Table.Briefing: Europe

Streit um ETS und CBAM + Macrons Atompläne + Ärger für Google

  • Streit um Emissionshandel und Grenzausgleich
  • Macron: Kernenergie als Wahlkampfmittel
  • EU-Monitoring
  • DSGVO-Verstoß durch Einsatz von Google Analytics
  • KI-Regulierung: Studie mahnt Kohärenz an
  • McGuinness: CSR-Regeln auf KMU zuschneiden
  • HERA-Arbeitsprogramm
  • EU-Kommission: Inflation bleibt hoch
  • Presseschau
  • Im Porträt: Googles Datenschützer Peter Fleischer 
Liebe Leserin, lieber Leser,

in der Pandemie empfiehlt es sich bekanntlich, Sicherheitsabstand zu den Mitmenschen einzuhalten. Wladimir Putin hat es damit sehr genau genommen, als er Emmanuel Macron am vergangenen Montag im Kreml empfing: Ein rund vier Meter langer Tisch trennte die beiden Staatspräsidenten. Wie Reuters jetzt unter Berufung auf französische Regierungsmitarbeiter berichtete, hatte Putin seinen Gast vor die Wahl gestellt: Macron sollte entweder einen PCR-Test durch russische Mediziner akzeptieren – oder eben auf Abstand bleiben. “Aber wir konnten nicht zulassen, dass sie an die DNA des Präsidenten kommen”, hieß es in Paris.

So sorgte Putins Sorge vor einer Infektion zugleich für Fotos, die die politische Distanz zwischen Moskau und dem Westen symbolisiert. Für Macron bot der Termin im Kreml aber die willkommene Gelegenheit, sich als bedeutenden Staatsmann in Szene zu setzen. Schließlich befindet sich der französische Präsident längst im Wahlkampf, obwohl er seine erneute Kandidatur noch immer nicht offiziell gemacht hat. Gestern dann trat er in Belfort vor die Kameras, um seine klima- und energiepolitischen Pläne vorzustellen. Die sehen im Wesentlichen einen Neustart des französischen Atomprogramms vor, wie Tanja Kuchenbecker aus Belfort berichtet.

Kernkraft, das ist Frankreichs Version der Energiewende und seine Antwort auf die Gaspreiskrise. Die enorm gestiegenen Strom- und Heizrechnungen bringen auch die EU-Klimaschutzpläne ins Wanken. Polen und andere Mitgliedstaaten fordern etwa, den Emissionshandel nicht wie geplant auf Gebäude auszuweiten. Im Umweltausschuss wies gestern der Berichterstatter des Europaparlaments, Peter Liese, die Forderungen scharf zurück: “Putin und die Oligarchen wären froh, wenn wir das Fit-for-55-Paket nicht umsetzen”, sagte er. Lukas Scheid und Stephan Israel haben mehr dazu.

Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenausklang, möglichst ohne übergroße Distanz zu Ihren Mitmenschen.

Ihr
Till Hoppe
Bild von Till  Hoppe

Analyse

Großes Streitpotenzial bei ETS und CBAM

Der Satz, das Fit-for-55-Paket sei nicht der Grund für die hohen Energiepreise, sondern die Lösung, leiert fast schon. Vielfach haben EU-Politiker:innen unterschiedlicher Parteizugehörigkeit diese Aussage seit Beginn der Energiepreiskrise wiederholt.

Nicht ohne Grund: Zuletzt hatte die Regierung in Polen dafür geworben, die Ambitionen der Reform des Emissionshandelssystems zu senken. Die Kritik richtet sich insbesondere auf die Schaffung eines zweiten ETS für Straßenverkehr und Gebäude, welches laut Warschau vor allem schwächere Haushalte belaste. Verbündete für ein weniger ambitioniertes Klimaschutzpaket finden sich vor allem in Ungarn, Tschechien und der Slowakei.

Im Umweltausschuss des EU-Parlaments (ENVI) wächst daher die Sorge, dass die Mitgliedstaaten die Ambitionen des Pakets abschwächen könnten. Bei der gestrigen Debatte zur ETS-Reform machte Berichterstatter Peter Liese (CDU/EVP) mit einem verbalen Fingerzeig auf einige EU-Hauptstädte klar, dass man beim Klimaschutz nicht nur dort ansetzen könne, wo es bequem ist.

Warschau wolle die Aufnahme des Gebäudesektors in den ETS 2 verhindern, da viele Menschen ihr Zuhause mit Kohlestrom beheizten, berichtete er von einem Gespräch mit dem stellvertretenden polnischen Umweltminister. Polen solle das Geld aus Brüssel vielmehr dafür nutzen, um den Menschen moderne Heizsysteme zur Verfügung zu stellen, statt die europäischen Klimaschutzpläne zu blockieren, forderte Liese. Dasselbe gelte für Ungarn.

Auch die Kritik dieser Länder an der Verschärfung der Regeln des bestehenden ETS lässt Liese nicht gelten. Aufgrund der steigenden Energiepreise wurden Rufe lauter, die im System verfügbaren Emissionsrechte nicht wie geplant zu reduzieren. Dies würde unweigerlich zu einem Preisanstieg der Zertifikate führen und die Energiekosten weiter erhöhen, so die Sorge.

“Putin würde sich freuen”

Liese widerspricht: Der ETS mache nur einen kleinen Teil der Energiekosten aus, der größere seien teure fossile Energieträger, insbesondere Gas. Der EVP-Politiker argumentiert, fossile Energieträger zu reduzieren, sei nicht nur günstiger, sondern auch geostrategisch sinnvoll: “Putin und die Oligarchen wären froh, wenn wir das Fit-for-55-Paket nicht umsetzen. So könnten Sie uns jedes Jahr in die jetzige Situation bringen”, sagte er mit Blick auf die Abhängigkeit Europas von russischen Energieträgern.

Gegenstimmen zu wesentlichen Teilen der geplanten ETS-Reform kommen aber nicht nur aus den Mitgliedstaaten, sondern auch aus dem Parlament. Der EVP-Berichterstatter des Verkehrsausschusses (TRAN), Andrey Novakov, hatte sich zu Beginn der Woche dafür ausgesprochen, die Emissionen aus dem Straßenverkehr nicht in den ETS 2 einzubeziehen (Europe.Table berichtete). Liese und die EU-Kommission wollen das um jeden Preis verhindern, da die zu erwartende CO2-Reduktion dadurch erheblich geringer ausfiele.

Zuteilung von EU-Emissionsrechten reduzieren & durch CBAM ersetzen

Doch Bedenken äußern auch die Grünen und Sozialdemokraten, da sie drastische soziale Auswirkungen für die ärmsten Haushalte befürchten, wenn Kraftstoffe teurer werden. Jutta Paulus von den Grünen befürchtet starke Schwankungen in der finanziellen Belastung der Bürger:innen in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten. Ein deutscher SUV-Fahrer könne sich die CO2-Zertifikate problemlos leisten, welches sich der bulgarische Rentner für die Heizung seiner Wohnung nicht leisten könne. Die sorge laut Paulus für soziale Spaltung statt Einigung beim Klimaschutz.

EU-Schattenberichterstatterin Jytte Guteland (S&D) würde lieber die Ambitionen des bestehenden ETS erhöhen, indem kostenlose Zuteilungen von Emissionsrechten an die Industrie schneller reduziert und durch den CBAM ersetzt werden. So hatte es ihr Parteikollege und CBAM-Berichterstatter Mohammed Chahim gefordert hatte (Europe.Table berichtete). Bis 16. Februar können die Abgeordneten Änderungsanträge zum ETS-Bericht einreichen.

CBAM-Beratungen stehen auf der Kippe

Die Beratungen zum CBAM befinden sich bereits in der heißen Phase: Am Donnerstag endete die Frist für Änderungsanträge. Spannungen zwischen CBAM-Berichterstatter Chahim und ETS-Berichterstatter Liese belasten die Debatte jedoch. Da die beiden Dossiers eng miteinander verknüpft sind, wäre eine gute Zusammenarbeit wichtig. Die Vorzeichen stimmen allerdings nicht optimistisch.

Peter Liese wertete bei einer Veranstaltung von Business Europe am Mittwoch den Vorschlag von CBAM-Berichterstatter Chahim als “naiv”, die freien Emissionsrechte schneller auslaufen zu lassen. Das werde niemals funktionieren. Der Niederländer will dafür die Übergangsfrist beim Start des CBAM auf zwei Jahre verkürzen. Chahim ist wiederum gegen Lieses Vorschlag (Europe.Table berichtete), die freien Emissionsrechte der EU zur Sicherheit in einer Reserve zurückzubehalten, sollte der CBAM die Erwartungen nicht erfüllen. Ebenfalls umstritten ist Chahims Vorschlag, die Chemieindustrie und indirekte Emissionen aus Heizung und Kühlung in den CBAM einzubeziehen.

Es sei ja in Ordnung, politische Differenzen auszutragen, reagierte Chahim auf Twitter. Aber einen abwesenden Kollegen auf einer Veranstaltung als “naiv” zu bezeichnen, sei nicht in Ordnung. Der Niederländer und der Deutsche waren schon vergangene Woche im ENVI-Ausschuss aneinandergeraten. Liese hatte Chahim vorgeworfen, seine Kompetenzen überschritten und die Zuständigkeit Lieses als ETS-Berichterstatter nicht respektiert zu haben. Ein Vorwurf, den der Niederländer zurückwies – Liese “übertreibe”.

Es wird mit mehreren hundert Änderungsanträgen gerechnet. Allein Schattenberichterstatter Adam Jarubas (EVP) aus Polen hat 81 Amendements eingereicht, zum Beispiel gegen Umgehungsmöglichkeiten für Importeure und Hersteller aus Drittstaaten.

Bundesregierung sucht Position

Jarubas fordert auch eine Lösung für Exporteure und eine Kompensation für die verarbeitende Industrie, die ohne freie Verschmutzungsrechte benachteiligt würde. Entsprechend der Position von Peter Liese will der EVP-Schattenberichterstatter im CBAM-Gesetz keine Regeln zum ETS, sondern nur Querverweise. Grundsätzlich schlägt er jedoch vor, das Phasing-Out der freien Zuteilungen erst 2030 zu beginnen und dafür auf fünf Jahre zu verkürzen. Die Abstimmung im ENVI-Ausschuss ist für Mitte Mai, jene im Plenum für Juni geplant.

Auch die Mitgliedstaaten sind dabei, sich zu positionieren. Für die französische EU-Ratspräsidentschaft hat das Dossier höchste Priorität. So will Paris bereits beim Rat der Finanzminister Mitte März eine gemeinsame Position finden, was Beobachter für ambitioniert halten. Es sei ein sehr komplexer Vorschlag und man sei noch dabei, die vielen technischen Aspekte zu analysieren, heißt es von schwedischer Seite. Schweden stehe der Idee aber grundsätzlich positiv gegenüber: Ein gut konzipierter CBAM könne ein nützliches Instrument einer ambitionierten EU-Klimapolitik sein.

In Berlin laufen die Gespräche innerhalb der neuen Bundesregierung derzeit unter Hochdruck. Fest stehe, dass die deutsche Industrie wettbewerbsfähig bleiben und Handelskonflikte vermieden werden müssten, heißt es von dort. Deutschland werde das Thema auch im Rahmen seiner G7 Präsidentschaft diskutieren. Lukas Scheid und Stephan Israel

Mehr zum Thema

    • CBAM
    • Emissionshandel
    • Fit for 55
    • Green Deal
    • Klima & Umwelt
    • Klimaschutz

    Macron: Kernenergie als Wahlkampfmittel

    Wann erklärt sich Emmanuel Macron offiziell als Kandidat? Diese Frage beschäftigt die Franzosen seit Wochen. Der Präsident spielt auf Zeit und setzt sich währenddessen in Szene: als Vermittler im Konflikt mit Russland, und nun als Klimapolitiker.

    Im ostfranzösischen Belfort stellte Macron gestern seine Energiestrategie für Frankreich vor. Bis 2050 will er den Energieverbrauch um 40 Prozent senken und die Leistung der installierten Solaranlagen verzehnfachen. Vor allem aber strebt Präsident Macron eine Renaissance der Atomkraft an.

    Macron besuchte die Fabrik der Arabelle-Turbinen, mit denen französische Atomkraftwerke ausgestattet sind. Zwei Monate vor den Präsidentschaftswahlen am 10. und 24. April war es ein symbolischer Termin, bei dem es um französischen Stolz und Nationalbewusstsein ging.

    Die Turbinen, die einst zu Alstom gehörten, waren 2015 an General Electric verkauft worden. Damals war Macron Wirtschaftsminister und winkte den Deal durch. Der Verkauf ins Ausland empörte aber viele. Atomkraft ist in Frankreichs ein Symbol nationaler Größe.

    Nun kommt die Kehrtwende. Die Pandemie hat in Paris die Wahrnehmung geprägt, dass die Verlagerung wichtiger Industrien ein Problem sein kann. Macrons Mantra lautet: industrielle Souveränität. Auf Drängen der Regierung verhandelte der mehrheitlich staatseigene Versorger EDF mit GE. Inzwischen sei eine Einigung gefunden, verkündete Macron.

    Der Deal passt in Macrons Agenda: Die wichtigste Ankündigung am Donnerstag war der Neustart des französischen Atomprogramms. Diesen hatte er Ende vergangenen Jahres bereits angekündigt, nun nannte Macron Details: Sechs neue Druckwasserreaktoren (EPR) sollen gebaut werden, für eine geschätzte Summe von 50 Milliarden Euro. Der erste könnte 2035 fertiggestellt sein. Hinzu könnten acht weitere EPR kommen, für die Machbarkeitsstudien angefertigt werden. Der Staat will die neuen Meiler mit Milliarden mitfinanzieren.

    Macron über Atomkraft: “Sicher und souverän”

    “Es gibt keine stabile Produktion ohne stabile Energie”, betonte der Präsident. Man wolle die Kaufkraft der Franzosen und Unternehmen angesichts steigender Preise von fossilen Energien bewahren. Die Atomkraft bezeichnete Macron als “sicher und souverän” sowie als “ökologisch und ökonomisch”. Man werde die Sicherheit garantieren, auch für die alten Atomkraftwerke. Deren Laufzeit von bislang 40 Jahren wird verlängert. EDF soll überdies prüfen, ob eine Verlängerung auf mehr als 50 Jahre möglich ist.

    Der Zeitpunkt der Ankündigung ist nicht gerade günstig: EDF hatte am Mittwoch eine erneute Verzögerung und Kostenerhöhung des EPR in Flamanville in Nordfrankreich angekündigt. Das ursprünglich für 2012 geplante AKW soll nun erst im zweiten Quartal 2023 ans Netz gehen.

    Bei den geplanten neuen Reaktoren soll es sich um verbesserte Typen (EPR2) handeln. EDF hat schon Vorschläge für drei Orte gemacht, an denen jeweils zwei Reaktoren gebaut werden könnten: Penly und Gravelines in Nordfrankreich, und Bugey oder Tricastin im Süden. Zusätzlich plant Macron kleine Atomreaktoren, SMR. Ursprünglich wollte der Präsident mit der Ankündigung des Atomprogramms warten, bis der EPR in Flamanville in Betrieb ist. Doch nach allen Verzögerungen ist Eile geboten, denn die alten Atomkraftwerke in Frankreich sind immer störanfälliger. Mehrere sind seit Monaten runtergefahren, die Energieversorgung wird zum Problem.

    Keine Zeit für die Kandidatur

    Die Energiepolitik ist angesichts steigender Preisen ein wichtiges Thema im Wahlkampf. Laut Umfragen ist die Kaufkraft das brennendste Anliegen der Franzosen. Hier versucht Macron gegenzusteuern, über Energieschecks für bedürftige Bürger und einen staatlichen Eingriff in die Elektrizitätspreise von EDF. Derzeit liegt der Anteil der Atomkraft bei der Elektrizität in Frankreich bei 70 Prozent.

    Macron hatte in dieser Woche schon einen anderen symbolträchtigen Termin absolviert, in der Außenpolitik. Der Besuch bei Wladimir Putin in Moskau eignete sich, um sich auch international in Szene zu setzen. Dadurch kann sich Macron weitab von der heimischen Präsidentschaftskampagne und den gegenseitigen Angriffen der Kandidaten für die Wahlen profilieren.

    Schon seit langem setzt Macron darauf, Frankreichs Einfluss zu stärken und sich als wichtiger Akteur bei Krisen an Europas Grenzen zu zeigen. Seine späte Kandidatur hatte er mit der Ukraine-Krise begründet: Er könne den Franzosen nicht vernünftig erklären, warum er ausgerechnet jetzt in den Wahlkampf eintrete. “Ich habe ihnen gesagt, dass ich bis zum Ende Präsident sein werde.”

    Am Freitag reist Macron weiter nach Brest in der Bretagne, wo die französische EU-Ratspräsidentschaft einen Gipfel für die Ozeane veranstaltet. Angesichts so vieler Termine scheint Macron es nicht eilig zu haben mit der Ankündigung seiner Kandidatur. Ein Macron-Berater sagte im französischen Radio, dass es wohl nicht vor dem 19. Februar so weit sein werde.

    Mehr zum Thema

      • Emmanuel Macron
      • Energie
      • Green Deal
      • Klimaschutz

      EU-Monitoring

      11.02.2022_Monitoring

      Informelle Ministertagung Arbeit, Beschäftigung und Soziales
      14.02.-15.02.2022
      Agenda: Im Rahmen dieses informellen Ministertreffens diskutieren die 27 Minister die Schwerpunktthemen der französischen Ratspräsidentschaft, insbesondere die Auswirkungen des ökologischen und digitalen Wandels auf den Arbeitsmarkt.
      Infos

      Plenartagung des EU-Parlaments: Offshore-Energie, Städte nach Covid, Verkehrswege
      14.02.2022 17:00-22:00 Uhr
      Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem ein Bericht zur EU-Strategie für erneuerbare Offshore-Energie, ein Bericht zu den Herausforderungen für städtische Gebiete in der Zeit nach der COVID-19-Krise sowie eine Abstimmung zur Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch LKW.
      Vorläufige Tagesordnung

      Sondersitzung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI)
      14.02.2022 19:45 Uhr
      Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem ein Bericht über laufende Trilog-Verhandlungen, eine Aussprache mit Julien Denormandie (französischer Landwirtschafts- und Ernährungsminister) sowie ein Bericht zu gleichen Wettbewerbsbedingungen für einen nachhaltigen Luftverkehr.
      Vorläufige Tagesordnung

      Wöchentliche Kommissionssitzung
      15.02.2022
      Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem das Verteidigungspaket mit einer Mitteilung über die Beiträge der Kommission zu Europas Sicherheit und Verteidigung und einem Fahrplan für kritische Technologien für Sicherheit und Verteidigung. Hinzu kommen das Weltraum-Paket mit der EU-Strategie für das Weltraumverkehrsmanagement und den Aufbau eines weltraumgestützten globalen sicheren Kommunikationssystems. Im Anschluss an die Sitzung der Kommission findet voraussichtlich gegen 15 Uhr eine Pressekonferenz statt.
      Vorläufige Tagesordnung Weltraumpaket Pressekonferenz Live

      Plenartagung des EU-Parlaments: Kampf gegen Krebs, Beziehungen EU-Russland
      15.02.2022 09:00-21:15 Uhr
      Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem ein Bericht zur Stärkung Europas im Kampf gegen Krebserkrankungen sowie eine Aussprache zu den Beziehungen zwischen der EU und Russland und zur europäischen Sicherheit.
      Vorläufige Tagesordnung

      Hochrangiges Treffen zum autonomen und vernetzten Fahren
      16.02.-17.02.2022
      Agenda: Auf diesem Treffen zum automatisierten und vernetzten Fahren kommen hochrangige Vertreter und Fachleute aus dem Bereich des vernetzten und automatisierten Fahrens der verschiedenen EU-Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission sowie aus der Wirtschaft und aus akademischen Kreisen zusammen.
      Infos

      EuGH-Urteile zum Schutz des EU-Haushalts bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit
      16.02.2022
      Agenda: Am 16. Dezember 2020 erließen das Europäische Parlament und der Rat eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des EU-Haushalts. Ungarn und Polen haben beim Gerichtshof Klagen auf Nichtigerklärung dieser Regelung erhoben. Der Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona hat in seinen Schlussanträgen vorgeschlagen, die Klagen abzuweisen.
      Schlussanträge

      Plenartagung des EU-Parlaments: Handelshemmnisse, Rechtsstaatlichkeit, Schutz EU-Haushalt
      16.02.2022 09:00-21:15 Uhr
      Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem ein Bericht zur Beseitigung von nichttarifären und nichtsteuerlichen Handelshemmnissen im Binnenmarkt, eine Aussprache über die Rechtsstaatlichkeit und die Folgen des EuGH-Urteils zur Konditionalitätsregelung zum Schutz des EU-Haushalts sowie eine Abstimmung über das Trilogergebnis zur Eurovignette.
      Vorläufige Tagesordnung

      Gipfeltreffen EU-Afrikanische Union
      17.02.-18.02.2022
      Agenda: Die Führungsspitzen der EU und der Afrikanischen Union (AU) sowie ihrer Mitgliedstaaten kommen zum sechsten Gipfeltreffen zwischen der EU und der AU zusammen. Dabei wird unter anderem über ein Investitionspaket Afrika-Europa sowie über Instrumente zur Förderung von Stabilität und Sicherheit beraten.
      Infos Hintergrund

      Münchner Sicherheitskonferenz
      18.02.-22.02.2022
      Agenda: Die 58. Münchner Sicherheitskonferenz findet im Hotel Bayerischer Hof statt.
      Infos

      News

      CNIL: DSGVO-Verstoß durch Einsatz von Google Analytics

      In der Auseinandersetzung um transatlantische Standards für Datenschutz hat die französische Datenschutzaufsichtsbehörde CNIL eine weitere folgenreiche Entscheidung getroffen. Demnach verstößt der Einsatz von Google Analytics gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), da Daten in die USA übermittelt würden. Die CNIL forderte den Websitebetreiber nun auf, “diese Verarbeitungen mit der DSGVO in Einklang zu bringen, falls nötig, indem er die Google-Analytics-Funktionalität (unter den derzeitigen Bedingungen) nicht mehr nutzt”. Alternativ könnten Tools eingesetzt werden, die keine Übermittlungen in Länder nutzten, die nicht DSGVO-fest seien. Die von Google getroffenen Maßnahmen reichten nicht aus, um die Möglichkeit eines Zugriffs durch US-Geheimdienste abzuwehren, um den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes Rechnung zu tragen, so die französischen Datenschützer.

      Mit dem CNIL-Beschluss nimmt nicht nur der Druck auf Anbieter, die nach dem Scheitern des Privacy Shield über keine verlässliche Rechtsgrundlage für die transatlantische Verarbeitung personenbezogener Daten verfügen, noch weiter zu. Die österreichische Datenschutzorganisation None of your Business (Noyb) hatte insgesamt 101 derartige Verfahren angestrengt. Aber wie schon bei einem kürzlich entschiedenen Verfahren in Österreich sind hier erneut nicht primär die Anbieter selbst Gegenstand der Verfahren.  

      Vielmehr richten sich die Beschwerden eher indirekt gegen die Googles, Facebooks und Microsofts: Die bei Datenschutzaufsichtsbehörden und Gerichten angestrengten Verfahren betreffen jene Unternehmen und Organisationen, die – teils kostenfreie – Dienstleistungen von US-Unternehmen in Anspruch nehmen, wie eben Google Analytics, Google Fonts, Facebook-Seiten oder Youtube-Player. Hierdurch werden in vielen Fällen jedoch auch Daten der Nutzer an die großen US-Anbieter und damit in den Anwendungsbereich von US-Recht übertragen.

      Die Entscheidung der CNIL ist dabei nur die zweite in einer ganzen Reihe offener Prüfverfahren. Zuletzt hatte Facebook damit für Aufsehen gesorgt, dass es bei entsprechenden Entscheidungen in der EU wohl den Betrieb seiner Dienste einstellen müsse (Europe.Table berichtete). Die verbreitete europäische Wahrnehmung, dass dies eine Drohung gewesen sei, um Druck auf die europäische Seite der Privacy-Shield-Nachfolgeverhandlung auszuüben, wies der Konzern zwischenzeitlich von sich, allerdings ohne alternative Interpretationen.

      Kern der Auseinandersetzung bleibt derweil der geringe Schutz von Daten ausländischer Bürger im US-Recht (Europe.Table berichtete). Langfristig brauche es entweder einen den europäischen Ansprüchen angemessenen Datenschutz in den USA, so Noyb-Gründer Max Schrems, “oder wir werden am Ende getrennte Produkte für die USA und die EU haben”. Er persönlich würde “einen besseren Schutz in den USA bevorzugen”, aber das sei Sache des US-Gesetzgebers. Schrems setzte bereits zweimal vor dem Europäischen Gerichtshof durch, dass unzureichende Vereinbarungen zwischen EU-Kommission und US-Administration von diesem annulliert wurden. fst

      Mehr zum Thema

        • Daten
        • Datenrecht
        • Datenschutz
        • Digitalisierung
        • Digitalpolitik
        • Google
        • PrivacyShield

        KI-Regulierung: Studie mahnt Kohärenz an

        Der Regulierung im digitalen Bereich in Europa mangelt es an Kohärenz. Das zeigt eine Studie im Auftrag des KI-Sonderausschusses (AIDA). Auf der Suche nach einem Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Grundrechte einerseits und Innovationsförderung andererseits seien Kohärenz und Einfachheit teilweise außer Acht gelassen worden, sagten die Autoren bei der Vorstellung der Untersuchung. Ziel der Studie war es, dem AIDA-Ausschuss einen Überblick über die bestehende und geplante EU-Gesetzgebung im digitalen Bereich zu geben und die Wechselwirkungen zwischen diesen Rechtsakten und der geplanten KI-Verordnung zu bewerten.

        Die Analyse zeige, dass im Zuge der Regulierung beabsichtigte oder unbeabsichtigte Regelungslücken entstanden sind, die behoben werden sollten, sagte Cristiano Codagnone von der Universität Mailand. Der Mitautor der Studie benannte mehrere Problemfelder. So würden unbeabsichtigte Regelungslücken eine Diskussion darüber erfordern, wie sie geschlossen werden sollten. Aber auch bewusste politische Entscheidungen wie die Fokussierung der KI-Verordnung auf KI-Systeme mit hohem Risiko wären nicht frei von Problemen. Eine solche Scoping-Strategie werfe die Frage nach Allzweck- und Mehrzweck-KI-Systemen auf, erläuterte Teresa Rodrigues de las Heras Ballell von der Universität Carlos III in Madrid.

        Wechselspiel zwischen den Rechtsakten

        Wechselwirkungen gibt es der Studie zufolge zwischen den vielen Rechtsakten im Bereich der Digitalisierung. Ein gutes Beispiel dafür sei das Verhältnis zwischen der KI-Verordnung und der Datenschutzgrundverordnung (DGSVO), führte Rodrigues de las Heras Ballell aus. Zwar stehe im KI-Gesetzesvorschlag, dass die Bestimmungen unbeschadet aller anderen EU-Rechtsakte gelten sollen und andererseits das Gesetz keine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten darstelle. Eine solche allgemeine Erklärung der Vereinbarkeit zwischen dem AI-Gesetz und der Regelung zum Schutz personenbezogener Daten reicht aus der Sicht der Juristin aber möglicherweise nicht aus, um alle möglichen Verwendungsszenarien für Daten durch KI-Systeme abzudecken. Daher sei etwa eine größere Klarheit im KI-Gesetz in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich.

        Die Tendenz des KI-Gesetzes, das DGSVO-Modell zu kopieren, könnte zu Problemen führen, da der Datenschutz und die KI-Verordnung grundlegend verschieden seien, heißt es in der Studie. In der DSGVO gehe es um ein grundlegendes Menschenrecht in Bezug auf Datenverarbeitung. Die KI-Regulierung sei dagegen breiter angelegt: Sie ziele sowohl auf den Schutz des Einzelnen als auch auf die Förderung der KI-Entwicklung ab und beziehe sich nicht auf bestimmte Tätigkeiten.

        Weitere Wechselwirkungen ergeben sich laut der Studie unter anderem im Bereich der Cybersicherheit und der Haftung. So sei etwa nicht klar, welche Ansprüche bei Verstößen gegen die Bestimmungen des KI-Gesetzes entstünden. Die Autoren empfehlen, Produkthaftungs- und Haftungsvorschriften für Schäden, die durch KI-Systeme verursacht werden, zu überarbeiten.

        Hohe Kosten durch mangelnde Kohärenz

        Rodrigues de las Heras Ballell und Codagnone betonten die zentrale Bedeutung von Konsistenz und Kohärenz des Regulierungsgesamtsystems. Nur so könne ein Umfeld entstehen, das Innovation und Unternehmertum fördert und zugleich Verbraucherschutz gewährleistet. Mangelnde Kohärenz oder übermäßig komplexe Rechtsakte, deren Anwendung und Auslegung durch die Marktteilnehmer mit hohen Kosten verbunden wären, seien kontraproduktiv. Besonders betroffen seien dabei Kleinstunternehmen und KMU. Angesichts einer Vielzahl an Rechtsakten im Bereich der Digitalisierung warnten die Autoren vor einer Fragmentierung des Regulierungssystems.

        Verheerend und frustrierend nannte Axel Voss (EVP), der Berichterstatter für den Bericht des Sonderausschusses, die Ergebnisse der Studie im AIDA-Ausschuss. Die Fülle an Inkonsistenzen sei groß und führe zu Rechtsunsicherheit für Unternehmen. Deshalb sollten Gesetzesvorhaben künftig besser aufeinander abgestimmt sein.

        Beratungen des EU-Parlaments zur KI-Verordnung haben begonnen

        Zuvor diskutierten die Mitglieder des AIDA-Ausschusses mit dem französischen Digitalminister Cédric O als Vertreter der Ratspräsidentschaft über die Positionen des Rates zur KI-Verordnung (Europe.Table berichtete). Es sei unerlässlich, dass die KI-Verordnung in den Mitgliedstaaten einheitlich umgesetzt werde, anderenfalls würden Wettbewerbsverzerrungen entstehen, betonte O. Außerdem müsse man sicherstellen, dass die Algorithmen aus den USA und China keinen Zugang zum europäischen Markt bekämen, wenn sie die europäischen Anforderungen nicht erfüllten. Das sei allerdings äußerst kompliziert.

        Das EU-Parlament hat seine Beratungen zur KI-Verordnung nach langem Kompetenzstreit gerade erst begonnen (Europe.Table berichtete). Eine schnelle Einigung im Parlament gilt derzeit als unwahrscheinlich. ank

        Mehr zum Thema

          • Digitalisierung
          • Europapolitik
          • Künstliche Intelligenz
          • Künstliche Intelligenz-Verordnung

          McGuinness: CSR-Regeln auf KMU zuschneiden

          EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness hat den Vorschlag der Kommission, den Geltungsbereich der CSR-Richtlinie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf kleine und mittelständische Unternehmen auszuweiten verteidigt. Andernfalls sei es für börsennotierte KMU schwierig, an Finanzmittel zu kommen, sagte sie am Donnerstag im Rechtsausschuss des Europaparlaments. Die neuen Regeln sollen Investoren bessere Informationen über den sozialen und ökologischen Fußabdruck von Unternehmen verschaffen.

          Dafür müssten die Regeln verhältnismäßig und auf die KMU zugeschnitten seien, sagte McGuinness. Dazu gehöre auch eine zusätzliche Dreijahresfrist zur Anpassung sowie die Möglichkeit für nicht börsennotierte KMU, die Standards auf freiwilliger Basis anzuwenden. Einige JURI-Abgeordnete hatten die Ausweitung kritisiert. Sie befürchten, damit könnten insbesondere jene Sektoren, die von der Covid19-Pandemie besonders betroffen sind, zusätzlich belastet werden.

          Neue CSR-Richtlinie zum Erreichen der Green Deal-Ziele

          Die Finanzkommissarin betonte außerdem, dass die EU-Regeln mit den vom International Sustainability Standards Board (ISSB) festgelegten globalen Standards übereinstimmten. Man wolle auf dem Weg zur Nachhaltigkeit jedoch mit gutem Beispiel vorangehen und deshalb schneller und ehrgeiziger agieren als andere Regionen. Viel Zeit bleibe nicht mehr, um die Klimaziele zu erreichen.

          Die neue Richtlinie zu den CSR-Regularien gilt als Kernbestandteil der EU-Agenda für nachhaltige Finanzen und soll zum Gelingen des Green Deal beitragen. Ihren ersten Entwurf hatte die Kommission im April vergangenen Jahres vorgelegt. Die Europäische Beratergruppe für Rechnungslegung (EFRAG) erarbeitet derzeit Entwürfe für die Nachhaltigkeitsstandards, die bis Oktober 2022 vorliegen sollen. Die Kommission wird die Standards dann über delegierte Rechtsakte verabschieden. til

          Mehr zum Thema

            • Finanzen
            • Green Deal
            • Klima & Umwelt
            • Klimaziele
            • Nachhaltigkeit

            HERA: 1,3 Milliarden Euro für Krisenvorsorge in 2022

            Insgesamt 1,3 Milliarden Euro will die neue EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) in diesem Jahr für eine Reihe von Maßnahmen ausgeben. “Zwei Jahre Pandemie haben uns gelehrt, dass die Fähigkeit, entschlossen auf grenzüberschreitende Gesundheitskrisen zu reagieren, eine starke europäische Gesundheitsunion ausmacht”, erklärte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides anlässlich der Vorstellung des ersten HERA-Jahresarbeitsprogramms.

            Maßnahmen der EU-Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion

            Nach der Annahme des Arbeitsprogramms will die Behörde nun konkret tätig werden und die Kapazitäten für Krisenvorsorge und -reaktion in der EU ausbauen sowie Schwachstellen und strategische Abhängigkeiten verringern. Die vorgesehenen Maßnahmen:

            • Beschaffung und Lagerung medizinischer Gegenmaßnahmen für eine Reihe von Gesundheitsgefahren mit einem Budget von über 580 Millionen Euro;
            • 300 Millionen Euro für die Erforschung und Entwicklung von medizinischen Gegenmaßnahmen und innovativen Technologien gegen neue Bedrohungen;
            • Aufbau eines Netzes von Produktionsanlagen, die im Notfall aktiviert werden können (EU FAB);
            • Einrichtung einer EU-Plattform für klinische Prüfungen und Datenplattformen;
            • Priorisierung von drei Gesundheitsbedrohungen mit hohem Gefahrenpotenzial bis Ende des Frühjahrs.

            Erkennen künftiger Gesundheitsgefahren

            Die HERA hat angekündigt, Bedrohungsanalysen durchzuführen und Informationen zu sammeln, Prognosemodelle zu entwickeln und einen Reaktionsplan auf EU-Ebene zu erstellen. In 2022 soll etwa ein dem neuesten Stand der Technik entsprechendes Echtzeit-Frühwarnsystem für Gesundheitsgefahren eingerichtet werden. Außerdem will die Behörde eine spezielle IT-Plattform für die Bewertung der Bedrohungslage und die entsprechende Priorisierung schaffen.

            Im Rahmen der Corona-Krisenreaktion sind die HERA-Notfallkapazitäten nach eigenen Angaben bereits aktiviert. Dazu gehören demnach rechtzeitige Bereitstellung von Corona-Impfstoffen an die EU-Länder, Beschaffung von COVID-19-Therapeutika für die EU-Mitgliedstaaten, Ausbau der nationalen Kapazitäten für den Nachweis und die wissenschaftliche Bewertung von Varianten sowie Sicherstellung von Impfstofflieferungen in die ganze Welt. ank

            Mehr zum Thema

              • Coronavirus
              • Europapolitik
              • Gesundheit
              • Gesundheitspolitik

              EU-Kommission: Inflation bleibt hoch

              Trotz weiterhin hoher Inflation dürfte die Konjunktur der Eurozone laut EU-Kommission bald anspringen. “Wir rechnen damit, dass das Wachstum bereits im Frühjahr wieder an Fahrt gewinnen wird”, sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni am Donnerstag. Die Omikron-Welle und Lieferkettenprobleme hätten der Wirtschaft zugesetzt. Der Gegenwind werde aber allmählich nachlassen.

              Die EU-Kommission senkte allerdings ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 4,3 auf 4,0 Prozent. Sie rechnet zugleich mit einer weit höheren Inflation als im Herbst angenommen: Die Teuerungsrate dürfte 2022 mit 3,5 Prozent weit über die Zielmarke der EZB von zwei Prozent hinausschießen. Im Herbst war sein Expertenstab noch von einer Rate von lediglich 2,2 Prozent im laufenden Jahr ausgegangen.

              “Der Preisdruck wird wahrscheinlich bis zum Sommer hoch bleiben“, warnte Gentiloni. Laut dem EU-Kommissar dürfte mit dem Nachlassen von Lieferengpässen und nur noch moderat steigenden Energiepreisen ab dem Herbst jedoch mit einer Entspannung zu rechnen sein.

              Unsicherheit und Risiken blieben aber hoch, räumte der Kommissar mit Blick auf Pandemiegeschehen und Ukraine-Krise ein. Es sei offensichtlich, dass “Frieden, Stabilität und Wirtschaftswachstum” eng miteinander verflochten seien. Die Ukraine-Krise hat laut Experten das Potenzial, die Preise weiter zu treiben.

              Inflation in der Eurozone: Ziel 2023 voraussichtlich wieder unterschritten

              Falls sich der Preisauftrieb weltweit stärker als erwartet entwickeln sollte, könne dies dazu führen, dass die Währungshüter schneller Zügel anzögen. “Dies hätte Auswirkungen auf die globalen Finanzierungsbedingungen und die Nachfrage”, warnte der Italiener. In den USA waren die Verbraucherpreise zu Jahresbeginn so rasant gestiegen wie seit 40 Jahren nicht mehr. Waren und Dienstleistungen kosteten im Januar 7,5 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. 

              Die US-Notenbank Fed steht kurz vor einer Zinswende, der eine Reihe weiterer Anhebungen folgen dürfte. Von Bundesbankpräsident Joachim Nagel und weiteren Währungshütern aus dem EZB-Rat wird mittlerweile auch eine Zinsrhöhung für den Euroraum noch in diesem Jahr ins Spiel gebracht. Laut dem niederländischen Notenbankchef Klaas Knot käme ein erster Schritt um 0,25 Prozent im vierten Quartal infrage.

              Damit würde die EZB just zu dem Zeitpunkt die Zügel anziehen, wenn der Inflationsdruck in der Eurozone nach der Vorhersage der EU-Kommission nachlässt. Sie sagt den Scheitelpunkt der Teuerungswelle mit einem Wert von 4,8 Prozent für das laufende erste Quartal voraus. 2023 sei zu erwarten, dass das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 Prozent dann mit einer Teuerungsrate von voraussichtlich 1,7 Prozent wieder unterschritten werde. rtr

              Mehr zum Thema

                • Coronavirus
                • Europapolitik
                • Eurozone
                • Finanzen
                • Inflation

                Presseschau

                Scholz sichert Balten Unterstützung zu SPIEGEL
                Mobilfunkfrequenzen: EU-Kommission macht mehr Spektrum für 5G verfügbar HEISE
                Frankreich schließt sich Österreich an und erklärt Google Analytics für illegal EURACTIV
                Regierung will mehr Solaranlagen auf Äckern TAGESSCHAU
                “Renaissance der Atomkraft”: Macron will bis zu 14 neue Reaktoren bauen ZDF
                Habecks Reformplan beim Ökostrom stößt in der Ampel auf Widerstand HANDELSBLATT
                Verkehrsemissionen: EU will fossile und landwirtschaftliche Kraftstoffe gleich hoch besteuern EURACTIV
                UN-Experten: Schweden soll Eisenerz-Mine im Gebiet der Samen nicht erlauben TAH

                Portrait

                Peter Fleischer: Googles erster Privatsphäre-Experte

                Foto von Peter Fleischer im Gespräch: Er ist Global Privacy Counsel bei Google und beschäftigt sich mit dem Thema Privatsphäre
                Peter Fleischer ist Global Privacy Counsel bei Google.

                Peter Fleischers Einstieg bei Google vor gut 15 Jahren klingt wie eine Szene aus einem Silicon-Valley-Film. Die Firmengründer Larry Page und Sergey Brin fragten den Harvard-Absolventen beim Bewerbungsgespräch, von wo aus er gerne arbeiten würde. Fleischers Antwort: Europa. “Denn das ist der Kontinent mit der längsten Tradition von Datenschutzgesetzen”, erklärt Fleischer. “Und außerdem: Wenn wir unsere Produkte entwickeln, müssen sie die europäischen Standards erreichen. Wenn wir diese Datenschutzstandards erreichen, funktionieren unsere Produkte mit ziemlicher Sicherheit weltweit.”

                Seit 2006 arbeitet Fleischer für den amerikanischen Technologieriesen Google als Global Privacy Counsel. “Ich war der erste Angestellte, der sich bei Google in Vollzeit mit Privatsphäre-Fragen im Internet beschäftigen sollte”, erzählt er. Dabei gründet Fleischers Interesse an Datenschutz in einer ganz anderen Zeit: “Mein Vater wuchs als jüdischer Junge im Berlin der Dreißiger- und Vierziger-Jahre auf. Die Frage, wer in dieser Zeit überlebt und wer nicht, hing davon ab, ob dich irgendjemand auf eine Liste geschrieben hat.”

                EU als Vorbild für Datenschutz

                Wenn Peter Fleischer seine Vorstellung von Privatsphäre beschreiben will, reicht ihm die englische Sprache nicht aus. “Selbstbestimmung ist ein viel besseres Wort als user control“, sagt Fleischer. “Selbst zu bestimmen, wer meine Daten verarbeitet, selbst zu bestimmen, ob eine Regierung meine Daten nutzt – das ist, worum es tatsächlich geht.”

                In den vergangenen Jahrzehnten habe Europa immer wieder die Meilensteine für die digitale Privatsphäre gesetzt. Das gilt schon seit Mitte der 1990er-Jahre mit der Richtlinie 95/46/EG, die die Verarbeitung von personenbezogenen Daten regelte und 2018 mit der Datenschutz-Grundverordnung erneuert wurde. “Viele Länder, beispielsweise in Lateinamerika, haben Gesetze zur Privatsphäre erlassen und wenn man sich diese genau anschaut, bemerkt man, dass die Gesetze häufig dem europäischen Modell folgen”, sagt Fleischer.

                Über 500 Mitarbeiter in Privatsphäre & Datenschutz bei Google

                Bei Google ist Fleischer längst nicht mehr der Einzige, der sich mit dem Thema befasst. Mittlerweile gebe es über 500 Mitarbeiter, die sich bei Google in allen Bereichen um Privatsphäre und Datenschutz kümmern, sei es in der Technik oder dem Kundenservice, sagt er.

                Die aktuellen Entwicklungen in der EU mit Digital Markets Act und Digital Service Act sieht Fleischer betont gelassen. “Ich bin kein Politiker und ich kann nicht viel über DMA oder DSA sagen”, erklärt er, “ein Bereich ist aber Werbung auf Webseiten.”

                Zielgerichtete Werbung war für Google in der Vergangenheit eine Goldgrube – und oft bleibt im Dunkeln, welche persönlichen Daten genutzt werden, damit ein Nutzer eine bestimmte Werbung gezeigt bekommt. “Anstatt generelle Verbote zu beschließen, wollen wir versuchen, ein werbefinanzierte Web-Ökosystem zu schaffen, während Datenschutz weiterhin gegeben ist”, sagt Fleischer. Ein Ansatz soll die Privacy Sandbox sein, die das personalisierte Advertising über Cookies ersetzen soll. David Renke

                Mehr zum Thema

                  • Datenschutz
                  • Digital Markets Act
                  • Digital Services Act
                  • Digitalisierung
                  • DSGVO
                  • Google

                  Europe.Table Redaktion

                  EUROPE.TABLE REDAKTION

                  Licenses:
                    • Streit um Emissionshandel und Grenzausgleich
                    • Macron: Kernenergie als Wahlkampfmittel
                    • EU-Monitoring
                    • DSGVO-Verstoß durch Einsatz von Google Analytics
                    • KI-Regulierung: Studie mahnt Kohärenz an
                    • McGuinness: CSR-Regeln auf KMU zuschneiden
                    • HERA-Arbeitsprogramm
                    • EU-Kommission: Inflation bleibt hoch
                    • Presseschau
                    • Im Porträt: Googles Datenschützer Peter Fleischer 
                    Liebe Leserin, lieber Leser,

                    in der Pandemie empfiehlt es sich bekanntlich, Sicherheitsabstand zu den Mitmenschen einzuhalten. Wladimir Putin hat es damit sehr genau genommen, als er Emmanuel Macron am vergangenen Montag im Kreml empfing: Ein rund vier Meter langer Tisch trennte die beiden Staatspräsidenten. Wie Reuters jetzt unter Berufung auf französische Regierungsmitarbeiter berichtete, hatte Putin seinen Gast vor die Wahl gestellt: Macron sollte entweder einen PCR-Test durch russische Mediziner akzeptieren – oder eben auf Abstand bleiben. “Aber wir konnten nicht zulassen, dass sie an die DNA des Präsidenten kommen”, hieß es in Paris.

                    So sorgte Putins Sorge vor einer Infektion zugleich für Fotos, die die politische Distanz zwischen Moskau und dem Westen symbolisiert. Für Macron bot der Termin im Kreml aber die willkommene Gelegenheit, sich als bedeutenden Staatsmann in Szene zu setzen. Schließlich befindet sich der französische Präsident längst im Wahlkampf, obwohl er seine erneute Kandidatur noch immer nicht offiziell gemacht hat. Gestern dann trat er in Belfort vor die Kameras, um seine klima- und energiepolitischen Pläne vorzustellen. Die sehen im Wesentlichen einen Neustart des französischen Atomprogramms vor, wie Tanja Kuchenbecker aus Belfort berichtet.

                    Kernkraft, das ist Frankreichs Version der Energiewende und seine Antwort auf die Gaspreiskrise. Die enorm gestiegenen Strom- und Heizrechnungen bringen auch die EU-Klimaschutzpläne ins Wanken. Polen und andere Mitgliedstaaten fordern etwa, den Emissionshandel nicht wie geplant auf Gebäude auszuweiten. Im Umweltausschuss wies gestern der Berichterstatter des Europaparlaments, Peter Liese, die Forderungen scharf zurück: “Putin und die Oligarchen wären froh, wenn wir das Fit-for-55-Paket nicht umsetzen”, sagte er. Lukas Scheid und Stephan Israel haben mehr dazu.

                    Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenausklang, möglichst ohne übergroße Distanz zu Ihren Mitmenschen.

                    Ihr
                    Till Hoppe
                    Bild von Till  Hoppe

                    Analyse

                    Großes Streitpotenzial bei ETS und CBAM

                    Der Satz, das Fit-for-55-Paket sei nicht der Grund für die hohen Energiepreise, sondern die Lösung, leiert fast schon. Vielfach haben EU-Politiker:innen unterschiedlicher Parteizugehörigkeit diese Aussage seit Beginn der Energiepreiskrise wiederholt.

                    Nicht ohne Grund: Zuletzt hatte die Regierung in Polen dafür geworben, die Ambitionen der Reform des Emissionshandelssystems zu senken. Die Kritik richtet sich insbesondere auf die Schaffung eines zweiten ETS für Straßenverkehr und Gebäude, welches laut Warschau vor allem schwächere Haushalte belaste. Verbündete für ein weniger ambitioniertes Klimaschutzpaket finden sich vor allem in Ungarn, Tschechien und der Slowakei.

                    Im Umweltausschuss des EU-Parlaments (ENVI) wächst daher die Sorge, dass die Mitgliedstaaten die Ambitionen des Pakets abschwächen könnten. Bei der gestrigen Debatte zur ETS-Reform machte Berichterstatter Peter Liese (CDU/EVP) mit einem verbalen Fingerzeig auf einige EU-Hauptstädte klar, dass man beim Klimaschutz nicht nur dort ansetzen könne, wo es bequem ist.

                    Warschau wolle die Aufnahme des Gebäudesektors in den ETS 2 verhindern, da viele Menschen ihr Zuhause mit Kohlestrom beheizten, berichtete er von einem Gespräch mit dem stellvertretenden polnischen Umweltminister. Polen solle das Geld aus Brüssel vielmehr dafür nutzen, um den Menschen moderne Heizsysteme zur Verfügung zu stellen, statt die europäischen Klimaschutzpläne zu blockieren, forderte Liese. Dasselbe gelte für Ungarn.

                    Auch die Kritik dieser Länder an der Verschärfung der Regeln des bestehenden ETS lässt Liese nicht gelten. Aufgrund der steigenden Energiepreise wurden Rufe lauter, die im System verfügbaren Emissionsrechte nicht wie geplant zu reduzieren. Dies würde unweigerlich zu einem Preisanstieg der Zertifikate führen und die Energiekosten weiter erhöhen, so die Sorge.

                    “Putin würde sich freuen”

                    Liese widerspricht: Der ETS mache nur einen kleinen Teil der Energiekosten aus, der größere seien teure fossile Energieträger, insbesondere Gas. Der EVP-Politiker argumentiert, fossile Energieträger zu reduzieren, sei nicht nur günstiger, sondern auch geostrategisch sinnvoll: “Putin und die Oligarchen wären froh, wenn wir das Fit-for-55-Paket nicht umsetzen. So könnten Sie uns jedes Jahr in die jetzige Situation bringen”, sagte er mit Blick auf die Abhängigkeit Europas von russischen Energieträgern.

                    Gegenstimmen zu wesentlichen Teilen der geplanten ETS-Reform kommen aber nicht nur aus den Mitgliedstaaten, sondern auch aus dem Parlament. Der EVP-Berichterstatter des Verkehrsausschusses (TRAN), Andrey Novakov, hatte sich zu Beginn der Woche dafür ausgesprochen, die Emissionen aus dem Straßenverkehr nicht in den ETS 2 einzubeziehen (Europe.Table berichtete). Liese und die EU-Kommission wollen das um jeden Preis verhindern, da die zu erwartende CO2-Reduktion dadurch erheblich geringer ausfiele.

                    Zuteilung von EU-Emissionsrechten reduzieren & durch CBAM ersetzen

                    Doch Bedenken äußern auch die Grünen und Sozialdemokraten, da sie drastische soziale Auswirkungen für die ärmsten Haushalte befürchten, wenn Kraftstoffe teurer werden. Jutta Paulus von den Grünen befürchtet starke Schwankungen in der finanziellen Belastung der Bürger:innen in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten. Ein deutscher SUV-Fahrer könne sich die CO2-Zertifikate problemlos leisten, welches sich der bulgarische Rentner für die Heizung seiner Wohnung nicht leisten könne. Die sorge laut Paulus für soziale Spaltung statt Einigung beim Klimaschutz.

                    EU-Schattenberichterstatterin Jytte Guteland (S&D) würde lieber die Ambitionen des bestehenden ETS erhöhen, indem kostenlose Zuteilungen von Emissionsrechten an die Industrie schneller reduziert und durch den CBAM ersetzt werden. So hatte es ihr Parteikollege und CBAM-Berichterstatter Mohammed Chahim gefordert hatte (Europe.Table berichtete). Bis 16. Februar können die Abgeordneten Änderungsanträge zum ETS-Bericht einreichen.

                    CBAM-Beratungen stehen auf der Kippe

                    Die Beratungen zum CBAM befinden sich bereits in der heißen Phase: Am Donnerstag endete die Frist für Änderungsanträge. Spannungen zwischen CBAM-Berichterstatter Chahim und ETS-Berichterstatter Liese belasten die Debatte jedoch. Da die beiden Dossiers eng miteinander verknüpft sind, wäre eine gute Zusammenarbeit wichtig. Die Vorzeichen stimmen allerdings nicht optimistisch.

                    Peter Liese wertete bei einer Veranstaltung von Business Europe am Mittwoch den Vorschlag von CBAM-Berichterstatter Chahim als “naiv”, die freien Emissionsrechte schneller auslaufen zu lassen. Das werde niemals funktionieren. Der Niederländer will dafür die Übergangsfrist beim Start des CBAM auf zwei Jahre verkürzen. Chahim ist wiederum gegen Lieses Vorschlag (Europe.Table berichtete), die freien Emissionsrechte der EU zur Sicherheit in einer Reserve zurückzubehalten, sollte der CBAM die Erwartungen nicht erfüllen. Ebenfalls umstritten ist Chahims Vorschlag, die Chemieindustrie und indirekte Emissionen aus Heizung und Kühlung in den CBAM einzubeziehen.

                    Es sei ja in Ordnung, politische Differenzen auszutragen, reagierte Chahim auf Twitter. Aber einen abwesenden Kollegen auf einer Veranstaltung als “naiv” zu bezeichnen, sei nicht in Ordnung. Der Niederländer und der Deutsche waren schon vergangene Woche im ENVI-Ausschuss aneinandergeraten. Liese hatte Chahim vorgeworfen, seine Kompetenzen überschritten und die Zuständigkeit Lieses als ETS-Berichterstatter nicht respektiert zu haben. Ein Vorwurf, den der Niederländer zurückwies – Liese “übertreibe”.

                    Es wird mit mehreren hundert Änderungsanträgen gerechnet. Allein Schattenberichterstatter Adam Jarubas (EVP) aus Polen hat 81 Amendements eingereicht, zum Beispiel gegen Umgehungsmöglichkeiten für Importeure und Hersteller aus Drittstaaten.

                    Bundesregierung sucht Position

                    Jarubas fordert auch eine Lösung für Exporteure und eine Kompensation für die verarbeitende Industrie, die ohne freie Verschmutzungsrechte benachteiligt würde. Entsprechend der Position von Peter Liese will der EVP-Schattenberichterstatter im CBAM-Gesetz keine Regeln zum ETS, sondern nur Querverweise. Grundsätzlich schlägt er jedoch vor, das Phasing-Out der freien Zuteilungen erst 2030 zu beginnen und dafür auf fünf Jahre zu verkürzen. Die Abstimmung im ENVI-Ausschuss ist für Mitte Mai, jene im Plenum für Juni geplant.

                    Auch die Mitgliedstaaten sind dabei, sich zu positionieren. Für die französische EU-Ratspräsidentschaft hat das Dossier höchste Priorität. So will Paris bereits beim Rat der Finanzminister Mitte März eine gemeinsame Position finden, was Beobachter für ambitioniert halten. Es sei ein sehr komplexer Vorschlag und man sei noch dabei, die vielen technischen Aspekte zu analysieren, heißt es von schwedischer Seite. Schweden stehe der Idee aber grundsätzlich positiv gegenüber: Ein gut konzipierter CBAM könne ein nützliches Instrument einer ambitionierten EU-Klimapolitik sein.

                    In Berlin laufen die Gespräche innerhalb der neuen Bundesregierung derzeit unter Hochdruck. Fest stehe, dass die deutsche Industrie wettbewerbsfähig bleiben und Handelskonflikte vermieden werden müssten, heißt es von dort. Deutschland werde das Thema auch im Rahmen seiner G7 Präsidentschaft diskutieren. Lukas Scheid und Stephan Israel

                    Mehr zum Thema

                      • CBAM
                      • Emissionshandel
                      • Fit for 55
                      • Green Deal
                      • Klima & Umwelt
                      • Klimaschutz

                      Macron: Kernenergie als Wahlkampfmittel

                      Wann erklärt sich Emmanuel Macron offiziell als Kandidat? Diese Frage beschäftigt die Franzosen seit Wochen. Der Präsident spielt auf Zeit und setzt sich währenddessen in Szene: als Vermittler im Konflikt mit Russland, und nun als Klimapolitiker.

                      Im ostfranzösischen Belfort stellte Macron gestern seine Energiestrategie für Frankreich vor. Bis 2050 will er den Energieverbrauch um 40 Prozent senken und die Leistung der installierten Solaranlagen verzehnfachen. Vor allem aber strebt Präsident Macron eine Renaissance der Atomkraft an.

                      Macron besuchte die Fabrik der Arabelle-Turbinen, mit denen französische Atomkraftwerke ausgestattet sind. Zwei Monate vor den Präsidentschaftswahlen am 10. und 24. April war es ein symbolischer Termin, bei dem es um französischen Stolz und Nationalbewusstsein ging.

                      Die Turbinen, die einst zu Alstom gehörten, waren 2015 an General Electric verkauft worden. Damals war Macron Wirtschaftsminister und winkte den Deal durch. Der Verkauf ins Ausland empörte aber viele. Atomkraft ist in Frankreichs ein Symbol nationaler Größe.

                      Nun kommt die Kehrtwende. Die Pandemie hat in Paris die Wahrnehmung geprägt, dass die Verlagerung wichtiger Industrien ein Problem sein kann. Macrons Mantra lautet: industrielle Souveränität. Auf Drängen der Regierung verhandelte der mehrheitlich staatseigene Versorger EDF mit GE. Inzwischen sei eine Einigung gefunden, verkündete Macron.

                      Der Deal passt in Macrons Agenda: Die wichtigste Ankündigung am Donnerstag war der Neustart des französischen Atomprogramms. Diesen hatte er Ende vergangenen Jahres bereits angekündigt, nun nannte Macron Details: Sechs neue Druckwasserreaktoren (EPR) sollen gebaut werden, für eine geschätzte Summe von 50 Milliarden Euro. Der erste könnte 2035 fertiggestellt sein. Hinzu könnten acht weitere EPR kommen, für die Machbarkeitsstudien angefertigt werden. Der Staat will die neuen Meiler mit Milliarden mitfinanzieren.

                      Macron über Atomkraft: “Sicher und souverän”

                      “Es gibt keine stabile Produktion ohne stabile Energie”, betonte der Präsident. Man wolle die Kaufkraft der Franzosen und Unternehmen angesichts steigender Preise von fossilen Energien bewahren. Die Atomkraft bezeichnete Macron als “sicher und souverän” sowie als “ökologisch und ökonomisch”. Man werde die Sicherheit garantieren, auch für die alten Atomkraftwerke. Deren Laufzeit von bislang 40 Jahren wird verlängert. EDF soll überdies prüfen, ob eine Verlängerung auf mehr als 50 Jahre möglich ist.

                      Der Zeitpunkt der Ankündigung ist nicht gerade günstig: EDF hatte am Mittwoch eine erneute Verzögerung und Kostenerhöhung des EPR in Flamanville in Nordfrankreich angekündigt. Das ursprünglich für 2012 geplante AKW soll nun erst im zweiten Quartal 2023 ans Netz gehen.

                      Bei den geplanten neuen Reaktoren soll es sich um verbesserte Typen (EPR2) handeln. EDF hat schon Vorschläge für drei Orte gemacht, an denen jeweils zwei Reaktoren gebaut werden könnten: Penly und Gravelines in Nordfrankreich, und Bugey oder Tricastin im Süden. Zusätzlich plant Macron kleine Atomreaktoren, SMR. Ursprünglich wollte der Präsident mit der Ankündigung des Atomprogramms warten, bis der EPR in Flamanville in Betrieb ist. Doch nach allen Verzögerungen ist Eile geboten, denn die alten Atomkraftwerke in Frankreich sind immer störanfälliger. Mehrere sind seit Monaten runtergefahren, die Energieversorgung wird zum Problem.

                      Keine Zeit für die Kandidatur

                      Die Energiepolitik ist angesichts steigender Preisen ein wichtiges Thema im Wahlkampf. Laut Umfragen ist die Kaufkraft das brennendste Anliegen der Franzosen. Hier versucht Macron gegenzusteuern, über Energieschecks für bedürftige Bürger und einen staatlichen Eingriff in die Elektrizitätspreise von EDF. Derzeit liegt der Anteil der Atomkraft bei der Elektrizität in Frankreich bei 70 Prozent.

                      Macron hatte in dieser Woche schon einen anderen symbolträchtigen Termin absolviert, in der Außenpolitik. Der Besuch bei Wladimir Putin in Moskau eignete sich, um sich auch international in Szene zu setzen. Dadurch kann sich Macron weitab von der heimischen Präsidentschaftskampagne und den gegenseitigen Angriffen der Kandidaten für die Wahlen profilieren.

                      Schon seit langem setzt Macron darauf, Frankreichs Einfluss zu stärken und sich als wichtiger Akteur bei Krisen an Europas Grenzen zu zeigen. Seine späte Kandidatur hatte er mit der Ukraine-Krise begründet: Er könne den Franzosen nicht vernünftig erklären, warum er ausgerechnet jetzt in den Wahlkampf eintrete. “Ich habe ihnen gesagt, dass ich bis zum Ende Präsident sein werde.”

                      Am Freitag reist Macron weiter nach Brest in der Bretagne, wo die französische EU-Ratspräsidentschaft einen Gipfel für die Ozeane veranstaltet. Angesichts so vieler Termine scheint Macron es nicht eilig zu haben mit der Ankündigung seiner Kandidatur. Ein Macron-Berater sagte im französischen Radio, dass es wohl nicht vor dem 19. Februar so weit sein werde.

                      Mehr zum Thema

                        • Emmanuel Macron
                        • Energie
                        • Green Deal
                        • Klimaschutz

                        EU-Monitoring

                        11.02.2022_Monitoring

                        Informelle Ministertagung Arbeit, Beschäftigung und Soziales
                        14.02.-15.02.2022
                        Agenda: Im Rahmen dieses informellen Ministertreffens diskutieren die 27 Minister die Schwerpunktthemen der französischen Ratspräsidentschaft, insbesondere die Auswirkungen des ökologischen und digitalen Wandels auf den Arbeitsmarkt.
                        Infos

                        Plenartagung des EU-Parlaments: Offshore-Energie, Städte nach Covid, Verkehrswege
                        14.02.2022 17:00-22:00 Uhr
                        Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem ein Bericht zur EU-Strategie für erneuerbare Offshore-Energie, ein Bericht zu den Herausforderungen für städtische Gebiete in der Zeit nach der COVID-19-Krise sowie eine Abstimmung zur Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch LKW.
                        Vorläufige Tagesordnung

                        Sondersitzung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI)
                        14.02.2022 19:45 Uhr
                        Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem ein Bericht über laufende Trilog-Verhandlungen, eine Aussprache mit Julien Denormandie (französischer Landwirtschafts- und Ernährungsminister) sowie ein Bericht zu gleichen Wettbewerbsbedingungen für einen nachhaltigen Luftverkehr.
                        Vorläufige Tagesordnung

                        Wöchentliche Kommissionssitzung
                        15.02.2022
                        Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem das Verteidigungspaket mit einer Mitteilung über die Beiträge der Kommission zu Europas Sicherheit und Verteidigung und einem Fahrplan für kritische Technologien für Sicherheit und Verteidigung. Hinzu kommen das Weltraum-Paket mit der EU-Strategie für das Weltraumverkehrsmanagement und den Aufbau eines weltraumgestützten globalen sicheren Kommunikationssystems. Im Anschluss an die Sitzung der Kommission findet voraussichtlich gegen 15 Uhr eine Pressekonferenz statt.
                        Vorläufige Tagesordnung Weltraumpaket Pressekonferenz Live

                        Plenartagung des EU-Parlaments: Kampf gegen Krebs, Beziehungen EU-Russland
                        15.02.2022 09:00-21:15 Uhr
                        Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem ein Bericht zur Stärkung Europas im Kampf gegen Krebserkrankungen sowie eine Aussprache zu den Beziehungen zwischen der EU und Russland und zur europäischen Sicherheit.
                        Vorläufige Tagesordnung

                        Hochrangiges Treffen zum autonomen und vernetzten Fahren
                        16.02.-17.02.2022
                        Agenda: Auf diesem Treffen zum automatisierten und vernetzten Fahren kommen hochrangige Vertreter und Fachleute aus dem Bereich des vernetzten und automatisierten Fahrens der verschiedenen EU-Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission sowie aus der Wirtschaft und aus akademischen Kreisen zusammen.
                        Infos

                        EuGH-Urteile zum Schutz des EU-Haushalts bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit
                        16.02.2022
                        Agenda: Am 16. Dezember 2020 erließen das Europäische Parlament und der Rat eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des EU-Haushalts. Ungarn und Polen haben beim Gerichtshof Klagen auf Nichtigerklärung dieser Regelung erhoben. Der Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona hat in seinen Schlussanträgen vorgeschlagen, die Klagen abzuweisen.
                        Schlussanträge

                        Plenartagung des EU-Parlaments: Handelshemmnisse, Rechtsstaatlichkeit, Schutz EU-Haushalt
                        16.02.2022 09:00-21:15 Uhr
                        Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem ein Bericht zur Beseitigung von nichttarifären und nichtsteuerlichen Handelshemmnissen im Binnenmarkt, eine Aussprache über die Rechtsstaatlichkeit und die Folgen des EuGH-Urteils zur Konditionalitätsregelung zum Schutz des EU-Haushalts sowie eine Abstimmung über das Trilogergebnis zur Eurovignette.
                        Vorläufige Tagesordnung

                        Gipfeltreffen EU-Afrikanische Union
                        17.02.-18.02.2022
                        Agenda: Die Führungsspitzen der EU und der Afrikanischen Union (AU) sowie ihrer Mitgliedstaaten kommen zum sechsten Gipfeltreffen zwischen der EU und der AU zusammen. Dabei wird unter anderem über ein Investitionspaket Afrika-Europa sowie über Instrumente zur Förderung von Stabilität und Sicherheit beraten.
                        Infos Hintergrund

                        Münchner Sicherheitskonferenz
                        18.02.-22.02.2022
                        Agenda: Die 58. Münchner Sicherheitskonferenz findet im Hotel Bayerischer Hof statt.
                        Infos

                        News

                        CNIL: DSGVO-Verstoß durch Einsatz von Google Analytics

                        In der Auseinandersetzung um transatlantische Standards für Datenschutz hat die französische Datenschutzaufsichtsbehörde CNIL eine weitere folgenreiche Entscheidung getroffen. Demnach verstößt der Einsatz von Google Analytics gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), da Daten in die USA übermittelt würden. Die CNIL forderte den Websitebetreiber nun auf, “diese Verarbeitungen mit der DSGVO in Einklang zu bringen, falls nötig, indem er die Google-Analytics-Funktionalität (unter den derzeitigen Bedingungen) nicht mehr nutzt”. Alternativ könnten Tools eingesetzt werden, die keine Übermittlungen in Länder nutzten, die nicht DSGVO-fest seien. Die von Google getroffenen Maßnahmen reichten nicht aus, um die Möglichkeit eines Zugriffs durch US-Geheimdienste abzuwehren, um den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes Rechnung zu tragen, so die französischen Datenschützer.

                        Mit dem CNIL-Beschluss nimmt nicht nur der Druck auf Anbieter, die nach dem Scheitern des Privacy Shield über keine verlässliche Rechtsgrundlage für die transatlantische Verarbeitung personenbezogener Daten verfügen, noch weiter zu. Die österreichische Datenschutzorganisation None of your Business (Noyb) hatte insgesamt 101 derartige Verfahren angestrengt. Aber wie schon bei einem kürzlich entschiedenen Verfahren in Österreich sind hier erneut nicht primär die Anbieter selbst Gegenstand der Verfahren.  

                        Vielmehr richten sich die Beschwerden eher indirekt gegen die Googles, Facebooks und Microsofts: Die bei Datenschutzaufsichtsbehörden und Gerichten angestrengten Verfahren betreffen jene Unternehmen und Organisationen, die – teils kostenfreie – Dienstleistungen von US-Unternehmen in Anspruch nehmen, wie eben Google Analytics, Google Fonts, Facebook-Seiten oder Youtube-Player. Hierdurch werden in vielen Fällen jedoch auch Daten der Nutzer an die großen US-Anbieter und damit in den Anwendungsbereich von US-Recht übertragen.

                        Die Entscheidung der CNIL ist dabei nur die zweite in einer ganzen Reihe offener Prüfverfahren. Zuletzt hatte Facebook damit für Aufsehen gesorgt, dass es bei entsprechenden Entscheidungen in der EU wohl den Betrieb seiner Dienste einstellen müsse (Europe.Table berichtete). Die verbreitete europäische Wahrnehmung, dass dies eine Drohung gewesen sei, um Druck auf die europäische Seite der Privacy-Shield-Nachfolgeverhandlung auszuüben, wies der Konzern zwischenzeitlich von sich, allerdings ohne alternative Interpretationen.

                        Kern der Auseinandersetzung bleibt derweil der geringe Schutz von Daten ausländischer Bürger im US-Recht (Europe.Table berichtete). Langfristig brauche es entweder einen den europäischen Ansprüchen angemessenen Datenschutz in den USA, so Noyb-Gründer Max Schrems, “oder wir werden am Ende getrennte Produkte für die USA und die EU haben”. Er persönlich würde “einen besseren Schutz in den USA bevorzugen”, aber das sei Sache des US-Gesetzgebers. Schrems setzte bereits zweimal vor dem Europäischen Gerichtshof durch, dass unzureichende Vereinbarungen zwischen EU-Kommission und US-Administration von diesem annulliert wurden. fst

                        Mehr zum Thema

                          • Daten
                          • Datenrecht
                          • Datenschutz
                          • Digitalisierung
                          • Digitalpolitik
                          • Google
                          • PrivacyShield

                          KI-Regulierung: Studie mahnt Kohärenz an

                          Der Regulierung im digitalen Bereich in Europa mangelt es an Kohärenz. Das zeigt eine Studie im Auftrag des KI-Sonderausschusses (AIDA). Auf der Suche nach einem Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Grundrechte einerseits und Innovationsförderung andererseits seien Kohärenz und Einfachheit teilweise außer Acht gelassen worden, sagten die Autoren bei der Vorstellung der Untersuchung. Ziel der Studie war es, dem AIDA-Ausschuss einen Überblick über die bestehende und geplante EU-Gesetzgebung im digitalen Bereich zu geben und die Wechselwirkungen zwischen diesen Rechtsakten und der geplanten KI-Verordnung zu bewerten.

                          Die Analyse zeige, dass im Zuge der Regulierung beabsichtigte oder unbeabsichtigte Regelungslücken entstanden sind, die behoben werden sollten, sagte Cristiano Codagnone von der Universität Mailand. Der Mitautor der Studie benannte mehrere Problemfelder. So würden unbeabsichtigte Regelungslücken eine Diskussion darüber erfordern, wie sie geschlossen werden sollten. Aber auch bewusste politische Entscheidungen wie die Fokussierung der KI-Verordnung auf KI-Systeme mit hohem Risiko wären nicht frei von Problemen. Eine solche Scoping-Strategie werfe die Frage nach Allzweck- und Mehrzweck-KI-Systemen auf, erläuterte Teresa Rodrigues de las Heras Ballell von der Universität Carlos III in Madrid.

                          Wechselspiel zwischen den Rechtsakten

                          Wechselwirkungen gibt es der Studie zufolge zwischen den vielen Rechtsakten im Bereich der Digitalisierung. Ein gutes Beispiel dafür sei das Verhältnis zwischen der KI-Verordnung und der Datenschutzgrundverordnung (DGSVO), führte Rodrigues de las Heras Ballell aus. Zwar stehe im KI-Gesetzesvorschlag, dass die Bestimmungen unbeschadet aller anderen EU-Rechtsakte gelten sollen und andererseits das Gesetz keine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten darstelle. Eine solche allgemeine Erklärung der Vereinbarkeit zwischen dem AI-Gesetz und der Regelung zum Schutz personenbezogener Daten reicht aus der Sicht der Juristin aber möglicherweise nicht aus, um alle möglichen Verwendungsszenarien für Daten durch KI-Systeme abzudecken. Daher sei etwa eine größere Klarheit im KI-Gesetz in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich.

                          Die Tendenz des KI-Gesetzes, das DGSVO-Modell zu kopieren, könnte zu Problemen führen, da der Datenschutz und die KI-Verordnung grundlegend verschieden seien, heißt es in der Studie. In der DSGVO gehe es um ein grundlegendes Menschenrecht in Bezug auf Datenverarbeitung. Die KI-Regulierung sei dagegen breiter angelegt: Sie ziele sowohl auf den Schutz des Einzelnen als auch auf die Förderung der KI-Entwicklung ab und beziehe sich nicht auf bestimmte Tätigkeiten.

                          Weitere Wechselwirkungen ergeben sich laut der Studie unter anderem im Bereich der Cybersicherheit und der Haftung. So sei etwa nicht klar, welche Ansprüche bei Verstößen gegen die Bestimmungen des KI-Gesetzes entstünden. Die Autoren empfehlen, Produkthaftungs- und Haftungsvorschriften für Schäden, die durch KI-Systeme verursacht werden, zu überarbeiten.

                          Hohe Kosten durch mangelnde Kohärenz

                          Rodrigues de las Heras Ballell und Codagnone betonten die zentrale Bedeutung von Konsistenz und Kohärenz des Regulierungsgesamtsystems. Nur so könne ein Umfeld entstehen, das Innovation und Unternehmertum fördert und zugleich Verbraucherschutz gewährleistet. Mangelnde Kohärenz oder übermäßig komplexe Rechtsakte, deren Anwendung und Auslegung durch die Marktteilnehmer mit hohen Kosten verbunden wären, seien kontraproduktiv. Besonders betroffen seien dabei Kleinstunternehmen und KMU. Angesichts einer Vielzahl an Rechtsakten im Bereich der Digitalisierung warnten die Autoren vor einer Fragmentierung des Regulierungssystems.

                          Verheerend und frustrierend nannte Axel Voss (EVP), der Berichterstatter für den Bericht des Sonderausschusses, die Ergebnisse der Studie im AIDA-Ausschuss. Die Fülle an Inkonsistenzen sei groß und führe zu Rechtsunsicherheit für Unternehmen. Deshalb sollten Gesetzesvorhaben künftig besser aufeinander abgestimmt sein.

                          Beratungen des EU-Parlaments zur KI-Verordnung haben begonnen

                          Zuvor diskutierten die Mitglieder des AIDA-Ausschusses mit dem französischen Digitalminister Cédric O als Vertreter der Ratspräsidentschaft über die Positionen des Rates zur KI-Verordnung (Europe.Table berichtete). Es sei unerlässlich, dass die KI-Verordnung in den Mitgliedstaaten einheitlich umgesetzt werde, anderenfalls würden Wettbewerbsverzerrungen entstehen, betonte O. Außerdem müsse man sicherstellen, dass die Algorithmen aus den USA und China keinen Zugang zum europäischen Markt bekämen, wenn sie die europäischen Anforderungen nicht erfüllten. Das sei allerdings äußerst kompliziert.

                          Das EU-Parlament hat seine Beratungen zur KI-Verordnung nach langem Kompetenzstreit gerade erst begonnen (Europe.Table berichtete). Eine schnelle Einigung im Parlament gilt derzeit als unwahrscheinlich. ank

                          Mehr zum Thema

                            • Digitalisierung
                            • Europapolitik
                            • Künstliche Intelligenz
                            • Künstliche Intelligenz-Verordnung

                            McGuinness: CSR-Regeln auf KMU zuschneiden

                            EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness hat den Vorschlag der Kommission, den Geltungsbereich der CSR-Richtlinie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf kleine und mittelständische Unternehmen auszuweiten verteidigt. Andernfalls sei es für börsennotierte KMU schwierig, an Finanzmittel zu kommen, sagte sie am Donnerstag im Rechtsausschuss des Europaparlaments. Die neuen Regeln sollen Investoren bessere Informationen über den sozialen und ökologischen Fußabdruck von Unternehmen verschaffen.

                            Dafür müssten die Regeln verhältnismäßig und auf die KMU zugeschnitten seien, sagte McGuinness. Dazu gehöre auch eine zusätzliche Dreijahresfrist zur Anpassung sowie die Möglichkeit für nicht börsennotierte KMU, die Standards auf freiwilliger Basis anzuwenden. Einige JURI-Abgeordnete hatten die Ausweitung kritisiert. Sie befürchten, damit könnten insbesondere jene Sektoren, die von der Covid19-Pandemie besonders betroffen sind, zusätzlich belastet werden.

                            Neue CSR-Richtlinie zum Erreichen der Green Deal-Ziele

                            Die Finanzkommissarin betonte außerdem, dass die EU-Regeln mit den vom International Sustainability Standards Board (ISSB) festgelegten globalen Standards übereinstimmten. Man wolle auf dem Weg zur Nachhaltigkeit jedoch mit gutem Beispiel vorangehen und deshalb schneller und ehrgeiziger agieren als andere Regionen. Viel Zeit bleibe nicht mehr, um die Klimaziele zu erreichen.

                            Die neue Richtlinie zu den CSR-Regularien gilt als Kernbestandteil der EU-Agenda für nachhaltige Finanzen und soll zum Gelingen des Green Deal beitragen. Ihren ersten Entwurf hatte die Kommission im April vergangenen Jahres vorgelegt. Die Europäische Beratergruppe für Rechnungslegung (EFRAG) erarbeitet derzeit Entwürfe für die Nachhaltigkeitsstandards, die bis Oktober 2022 vorliegen sollen. Die Kommission wird die Standards dann über delegierte Rechtsakte verabschieden. til

                            Mehr zum Thema

                              • Finanzen
                              • Green Deal
                              • Klima & Umwelt
                              • Klimaziele
                              • Nachhaltigkeit

                              HERA: 1,3 Milliarden Euro für Krisenvorsorge in 2022

                              Insgesamt 1,3 Milliarden Euro will die neue EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) in diesem Jahr für eine Reihe von Maßnahmen ausgeben. “Zwei Jahre Pandemie haben uns gelehrt, dass die Fähigkeit, entschlossen auf grenzüberschreitende Gesundheitskrisen zu reagieren, eine starke europäische Gesundheitsunion ausmacht”, erklärte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides anlässlich der Vorstellung des ersten HERA-Jahresarbeitsprogramms.

                              Maßnahmen der EU-Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion

                              Nach der Annahme des Arbeitsprogramms will die Behörde nun konkret tätig werden und die Kapazitäten für Krisenvorsorge und -reaktion in der EU ausbauen sowie Schwachstellen und strategische Abhängigkeiten verringern. Die vorgesehenen Maßnahmen:

                              • Beschaffung und Lagerung medizinischer Gegenmaßnahmen für eine Reihe von Gesundheitsgefahren mit einem Budget von über 580 Millionen Euro;
                              • 300 Millionen Euro für die Erforschung und Entwicklung von medizinischen Gegenmaßnahmen und innovativen Technologien gegen neue Bedrohungen;
                              • Aufbau eines Netzes von Produktionsanlagen, die im Notfall aktiviert werden können (EU FAB);
                              • Einrichtung einer EU-Plattform für klinische Prüfungen und Datenplattformen;
                              • Priorisierung von drei Gesundheitsbedrohungen mit hohem Gefahrenpotenzial bis Ende des Frühjahrs.

                              Erkennen künftiger Gesundheitsgefahren

                              Die HERA hat angekündigt, Bedrohungsanalysen durchzuführen und Informationen zu sammeln, Prognosemodelle zu entwickeln und einen Reaktionsplan auf EU-Ebene zu erstellen. In 2022 soll etwa ein dem neuesten Stand der Technik entsprechendes Echtzeit-Frühwarnsystem für Gesundheitsgefahren eingerichtet werden. Außerdem will die Behörde eine spezielle IT-Plattform für die Bewertung der Bedrohungslage und die entsprechende Priorisierung schaffen.

                              Im Rahmen der Corona-Krisenreaktion sind die HERA-Notfallkapazitäten nach eigenen Angaben bereits aktiviert. Dazu gehören demnach rechtzeitige Bereitstellung von Corona-Impfstoffen an die EU-Länder, Beschaffung von COVID-19-Therapeutika für die EU-Mitgliedstaaten, Ausbau der nationalen Kapazitäten für den Nachweis und die wissenschaftliche Bewertung von Varianten sowie Sicherstellung von Impfstofflieferungen in die ganze Welt. ank

                              Mehr zum Thema

                                • Coronavirus
                                • Europapolitik
                                • Gesundheit
                                • Gesundheitspolitik

                                EU-Kommission: Inflation bleibt hoch

                                Trotz weiterhin hoher Inflation dürfte die Konjunktur der Eurozone laut EU-Kommission bald anspringen. “Wir rechnen damit, dass das Wachstum bereits im Frühjahr wieder an Fahrt gewinnen wird”, sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni am Donnerstag. Die Omikron-Welle und Lieferkettenprobleme hätten der Wirtschaft zugesetzt. Der Gegenwind werde aber allmählich nachlassen.

                                Die EU-Kommission senkte allerdings ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 4,3 auf 4,0 Prozent. Sie rechnet zugleich mit einer weit höheren Inflation als im Herbst angenommen: Die Teuerungsrate dürfte 2022 mit 3,5 Prozent weit über die Zielmarke der EZB von zwei Prozent hinausschießen. Im Herbst war sein Expertenstab noch von einer Rate von lediglich 2,2 Prozent im laufenden Jahr ausgegangen.

                                “Der Preisdruck wird wahrscheinlich bis zum Sommer hoch bleiben“, warnte Gentiloni. Laut dem EU-Kommissar dürfte mit dem Nachlassen von Lieferengpässen und nur noch moderat steigenden Energiepreisen ab dem Herbst jedoch mit einer Entspannung zu rechnen sein.

                                Unsicherheit und Risiken blieben aber hoch, räumte der Kommissar mit Blick auf Pandemiegeschehen und Ukraine-Krise ein. Es sei offensichtlich, dass “Frieden, Stabilität und Wirtschaftswachstum” eng miteinander verflochten seien. Die Ukraine-Krise hat laut Experten das Potenzial, die Preise weiter zu treiben.

                                Inflation in der Eurozone: Ziel 2023 voraussichtlich wieder unterschritten

                                Falls sich der Preisauftrieb weltweit stärker als erwartet entwickeln sollte, könne dies dazu führen, dass die Währungshüter schneller Zügel anzögen. “Dies hätte Auswirkungen auf die globalen Finanzierungsbedingungen und die Nachfrage”, warnte der Italiener. In den USA waren die Verbraucherpreise zu Jahresbeginn so rasant gestiegen wie seit 40 Jahren nicht mehr. Waren und Dienstleistungen kosteten im Januar 7,5 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. 

                                Die US-Notenbank Fed steht kurz vor einer Zinswende, der eine Reihe weiterer Anhebungen folgen dürfte. Von Bundesbankpräsident Joachim Nagel und weiteren Währungshütern aus dem EZB-Rat wird mittlerweile auch eine Zinsrhöhung für den Euroraum noch in diesem Jahr ins Spiel gebracht. Laut dem niederländischen Notenbankchef Klaas Knot käme ein erster Schritt um 0,25 Prozent im vierten Quartal infrage.

                                Damit würde die EZB just zu dem Zeitpunkt die Zügel anziehen, wenn der Inflationsdruck in der Eurozone nach der Vorhersage der EU-Kommission nachlässt. Sie sagt den Scheitelpunkt der Teuerungswelle mit einem Wert von 4,8 Prozent für das laufende erste Quartal voraus. 2023 sei zu erwarten, dass das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 Prozent dann mit einer Teuerungsrate von voraussichtlich 1,7 Prozent wieder unterschritten werde. rtr

                                Mehr zum Thema

                                  • Coronavirus
                                  • Europapolitik
                                  • Eurozone
                                  • Finanzen
                                  • Inflation

                                  Presseschau

                                  Scholz sichert Balten Unterstützung zu SPIEGEL
                                  Mobilfunkfrequenzen: EU-Kommission macht mehr Spektrum für 5G verfügbar HEISE
                                  Frankreich schließt sich Österreich an und erklärt Google Analytics für illegal EURACTIV
                                  Regierung will mehr Solaranlagen auf Äckern TAGESSCHAU
                                  “Renaissance der Atomkraft”: Macron will bis zu 14 neue Reaktoren bauen ZDF
                                  Habecks Reformplan beim Ökostrom stößt in der Ampel auf Widerstand HANDELSBLATT
                                  Verkehrsemissionen: EU will fossile und landwirtschaftliche Kraftstoffe gleich hoch besteuern EURACTIV
                                  UN-Experten: Schweden soll Eisenerz-Mine im Gebiet der Samen nicht erlauben TAH

                                  Portrait

                                  Peter Fleischer: Googles erster Privatsphäre-Experte

                                  Foto von Peter Fleischer im Gespräch: Er ist Global Privacy Counsel bei Google und beschäftigt sich mit dem Thema Privatsphäre
                                  Peter Fleischer ist Global Privacy Counsel bei Google.

                                  Peter Fleischers Einstieg bei Google vor gut 15 Jahren klingt wie eine Szene aus einem Silicon-Valley-Film. Die Firmengründer Larry Page und Sergey Brin fragten den Harvard-Absolventen beim Bewerbungsgespräch, von wo aus er gerne arbeiten würde. Fleischers Antwort: Europa. “Denn das ist der Kontinent mit der längsten Tradition von Datenschutzgesetzen”, erklärt Fleischer. “Und außerdem: Wenn wir unsere Produkte entwickeln, müssen sie die europäischen Standards erreichen. Wenn wir diese Datenschutzstandards erreichen, funktionieren unsere Produkte mit ziemlicher Sicherheit weltweit.”

                                  Seit 2006 arbeitet Fleischer für den amerikanischen Technologieriesen Google als Global Privacy Counsel. “Ich war der erste Angestellte, der sich bei Google in Vollzeit mit Privatsphäre-Fragen im Internet beschäftigen sollte”, erzählt er. Dabei gründet Fleischers Interesse an Datenschutz in einer ganz anderen Zeit: “Mein Vater wuchs als jüdischer Junge im Berlin der Dreißiger- und Vierziger-Jahre auf. Die Frage, wer in dieser Zeit überlebt und wer nicht, hing davon ab, ob dich irgendjemand auf eine Liste geschrieben hat.”

                                  EU als Vorbild für Datenschutz

                                  Wenn Peter Fleischer seine Vorstellung von Privatsphäre beschreiben will, reicht ihm die englische Sprache nicht aus. “Selbstbestimmung ist ein viel besseres Wort als user control“, sagt Fleischer. “Selbst zu bestimmen, wer meine Daten verarbeitet, selbst zu bestimmen, ob eine Regierung meine Daten nutzt – das ist, worum es tatsächlich geht.”

                                  In den vergangenen Jahrzehnten habe Europa immer wieder die Meilensteine für die digitale Privatsphäre gesetzt. Das gilt schon seit Mitte der 1990er-Jahre mit der Richtlinie 95/46/EG, die die Verarbeitung von personenbezogenen Daten regelte und 2018 mit der Datenschutz-Grundverordnung erneuert wurde. “Viele Länder, beispielsweise in Lateinamerika, haben Gesetze zur Privatsphäre erlassen und wenn man sich diese genau anschaut, bemerkt man, dass die Gesetze häufig dem europäischen Modell folgen”, sagt Fleischer.

                                  Über 500 Mitarbeiter in Privatsphäre & Datenschutz bei Google

                                  Bei Google ist Fleischer längst nicht mehr der Einzige, der sich mit dem Thema befasst. Mittlerweile gebe es über 500 Mitarbeiter, die sich bei Google in allen Bereichen um Privatsphäre und Datenschutz kümmern, sei es in der Technik oder dem Kundenservice, sagt er.

                                  Die aktuellen Entwicklungen in der EU mit Digital Markets Act und Digital Service Act sieht Fleischer betont gelassen. “Ich bin kein Politiker und ich kann nicht viel über DMA oder DSA sagen”, erklärt er, “ein Bereich ist aber Werbung auf Webseiten.”

                                  Zielgerichtete Werbung war für Google in der Vergangenheit eine Goldgrube – und oft bleibt im Dunkeln, welche persönlichen Daten genutzt werden, damit ein Nutzer eine bestimmte Werbung gezeigt bekommt. “Anstatt generelle Verbote zu beschließen, wollen wir versuchen, ein werbefinanzierte Web-Ökosystem zu schaffen, während Datenschutz weiterhin gegeben ist”, sagt Fleischer. Ein Ansatz soll die Privacy Sandbox sein, die das personalisierte Advertising über Cookies ersetzen soll. David Renke

                                  Mehr zum Thema

                                    • Datenschutz
                                    • Digital Markets Act
                                    • Digital Services Act
                                    • Digitalisierung
                                    • DSGVO
                                    • Google

                                    Europe.Table Redaktion

                                    EUROPE.TABLE REDAKTION

                                    Licenses:

                                      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

                                      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

                                      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

                                      Anmelden und weiterlesen