“You’ll never walk alone” solle die Leitlinie der bevorstehenden deutschen G7-Präsidentschaft werden, sagte Außenministerin Annalena Baerbock gestern beim Abschluss der Beratungen der G7-Außenminister in Liverpool. Der Fan-Song des FC Liverpool drücke “ein starkes Miteinander” aus, was sich Baerbock offensichtlich auch für die Gruppe der sieben führenden Industriestaaten wünscht. Geeint zeigten sich die G7 erneut beim Thema Ukraine-Krise: Sie drängten Russland zur Deeskalation und drohten im Fall eines Angriffs mit massiven Konsequenzen. “Jede Art der Gewaltanwendung zur Änderung von Grenzen ist nach internationalem Recht strikt verboten”, heißt es im Entwurf der Abschlusserklärung.
Um Russland ging es gestern auch beim Amtsbesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Warschau, aber mit einem anderen Fokus: Nord Stream 2. Zweites kontroverses Thema bei dem Treffen mit Ministerpräsident Mateusz Morawiecki: der Rechtsstaatsstreit der EU mit Polen. Scholz vermied eine scharfe Kritik und sagte stattdessen, dass er sehr darauf hoffe, dass sich die EU-Kommission und die polnische Regierung einigen.
Anfang des Monats trat das neue Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien (TTDSG) in Kraft und setzt damit die E-Privacy-Richtlinie in deutsches Recht um. Warum das Gesetz den Streit um die Frage, unter welchen Bedingungen Anbieter Cookies setzen oder andere Daten der Endgeräte verarbeiten dürfen, erneut anheizt, analysiert Torsten Kleinz.
Die EUFuel Maritime-Verordnung soll die Nachfrage nach erneuerbaren und kohlenstoffarmen Kraftstoffen im Maritim-Sektor steigern, ohne Wettbewerbsnachteile für europäische Akteure zu erzeugen. Warum der Bundesregierung die Reduktionsziele des Gesetzes nicht weit genug gehen, berichtet mein Kollege Lukas Scheid.
Zum ersten Dezember ist das neue Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien (TTDSG) in Kraft getreten. Das Gesetz setzt erstmals die E-Privacy-Richtlinie vollständig in deutsches Recht um. Obwohl die Datenschutzbehörden sich schon seit Jahren direkt auf die europäische Vorlage bezogen haben (Europe.Table berichtete), erfordern die neuen Vorschriften einigen Anpassungsbedarf bei Unternehmen.
Das TTDSG ergänzt die Datenschutz-Grundverordnung insbesondere bei der Frage, unter welchen Bedingungen Anbieter Cookies setzen oder andere Daten der Endgeräte verarbeiten dürfen. “Die neue Streitlinie wird damit die Ausnahme in § 25 Abs. 2 TTDSG“, erklärt Rechtsanwalt und Datenschutz-Experte Joerg Heidrich gegenüber Europe.Table. Laut der Vorschrift ist eine aktive Einwilligung der Endnutzer nicht erforderlich, wenn “der Einsatz der Cookies oder die Einbindung von Drittdiensten unbedingt erforderlich sind.” Doch was bedeutet das konkret?
Mehrere deutsche Datenschutzaufsichtsbehörden haben bereits eine enge Auslegung angekündigt. Unstrittig ist, dass ein Cookie gesetzt werden darf, wenn etwa der Inhalt eines Warenkorbes gesichert werden soll. Was darüber hinaus nach dem TTDSG als “unbedingt erforderlich” gilt, wird jedoch zu Auseinandersetzungen führen: Viele Website-Betreiber haben bisher Funktionen wie Reichweitenmessung oder grundlegende Cookies zur Einbindung von Werbung unter diese Kategorie gefasst. Doch die Behörden wollen eine solche wirtschaftliche Notwendigkeit nicht mehr akzeptieren. Im Zweifel sollen Anbieter angesichts der wachsenden Einwilligungsmüdigkeit der Nutzer auf bestimmte Techniken verzichten.
Die Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) weist die enge Auslegung des Paragrafen zurück. “Jedenfalls gehört es nicht zu den Befugnissen einer Aufsichtsbehörde, von gesetzlich erlaubten Datenverarbeitungen abzuraten”, mahnt der Verband, in dem viele betriebliche Datenschutzbeauftragte organisiert sind. Die GDD fordert die deutschen Behörden auf, keine “Alleingänge” zu unternehmen, sondern sich eng mit den anderen europäischen Staaten abzustimmen. Gegenüber Europe.Table versucht Barbara Körffer vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein zu beruhigen: “Wer sich schon früher ernsthaft bemüht hat, die eigenen Prozesse datenschutzkonform zu gestalten, hat auch jetzt wenig Aufwand.”
Die Betreiber müssen sich jedoch nicht nur mit den Aufsichtsbehörden auseinandersetzen, auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) ist dabei, seine Rechtsauffassung vor Gericht durchzusetzen. Die Verbraucherschützer hatten es mit ihrer Klage gegen einen Glücksspielanbieter geschafft, dass der Bundesgerichtshof die lascheren Vorschriften des deutschen Telemediengesetzes im Mai 2020 für vom Europarecht nicht gedeckt erklärte und so schließlich das neue TTDSG notwendig machte.
Insbesondere die Cookie-Banner zur Werbedatenverarbeitung sind den Verbraucherschützern ein Dorn im Auge. Jüngst hatte der Verband deshalb knapp 100 Anbieter abgemahnt, darunter Lieferando, Napster und AI-Fitness. Zusätzlich klagt der VZBV inzwischen gegen fünf Medienhäuser: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, T-Online, Spiegel, Focus und Axel Springer haben laut der Auffassung der Verbraucherschützer ihre Endnutzer nicht korrekt um Einwilligung gebeten, um weitgehende Datenverarbeitungen zu Werbezwecken zu erlauben.
Neues Gewicht können die Klagen durch ein Verfahren gewinnen, das derzeit beim EuGH liegt. Darin geht es um die Frage, ob die Verbraucherschützer klagebefugt sind, die Datenschutzgrundverordnung direkt durchzusetzen. Der Generalanwalt Richard de la Tour hat in seinem Schlussantrag die Auffassung des Verbraucherzentrale Bundesverband und der Bundesregierung gestützt. Demnach könnten die Verbraucherschützer nicht nur das Setzen von Cookies und alternative Techniken wie das Browser-Fingerprinting vor Gericht bringen, sondern auch das Geschäft mit personalisierter Werbung auf dem Gerichtsweg verbieten lassen.
Unterdessen richten viele Datenverarbeiter ihre Blicke nach Brüssel zur belgischen Datenschutzbehörde GBA. Wie der Interessenverband IAB Europe bereits im November mitteilte, hat die Behörde in einem vorläufigen Befund das “Transparency & Consent Framework (TCF) als unzulässig bemängelt. Dabei handelt es sich um eine zentrale Schaltstelle im Milliardenmarkt der personalisierten Werbung. Mittels dieser “TCF-Strings” wird übermittelt, welche Zustimmung Nutzer in Cookie-Bannern erteilt haben. Doch diese Strings selbst gelten nach Auffassung der Belgier als personenbezogene Daten, was eine grundlegende Neuordnung des Geschäfts notwendig machen könnte. Die Behörde gibt sich jedoch selbst zugeknöpft und will Details erst veröffentlichen, nachdem sie im Konsultationsverfahren der europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden behandelt wurden.
Selbst wenn das Setzen von Werbe-Cookies mit dem TTDSG weiterhin rechtlich möglich bleibt, könnte es in absehbarer Zeit deutlich schwerer werden, Nutzer zu finden, bei denen sie technisch überhaupt gesetzt werden können. Bereits heute schränkt Apple verschiedene Tracking-Techniken in seinen Produkten ein. Obwohl Google im Sommer die ehrgeizigen Pläne zur Abschaffung des Third Party Cookies im Browser Chrome für Anfang 2022 aufgeben musste, ist das Projekt “Privacy Sandbox” nicht komplett zu den Akten gelegt worden.
Der IT-Konzern konnte Ende November eine Einigung mit der britischen Competition and Markets Authority verkünden: Wenn Google sicherstellt, keinen wettbewerbswidrigen Vorteil aus der neuen Technik zu ziehen, kann die Abschaffung des Cookies weitergehen. Hierzu soll ein Trustee ernannt werden, der eng in die Entwicklung der Alternativtechniken eingebunden werden soll, die personalisierte Werbung ermöglichen sollen, ohne persönliche Daten an Dritte weiterzugeben. Auch die britische Datenschutzaufsicht ICO ist in das Verfahren einbezogen.
Hier schließt sich der Kreis zum TTDSG. Die deutschen Gesetzgeber haben in Paragraf 26 eine Vorschrift platziert, die sich gegen Browser-Hersteller wie Google und Apple richtet. Eigentlich befasst sich der Paragraf mit einer Einwilligungsverwaltung, mit – ganz im Sinne des Data Governance Acts (Europe.Table berichtete) – eine unabhängige Instanz betraut werden soll. Diese soll persönliche Daten im Sinne der Verbraucher verwalten und einheimischen Unternehmen gleichzeitig eine bessere Position in der Konkurrenz zu Google und anderen IT-Konzernen verschaffen (Europe.Table berichtete).
Wenn nun Chrome ab Ende 2023 keine Cookies mehr zulässt, wäre diese Einwilligungsverwaltung aus heutiger Perspektive technisch ausgehebelt. Genau dies verbietet jedoch der Paragraf 26 in Absatz 2. Ob die Vorschrift überhaupt zum Tragen kommt, ist bis heute aber noch absolut unklar. Ein Expertenkreis arbeitet derzeit an den Anforderungen für eine solche Einwilligungsverwaltung, die in eine Verordnung münden sollen, die anschließend durch Bundestag und Bundesrat abgesegnet und bei der EU-Kommission notifiziert werden muss.
Brüssel kontra Silicon Valley-Konzerne, Berlin im Zielkonflikt mit London und Verbraucherschützer gegen Verlage – die Konflikte rund um Cookies und Werbung sind vielfältig. Das TTDSG hat keinen davon gelöst, zwingt die Akteure nun aber dazu, die Streitigkeiten endlich auszutragen statt sie immer weiter aufzuschieben. Torsten Kleinz
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat bekräftigt, dass die umstrittene deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 gegenwärtig nicht in Betrieb genommen werden könne. Bei der Aufzeichnung eines ZDF-Interviews verwies die Grünen-Politikerin am Sonntag in Brüssel auf die Vereinbarung im Koalitionsvertrag mit SPD und FDP, dass für Energieprojekte wie die Ostsee-Pipeline europäisches Energierecht gelte. “Und das bedeutet, dass nach jetzigem Stand diese Pipeline so nicht genehmigt werden kann, weil sie eben die Vorgaben des europäischen Energierechts nicht erfüllt und die Sicherheitsfragen ohnehin noch im Raum stehen”, sagte Baerbock über Nord Stream 2.
Die Grünen hatten im Wahlkampf das Projekt heftig kritisiert und auch einen Baustopp gefordert. Sie stehen ihm deutlich skeptischer gegenüber als etwa die SPD. Im Koalitionsvertrag mit SPD und FDP wurde die Pipeline nicht ausdrücklich erwähnt. Die Bundesnetzagentur hatte bereits eine Trennung der Bereiche Handel und Transport verlangt und daher das Genehmigungsverfahren für die Leitung ausgesetzt (Europe.Table berichtete).
Zuletzt hatte auch der neue Wirtschaftsstaatssekretär im Klimaministerium, Sven Giegold, die Umsetzung von EU-Recht vor einer möglichen Inbetriebnahme der Gas-Pipeline Nord Stream 2 verlangt. “Klar ist, dass auch für dieses Projekt das europäische Energierecht gilt, die Trennung von Handel und Transport ist klar vorgegeben”, hatte der Grünen-Politiker gesagt.
Bei seinem Antrittsbesuch in Polen verwies Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntagabend darauf, dass Deutschland in gut 25 Jahren klimaneutral sein wolle. Die Bedeutung von Gaslieferungen nehme deshalb in der Zukunft drastisch ab, da der Energiebedarf zunehmend durch erneuerbare Energien abgedeckt werde.
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte Scholz zuvor erneut dazu aufgefordert, Nord Stream 2 zu stoppen. Morawiecki fürchtet, dass Russland die Pipeline als Druckmittel gegen die Ukraine und andere osteuropäische Staaten einsetzt. Er warf Russland zudem vor, an der Preisspirale bei Gas zu drehen. rtr
Eine Schwachstelle in einem auf vielen Computern verbreiteten Software-Modul führt nach Einschätzung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu einer “extrem kritischen Bedrohungslage“. Das BSI erhöhte deswegen am Samstag ihre bestehende Cyber-Sicherheitswarnung für die Java-Bibliothek Log4j auf die Warnstufe Rot. Es handelt sich dabei um die höchste Kategorie der vierstufigen BSI-Skala für Cyber-Sicherheitswarnungen und bei der Java-Bibliothek Log4j um die gegenwärtig einzige Meldung in dieser Stufe.
Die Einschätzung beruhe auf der sehr weiten Verbreitung dieses Software-Elements und den damit verbundenen Auswirkungen auf unzählige weitere Produkte, teilte das BSI mit. Zudem könne die Schwachstelle ohne größere Schwierigkeiten ausgenutzt werden. Damit könnten Angreifer das betroffene System vollständig übernehmen. Es gebe bereits Massen-Scans in Deutschland und auf der ganzen Welt sowie versuchte und erfolgreiche Angriffe. Zwar existiere bereits ein Sicherheits-Update für die Java-Bibliothek Log4j. Jedoch müssten auch alle Produkte, die Log4j verwenden, angepasst werden.
BSI-Präsident Arne Schönbohm und der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer hatten zuletzt von einer zunehmenden Gefährdung durch Cyberangriffe gewarnt. Im vergangenen Jahr wurden dem BSI zufolge 144 Millionen neue Schadprogramm-Varianten festgestellt, was ein Zuwachs von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sei. rtr
Bundeskanzler Olaf Scholz hat eingeräumt, dass es noch keine Einigung darüber gibt, welche Energieformen künftig in der EU als nachhaltig eingestuft werden. “Wir sind noch nicht beieinander. Aber alle diskutieren über die Frage, wie man zueinander kommen kann“, sagte der SPD-Politiker am Freitag vor einem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel. Hintergrund ist ein Ringen innerhalb der EU um die sogenannte Taxonomie (Europe.Table berichtete). Mit der EU-Taxonomie sollen Technologien ein Label als nachhaltig und unschädlich erhalten, damit die Finanzströme verstärkt in grüne Technologien geleitet werden.
Frankreich wünscht dabei, dass die EU-Kommission Atomenergie als nachhaltig einstuft. Deutschland hatte dies bisher abgelehnt, aber seinerseits auf die Einstufung von Erdgas gepocht. Besonders die Grünen sind gegen ein nachhaltiges Label für Nuklearenergie in der EU-Taxonomie.
Scholz betonte in Brüssel mit Hinweis auf den nötigen Ausbau der Stromerzeugung, dass “natürlich auch Gas übergangsweise eine Rolle” spielen müsse. Der Bundeskanzler hatte zuvor in Paris mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über das Thema gesprochen, sich danach aber bedeckt gehalten.
Scholz sprach später von einer “aufgeregten Debatte”, bei der es letztlich um die Bewertung von Unternehmen gehe. Auch von der Leyen versuchte die Diskussion zu entschärfen und verwies darauf, dass die Taxonomie nur ein Element im Kampf gegen den Klimawandel sei und im Übrigen die Differenzierung auch in “Übergangsaktivitäten” erlaube.
Bei seinem anschließenden Treffen mit EU-Ratspräsident Charles Michel verwies Scholz darauf, dass in Deutschland die erneuerbaren Energien sehr schnell ausgebaut werden müssten. “Das erfordert schnelle, zügige Entscheidungen, die jetzt zu treffen sind”, sagte der SPD-Politiker. Die Ampel-Regierung plant daher, die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. “Die massive Beschleunigung der Genehmigungsverfahren wird nur wirksam sein, wenn diese gleichzeitig ein europäisches Projekt ist“, mahnte Scholz. “Nur so können wir die Geschwindigkeit erreichen, die wir brauchen.” rtr
In dem andauerndem Fischereistreit mit Frankreich hat Großbritannien am Samstag eingelenkt und zusätzliche Fischereilizenzen für Schiffe aus der EU ausgestellt. Laut EU-Kommission handelt es sich um 18 Lizenzen für das Fischen in britischen Gewässern sowie 5 vor der Insel Jersey. Frankreich bestätigte, dass damit 93 Prozent seiner Lizenzforderungen nachgekommen wurde. Durch technische Konsultationen sollen am Montag weitere sieben Lizenzen freigegeben werden.
“Die heutige Entscheidung ist ein wichtiger Schritt in einem langen Prozess zur Umsetzung des Handels- und Kooperationsabkommens”, teilte die Europäische Kommission am Samstag in einer Stellungnahme mit. Am Freitag war eine Frist abgelaufen, die die Kommission für die Bearbeitung der ausstehenden Lizenzen auferlegt hatte.
Der französische Europa-Staatssekretär Clément Beaune sagte in einer gemeinsamen Stellungnahme mit Meeresministerin Annick Girardin, dass Frankreich und die EU alle rechtlichen Mittel prüfen, um die Ausstellung der ausstehenden Lizenzen zu gewährleisten. Man werde entsprechende Nachweise bereitstellen, deren Überprüfung Großbritannien zugestimmt habe.
In dem Fischereistreit zwischen den beiden Staaten geht es um Fischereirechte nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU. Frankreich wirft Großbritannien vor, dass französische Fischer nicht die garantierten Lizenzen erhalten hätten, um in britischen Gewässern ihre Netze auswerfen zu können. Großbritannien kontert, dass es nur für die Fälle, in denen die notwendigen Nachweise fehlten, die Lizenzen verwehrt habe. koj/rtr
Ende vergangener Woche kam in Brüssel der Verkehrsrat zusammen, um über den Fortschritt der drei Fit for 55-Files für den Verkehrssektor zu beraten – darunter auch “FuelEU Maritime”. Der Kommissionsvorschlag zielt darauf ab, die Nachfrage nach erneuerbaren und kohlenstoffarmen Kraftstoffen im Maritim-Sektor zu steigern, ohne Wettbewerbsnachteile für europäische Akteure zu erzeugen.
Botschafterin Susanne Szech-Koundouros, die Deutschland im Verkehrsrat vertrat, begrüßte den Vorschlag zwar, stellte jedoch klar, dass das Zielniveau noch einmal “überprüft und gegebenenfalls erhöht” werden müsse. Momentan heißt es im Vorschlag, dass die durchschnittliche jährliche Kohlenstoffintensität der Seefahrt bis 2025 um zwei Prozent und bis 2030 um sechs Prozent gesenkt werden soll. Anschließend soll in 5-Jahres-Schritten bis 2050 eine Verringerung um 75 Prozent im Vergleich zu 2020 erreicht werden.
Die EU hat sich jedoch vorgenommen, bis 2050 klimaneutral zu sein. Verkehrsbedingten Emissionen sollen bis dahin um etwa 90 Prozent reduziert werden. Der Reduktionspfad des FuelEU Maritime-Vorschlags hinkt demnach hinter den eigenen Ambitionen hinterher (Europe.Table berichtete). Szech-Koundouros forderte deshalb, dass der Reduktionspfad einen möglichst schnellen Übergang “weg von fossilen hin zu innovativen Technologien und nachhaltigen Kraftstoffen” vorsehen sollte. Vor allem die Reduktionsziele in den Anfangsjahren sollten erhöht werden.
Insbesondere sollten dabei sogenannte erneuerbare Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs (RFNBOs) zum Einsatz kommen. Diese brauche man, um die Treibhausgasneutralität zu erreichen, so die Botschafterin. Szech-Koundouros sprach sich deshalb für eine Quote für RFNBOs aus. Der Kommissionsvorschlag sieht dies nicht vor. Gleichzeitig befürwortete sie eine Obergrenze für Biokraftstoffe aus Speiseölresten, da diese nur eine begrenzte Verfügbarkeit haben und auch andere Anwendungsbereiche haben. luk
Künstliche Intelligenz (KI) wird von der deutschen Bevölkerung zunehmend positiv gesehen. Aktuell geben fast drei Viertel (72 Prozent) der Bürger:innen in Deutschland an, dass sie Künstliche Intelligenz ausschließlich (27 Prozent) oder eher (45 Prozent) als Chance sehen. Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 68 Prozent. 13 Prozent sehen in KI derzeit eher eine Gefahr, 12 Prozent sogar ausschließlich. Das ist das Ergebnis einer telefonischen Befragung von 1003 Personen ab 16 Jahren im Auftrag des Digitalverbands Bitkom.
Die Mehrheit weiß nach eigenem Dafürhalten gut über KI Bescheid. 52 Prozent geben an, gut erklären zu können, was man unter KI versteht oder sehen sich sogar als Experte. Ein Viertel (27 Prozent) weiß in etwa, was KI bedeutet. Nur 15 Prozent wissen nicht genau, was KI ist, und 5 Prozent haben davon noch nicht gehört.
“Wir sollten in Deutschland die Chancen nutzen und Vorreiter bei der KI-Entwicklung werden. Dazu bedarf es vor allem auch einer Datenstrategie, die einen rechtlichen Rahmen für eine innovationsfördernde Nutzung von Daten schafft”, kommentiert Bitkom-Präsident Achim Berg die Umfrage.
In fast allen Lebensbereichen wünscht sich eine Mehrheit den Einsatz von KI-basierten Anwendungen. Ganz oben steht der Einsatz von KI zur Unterstützung älterer Menschen (77 Prozent), bei der persönlichen Weiterbildung (76 Prozent), etwa beim Sprachenlernen, und als Unterstützung für den Arzt (73 Prozent). 71 Prozent befürworten eine KI-Nutzung in Ämtern und Behörden, bei der Polizei (69 Prozent), zum Beispiel um mit Videokameras Orte mit hoher Verbrechenswahrscheinlichkeit identifizieren zu können, und im Sport (69 Prozent), etwa um objektivere Entscheidungen als menschliche Schiedsrichter zu treffen.
Jeweils 6 von 10 Menschen in Deutschland wünschen sich Künstliche Intelligenz als Service-Bot in Telefon-Hotlines und Online-Chats (63 Prozent), um Fragen schnell beantworten zu können, als Lehrer oder Dozent in Schule oder Universität (62 Prozent), in Personalabteilungen (61 Prozent), um Bewerbungen schneller zu sichten und neutraler einzuschätzen, sowie für politische Entscheidungen (60 Prozent), etwa um die Folgen von Gesetzen besser abschätzen zu können. Eine Mehrheit (56 Prozent) befürwortet KI zudem auch im militärischen Bereich, etwa um Satellitenbilder automatisiert auszuwerten.
Keine Mehrheit findet der KI-Einsatz derzeit bei Gericht (48 Prozent), zum Beispiel um Prozessunterlagen schneller auswerten zu können, bei der Betreuung von Kleinkindern (45 Prozent) und bei der Beratung in Finanz- und Versicherungsangelegenheiten (44 Prozent). Schlusslicht ist der KI-Einsatz im Beziehungsleben mit 31 Prozent, damit zum Beispiel einsame Menschen zumindest einen virtuellen Ansprechpartner haben.
Mehr als ein Viertel (28 Prozent) der Bürger:innen in Deutschland meint, dass Künstliche Intelligenz bereits heute die Gesellschaft spürbar verändert hat. Nur ein Prozent geht davon aus, dass Künstliche Intelligenz auch in ferner Zukunft keine Auswirkungen auf die Gesellschaft haben wird. koj
Beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz bei Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron am vergangenen Freitag wurde wiederum deutlich: In zentralen Fragen der EU-Klimapolitik sind sich Berlin und Paris derzeit nicht einig. Doch es zeichnen sich bereits mögliche Kompromisslinien ab.
Die französische Regierung setzt zur Senkung von CO2-Emissionen verstärkt auf den Ausbau der Atomenergie, die sie daher im Rahmen der EU-Taxonomie als “nachhaltig” einstufen lassen will. Es überrascht nicht, dass dies eine deutsche Bundesregierung mit grüner Beteiligung ablehnt. Allerdings entscheidet letztlich ohnehin die Europäische Kommission, die dann salomonisch auch den von der Ampel-Koalition angestrebten Einsatz von Erdgas als “grüne Brückentechnologie” zur Dekarbonisierung anerkennen könnte.
Paris wehrt sich auch gegen die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Einführung eines separaten EU-Emissionshandels für Straßenverkehr und Gebäude (EU-ETS 2) (Europe.Table berichtete), während Berlin dies nachdrücklich unterstützt. Das EU-ETS 2 wäre ein effektives und effizientes Instrument der EU-Klimapolitik, denn durch die Begrenzung und stetige Verringerung der Emissionsrechte wird die angestrebte CO2-Reduktion sicher erreicht, und durch den Zertifikatshandel findet der Markt die kostengünstigsten Reduktionsmaßnahmen.
Allerdings stecken Macron noch die Gelbwesten-Proteste in den Knochen, die insbesondere durch die Anhebung der französischen CO2-Steuer auf Benzin und Diesel ausgelöst wurden. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die französische Regierung vor den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2022 grünes Licht für eine Verteuerung von Kraft- und Brennstoffen durch ein EU-ETS 2 geben wird. Danach wird man weitersehen.
Der französische Staatspräsident dringt auf ein kraftvolleres Auftreten der EU in der Welt – auch beim Klimaschutz. Hierzu fordert Frankreich seit langem einen CO2-Grenzausgleich (CBAM), wie ihn nun die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Dieser soll Importe in die EU aus Drittstaaten mit laxen Klimaschutzvorgaben verteuern, um im EU-Binnenmarkt gleiche Wettbewerbsbedingungen für europäische Produkten zu schaffen, die mit höheren Klimaschutzkosten hergestellt werden. Macron will dieses EU-Vorhaben im Rahmen der französischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 vorantreiben.
Zwar unterstützt die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag grundsätzlich “die Einführung eines europaweit wirksamen CO2-Grenzausgleichsmechanismus”. Allerdings kann sie sich stattdessen auch andere “vergleichbar wirksame Instrumente” vorstellen. Zudem stellt sie zahlreiche Anforderungen an einen CBAM. So ist für die Bundesregierung “entscheidend”, dass er “WTO konform ausgestaltet ist, die Exportindustrie nicht benachteiligt, Greenwashing verhindert und unbürokratisch innerhalb des bestehenden Emissionshandelssystems umgesetzt wird”.
Jede dieser Bedingungen ist bereits für sich genommen eine Herausforderung. In Kombination sind sie jedoch kaum erfüllbar – und das weiß auch die Bundesregierung. Folglich lehnte der neue Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold noch am Vortag des Treffens von Scholz mit Macron einen CBAM in der vorgeschlagenen Form ab. Denn dieser würde eben nicht die EU-Exportindustrie schützen, sodass die Verlagerung von Produktion aus der EU und damit insgesamt ein klimaschädlicher Anstieg der globalen CO2-Emissionen – “Carbon Leakage” – droht.
Wie lässt sich dieser Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich lösen? Ein Ausweg zeichnet sich bereits ab: So forderte Giegold – anstelle der bloßen einseitigen Einführung eines CO2-Grenzausgleichs durch die EU – die Bildung eines internationalen Klimaclubs. Nachdem schon die alte Bundesregierung auf Initiative des damaligen Bundesfinanzministers Scholz einen solchen Klimaclub vorgeschlagen hat, will nun ihre Nachfolgerin die deutsche G7-Präsidentschaft 2022 zu dessen Verwirklichung nutzen. In einem Klimaclub könnte sich die EU mit anderen wichtigen Industriestaaten wie den USA zum Beispiel auf einen einheitlichen CO2-Mindestpreis einigen, um zwischen den Clubmitgliedern klimaschutzbedingte Wettbewerbsverzerrungen abzubauen und Carbon Leakage zu verhindern.
Um ein entsprechendes “level playing field” auch im Verhältnis zu Nicht-Clubmitgliedern zu erreichen, bringt die Bundesregierung einen “gemeinsamen CO2-Grenzausgleich” ins Spiel. Damit bietet der internationale Klimaclub auch die Möglichkeit für eine Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich über den CBAM. Ob so allerdings automatisch die Probleme für die EU-Exportindustrie, die mit einem CO2-Grenzausgleich ausschließlich für Importe einhergehen, gelöst werden können, ist zweifelhaft.
Am Donnerstag ist es wieder so weit: #EUCO time! Jeder EU-Korrespondent in Brüssel weiß: Wer die Hintergrund-Infos will, muss vor Ort sein. Auch wenn man sich vom Schreibtisch aus in die Pressekonferenzen schalten kann, Hintergrundinformationen gibt es von den Diplomaten vor Ort.
In COVID-19-Zeiten ist der Zugang zum Ratsgebäude aber deutlich erschwert. So wurden nach einer langen Pause ohne jegliche Medienvertreter:innen vor Ort beim vergangenen EU-Gipfel im Oktober erstmals wieder 260 Journalisten zugelassen. Diese Regelung gilt auch für diese Woche. Der Großteil der EU-Korrespondenten wird also gezwungenermaßen erneut vor den verschiedenen Livestreams hocken und Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vom Home-Office aus befragen.
Der Rat hat sich dieses Mal aber dazu entschlossen, den Zugang noch weiter zu erschweren: Wer es unter die glücklichen 260 geschafft hat, kann sich nicht sicher sein, am Donnerstag tatsächlich ins Ratsgebäude zu kommen. Denn der Rat hat kurzerhand entschieden, dass auch geimpfte Journalisten einen negativen PCR-Test präsentieren müssen, um dabei zu sein. Wer in den letzten sechs Monaten von COVID-19 genesen ist, benötigt stattdessen eine ärztliche Bestätigung.
Die Maßnahme ist aus mehreren Gründen unverständlich, allen voran: Belgien kennt keine 2G-Plus-Regel. Hier gilt ausschließlich: Jeder, der genesen, geimpft oder getestet ist, bekommt mit dem “Covid Safe Ticket (CST)“, der belgischen Umsetzung des digitalen COVID-Zertifikats, Zutritt zu Restaurants, Weihnachtsmärkten oder Konzerten.
EU-Korrespondenten in Brüssel schäumen, denn auch gestern Abend stand weiterhin aus, wer überhaupt die erste Hürde geschafft hat und unter den 260 zugelassenen Medienvertretern ist. Die zweite Hürde, den PCR-Test, müssen wir aber trotzdem heute nehmen, denn der Test darf zum Start des Gipfels der Östlichen Partnerschaft am Mittwoch nicht älter als 48 Stunden sein.
Mein Tipp an die Kollegen: Wir lassen uns heute einfach alle präventiv testen und schicken unsere PCR-Test-Rechnungen von jeweils rund 46 Euro mit freundlichen Grüßen an Charles Michel persönlich. Eines ist sicher: Die Brüsseler Testzentren werden sich über den Ansturm der rund 900 EU-Korrespondenten freuen. Jasmin Kohl
“You’ll never walk alone” solle die Leitlinie der bevorstehenden deutschen G7-Präsidentschaft werden, sagte Außenministerin Annalena Baerbock gestern beim Abschluss der Beratungen der G7-Außenminister in Liverpool. Der Fan-Song des FC Liverpool drücke “ein starkes Miteinander” aus, was sich Baerbock offensichtlich auch für die Gruppe der sieben führenden Industriestaaten wünscht. Geeint zeigten sich die G7 erneut beim Thema Ukraine-Krise: Sie drängten Russland zur Deeskalation und drohten im Fall eines Angriffs mit massiven Konsequenzen. “Jede Art der Gewaltanwendung zur Änderung von Grenzen ist nach internationalem Recht strikt verboten”, heißt es im Entwurf der Abschlusserklärung.
Um Russland ging es gestern auch beim Amtsbesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Warschau, aber mit einem anderen Fokus: Nord Stream 2. Zweites kontroverses Thema bei dem Treffen mit Ministerpräsident Mateusz Morawiecki: der Rechtsstaatsstreit der EU mit Polen. Scholz vermied eine scharfe Kritik und sagte stattdessen, dass er sehr darauf hoffe, dass sich die EU-Kommission und die polnische Regierung einigen.
Anfang des Monats trat das neue Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien (TTDSG) in Kraft und setzt damit die E-Privacy-Richtlinie in deutsches Recht um. Warum das Gesetz den Streit um die Frage, unter welchen Bedingungen Anbieter Cookies setzen oder andere Daten der Endgeräte verarbeiten dürfen, erneut anheizt, analysiert Torsten Kleinz.
Die EUFuel Maritime-Verordnung soll die Nachfrage nach erneuerbaren und kohlenstoffarmen Kraftstoffen im Maritim-Sektor steigern, ohne Wettbewerbsnachteile für europäische Akteure zu erzeugen. Warum der Bundesregierung die Reduktionsziele des Gesetzes nicht weit genug gehen, berichtet mein Kollege Lukas Scheid.
Zum ersten Dezember ist das neue Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien (TTDSG) in Kraft getreten. Das Gesetz setzt erstmals die E-Privacy-Richtlinie vollständig in deutsches Recht um. Obwohl die Datenschutzbehörden sich schon seit Jahren direkt auf die europäische Vorlage bezogen haben (Europe.Table berichtete), erfordern die neuen Vorschriften einigen Anpassungsbedarf bei Unternehmen.
Das TTDSG ergänzt die Datenschutz-Grundverordnung insbesondere bei der Frage, unter welchen Bedingungen Anbieter Cookies setzen oder andere Daten der Endgeräte verarbeiten dürfen. “Die neue Streitlinie wird damit die Ausnahme in § 25 Abs. 2 TTDSG“, erklärt Rechtsanwalt und Datenschutz-Experte Joerg Heidrich gegenüber Europe.Table. Laut der Vorschrift ist eine aktive Einwilligung der Endnutzer nicht erforderlich, wenn “der Einsatz der Cookies oder die Einbindung von Drittdiensten unbedingt erforderlich sind.” Doch was bedeutet das konkret?
Mehrere deutsche Datenschutzaufsichtsbehörden haben bereits eine enge Auslegung angekündigt. Unstrittig ist, dass ein Cookie gesetzt werden darf, wenn etwa der Inhalt eines Warenkorbes gesichert werden soll. Was darüber hinaus nach dem TTDSG als “unbedingt erforderlich” gilt, wird jedoch zu Auseinandersetzungen führen: Viele Website-Betreiber haben bisher Funktionen wie Reichweitenmessung oder grundlegende Cookies zur Einbindung von Werbung unter diese Kategorie gefasst. Doch die Behörden wollen eine solche wirtschaftliche Notwendigkeit nicht mehr akzeptieren. Im Zweifel sollen Anbieter angesichts der wachsenden Einwilligungsmüdigkeit der Nutzer auf bestimmte Techniken verzichten.
Die Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) weist die enge Auslegung des Paragrafen zurück. “Jedenfalls gehört es nicht zu den Befugnissen einer Aufsichtsbehörde, von gesetzlich erlaubten Datenverarbeitungen abzuraten”, mahnt der Verband, in dem viele betriebliche Datenschutzbeauftragte organisiert sind. Die GDD fordert die deutschen Behörden auf, keine “Alleingänge” zu unternehmen, sondern sich eng mit den anderen europäischen Staaten abzustimmen. Gegenüber Europe.Table versucht Barbara Körffer vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein zu beruhigen: “Wer sich schon früher ernsthaft bemüht hat, die eigenen Prozesse datenschutzkonform zu gestalten, hat auch jetzt wenig Aufwand.”
Die Betreiber müssen sich jedoch nicht nur mit den Aufsichtsbehörden auseinandersetzen, auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) ist dabei, seine Rechtsauffassung vor Gericht durchzusetzen. Die Verbraucherschützer hatten es mit ihrer Klage gegen einen Glücksspielanbieter geschafft, dass der Bundesgerichtshof die lascheren Vorschriften des deutschen Telemediengesetzes im Mai 2020 für vom Europarecht nicht gedeckt erklärte und so schließlich das neue TTDSG notwendig machte.
Insbesondere die Cookie-Banner zur Werbedatenverarbeitung sind den Verbraucherschützern ein Dorn im Auge. Jüngst hatte der Verband deshalb knapp 100 Anbieter abgemahnt, darunter Lieferando, Napster und AI-Fitness. Zusätzlich klagt der VZBV inzwischen gegen fünf Medienhäuser: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, T-Online, Spiegel, Focus und Axel Springer haben laut der Auffassung der Verbraucherschützer ihre Endnutzer nicht korrekt um Einwilligung gebeten, um weitgehende Datenverarbeitungen zu Werbezwecken zu erlauben.
Neues Gewicht können die Klagen durch ein Verfahren gewinnen, das derzeit beim EuGH liegt. Darin geht es um die Frage, ob die Verbraucherschützer klagebefugt sind, die Datenschutzgrundverordnung direkt durchzusetzen. Der Generalanwalt Richard de la Tour hat in seinem Schlussantrag die Auffassung des Verbraucherzentrale Bundesverband und der Bundesregierung gestützt. Demnach könnten die Verbraucherschützer nicht nur das Setzen von Cookies und alternative Techniken wie das Browser-Fingerprinting vor Gericht bringen, sondern auch das Geschäft mit personalisierter Werbung auf dem Gerichtsweg verbieten lassen.
Unterdessen richten viele Datenverarbeiter ihre Blicke nach Brüssel zur belgischen Datenschutzbehörde GBA. Wie der Interessenverband IAB Europe bereits im November mitteilte, hat die Behörde in einem vorläufigen Befund das “Transparency & Consent Framework (TCF) als unzulässig bemängelt. Dabei handelt es sich um eine zentrale Schaltstelle im Milliardenmarkt der personalisierten Werbung. Mittels dieser “TCF-Strings” wird übermittelt, welche Zustimmung Nutzer in Cookie-Bannern erteilt haben. Doch diese Strings selbst gelten nach Auffassung der Belgier als personenbezogene Daten, was eine grundlegende Neuordnung des Geschäfts notwendig machen könnte. Die Behörde gibt sich jedoch selbst zugeknöpft und will Details erst veröffentlichen, nachdem sie im Konsultationsverfahren der europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden behandelt wurden.
Selbst wenn das Setzen von Werbe-Cookies mit dem TTDSG weiterhin rechtlich möglich bleibt, könnte es in absehbarer Zeit deutlich schwerer werden, Nutzer zu finden, bei denen sie technisch überhaupt gesetzt werden können. Bereits heute schränkt Apple verschiedene Tracking-Techniken in seinen Produkten ein. Obwohl Google im Sommer die ehrgeizigen Pläne zur Abschaffung des Third Party Cookies im Browser Chrome für Anfang 2022 aufgeben musste, ist das Projekt “Privacy Sandbox” nicht komplett zu den Akten gelegt worden.
Der IT-Konzern konnte Ende November eine Einigung mit der britischen Competition and Markets Authority verkünden: Wenn Google sicherstellt, keinen wettbewerbswidrigen Vorteil aus der neuen Technik zu ziehen, kann die Abschaffung des Cookies weitergehen. Hierzu soll ein Trustee ernannt werden, der eng in die Entwicklung der Alternativtechniken eingebunden werden soll, die personalisierte Werbung ermöglichen sollen, ohne persönliche Daten an Dritte weiterzugeben. Auch die britische Datenschutzaufsicht ICO ist in das Verfahren einbezogen.
Hier schließt sich der Kreis zum TTDSG. Die deutschen Gesetzgeber haben in Paragraf 26 eine Vorschrift platziert, die sich gegen Browser-Hersteller wie Google und Apple richtet. Eigentlich befasst sich der Paragraf mit einer Einwilligungsverwaltung, mit – ganz im Sinne des Data Governance Acts (Europe.Table berichtete) – eine unabhängige Instanz betraut werden soll. Diese soll persönliche Daten im Sinne der Verbraucher verwalten und einheimischen Unternehmen gleichzeitig eine bessere Position in der Konkurrenz zu Google und anderen IT-Konzernen verschaffen (Europe.Table berichtete).
Wenn nun Chrome ab Ende 2023 keine Cookies mehr zulässt, wäre diese Einwilligungsverwaltung aus heutiger Perspektive technisch ausgehebelt. Genau dies verbietet jedoch der Paragraf 26 in Absatz 2. Ob die Vorschrift überhaupt zum Tragen kommt, ist bis heute aber noch absolut unklar. Ein Expertenkreis arbeitet derzeit an den Anforderungen für eine solche Einwilligungsverwaltung, die in eine Verordnung münden sollen, die anschließend durch Bundestag und Bundesrat abgesegnet und bei der EU-Kommission notifiziert werden muss.
Brüssel kontra Silicon Valley-Konzerne, Berlin im Zielkonflikt mit London und Verbraucherschützer gegen Verlage – die Konflikte rund um Cookies und Werbung sind vielfältig. Das TTDSG hat keinen davon gelöst, zwingt die Akteure nun aber dazu, die Streitigkeiten endlich auszutragen statt sie immer weiter aufzuschieben. Torsten Kleinz
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat bekräftigt, dass die umstrittene deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 gegenwärtig nicht in Betrieb genommen werden könne. Bei der Aufzeichnung eines ZDF-Interviews verwies die Grünen-Politikerin am Sonntag in Brüssel auf die Vereinbarung im Koalitionsvertrag mit SPD und FDP, dass für Energieprojekte wie die Ostsee-Pipeline europäisches Energierecht gelte. “Und das bedeutet, dass nach jetzigem Stand diese Pipeline so nicht genehmigt werden kann, weil sie eben die Vorgaben des europäischen Energierechts nicht erfüllt und die Sicherheitsfragen ohnehin noch im Raum stehen”, sagte Baerbock über Nord Stream 2.
Die Grünen hatten im Wahlkampf das Projekt heftig kritisiert und auch einen Baustopp gefordert. Sie stehen ihm deutlich skeptischer gegenüber als etwa die SPD. Im Koalitionsvertrag mit SPD und FDP wurde die Pipeline nicht ausdrücklich erwähnt. Die Bundesnetzagentur hatte bereits eine Trennung der Bereiche Handel und Transport verlangt und daher das Genehmigungsverfahren für die Leitung ausgesetzt (Europe.Table berichtete).
Zuletzt hatte auch der neue Wirtschaftsstaatssekretär im Klimaministerium, Sven Giegold, die Umsetzung von EU-Recht vor einer möglichen Inbetriebnahme der Gas-Pipeline Nord Stream 2 verlangt. “Klar ist, dass auch für dieses Projekt das europäische Energierecht gilt, die Trennung von Handel und Transport ist klar vorgegeben”, hatte der Grünen-Politiker gesagt.
Bei seinem Antrittsbesuch in Polen verwies Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntagabend darauf, dass Deutschland in gut 25 Jahren klimaneutral sein wolle. Die Bedeutung von Gaslieferungen nehme deshalb in der Zukunft drastisch ab, da der Energiebedarf zunehmend durch erneuerbare Energien abgedeckt werde.
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte Scholz zuvor erneut dazu aufgefordert, Nord Stream 2 zu stoppen. Morawiecki fürchtet, dass Russland die Pipeline als Druckmittel gegen die Ukraine und andere osteuropäische Staaten einsetzt. Er warf Russland zudem vor, an der Preisspirale bei Gas zu drehen. rtr
Eine Schwachstelle in einem auf vielen Computern verbreiteten Software-Modul führt nach Einschätzung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu einer “extrem kritischen Bedrohungslage“. Das BSI erhöhte deswegen am Samstag ihre bestehende Cyber-Sicherheitswarnung für die Java-Bibliothek Log4j auf die Warnstufe Rot. Es handelt sich dabei um die höchste Kategorie der vierstufigen BSI-Skala für Cyber-Sicherheitswarnungen und bei der Java-Bibliothek Log4j um die gegenwärtig einzige Meldung in dieser Stufe.
Die Einschätzung beruhe auf der sehr weiten Verbreitung dieses Software-Elements und den damit verbundenen Auswirkungen auf unzählige weitere Produkte, teilte das BSI mit. Zudem könne die Schwachstelle ohne größere Schwierigkeiten ausgenutzt werden. Damit könnten Angreifer das betroffene System vollständig übernehmen. Es gebe bereits Massen-Scans in Deutschland und auf der ganzen Welt sowie versuchte und erfolgreiche Angriffe. Zwar existiere bereits ein Sicherheits-Update für die Java-Bibliothek Log4j. Jedoch müssten auch alle Produkte, die Log4j verwenden, angepasst werden.
BSI-Präsident Arne Schönbohm und der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer hatten zuletzt von einer zunehmenden Gefährdung durch Cyberangriffe gewarnt. Im vergangenen Jahr wurden dem BSI zufolge 144 Millionen neue Schadprogramm-Varianten festgestellt, was ein Zuwachs von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sei. rtr
Bundeskanzler Olaf Scholz hat eingeräumt, dass es noch keine Einigung darüber gibt, welche Energieformen künftig in der EU als nachhaltig eingestuft werden. “Wir sind noch nicht beieinander. Aber alle diskutieren über die Frage, wie man zueinander kommen kann“, sagte der SPD-Politiker am Freitag vor einem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel. Hintergrund ist ein Ringen innerhalb der EU um die sogenannte Taxonomie (Europe.Table berichtete). Mit der EU-Taxonomie sollen Technologien ein Label als nachhaltig und unschädlich erhalten, damit die Finanzströme verstärkt in grüne Technologien geleitet werden.
Frankreich wünscht dabei, dass die EU-Kommission Atomenergie als nachhaltig einstuft. Deutschland hatte dies bisher abgelehnt, aber seinerseits auf die Einstufung von Erdgas gepocht. Besonders die Grünen sind gegen ein nachhaltiges Label für Nuklearenergie in der EU-Taxonomie.
Scholz betonte in Brüssel mit Hinweis auf den nötigen Ausbau der Stromerzeugung, dass “natürlich auch Gas übergangsweise eine Rolle” spielen müsse. Der Bundeskanzler hatte zuvor in Paris mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über das Thema gesprochen, sich danach aber bedeckt gehalten.
Scholz sprach später von einer “aufgeregten Debatte”, bei der es letztlich um die Bewertung von Unternehmen gehe. Auch von der Leyen versuchte die Diskussion zu entschärfen und verwies darauf, dass die Taxonomie nur ein Element im Kampf gegen den Klimawandel sei und im Übrigen die Differenzierung auch in “Übergangsaktivitäten” erlaube.
Bei seinem anschließenden Treffen mit EU-Ratspräsident Charles Michel verwies Scholz darauf, dass in Deutschland die erneuerbaren Energien sehr schnell ausgebaut werden müssten. “Das erfordert schnelle, zügige Entscheidungen, die jetzt zu treffen sind”, sagte der SPD-Politiker. Die Ampel-Regierung plant daher, die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. “Die massive Beschleunigung der Genehmigungsverfahren wird nur wirksam sein, wenn diese gleichzeitig ein europäisches Projekt ist“, mahnte Scholz. “Nur so können wir die Geschwindigkeit erreichen, die wir brauchen.” rtr
In dem andauerndem Fischereistreit mit Frankreich hat Großbritannien am Samstag eingelenkt und zusätzliche Fischereilizenzen für Schiffe aus der EU ausgestellt. Laut EU-Kommission handelt es sich um 18 Lizenzen für das Fischen in britischen Gewässern sowie 5 vor der Insel Jersey. Frankreich bestätigte, dass damit 93 Prozent seiner Lizenzforderungen nachgekommen wurde. Durch technische Konsultationen sollen am Montag weitere sieben Lizenzen freigegeben werden.
“Die heutige Entscheidung ist ein wichtiger Schritt in einem langen Prozess zur Umsetzung des Handels- und Kooperationsabkommens”, teilte die Europäische Kommission am Samstag in einer Stellungnahme mit. Am Freitag war eine Frist abgelaufen, die die Kommission für die Bearbeitung der ausstehenden Lizenzen auferlegt hatte.
Der französische Europa-Staatssekretär Clément Beaune sagte in einer gemeinsamen Stellungnahme mit Meeresministerin Annick Girardin, dass Frankreich und die EU alle rechtlichen Mittel prüfen, um die Ausstellung der ausstehenden Lizenzen zu gewährleisten. Man werde entsprechende Nachweise bereitstellen, deren Überprüfung Großbritannien zugestimmt habe.
In dem Fischereistreit zwischen den beiden Staaten geht es um Fischereirechte nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU. Frankreich wirft Großbritannien vor, dass französische Fischer nicht die garantierten Lizenzen erhalten hätten, um in britischen Gewässern ihre Netze auswerfen zu können. Großbritannien kontert, dass es nur für die Fälle, in denen die notwendigen Nachweise fehlten, die Lizenzen verwehrt habe. koj/rtr
Ende vergangener Woche kam in Brüssel der Verkehrsrat zusammen, um über den Fortschritt der drei Fit for 55-Files für den Verkehrssektor zu beraten – darunter auch “FuelEU Maritime”. Der Kommissionsvorschlag zielt darauf ab, die Nachfrage nach erneuerbaren und kohlenstoffarmen Kraftstoffen im Maritim-Sektor zu steigern, ohne Wettbewerbsnachteile für europäische Akteure zu erzeugen.
Botschafterin Susanne Szech-Koundouros, die Deutschland im Verkehrsrat vertrat, begrüßte den Vorschlag zwar, stellte jedoch klar, dass das Zielniveau noch einmal “überprüft und gegebenenfalls erhöht” werden müsse. Momentan heißt es im Vorschlag, dass die durchschnittliche jährliche Kohlenstoffintensität der Seefahrt bis 2025 um zwei Prozent und bis 2030 um sechs Prozent gesenkt werden soll. Anschließend soll in 5-Jahres-Schritten bis 2050 eine Verringerung um 75 Prozent im Vergleich zu 2020 erreicht werden.
Die EU hat sich jedoch vorgenommen, bis 2050 klimaneutral zu sein. Verkehrsbedingten Emissionen sollen bis dahin um etwa 90 Prozent reduziert werden. Der Reduktionspfad des FuelEU Maritime-Vorschlags hinkt demnach hinter den eigenen Ambitionen hinterher (Europe.Table berichtete). Szech-Koundouros forderte deshalb, dass der Reduktionspfad einen möglichst schnellen Übergang “weg von fossilen hin zu innovativen Technologien und nachhaltigen Kraftstoffen” vorsehen sollte. Vor allem die Reduktionsziele in den Anfangsjahren sollten erhöht werden.
Insbesondere sollten dabei sogenannte erneuerbare Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs (RFNBOs) zum Einsatz kommen. Diese brauche man, um die Treibhausgasneutralität zu erreichen, so die Botschafterin. Szech-Koundouros sprach sich deshalb für eine Quote für RFNBOs aus. Der Kommissionsvorschlag sieht dies nicht vor. Gleichzeitig befürwortete sie eine Obergrenze für Biokraftstoffe aus Speiseölresten, da diese nur eine begrenzte Verfügbarkeit haben und auch andere Anwendungsbereiche haben. luk
Künstliche Intelligenz (KI) wird von der deutschen Bevölkerung zunehmend positiv gesehen. Aktuell geben fast drei Viertel (72 Prozent) der Bürger:innen in Deutschland an, dass sie Künstliche Intelligenz ausschließlich (27 Prozent) oder eher (45 Prozent) als Chance sehen. Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 68 Prozent. 13 Prozent sehen in KI derzeit eher eine Gefahr, 12 Prozent sogar ausschließlich. Das ist das Ergebnis einer telefonischen Befragung von 1003 Personen ab 16 Jahren im Auftrag des Digitalverbands Bitkom.
Die Mehrheit weiß nach eigenem Dafürhalten gut über KI Bescheid. 52 Prozent geben an, gut erklären zu können, was man unter KI versteht oder sehen sich sogar als Experte. Ein Viertel (27 Prozent) weiß in etwa, was KI bedeutet. Nur 15 Prozent wissen nicht genau, was KI ist, und 5 Prozent haben davon noch nicht gehört.
“Wir sollten in Deutschland die Chancen nutzen und Vorreiter bei der KI-Entwicklung werden. Dazu bedarf es vor allem auch einer Datenstrategie, die einen rechtlichen Rahmen für eine innovationsfördernde Nutzung von Daten schafft”, kommentiert Bitkom-Präsident Achim Berg die Umfrage.
In fast allen Lebensbereichen wünscht sich eine Mehrheit den Einsatz von KI-basierten Anwendungen. Ganz oben steht der Einsatz von KI zur Unterstützung älterer Menschen (77 Prozent), bei der persönlichen Weiterbildung (76 Prozent), etwa beim Sprachenlernen, und als Unterstützung für den Arzt (73 Prozent). 71 Prozent befürworten eine KI-Nutzung in Ämtern und Behörden, bei der Polizei (69 Prozent), zum Beispiel um mit Videokameras Orte mit hoher Verbrechenswahrscheinlichkeit identifizieren zu können, und im Sport (69 Prozent), etwa um objektivere Entscheidungen als menschliche Schiedsrichter zu treffen.
Jeweils 6 von 10 Menschen in Deutschland wünschen sich Künstliche Intelligenz als Service-Bot in Telefon-Hotlines und Online-Chats (63 Prozent), um Fragen schnell beantworten zu können, als Lehrer oder Dozent in Schule oder Universität (62 Prozent), in Personalabteilungen (61 Prozent), um Bewerbungen schneller zu sichten und neutraler einzuschätzen, sowie für politische Entscheidungen (60 Prozent), etwa um die Folgen von Gesetzen besser abschätzen zu können. Eine Mehrheit (56 Prozent) befürwortet KI zudem auch im militärischen Bereich, etwa um Satellitenbilder automatisiert auszuwerten.
Keine Mehrheit findet der KI-Einsatz derzeit bei Gericht (48 Prozent), zum Beispiel um Prozessunterlagen schneller auswerten zu können, bei der Betreuung von Kleinkindern (45 Prozent) und bei der Beratung in Finanz- und Versicherungsangelegenheiten (44 Prozent). Schlusslicht ist der KI-Einsatz im Beziehungsleben mit 31 Prozent, damit zum Beispiel einsame Menschen zumindest einen virtuellen Ansprechpartner haben.
Mehr als ein Viertel (28 Prozent) der Bürger:innen in Deutschland meint, dass Künstliche Intelligenz bereits heute die Gesellschaft spürbar verändert hat. Nur ein Prozent geht davon aus, dass Künstliche Intelligenz auch in ferner Zukunft keine Auswirkungen auf die Gesellschaft haben wird. koj
Beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz bei Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron am vergangenen Freitag wurde wiederum deutlich: In zentralen Fragen der EU-Klimapolitik sind sich Berlin und Paris derzeit nicht einig. Doch es zeichnen sich bereits mögliche Kompromisslinien ab.
Die französische Regierung setzt zur Senkung von CO2-Emissionen verstärkt auf den Ausbau der Atomenergie, die sie daher im Rahmen der EU-Taxonomie als “nachhaltig” einstufen lassen will. Es überrascht nicht, dass dies eine deutsche Bundesregierung mit grüner Beteiligung ablehnt. Allerdings entscheidet letztlich ohnehin die Europäische Kommission, die dann salomonisch auch den von der Ampel-Koalition angestrebten Einsatz von Erdgas als “grüne Brückentechnologie” zur Dekarbonisierung anerkennen könnte.
Paris wehrt sich auch gegen die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Einführung eines separaten EU-Emissionshandels für Straßenverkehr und Gebäude (EU-ETS 2) (Europe.Table berichtete), während Berlin dies nachdrücklich unterstützt. Das EU-ETS 2 wäre ein effektives und effizientes Instrument der EU-Klimapolitik, denn durch die Begrenzung und stetige Verringerung der Emissionsrechte wird die angestrebte CO2-Reduktion sicher erreicht, und durch den Zertifikatshandel findet der Markt die kostengünstigsten Reduktionsmaßnahmen.
Allerdings stecken Macron noch die Gelbwesten-Proteste in den Knochen, die insbesondere durch die Anhebung der französischen CO2-Steuer auf Benzin und Diesel ausgelöst wurden. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die französische Regierung vor den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2022 grünes Licht für eine Verteuerung von Kraft- und Brennstoffen durch ein EU-ETS 2 geben wird. Danach wird man weitersehen.
Der französische Staatspräsident dringt auf ein kraftvolleres Auftreten der EU in der Welt – auch beim Klimaschutz. Hierzu fordert Frankreich seit langem einen CO2-Grenzausgleich (CBAM), wie ihn nun die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Dieser soll Importe in die EU aus Drittstaaten mit laxen Klimaschutzvorgaben verteuern, um im EU-Binnenmarkt gleiche Wettbewerbsbedingungen für europäische Produkten zu schaffen, die mit höheren Klimaschutzkosten hergestellt werden. Macron will dieses EU-Vorhaben im Rahmen der französischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 vorantreiben.
Zwar unterstützt die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag grundsätzlich “die Einführung eines europaweit wirksamen CO2-Grenzausgleichsmechanismus”. Allerdings kann sie sich stattdessen auch andere “vergleichbar wirksame Instrumente” vorstellen. Zudem stellt sie zahlreiche Anforderungen an einen CBAM. So ist für die Bundesregierung “entscheidend”, dass er “WTO konform ausgestaltet ist, die Exportindustrie nicht benachteiligt, Greenwashing verhindert und unbürokratisch innerhalb des bestehenden Emissionshandelssystems umgesetzt wird”.
Jede dieser Bedingungen ist bereits für sich genommen eine Herausforderung. In Kombination sind sie jedoch kaum erfüllbar – und das weiß auch die Bundesregierung. Folglich lehnte der neue Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold noch am Vortag des Treffens von Scholz mit Macron einen CBAM in der vorgeschlagenen Form ab. Denn dieser würde eben nicht die EU-Exportindustrie schützen, sodass die Verlagerung von Produktion aus der EU und damit insgesamt ein klimaschädlicher Anstieg der globalen CO2-Emissionen – “Carbon Leakage” – droht.
Wie lässt sich dieser Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich lösen? Ein Ausweg zeichnet sich bereits ab: So forderte Giegold – anstelle der bloßen einseitigen Einführung eines CO2-Grenzausgleichs durch die EU – die Bildung eines internationalen Klimaclubs. Nachdem schon die alte Bundesregierung auf Initiative des damaligen Bundesfinanzministers Scholz einen solchen Klimaclub vorgeschlagen hat, will nun ihre Nachfolgerin die deutsche G7-Präsidentschaft 2022 zu dessen Verwirklichung nutzen. In einem Klimaclub könnte sich die EU mit anderen wichtigen Industriestaaten wie den USA zum Beispiel auf einen einheitlichen CO2-Mindestpreis einigen, um zwischen den Clubmitgliedern klimaschutzbedingte Wettbewerbsverzerrungen abzubauen und Carbon Leakage zu verhindern.
Um ein entsprechendes “level playing field” auch im Verhältnis zu Nicht-Clubmitgliedern zu erreichen, bringt die Bundesregierung einen “gemeinsamen CO2-Grenzausgleich” ins Spiel. Damit bietet der internationale Klimaclub auch die Möglichkeit für eine Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich über den CBAM. Ob so allerdings automatisch die Probleme für die EU-Exportindustrie, die mit einem CO2-Grenzausgleich ausschließlich für Importe einhergehen, gelöst werden können, ist zweifelhaft.
Am Donnerstag ist es wieder so weit: #EUCO time! Jeder EU-Korrespondent in Brüssel weiß: Wer die Hintergrund-Infos will, muss vor Ort sein. Auch wenn man sich vom Schreibtisch aus in die Pressekonferenzen schalten kann, Hintergrundinformationen gibt es von den Diplomaten vor Ort.
In COVID-19-Zeiten ist der Zugang zum Ratsgebäude aber deutlich erschwert. So wurden nach einer langen Pause ohne jegliche Medienvertreter:innen vor Ort beim vergangenen EU-Gipfel im Oktober erstmals wieder 260 Journalisten zugelassen. Diese Regelung gilt auch für diese Woche. Der Großteil der EU-Korrespondenten wird also gezwungenermaßen erneut vor den verschiedenen Livestreams hocken und Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vom Home-Office aus befragen.
Der Rat hat sich dieses Mal aber dazu entschlossen, den Zugang noch weiter zu erschweren: Wer es unter die glücklichen 260 geschafft hat, kann sich nicht sicher sein, am Donnerstag tatsächlich ins Ratsgebäude zu kommen. Denn der Rat hat kurzerhand entschieden, dass auch geimpfte Journalisten einen negativen PCR-Test präsentieren müssen, um dabei zu sein. Wer in den letzten sechs Monaten von COVID-19 genesen ist, benötigt stattdessen eine ärztliche Bestätigung.
Die Maßnahme ist aus mehreren Gründen unverständlich, allen voran: Belgien kennt keine 2G-Plus-Regel. Hier gilt ausschließlich: Jeder, der genesen, geimpft oder getestet ist, bekommt mit dem “Covid Safe Ticket (CST)“, der belgischen Umsetzung des digitalen COVID-Zertifikats, Zutritt zu Restaurants, Weihnachtsmärkten oder Konzerten.
EU-Korrespondenten in Brüssel schäumen, denn auch gestern Abend stand weiterhin aus, wer überhaupt die erste Hürde geschafft hat und unter den 260 zugelassenen Medienvertretern ist. Die zweite Hürde, den PCR-Test, müssen wir aber trotzdem heute nehmen, denn der Test darf zum Start des Gipfels der Östlichen Partnerschaft am Mittwoch nicht älter als 48 Stunden sein.
Mein Tipp an die Kollegen: Wir lassen uns heute einfach alle präventiv testen und schicken unsere PCR-Test-Rechnungen von jeweils rund 46 Euro mit freundlichen Grüßen an Charles Michel persönlich. Eines ist sicher: Die Brüsseler Testzentren werden sich über den Ansturm der rund 900 EU-Korrespondenten freuen. Jasmin Kohl