möchte sie eine neue Verordnung vorschlagen, in der rechtlich verbindliche Ziele für die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme bis 2030 festgelegt werden sollen. In seiner ersten Plenarsitzung im Oktober stimmt das Europaparlament außerdem über seine Position zur Farm to Fork-Strategie ab. Timo Landenberger/Lukas Scheid
Eine Gruppe von rund 40 Abgeordneten des Europäischen Parlaments hat die EU-Kommission aufgefordert, die Rolle des russischen Energiekonzerns Gazprom bei den steigenden Gaspreisen in Europa zu untersuchen. Die Preise in Europa sind in den letzten Wochen in die Höhe geschnellt und haben dazu beigetragen, die europäischen Stromkosten auf ein Rekordhoch zu treiben.
“Wir fordern die Europäische Kommission auf, dringend eine Untersuchung über eine mögliche absichtliche Marktmanipulation durch Gazprom und einen möglichen Verstoß gegen die EU-Wettbewerbsregeln einzuleiten”, heißt es in dem Schreiben.
Die EU-Abgeordneten verdächtigen das Energieunternehmen, Europa unter Druck zu setzen, damit es einem baldigen Betriebsbeginn der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zustimmt. Gazprom habe absichtlich weniger Kapazitäten über bestehende Pipelines durch die Ukraine gebucht, um die Energieversorgung künstlich zu verknappen. Die Vorwürfe befeuert hatte Ende vergangener Woche die Äußerung des Kremls, eine schnelle Genehmigung von Nord Stream 2 könne die Sorge der Europäer vor möglichen Gasengpässen im Winter lindern und damit den steigenden Energiepreisen entgegenwirken.
Gazprom gab letzte Woche bekannt, dass es den Bau der Gasleitung nach Deutschland abgeschlossen und damit seine Exportkapazität über die Ostsee verdoppelt habe. Noch in diesem Jahr soll mit den ersten Lieferungen begonnen werden. Zuvor müssen allerdings einige regulatorische Hürden überwunden werden, was noch Monate dauern könnte.
In einer Reaktion auf die Anschuldigungen erklärte Gazprom, dass es seine Kunden in voller Übereinstimmung mit den bestehenden Verträgen mit Gas versorge. Die Europäische Kommission kündigte eine Antwort zu gegebener Zeit an. rtr/til
Nachdem die 75. Generalversammlung der UN im vergangenen Jahr aufgrund der Corona-Pandemie eine rein virtuelle Jubiläums-Veranstaltung war, findet das diplomatische Stelldichein in dieser Woche wieder persönlich in New York statt. Zumindest theoretisch, denn zahlreiche Staats- und Regierungschefs haben erklärt, aufgrund der weiterhin angespannten Lage auch diesmal Videobotschaften senden zu wollen, wenn am Dienstag die Generaldebatte eröffnet wird.
Erstmals seit seinem Amtsantritt wird auch US-Präsident Joe Biden persönlich vor der Versammlung reden und die Teilnehmer in den USA begrüßen. Bidens UN-Beauftragte kündigte an, der US-Präsident werde über die Beendigung der COVID-19-Pandemie, die Bekämpfung des Klimawandels und die Verteidigung der Menschenrechte und der Demokratie sprechen.
UN-Generalsekretär António Guterres forderte im Vorfeld der Veranstaltung mehr Engagement im Kampf gegen den Klimawandel und sagte: “Wir kommen zusammen zu einer Zeit großer Herausforderungen und Spaltungen”.
Beobachter erwarten von dem UN-Treffen bereits erste Aussagen im Hinblick auf die Weltklimakonferenz COP26 im November in Glasgow. Nachdem die Veröffentlichung des jüngsten IPCC-Berichts die Dringlichkeit umfassender, globaler Klimaschutzmaßen noch einmal deutlich gemacht hat, zielt die COP26-Konferenz darauf ab, Allianzen zu schmieden und die Teilnehmer zu ehrgeizigeren Maßnahmen zu bewegen. til
Die Wettbewerbshüter in Indien werfen Google einem Untersuchungsbericht zufolge den Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung mit seinem Betriebssystem Android vor. Der US-Internetriese habe seine “enorme Finanzkraft” genutzt, um Konkurrenten unrechtmäßig zu schädigen, heißt es in dem Bericht der indischen Kartellbehörde (CCI).
Der Konzern habe es Herstellern erschwert, Geräte mit alternativen Android-Versionen zu entwickeln und zu verkaufen. Die obligatorische Vorinstallation von Apps sei eine unfaire Bedingung für die Geräte-Hersteller und verstoße gegen das indische Wettbewerbsrecht. Zudem nutze Google die starke Position seines App-Stores Play Store aus, um seine Dominanz zu schützen.
Der Google-Mutterkonzern Alphabet teilte in einer Erklärung mit, dass er mit der CCI zusammenarbeiten wolle, um zu zeigen, wie Android zu mehr Wettbewerb und Innovation geführt habe und nicht zu weniger. Gegen Google laufen in Indien noch weitere Kartelluntersuchungen. Auch in Europa und den USA haben die Wettbewerbshüter Google wiederholt ins Visier genommen. rtr
Für Joachim Bühler ist die Sache vollkommen klar: “Wir brauchen einen Batteriepass, der den gesamten Lebenszyklus einer Batterie erfasst”, sagte der Geschäftsführer des TÜV-Verbands auf der gerade zu Ende gegangenen IAA in München. Mit dieser Forderung steht er nicht allein.
Bereits am 10. Dezember 2020 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für die neue Batterieverordnung veröffentlicht, die am 1. Januar 2022 in Kraft treten soll (Europe.Table berichtete). Alle auf dem EU-Markt befindlichen Batterien sollen, so das Ziel, während ihres gesamten Lebenszyklus nachhaltig und sicher sein. Bis zum 1. Januar 2026 soll jede Industriebatterie und Traktionsbatterie mit einer Kapazität von mehr als zwei Kilowattstunden einen individuellen Pass erhalten. In gewisser Weise also eine digitale Akte.
Die Richtung stimmt also, aber das Tempo nicht. Der Dax-Konzern BASF als Mitglied der Global Battery Alliance (GBA) ist besonders ambitioniert und will schon bis Ende 2022 einen Batteriepass mit voller Funktionalität fertiggestellt sehen.Wie BASF sind auch die deutschen Autobauer Volkswagen, seine Tochter Audi oder die BMW-Gruppe in der Global Battery Alliance engagiert. In gewisser Weise wollen Europas Autobauer und Zulieferer ein neues “Batterie-Ökosystem” schaffen, das auf Nachhaltigkeit und faire Produktionsbedingungen setzt.
Denn ihnen ist vollkommen klar: Wer ein Elektroauto mit der dezidierten Absicht kauft, etwas Gutes für die Umwelt zu tun, möchte eine Garantie dafür haben, dass die Batteriemineralien wie Kobalt, Nickel, Kupfer, Lithium oder Seltene Erden nicht von Kinderhand im Kongo oder zulasten der indigenen Völker in der chilenischen Atacama-Wüste gefördert wurden.
In Europa soll ein weltweiter “Goldstandard” in Sachen Nachhaltigkeit entstehen. Dafür hat die Kommission bislang zwei batteriebezogene IPCEIs (Important Projects of Common European Interest) mit einem Gesamtwert von 20 Milliarden Euro aus öffentlichen und privaten Mitteln genehmigt.
Das ist alles schön und gut. Es ist in seiner Massivität aber auch dem Umstand geschuldet, dass Europa die Entwicklung in der Elektromobilität verschlafen hat und nun mit konzertierten Kräften gegenüber den asiatischen Staaten aufholen will – und muss. Die Zunahme der Batterieproduktion treibt den Wettstreit um Roh- und Wirkstoffe an.
Deutschland, ganz Europa muss in dieser Hinsicht die lokale Materialbeschaffung ausbauen und seine externe Versorgung diversifizieren. Im Klartext: Es muss unabhängiger werden von Staaten wie China, Kongo oder Chile. Und das lässt im Grunde nur einen Schluss zu: In Europa selbst müssen die Rohstoffe der Zukunft gefördert werden.
Alle wesentlichen Batterieminerale lagern in europäischen Böden, es gibt nur kaum noch Bergbau, um sie zu fördern. Zur ganzen Wahrheit gehört, dass von B wie “Batterie-Gigafabrik” bis Z wie “Zellenproduktion” alles in Deutschland und Europa realisierbar und vorhanden ist. Nur an A wie “Anfang der Wertschöpfungskette” hat man nicht gedacht. Und das sind die Rohmaterialien für die Batterieproduktion.
Ein Batteriepass ist notwendig. Aber er ergibt nur Sinn, wenn die damit beabsichtigte Nachhaltigkeit und Rückverfolgbarkeit bereits mit der umweltverträglichen und menschenwürdigen Gewinnung von Batteriemineralen beginnt. Und diese Gewissheit haben wir eigentlich nur dann, wenn wir sie selbst gemäß unseren hohen Standards abbauen.
Also: Mehr Minen in unseren Hinterhöfen! Denn eines muss auch klar sein: Allein mit Recycling werden wir den enorm und schnell steigenden Bedarf an kritischen Mineralien nicht decken können (Europe.Table berichtete). Wir brauchen einen neuen, minimal-invasiven, modernen und nachhaltigen Bergbau, der unsere Selbstversorgung mit den elementaren Rohstoffen der Moderne sichert.
Doch die Hürden sind hoch. Immer umfangreichere und unsicherere Genehmigungsverfahren für die bergbauliche Erschließung von Rohstoffvorkommen bremsen neue Projekte schon in ihrer Anfangsphase aus. Der Föderalismus in Deutschland hat viele Vorteile, aber hier ist er hinderlich: Die Behörden auf Länderebene sind nicht in der Lage, die gesetzlichen Vorgaben aus Bund und Europäischer Union verfahrenstechnisch und rechtssicher umzusetzen.
Die Folge: Genehmigungsverfahren werden unnötig in die Länge gezogen. Der Entscheidungs- und Genehmigungsprozess für ein neues Bergbauprojekt braucht bis zu seiner möglichen Zulassung bis zu zehn Jahre. Das ist inakzeptabel und marktwirtschaftlich desaströs.
Die EU leistet hier auch keine große Hilfe. Brüssel fördert zwar den Lithiumabbau in Europa, aber wie steht es mit Nickel, Kobalt, Kupfer, Vanadium oder Seltenen Erden? Es gibt bereits einen guten europäischen Rechtsrahmen, um sicherzustellen, dass der Bergbau unter umwelt- und sozialverträglichen Bedingungen erfolgt. Es scheint jedoch nahezu unmöglich zu sein, neue Projekte zu kritischen Rohstoffen schnell in die Betriebsphase zu überführen. Das hohe Risiko und die Kosten der Exploration schrecken viele Bergbauunternehmen ab.
Im Rahmen der Agenda für bessere Rechtsetzung arbeitet die Kommission derzeit daran, Hindernisse für große Infrastrukturprojekte zu ermitteln, um die Verfahren in den Mitgliedstaaten zu beschleunigen. Die Kommission sollte dies als Priorität einstufen und Deutschland als wichtigstes und wirtschaftlich stärkstes EU-Mitglied sollte – auch unter der neuen Regierung – dieses Vorhaben in Europa forcieren.
Im Grunde hat die EU-Kommission den Weg hin zu mehr Unabhängigkeit bei kritischen Rohstoffen am 3. September 2020 in ihrem Plan “Widerstandsfähigkeit der EU bei kritischen Rohstoffen: Einen Pfad hin zu größerer Sicherheit und Nachhaltigkeit abstecken” schon ziemlich genau abgesteckt. Es ist Zeit, ihn zu beschreiten. Auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Ursula von der Leyen – bitte übernehmen!
Als “historischen Tag für die europäische Demokratie” bezeichnete der Europaabgeordnete Sven Giegold (Grüne) den vergangenen Freitag. Jetzt werden sich viele fragen, was den 17. September für Europa so historisch macht. Vielleicht das Ende des russisch-schwedischen Kriegs am 17. September 1809 oder die Gründung der unabhängigen polnischen Gewerkschaft Solidarność 1980.
Auf die erste Runde der Bürgerforen im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas, die am Freitag in Straßburg begann und bis Sonntag andauerte, kommen wohl die wenigsten. Dabei ist diese tatsächlich historisch oder zumindest beispiellos und das bisher größte Experiment direkter Bürgerbeteiligung.
An den insgesamt vier Foren nehmen jeweils 200 Europäer teil, die die demografische und soziale Vielfalt der EU widerspiegeln, beraten und konkrete Empfehlungen für die künftige Richtung geben, die sie sich für Europa vorstellen. Jedes Forum tritt dreimal zusammen. Erörtert wird dabei die gesamte Themenpalette von Wirtschaft, sozialer Gerechtigkeit und Bildung über Rechtsstaatlichkeit und Migration bis hin zum Klimaschutz.
Mit der Konferenz zur Zukunft Europas soll die EU ihren Bürgern nähergebracht und ihr Stellenwert in der Bevölkerung gestärkt werden. Die Krux: Vermutlich wissen tatsächlich mehr Europäer, wann der russisch-schwedische Krieg ein Ende fand, als was es mit der Konferenz zur Zukunft Europas auf sich hat. Aber was will man erwarten, wenn das Thema Europa selbst im Wahlkampf vor der Bundestagswahl praktisch keine Rolle spielt. Ebendiese ist für die EU ja nun wirklich nicht unerheblich. Womöglich sogar historisch. Timo Landenberger
ein drittes und damit letztes Mal stellten sich die Kanzlerkandidat:innen von CDU, SPD und Grüne gestern Abend den Fragen der Moderatorinnen im TV-Triell. Zuvor kamen FDP und die Grüne nochmals zu Sonderparteitagen zusammen. Für die Parteien geht es eine Woche vor der Bundestagswahl in den Wahlkampf-Endspurt, der allerdings weniger von Bedeutung sein dürfte als noch vor vier Jahren. Schließlich hat sich ersten Einschätzungen zufolge der Anteil der Briefwähler im Vergleich zu 2017 fast verdoppelt. Ein erheblicher Teil der Wahlwilligen hat sein Kreuz also bereits gemacht.
Die Wahl wird EU-weit mit Spannung verfolgt, schließlich könnte der Ausgang auch die Rolle Deutschlands in Europa entscheidend verändern. Dass diese im Wahlkampf kaum ein Thema war, wurde unter unseren Nachbarn entsprechend irritiert zur Kenntnis genommen. Denn auf EU-Ebene stehen wichtige Entscheidungen an, besonders beim Kampf gegen den Klimawandel. In unserem Herbstausblick fassen wir die bevorstehenden Weichenstellungen beim Green Deal für Sie zusammen.
Nicht direkt involviert ist die EU in die außenpolitische Krise zwischen Frankreich, den USA, Australien und Großbritannien wegen eines geplatzten U-Boot-Deals. Warum der Streit die Brüsseler Agenda dennoch durcheinanderwirbeln könnte, analysieren Jasmin Kohl und Eric Bonse.
Die außenpolitische Krise zwischen Frankreich, den USA, Australien und Großbritannien wegen eines geplatzten U-Boot-Deals wirbelt auch die Brüsseler EU-Agenda durcheinander. Der Start des Handels- und Technologierats (TTC) am 29. September sei zwar nicht unmittelbar gefährdet, hieß es in Brüsseler EU-Kreisen. Doch andere wichtige Vorhaben könnten unter der neuen transatlantischen Eiszeit leiden.
Frankreich hatte am Freitag seine Botschafter aus den USA und Australien zurückgerufen und von “Doppelzüngigkeit, Geringschätzung und Lügen” gesprochen. Dass Australien den Kauf französischer U-Boote zugunsten von U-Booten mit US-Technologie aufgebe, sei “inakzeptables Verhalten zwischen Verbündeten und Partnern”, sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian. Der Streit belaste auch die Zusammenarbeit in der Nato.
Staatspräsident Emmanuel Macron will darüber auch mit US-Präsident Joe Biden sprechen. Es werde in den nächsten Tagen ein Telefonat der beiden Staatschefs geben, bei dem Macron eine “Klarstellung” erreichen wolle, sagte ein Regierungssprecher in Paris.
In Brüssel hofft man, dass die Krise am Rande der UN-Vollversammlung in New York beigelegt werden kann und nicht auf die EU durchschlägt. Frankreich ist nach dem Austritt Großbritanniens die einzig verbleibende Militärmacht in der EU. Erst am vergangenen Donnerstag hatte die EU-Kommission eine neue Indopazifik-Strategie vorgelegt. Genau um diese strategisch wichtige Region kreist der Streit.
Mittlerweile geht es allerdings nicht mehr nur um U-Boote, die den Indopazifik vor möglichen chinesischen Störmanövern schützen sollen. Frankreich stellt auch die Verlässlichkeit der USA, Australiens und Großbritanniens infrage und droht mit Konsequenzen für die weitere Zusammenarbeit. Dies könnte auf mehrere wichtige EU-Vorhaben ausstrahlen – vorausgesetzt, dass Paris bei seiner harten Linie bleibt.
So warnt der einflussreiche Europaabgeordnete Arnaud Danjean Australien vor Konsequenzen für den geplanten Freihandelspakt. “Die Australier können sich auf mehr einstellen als einen verspäteten Abschluss des Freihandelsabkommens mit der EU”, schrieb er auf Twitter. Gefährdet scheint auch der geplante Sicherheits- und Verteidigungspakt zwischen der EU und Großbritannien.
London habe sich wie ein “Vasall” der Amerikaner verhalten und am “Dolchstoß” gegen Frankreich beteiligt, heißt es in Paris. Allerdings wurde der französische Botschafter in London bisher nicht zurückgerufen. “Großbritannien ist in dieser Angelegenheit nur das fünfte Rad am Wagen”, sagte Le Drian. Man sei an den “Opportunismus” der Briten gewöhnt.
Noch keine Auswirkungen zeichnen sich für den Start der TTC-Gespräche mit den USA ab, die am 29. September in Pittsburgh beginnen sollen. Sie können zwar nicht ohne Frankreich zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden. Der Lead liegt jedoch bei der EU-Kommission. Ein Kommissionssprecher sagte, man sei “zuversichtlich, dass das Treffen wie geplant stattfinden wird”. Man habe dafür von allen Mitgliedstaaten ein “klares Mandat” erhalten. Der Rat werde auch an den letzten Vorbereitungen eng beteiligt.
EU-Kommissar Thierry Breton reist in dieser Woche in die USA und trifft dort unter anderem die US-Handelsministerin Gina Raimondo. Bei dem Gespräch am Dienstag soll es neben Halbleitern auch um die bevorstehenden TTC-Verhandlungen gehen.
Kommissionsvertreter stellten vergangene Woche ihre Pläne den EU-Botschaftern der Mitgliedstaaten vor, auch die Abgeordneten der US-Monitoring Group im Europaparlament sowie Vertreter von Unternehmen und Zivilgesellschaft wurden gebrieft. Konfliktreiche Themen will die Behörde anfangs vermeiden und nur über vergleichsweise unstrittige Sachverhalte diskutieren sowie Rahmen und Zeitplan festlegen. Vizepräsidentin Margrethe Vestager mahnte, nicht zu viel von dem ersten Treffen zu erwarten.
Beobachter rechnen damit, dass es am 30. September bereits zu ersten inhaltlichen Gesprächen auf Ebene der Arbeitsgruppen kommen könnte. Zu den weniger heiklen Themen dürfte die gegenseitige Anerkennung von Zertifizierungen in bestimmten Sektoren gehören, ebenso ein Informationsaustausch bei der Sicherheitsprüfung von Investitionen und gemeinsame Standards etwa für Systeme mit künstlicher Intelligenz.
Das Kalkül: Die Kommission will zunächst einige “Low Hanging Fruits” ernten und darüber gegenseitiges Vertrauen für strittige Themen aufbauen. Konfliktpotenzial sieht der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), unter anderem bei den Themen Datenschutz, Privacy Shield und Stahlzöllen.
Zudem muss die Kommission Acht geben, nicht durch zu forsches Agieren die Mitgliedstaaten gegen sich aufzubringen. Anders als in klassischen Handelsgesprächen hat sich die Behörde bislang kein Verhandlungsmandat der Regierungen besorgt. Sie rechtfertigt dies mit dem Verweis, dass die Themenpalette weit über Handelsfragen hinausreiche und die Agenda des TTC noch sehr im Fluss sei.
Deutschland und andere EU-Staaten haben die Kommission ermahnt, nicht ohne Rücksprache Vereinbarungen mit Washington abzuschließen. Auch der juristische Dienst des Rates machte entsprechende Bedenken geltend. Spätestes bei der Sitzung der EU-Botschafter am Mittwoch soll die Behörde nun Farbe bekennen, welche schriftlichen Erklärungen sie mit der US-Seite zu verabschieden gedenkt.
Der europäische Verbraucherverband BEUC betont, dass Transparenz ganz oben auf der Agenda stehen sollte: “Wir müssen nicht mit am Verhandlungstisch sitzen, aber wir sollten die Möglichkeit haben, den politischen Entscheidungsträgern Empfehlungen zu geben – auf Augenhöhe”, sagt ein BEUC-Sprecher auf Anfrage.
Eine gute Lösung wäre zum Beispiel, die Sitzungsprotokolle der Gespräche auf einer eigens eingerichteten Website zu veröffentlichen, so BEUC. “Der TTC darf kein Instrument für die US-Administration oder US-Unternehmen werden, mit dem sie die EU davon abhalten können, ihre Verbraucher auf den digitalen Märkten zu schützen“, so der Sprecher.
Das Europaparlament wiederum soll nach dem Willen Langes über die U.S. Monitoring Group im INTA-Ausschuss eingebunden werden. “Meine Idee ist es, die ständigen Berichterstatter anderer Ausschüsse für Themendiskussionen, die sie betreffen, mit in die Kommissionsbriefings in der INTA-U.S. Monitoring Group einzuladen.” Eric Bonse/Jasmin Kohl
Größte Baustelle für die kommenden Wochen und Monate dürfte das “Fit-for-55”-Klimapaket werden, das die EU-Kommission im Juli vorgestellt hat. Das Maßnahmenbündel umfasst 13 Legislativ-Vorschläge. Sie sollen nicht nur das Erreichen der EU-Klimaziele, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft und die Sozialverträglichkeit der grünen Transformation sicherstellen. Dieser Tage werden im Europäischen Parlament die Zuständigkeiten für das Mammut-Projekt abgesteckt (Europe.Table berichtete), bevor es dann voraussichtlich im November in die ersten Verhandlungsrunden mit dem Rat gehen soll.
Diese werden nicht einfach, ist doch die Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmen teils sehr umstritten. Das Herzstück des Pakets bildet die Reform des Europäischen Emissionshandels (ETS). Die Position des Parlaments wird im Umweltausschuss unter Federführung der EVP-Fraktion ausgearbeitet und bereits jetzt kontrovers diskutiert.
Der Plan der Kommission sieht vor, die Anzahl der im Umlauf befindlichen Emissionszertifikate zu senken und den Faktor der jährlichen Kürzung (Cap) von 2,2 auf 4,2 Prozent zu erhöhen. Mit einem Beginn der ETS-Triloge wird in Brüssel im zweiten Halbjahr 2022 gerechnet. Erste Ergebnisse werden für das Frühjahr 2023 erwartet.
Zähe Auseinandersetzungen werden auch bei der Einführung eines weiteres ETS für die Bereiche Gebäude und Straßenverkehr erwartet (Europe.Table berichtete). Streitpunkt hier: fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung und mögliche soziale Schieflagen.
Daneben sollen die kostenfreien Zuteilungen an die Industrie auslaufen und parallel ein Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) eingeführt werden, der ab 2026 vollständig in Kraft treten soll. CBAM-Kritiker befürchten für die Übergangsphase eine doppelte Bevorteilung der europäischen Industrie und Handelskonflikte mit Drittländern. Berichterstatter ist Mohammed Chahim (S&D).
Auch die neuen CO2-Standards für PKW sind umstritten. Die Pläne der Kommission sehen eine Emissionsminderung um 100 Prozent bis 2035 vor, was defacto einem Aus des Verbrenners gleichkommt. Gegner fordern hier mehr Technologieoffenheit. Berichterstatter ist der Niederländer Jan Huitema (Renew).
Die Richtlinien zur Energieeffizienz sowie zum Ausbau der erneuerbaren Energien (RED) werden im Industrieausschuss verhandelt. RED-Berichterstatter ist der CDU-Abgeordnete Markus Pieper.
Am 14. Dezember und damit exakt fünf Monate nach Präsentation der Fit-for-55-Maßnahmen will Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans ein weiteres Klimapaket vorstellen. Darin soll auch eine Richtlinie zur Reduktion von Methan-Emissionen im Energie- und Industriebereich enthalten sein.
Der Vorschlag gehört zur Umsetzung der Methanstrategie der EU, über die das Parlament im Oktober oder November abstimmen wird. Mit der neuen Richtlinie soll eine Verpflichtung zur besseren Erkennung und Reparatur von Gaslecks eingeführt und das Ablassen von Gas verboten werden. Über Standards sollen auch Handelspartner aus Drittländern in die Pflicht genommen werden. Methan verursacht zwar in Summe weniger Emissionen als CO2, ist laut Berechnungen des Weltklimarats IPCC aber bis zu 28-mal klimawirksamer.
Ergänzend dazu soll das Energiepaket für Gas, das aus mehreren Richtlinien besteht und ursprünglich zur Liberalisierung und Harmonisierung des europäischen Gasmarktes verabschiedet wurde, überarbeitet und an die Dekarbonisierungspläne angepasst werden.
Auch die Richtlinie zur Gebäudeeffizienz soll auf den Prüfstand. 36 Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU entfallen auf den Gebäudesektor. Zugleich sind nach Angaben der EU-Kommission 75 Prozent des Gebäudebestands nicht energieeffizient und die Modernisierungsrate liegt aktuell bei gerade einmal einem Prozent. Das soll sich ändern. Erwartet werden außerdem Vorschläge zu sogenannten Nullenergie-Gebäuden, etwa mit konkreten Vorgaben zu einer möglichen Solarpflicht bei Neubauten oder Ladestationen für Elektroautos.
Außerdem sollen mehrere Gesetzesinitiativen und -vorschläge im Rahmen des Green Mobility-Pakets auf den Weg gebracht werden. Darunter ein Vorschlag für die Neuauflage des Gesetzes zu den transeuropäischen Transportnetzen (Ten-T), das den Ausbau zwischen den Mitgliedstaaten beschleunigen, Netzlücken schließen und technische Barrieren zwischen den nationalen Verkehrsunternehmen abbauen soll. Dabei geht es sowohl um Straßen als auch um Schienentrassen und Wasserstraßen.
Mit dem innerstädtischen Verkehr soll sich ein neuer Rechtrahmen für die Mobilität in der Stadt befassen. Er soll Mitgliedstaaten Anreize geben, “urbane Verkehrssysteme aufzubauen, die sicher, zugänglich, inklusiv, erschwinglich, intelligent, resilient und emissionsfrei sind”. Bis zum 23. September läuft die öffentliche Konsultation.
Ebenfalls am 14. Dezember will die Kommission eine Initiative für nachhaltige Produktbestimmungen, einschließlich einer Überarbeitung der Ökodesign-Richtlinie, vorstellen.
Die EU überarbeitet derzeit ihre Beihilfeleitlinien für Umwelt, Energie und Klimaschutz (Europe.Table berichtete), was ohne formelle Beteiligung von Rat und Parlament unter die Zuständigkeit der Kommission fällt und schon deshalb umstritten ist. Das Verfahren soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Im Januar 2022 würden die neuen Leitlinien dann in Kraft treten.
Im Rahmen des Beihilferechts sollen Mitgliedstaaten die Umweltziele des europäischen Green Deals mit staatlichen Subventionen fördern können; beihilfebedingte Wettbewerbsverzerrungen sollen dabei aber auf ein Minimum begrenzt werden.
Das Ergebnis der Neufassung könnte insbesondere für die deutsche Industrie gravierende Auswirkungen haben. Der Strompreis ist hierzulande EU-weit am höchsten und seit einigen Tagen auf Rekordniveau. Im Zuge der grünen Transformation wird der Bedarf weiter steigen: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sind staatliche Subventionen für die Industrie entscheidend.
Im Herbst will die EU-Kommission entscheiden, welche Investments als klimafreundlich abgeschrieben werden dürfen und welche nicht. Mit der sogenannten Taxonomie stellt sie also die Weichen (Europe.Table berichtete), mit welchen Mitteln die EU klimaneutral werden will. Die Entscheidung soll auf wissenschaftlichen Fakten fußen, ist aber hochpolitisch. Besonders viel steht für die Atomindustrie auf dem Spiel: Die Taxonomie legt auch fest, ob Investitionen in Kernenergie als nachhaltig qualifiziert werden (Europe.Table berichtete), was der Branche wertvolle Finanzspritzen sichern würde.
Die neue Regulierung für Batterien und Altbatterien soll einen EU-weiten Batterie-Standard festlegen. Ziel: die europäische Batterieproduktion anzukurbeln, die Umwelteinwirkungen der Batterieproduktion zu minimieren und besseres Recycling zu ermöglichen.
Das Gesetz legt unter anderem Sammelziele für Altbatterien, Recyclingeffizienz-Ziele und die Verpflichtung zur Meldung des CO2-Fußabdrucks über den gesamten Lebensweg der Batterie fest.
Im EU-Parlament hauptverantwortlich ist der ENVI-Ausschuss, der voraussichtlich im Januar über eine gemeinsame Position abstimmen wird. Berichterstatterin ist die italienische S&D-Abgeordnete Simona Bonafè. Doch auch der TRAN-Ausschuss bezieht Stellung. Dort ist die Abstimmung für Mitte November vorgesehen. TRAN-Berichterstatter Ismail Ertug (S&D) will die Sammel- und Recyclingziele noch erhöhen, dann könne der Vorschlag einen “Goldstandard” für Batterien nicht nur in Europa, sondern weltweit erreichen.
Auch für die neue Euro 7-Abgasnorm wird noch in diesem Jahr der entsprechende Kommissionsvorschlag durch die Generaldirektion GROW erwartet. Seit 2014 gilt die Norm Euro 6, dessen neueste Fassung Euro 6d ist seit Anfang 2021 Pflicht für alle Neuzulassungen. Dennoch wird bereits eine neue Norm erarbeitet. Die Kommission ist der Auffassung, dass die aktuellen Standards nicht ausreichen, um das Ziel des emissionsfreien Straßenverkehrs zu erreichen.
Die neue Norm dürfte sich jedoch nicht so sehr auf höhere Grenzwerte fokussieren. Stattdessen wird sie voraussichtlich strengere Testvorgaben machen. Die hatten die Autoindustrie zwischenzeitlich in helle Aufregung versetzt, da sie durch die Vorgaben ein “faktisches Verbot” des Verbrenners befürchtet hatten. So ganz ist die Sorge auch immer noch nicht vom Tisch.
Beim Thema E-Fuels soll aus Brüssel noch in diesem Jahr ein Entwurf für einen Rechtsakt kommen, der die Rahmenbedingungen für die Herstellung von erneuerbaren Kraftstoffen festlegt. Wann synthetische Kraftstoffe tatsächlich als vollständig erneuerbar gelten, ist noch nicht ausgemacht. Das muss die Kommission klären, denn E-Fuels-Produzenten würden den ohnehin schon enormen Ökostrombedarf weiter erhöhen (Europe.Table berichtete).
Die gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) nimmt den größten Einzelposten des EU-Haushalts ein – fast 400 Milliarden Euro. Da sich die Mitgliedstaaten nicht rechtzeitig auf eine neue Regelung zur Verteilung der Agrarsubventionen einigen konnten, läuft seit diesem Jahr und noch bis Ende 2022 eine Übergangsverordnung.
Im Juni hatten sich Kommission, Rat und Parlament im Trilog schließlich auf eine GAP-Reform verständigt, die stärkere Anreize für nachhaltiges Landwirtschaften vorsieht, insbesondere den Grünen aber noch nicht weit genug geht. Der Agrarausschuss hat in seiner Sitzung am 9. September bereits der Trilog-Einigung zugestimmt (Europe.Table berichtete), in der zweiten Novemberhälfte soll in Straßburg das Plenum des EU-Parlaments abstimmen.
Bis Ende des Jahres müssen die Mitgliedstaaten ihre nationalen Strategiepläne zur Umsetzung der neuen GAP bei der Kommission vorlegen, um sie genehmigen zu lassen. Deutschland arbeitet derzeit noch an seinem GAP-Strategieplan, hat jedoch schon zahlreiche Arbeitspapiere veröffentlicht, die in den Plan mit einfließen werden.
Die EU schickt sich an, die biologische Vielfalt durch die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 besser zu schützen. Kurz vor Weihnachten möchte sie eine neue Verordnung vorschlagen, in der rechtlich verbindliche Ziele für die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme bis 2030 festgelegt werden sollen. In seiner ersten Plenarsitzung im Oktober stimmt das Europaparlament außerdem über seine Position zur Farm to Fork-Strategie ab. Timo Landenberger/Lukas Scheid
Eine Gruppe von rund 40 Abgeordneten des Europäischen Parlaments hat die EU-Kommission aufgefordert, die Rolle des russischen Energiekonzerns Gazprom bei den steigenden Gaspreisen in Europa zu untersuchen. Die Preise in Europa sind in den letzten Wochen in die Höhe geschnellt und haben dazu beigetragen, die europäischen Stromkosten auf ein Rekordhoch zu treiben.
“Wir fordern die Europäische Kommission auf, dringend eine Untersuchung über eine mögliche absichtliche Marktmanipulation durch Gazprom und einen möglichen Verstoß gegen die EU-Wettbewerbsregeln einzuleiten”, heißt es in dem Schreiben.
Die EU-Abgeordneten verdächtigen das Energieunternehmen, Europa unter Druck zu setzen, damit es einem baldigen Betriebsbeginn der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zustimmt. Gazprom habe absichtlich weniger Kapazitäten über bestehende Pipelines durch die Ukraine gebucht, um die Energieversorgung künstlich zu verknappen. Die Vorwürfe befeuert hatte Ende vergangener Woche die Äußerung des Kremls, eine schnelle Genehmigung von Nord Stream 2 könne die Sorge der Europäer vor möglichen Gasengpässen im Winter lindern und damit den steigenden Energiepreisen entgegenwirken.
Gazprom gab letzte Woche bekannt, dass es den Bau der Gasleitung nach Deutschland abgeschlossen und damit seine Exportkapazität über die Ostsee verdoppelt habe. Noch in diesem Jahr soll mit den ersten Lieferungen begonnen werden. Zuvor müssen allerdings einige regulatorische Hürden überwunden werden, was noch Monate dauern könnte.
In einer Reaktion auf die Anschuldigungen erklärte Gazprom, dass es seine Kunden in voller Übereinstimmung mit den bestehenden Verträgen mit Gas versorge. Die Europäische Kommission kündigte eine Antwort zu gegebener Zeit an. rtr/til
Nachdem die 75. Generalversammlung der UN im vergangenen Jahr aufgrund der Corona-Pandemie eine rein virtuelle Jubiläums-Veranstaltung war, findet das diplomatische Stelldichein in dieser Woche wieder persönlich in New York statt. Zumindest theoretisch, denn zahlreiche Staats- und Regierungschefs haben erklärt, aufgrund der weiterhin angespannten Lage auch diesmal Videobotschaften senden zu wollen, wenn am Dienstag die Generaldebatte eröffnet wird.
Erstmals seit seinem Amtsantritt wird auch US-Präsident Joe Biden persönlich vor der Versammlung reden und die Teilnehmer in den USA begrüßen. Bidens UN-Beauftragte kündigte an, der US-Präsident werde über die Beendigung der COVID-19-Pandemie, die Bekämpfung des Klimawandels und die Verteidigung der Menschenrechte und der Demokratie sprechen.
UN-Generalsekretär António Guterres forderte im Vorfeld der Veranstaltung mehr Engagement im Kampf gegen den Klimawandel und sagte: “Wir kommen zusammen zu einer Zeit großer Herausforderungen und Spaltungen”.
Beobachter erwarten von dem UN-Treffen bereits erste Aussagen im Hinblick auf die Weltklimakonferenz COP26 im November in Glasgow. Nachdem die Veröffentlichung des jüngsten IPCC-Berichts die Dringlichkeit umfassender, globaler Klimaschutzmaßen noch einmal deutlich gemacht hat, zielt die COP26-Konferenz darauf ab, Allianzen zu schmieden und die Teilnehmer zu ehrgeizigeren Maßnahmen zu bewegen. til
Die Wettbewerbshüter in Indien werfen Google einem Untersuchungsbericht zufolge den Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung mit seinem Betriebssystem Android vor. Der US-Internetriese habe seine “enorme Finanzkraft” genutzt, um Konkurrenten unrechtmäßig zu schädigen, heißt es in dem Bericht der indischen Kartellbehörde (CCI).
Der Konzern habe es Herstellern erschwert, Geräte mit alternativen Android-Versionen zu entwickeln und zu verkaufen. Die obligatorische Vorinstallation von Apps sei eine unfaire Bedingung für die Geräte-Hersteller und verstoße gegen das indische Wettbewerbsrecht. Zudem nutze Google die starke Position seines App-Stores Play Store aus, um seine Dominanz zu schützen.
Der Google-Mutterkonzern Alphabet teilte in einer Erklärung mit, dass er mit der CCI zusammenarbeiten wolle, um zu zeigen, wie Android zu mehr Wettbewerb und Innovation geführt habe und nicht zu weniger. Gegen Google laufen in Indien noch weitere Kartelluntersuchungen. Auch in Europa und den USA haben die Wettbewerbshüter Google wiederholt ins Visier genommen. rtr
Für Joachim Bühler ist die Sache vollkommen klar: “Wir brauchen einen Batteriepass, der den gesamten Lebenszyklus einer Batterie erfasst”, sagte der Geschäftsführer des TÜV-Verbands auf der gerade zu Ende gegangenen IAA in München. Mit dieser Forderung steht er nicht allein.
Bereits am 10. Dezember 2020 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für die neue Batterieverordnung veröffentlicht, die am 1. Januar 2022 in Kraft treten soll (Europe.Table berichtete). Alle auf dem EU-Markt befindlichen Batterien sollen, so das Ziel, während ihres gesamten Lebenszyklus nachhaltig und sicher sein. Bis zum 1. Januar 2026 soll jede Industriebatterie und Traktionsbatterie mit einer Kapazität von mehr als zwei Kilowattstunden einen individuellen Pass erhalten. In gewisser Weise also eine digitale Akte.
Die Richtung stimmt also, aber das Tempo nicht. Der Dax-Konzern BASF als Mitglied der Global Battery Alliance (GBA) ist besonders ambitioniert und will schon bis Ende 2022 einen Batteriepass mit voller Funktionalität fertiggestellt sehen.Wie BASF sind auch die deutschen Autobauer Volkswagen, seine Tochter Audi oder die BMW-Gruppe in der Global Battery Alliance engagiert. In gewisser Weise wollen Europas Autobauer und Zulieferer ein neues “Batterie-Ökosystem” schaffen, das auf Nachhaltigkeit und faire Produktionsbedingungen setzt.
Denn ihnen ist vollkommen klar: Wer ein Elektroauto mit der dezidierten Absicht kauft, etwas Gutes für die Umwelt zu tun, möchte eine Garantie dafür haben, dass die Batteriemineralien wie Kobalt, Nickel, Kupfer, Lithium oder Seltene Erden nicht von Kinderhand im Kongo oder zulasten der indigenen Völker in der chilenischen Atacama-Wüste gefördert wurden.
In Europa soll ein weltweiter “Goldstandard” in Sachen Nachhaltigkeit entstehen. Dafür hat die Kommission bislang zwei batteriebezogene IPCEIs (Important Projects of Common European Interest) mit einem Gesamtwert von 20 Milliarden Euro aus öffentlichen und privaten Mitteln genehmigt.
Das ist alles schön und gut. Es ist in seiner Massivität aber auch dem Umstand geschuldet, dass Europa die Entwicklung in der Elektromobilität verschlafen hat und nun mit konzertierten Kräften gegenüber den asiatischen Staaten aufholen will – und muss. Die Zunahme der Batterieproduktion treibt den Wettstreit um Roh- und Wirkstoffe an.
Deutschland, ganz Europa muss in dieser Hinsicht die lokale Materialbeschaffung ausbauen und seine externe Versorgung diversifizieren. Im Klartext: Es muss unabhängiger werden von Staaten wie China, Kongo oder Chile. Und das lässt im Grunde nur einen Schluss zu: In Europa selbst müssen die Rohstoffe der Zukunft gefördert werden.
Alle wesentlichen Batterieminerale lagern in europäischen Böden, es gibt nur kaum noch Bergbau, um sie zu fördern. Zur ganzen Wahrheit gehört, dass von B wie “Batterie-Gigafabrik” bis Z wie “Zellenproduktion” alles in Deutschland und Europa realisierbar und vorhanden ist. Nur an A wie “Anfang der Wertschöpfungskette” hat man nicht gedacht. Und das sind die Rohmaterialien für die Batterieproduktion.
Ein Batteriepass ist notwendig. Aber er ergibt nur Sinn, wenn die damit beabsichtigte Nachhaltigkeit und Rückverfolgbarkeit bereits mit der umweltverträglichen und menschenwürdigen Gewinnung von Batteriemineralen beginnt. Und diese Gewissheit haben wir eigentlich nur dann, wenn wir sie selbst gemäß unseren hohen Standards abbauen.
Also: Mehr Minen in unseren Hinterhöfen! Denn eines muss auch klar sein: Allein mit Recycling werden wir den enorm und schnell steigenden Bedarf an kritischen Mineralien nicht decken können (Europe.Table berichtete). Wir brauchen einen neuen, minimal-invasiven, modernen und nachhaltigen Bergbau, der unsere Selbstversorgung mit den elementaren Rohstoffen der Moderne sichert.
Doch die Hürden sind hoch. Immer umfangreichere und unsicherere Genehmigungsverfahren für die bergbauliche Erschließung von Rohstoffvorkommen bremsen neue Projekte schon in ihrer Anfangsphase aus. Der Föderalismus in Deutschland hat viele Vorteile, aber hier ist er hinderlich: Die Behörden auf Länderebene sind nicht in der Lage, die gesetzlichen Vorgaben aus Bund und Europäischer Union verfahrenstechnisch und rechtssicher umzusetzen.
Die Folge: Genehmigungsverfahren werden unnötig in die Länge gezogen. Der Entscheidungs- und Genehmigungsprozess für ein neues Bergbauprojekt braucht bis zu seiner möglichen Zulassung bis zu zehn Jahre. Das ist inakzeptabel und marktwirtschaftlich desaströs.
Die EU leistet hier auch keine große Hilfe. Brüssel fördert zwar den Lithiumabbau in Europa, aber wie steht es mit Nickel, Kobalt, Kupfer, Vanadium oder Seltenen Erden? Es gibt bereits einen guten europäischen Rechtsrahmen, um sicherzustellen, dass der Bergbau unter umwelt- und sozialverträglichen Bedingungen erfolgt. Es scheint jedoch nahezu unmöglich zu sein, neue Projekte zu kritischen Rohstoffen schnell in die Betriebsphase zu überführen. Das hohe Risiko und die Kosten der Exploration schrecken viele Bergbauunternehmen ab.
Im Rahmen der Agenda für bessere Rechtsetzung arbeitet die Kommission derzeit daran, Hindernisse für große Infrastrukturprojekte zu ermitteln, um die Verfahren in den Mitgliedstaaten zu beschleunigen. Die Kommission sollte dies als Priorität einstufen und Deutschland als wichtigstes und wirtschaftlich stärkstes EU-Mitglied sollte – auch unter der neuen Regierung – dieses Vorhaben in Europa forcieren.
Im Grunde hat die EU-Kommission den Weg hin zu mehr Unabhängigkeit bei kritischen Rohstoffen am 3. September 2020 in ihrem Plan “Widerstandsfähigkeit der EU bei kritischen Rohstoffen: Einen Pfad hin zu größerer Sicherheit und Nachhaltigkeit abstecken” schon ziemlich genau abgesteckt. Es ist Zeit, ihn zu beschreiten. Auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Ursula von der Leyen – bitte übernehmen!
Als “historischen Tag für die europäische Demokratie” bezeichnete der Europaabgeordnete Sven Giegold (Grüne) den vergangenen Freitag. Jetzt werden sich viele fragen, was den 17. September für Europa so historisch macht. Vielleicht das Ende des russisch-schwedischen Kriegs am 17. September 1809 oder die Gründung der unabhängigen polnischen Gewerkschaft Solidarność 1980.
Auf die erste Runde der Bürgerforen im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas, die am Freitag in Straßburg begann und bis Sonntag andauerte, kommen wohl die wenigsten. Dabei ist diese tatsächlich historisch oder zumindest beispiellos und das bisher größte Experiment direkter Bürgerbeteiligung.
An den insgesamt vier Foren nehmen jeweils 200 Europäer teil, die die demografische und soziale Vielfalt der EU widerspiegeln, beraten und konkrete Empfehlungen für die künftige Richtung geben, die sie sich für Europa vorstellen. Jedes Forum tritt dreimal zusammen. Erörtert wird dabei die gesamte Themenpalette von Wirtschaft, sozialer Gerechtigkeit und Bildung über Rechtsstaatlichkeit und Migration bis hin zum Klimaschutz.
Mit der Konferenz zur Zukunft Europas soll die EU ihren Bürgern nähergebracht und ihr Stellenwert in der Bevölkerung gestärkt werden. Die Krux: Vermutlich wissen tatsächlich mehr Europäer, wann der russisch-schwedische Krieg ein Ende fand, als was es mit der Konferenz zur Zukunft Europas auf sich hat. Aber was will man erwarten, wenn das Thema Europa selbst im Wahlkampf vor der Bundestagswahl praktisch keine Rolle spielt. Ebendiese ist für die EU ja nun wirklich nicht unerheblich. Womöglich sogar historisch. Timo Landenberger