Table.Briefing: Europe

Schuldendebatte + Pharmapaket + Xi und Selenskyj

Liebe Leserin, lieber Leser,

Christian Linder ist kein Freund von Schulden. Es verwundert daher nicht, dass dem deutschen Finanzminister die Pläne der Kommission zu den neuen Schuldenregeln nicht streng genug sind. “Es braucht noch deutliche Anpassungen”, urteile Lindner am Mittwoch. Ganz anders sieht das sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire. “Einige Punkte widersprechen dem Geist der Reform”, kritisiert der. Und auch im Europaparlament gehen die Meinungen über die Vorschläge weit auseinander, analysieren Christof Roche und Till Hoppe.

Einen besseren Zugang zu Medikamenten in der ganzen EU ermöglichen. Das will die EU-Kommission mit ihrem heute vorgestellten Pharma-Paket erreichen. Sie will ein Ökosystem schaffen, das schnellere und flächendeckendere Zulassungen in Europa möglich macht. Im Gegenzug soll es unter anderem längere Schutzzeiträume geben. Doch nicht nur das sorgt für Kritik, berichtet Charlotte Wirth.

Mehr als ein Jahr lang hat sich Chinas Präsident Xi Jinping den ukrainischen Präsidenten warten lassen. Nun erreichte am Mittwoch überraschend ein Anruf aus Peking in Kiew. Und Selenskyj hofft auf den chinesischen Einfluss. Doch China will nun ausgerechnet einen Russland-Versteher in der Causa schicken, schreibt Fabian Peltsch.

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Alina Leimbach
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Analyse

Neue Schuldenregeln: Berlin fordert Nachbesserungen

Deutschland lehnt die Vorschläge der EU-Kommission für eine Reform der europäischen Schuldenregeln vorerst ab. Sie entsprächen noch nicht den Anforderungen der Bundesregierung, sagte Finanzminister Christian Lindner am Mittwoch. “Es braucht noch deutliche Anpassungen.” Fortschritte seien aber gleichwohl erkennbar, weswegen sich die weitere Debatte lohnen werde, sagte Lindner. Eine Aufweichung der Schuldenregeln könne Deutschland nicht mittragen.

Beim Treffen der EU-Finanzminister in Stockholm am Freitag und Samstag werde es einen ersten Gedankenaustausch dazu geben. Die aktuellen Schuldenregeln sind seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 ausgesetzt, sollen aber ab Anfang 2024 wieder greifen. Lindner betonte, sie hätten Bestand, bis eine Reform beschlossen sei.

Le Maire stört sich an festen Regeln zum Schuldenabbau

Kern der Brüsseler Pläne sind individuell ausgehandelte Abbaupfade für EU-Staaten mit zu hohen Haushaltsdefiziten und Schuldenständen. Diese sollen künftig im Regelfall binnen vier Jahren ihre Werte verbessern, in Ausnahmefällen binnen sieben Jahren. Außerdem sollen Maßnahmen ergriffen werden, damit es mittelfristig keinen Rückfall in höhere Defizite und Schuldenstände gibt.

Berlin hatte darauf gedrungen, dabei feste Anforderungen an die Schuldenabbaupfade festzuschreiben, die Kommission kam dem teilweise nach. Das sorgt nun in Paris für Kritik: “Einige Punkte widersprechen dem Geist der Reform“, sagte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire. “Beispielsweise sind wir gegen einheitliche automatische Regeln zum Abbau des Defizits und der Schulden.” Die festen Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes hätten sich nicht bewährt als Instrumente zur Steuerung der öffentlichen Finanzen.

Gemischte Resonanz im Europaparlament

Im Europaparlament, das bei Teilen der Reform als Gesetzgeber eingebunden ist, stießen die Vorschläge auf gemischte Resonanz. Während Sozialisten und Grüne den Vorstoß der Kommission begrüßten, kritisierten ihn Konservative und Liberale.

Biljana Borzan, Vizevorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, bezeichnete die geltenden Fiskalregeln als veraltetet und ineffizient: “Eine rasche Überarbeitung ist der Schlüssel, um die Rückkehr zur Austerität zu verhindern und grüne und soziale Ziele zu erreichen.”

Der Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen sagte, die Reform werde von entscheidender Bedeutung sein, um die Investitionslücke vor allem beim Übergang in eine nachhaltige Wirtschaft zu schließen. Die Fehler der Vergangenheit wie eine extreme Fokussierung auf Schuldenstand und Defizitregeln dürften nicht wiederholt werden.

Konservative und Liberale mit Kritik

Dagegen hieß es aus dem konservativen Lager, die Kommission verliere bei der Reform der Schuldenregeln die Stabilität aus den Augen. “Mit dem Verwässern der Schuldenregeln untergräbt die Kommission das Fundament unserer gemeinsamen Währung”, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Markus Ferber (CSU). “Statt auf mehr Flexibilität zu setzen, müsste auf bessere Durchsetzung gesetzt werden.

Auch von den Liberalen kam Kritik. Moritz Körner, haushaltspolitischer Sprecher der FDP im Parlament, kritisierte, die von der Kommission vorgesehenen Schuldenlimits und Reduktionspflichten für exzessive Schuldenmacher seien zu schwach. “Die Netto-Primärausgaben sollten im Verhältnis zum potenziellen Wirtschaftswachstum begrenzt sein und Länder mit hohen Schuldenquoten sollten ihren Schuldenstand jährlich nachhaltig reduzieren müssen.”

Auch Daniel Gros, Senior Fellow am Centre for European Policy Studies (CEPS), bezweifelt die Wirksamkeit des neuen Ansatzes: “Kommission und Mitgliedstaat werden nahezu jedes Jahr über den Pfad neu verhandeln müssen“, sagte der Ökonom zu Table.Media. Ein Regierungswechsel, neue Reformprogramme oder externe Schocks könnten dazu führen, dass ein Land in den vier Jahren vom festgelegten Haushaltspfad abweiche. “Ich bezweifele daher, dass die Defizitverfahren bei Abweichungen quasi-automatisch eingeleitet werden.” Von Christof Roche und Till Hoppe

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Pharmapaket: Kommission verspricht bessere Medikamentenversorgung

Erschwinglich. Zugänglich. Verfügbar. So lauten die drei Schlagworte, mit denen die Kommission ihr neues Pharmapaket beschreibt. Eine Richtlinie, eine Verordnung sowie eine Ratsmitteilung sollen dafür sorgen, dass die Menschen in der EU medikamentös besser versorgt werden. Von einem “epischen” Paket sprach EU-Vizekommissar Margaritis Schinas: “Noch nie in der Geschichte der EU konnten wir so viel im Bereich der öffentlichen Gesundheit tun.” Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides: “Wir schaffen einen Binnenmarkt für Medikamente.” Sie zitierte sogar Bono, den Sänger von U2: “Where you live should not determine whether you live, or whether you die.”

Damit lehnen sich die Kommissare weit aus dem Fenster. Auch nach der Stärkung der EU-Gesundheitspolitik durch EU4Health und HERA hat die Kommission wenig Kompetenzen im Gesundheitsbereich. Sie kann beispielsweise nicht auf Beschaffungspreise und Preisgestaltung in den EU-Mitgliedstaaten einwirken. Diese Kompetenz liegt bei den Mitgliedstaaten. Vielleicht ruderte Kyriakides auch deswegen wenig später zurück und sagte: Man wolle ein Ökosystem schaffen, welches den Zugang zu Medikamenten vereinfacht.

Momentan bestimmt in der EU nämlich sehr wohl der Wohnort die medikamentöse Versorgung. In Deutschland wurden 2018 beispielsweise 104 Medikamente auf den Markt gebracht, welche 2015 bis 2017 ihre Zulassung erhielten. In Polen waren es nur 24.

Möglicher Interessenskonflikt?

Eigentlich wollte die Kommission die Überarbeitung der rund 20 Jahre alten Pharmagesetzgebung bereits vor Monaten vorstellen. Immer wieder hat sie den Termin verschoben. Zuletzt soll sich Kommissionspräsidentin von der Leyen persönlich mit dem strittigen Dossier befasst haben, wie es in gut informierten Kreisen heißt.

Manche Abgeordnete sehen darin einen möglichen Interessenkonflikt. Der Ehemann der Kommissionspräsidentin, Heiko von der Leyen, fungiert als medizinischer Direktor des auf Gen- und Zelltherapie spezialisierten Biotech-Konzerns Orgenesis. “Man sollte sicherlich die Frage aufwerfen, wie neutral Frau von der Leyen hier agieren kann”, kommentierte die Grünen-Abgeordnete Tilly Metz. Die Kommission hat bis Redaktionsschluss nicht auf unsere Anfrage reagiert.

Längerer Schutz an Bedingungen geknüpft

Die Pharmaindustrie hatte in den vergangenen Monaten großen Lobbydruck auf die Kommission ausgeübt. In dem Paket scheint die Behörde einige Zugeständnisse an die Branche gemacht zu haben. Schinas nennt Pharma einen “europäischen Champion”.

So plant die Kommission, den Schutzzeitraum von neuen Medikamenten unter Umständen zu verlängern. Bisher gilt der Markt- und Unterlagenschutz für zehn bis elf Jahre. Die Kommission will bausteinförmig vorgehen: Der reguläre Schutz soll mindestens acht Jahre gelten. Wenn die Hersteller gewisse Bedingungen erfüllen, gibt es Ausnahmen: bei gleichzeitiger Markteinführung in allen Mitgliedstaaten, Deckung eines medizinischen Bedarfs oder Durchführung vergleichender klinischer Studien kann der Schutz bis zu zwölf Jahre und bei Arzneimitteln für seltene Krankheiten bis zu 13 Jahre betragen.

Zum Vergleich: In den USA reicht der Marktschutz unter Bedingungen bis zu maximal zwölf Jahre, in der Schweiz bis zu zehn Jahre. Ein längerer Schutz bedeutet auch: Es dauert länger, bis Generika auf den Markt kommen. Sprich, die Hersteller kontrollieren länger die Preisgestaltung für den Wirkstoff.

Die Branche moniert jedoch, dass der modulare Ansatz der Kommission kürzeren Schutz bedeute. “Das Ziel, die Versorgung mit neuen Medikamenten zu fördern, wird ganz klar verfehlt. Reduziert sich der Schutzzeitraum, demotiviert dies die Unternehmen, die kostenintensive Forschung für neue Medikamente weiterhin hier zu betreiben”, kritisiert Wolfgang Große Entrup vom Verband der Chemischen Industrie (VCI).

Kontroverses Gutschein-System

Ein neues Voucher-System stärkt laut Kritikern ebenfalls die Pharmakonzerne. Die Kommission spricht von einem “neuartigen und innovativen” Tool, um die Entwicklung neuer Antibiotika zu fördern. Denn dazu habe es bisher zu wenig Anreize gegeben, so Kyriakides.

Wenn ein Unternehmen ein neues Antibiotikum entwickelt, so steht ihm künftig ein zusätzliches Jahr Marktschutz zu. Konkret könnte der Schutz eines Medikamentes dann also bis zu 13 Jahre (bei Medikamenten für seltene Krankheiten bis 14 Jahre) anhalten. Kostenpunkt für die Kommission: ungefähr 500 Millionen Euro pro Gutschein.

Kritiker bemängeln: Das Pharmaunternehmen kann den Gutschein auf jedes Medikament anwenden und ihn an ein anderes Unternehmen verkaufen. Da die Gutscheine die Markteinführung von Generika verzögern, will die Kommission sie auf zehn Voucher in 15 Jahren begrenzen.

Bereits im Vorfeld haben Europaabgeordnete und Mitgliedstaaten diesen Ansatz kritisiert. “Die Konzerne können den zusätzlichen Schutz auch für ihre teuersten Medikamente nutzen. Das passt nicht zum Ziel der Kommission, Medikamente erschwinglicher zu machen”, kritisierte etwa die Grüne Tilly Metz. Der Meinung ist auch die Abgeordnete und Ärztin Véronique Trillet-Lenoir (Renew): “Antimikrobielle Resistenzen sollten stattdessen durch den Einsatz innovativer Lösungen, die Reduzierung der Verschreibungen und die Stärkung der Rolle der neuen Gesundheitsbehörde HERA bei der Suche nach neuen Antibiotika bekämpft werden.”

Schnellere Genehmigung von Medikamenten

Das Paket der Kommission setzt sich insgesamt aus drei Teilen zusammen. Eine Richtlinie befasst sich mit den Anforderungen an die Zulassung, Überwachung, Kennzeichnung, regulatorischen Schutz und Markteinführung für Arzneimittel. Die Kommission will beispielsweise die Genehmigung von Medikamenten durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) beschleunigen.

Zurzeit dauert dies bis zu 400 Tage. Die Kommission will die Zeit auf 180 Tage verkürzen. Für bestimmte Medikamente, etwa bei seltenen Krankheiten, soll sie sogar nur noch 150 Tage dauern. Das soll durch die Digitalisierung der Genehmigungsprozedur und die Begrenzung der Anzahl an Kommissionen erreicht werden, die sich innerhalb der EMA mit der Genehmigung beschäftigen.

Für neue Therapien und Medikamente will die Kommission die Regeln anpassen. Die Kommission spricht hier von Reallaboren, in denen neue Regulierungsansätze für neue Therapien unter realen Bedingungen getestet werden.

Es soll auch strengere Regeln bei Umwelteinflüssen und Nachhaltigkeit von Arzneimitteln geben. Dafür will die EMA eine stringentere umweltbezogene Risikobewertung vornehmen. Allerdings betonte ein Kommissionsmitarbeiter, es komme nicht zu “drastischen Maßnahmen” wie etwa der Rücknahme der Genehmigung.

Bessere Überwachung von Medikamentenbeständen

Der zweite Teil des Pakets ist eine Verordnung. Diese legt Regeln fest, um die Versorgungssicherheit mit kritischen Arzneimitteln zu gewährleisten. Dies etwa durch die Erstellung einer Liste kritischer Arzneimittel, deren Bestände die EMA überwachen soll. Arzneimittelhersteller sollen die Behörden benachrichtigen, wenn sie Medikamente vom Markt nehmen oder Bestände an einem Medikament knapp werden. Sie sollen verpflichtet werden, Pläne zur Verhinderung von Engpässen vorlegen.

Kritiker bemängeln, dass die Kommission sich nicht mit dem Problem der komplexen Lieferketten von Medikamenten beschäftigt, etwa die Abhängigkeit von Indien und China bei Inhaltsstoffen und Vorprodukten.

Letztes Glied ist eine Mitteilung zu Antibiotikaresistenzen. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, den vorsichtigen Einsatz von Antibiotika zu fördern. Sie legt dabei Wert auf einen sogenannte “One Health”-Ansatz (Zusammenspiel von Tier, Mensch und Umwelt) sowie auf besseres Monitoring und Infektionsbekämpfung. Eine Mitteilung hat keinen gesetzgebenden Charakter.

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Xi telefoniert mit Selenskyi und schickt Emissär

Die Meldung kam am Mittwochabend Pekinger Ortszeit ohne Vorankündigung: Chinas Präsident Xi Jinping hat mit Wolodymyr Selenskyj, dem Präsident der Ukraine, telefoniert, meldeten chinesische Staatsmedien. Wie Selenskyj kurz danach auf Twitter mitteilte, sei das Gespräch “lang und bedeutsam” gewesen. Das Telefonat wurde vor allem von ukrainischer Seite seit Monaten erwartet. Seit der Invasion russischer Truppen in der Ukraine herrschte zwischen den beiden Staatschefs Funkstille.

Statt mit Selenskyj zu sprechen, traf Xi Ende März seinen “guten alten Freund” Wladimir Putin in Moskau. Freundschaftsbekundungen und wirtschaftliche Kooperation mit Russland standen dabei im Vordergrund. Als Selenskyj wenige Tage später eine Einladung an Xi aussprach und der Nachrichtenagentur AP erklärte “wir sind bereit, ihn hier zu sehen”, war seine Verzweiflung zu greifen.

Endlich Schwung in den bilateralen Beziehungen?

Selenskyj ist klar, dass China das einzige Land ist, das substanziell Druck auf Russland ausüben kann, um gemeinsam mit der Ukraine auf einen Frieden hinzuarbeiten. Peking hatte im Februar einen 12-Punkte-Plan für eine “politische Lösung der Ukraine-Krise vorgelegt. Dieser beinhaltet unter anderem die Forderung nach einer Deeskalation und einen eventuellen Waffenstillstand. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich der Plan jedoch als schwammig, unkonkret und tendenziell dem Narrativ und Ansprüchen des russischen Partners folgend. So sah das auch Selenskyj. Er werde erst dann eine Friedensregelung in Betracht ziehen, wenn die russischen Truppen das ukrainische Gebiet verlassen haben.

Ob solche Pläne nun Teil des Telefonats mit Xi waren, ist nicht bekannt: Ich glaube, dass dieser Anruf, ebenso wie die Ernennung des ukrainischen Botschafters in China, der Entwicklung unserer bilateralen Beziehungen Schwung verleihen werden“, schrieb Selenskyj nach dem Telefonat auf Twitter. Selenskyjs Sprecher Serhii Nykyforov sagte in einem Facebook-Post, die Diskussion habe fast eine Stunde gedauert. Der neue Botschafter für China, von dem die Rede ist, heißt Pavlo Riabikin. Er leitete bislang das Ministerium für strategische Industrien. Der Posten des Botschafters war seit Februar 2021 nicht besetzt gewesen.

Chinas Sonderbeauftragter ist Russland-Versteher

Wie geht es nach dem Telefonat weiter? Wie Hua Chunying, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, ankündigte, werde Peking nun den Sonderbeauftragten der chinesischen Regierung für eurasische Angelegenheiten in die Ukraine und andere Länder entsenden, um mit allen Parteien eingehende Gespräche über eine politische Lösung der Ukraine-Krise zu führen”. Der derzeitige Sonderbeauftragte Chinas für den eurasischen Raum ist seit 2019 Li Hui.

Der 70-Jährige ist ein Kenner Osteuropas und Russlands. Schon Mitte der 1970er-Jahre trat er in die Abteilung für die UdSSR und Europa im chinesischen Außenministerium ein. Von hier erklomm er als Sekretär der chinesischen Botschaft in der UdSSR und später als Sekretär der chinesischen Botschaft in der Russischen Föderation die Karriereleiter. Von 2009 bis 2019 war er Botschafter der Volksrepublik China in Russland, bis er im Juli 2019 seinen Rücktritt bekannt gab.

In seinem neuen Posten als Sonderbeauftragter Eurasiens propagiert Li bislang vor allem die Umsetzung der “Belt-and-Road”-Initiative in der Region, wobei er stets die wichtige Rolle Russlands betont: Ein starkes gegenseitiges politisches Vertrauen ist das wichtigste Merkmal der chinesisch-russischen Beziehungen und die Grundlage der bilateralen Beziehungen.” Das sagte er im Vorfeld des zweiten Belt-and-Road-Forums for International Cooperation (BRF) im April 2019, zu dem auch Putin nach Peking reiste.

Pläne bleiben unkonkret

Ob Lis Mission zu Friedensverhandlungen beitragen kann, ist fraglich. Chinas Ministerium machte keine näheren Angaben darüber, wann Li die Reise antreten und welche Länder er besuchen wird. Auch Chinas Staatsmedien bleiben gewohnt schwammig. Präsident Xi habe Selenskyj am Telefon mitgeteilt, dass “Gespräche und Verhandlungen der einzige Ausweg” aus dem Krieg seien. Alle beteiligten Parteien müssten ruhig und beherrscht” bleiben. Sie sollten sich auf ihr eigenes Schicksal und das der ganzen Menschheit” konzentrieren und “gemeinsam die Krise bewältigen und kontrollieren”.

Selenskyj kann und will die Hoffnung in Peking aber ganz offensichtlich nicht aufgeben. Mit seinem Friedensplan habe China immerhin gezeigt, dass man über die Ukraine sprechen wolle. Das sei schon mal nicht schlecht”, hatte er bei einer Rede zum Jahrestag der Invasion Ende Februar erklärt. Dass Xi sich auf seiner Moskau-Reise nicht positiv zur Rolle Russlands im Ukraine-Krieg äußerte, interpretierte Selenskyj sogar als Niederlage für Putin. “Er hat keine Verbündeten”, erklärte er damals in einem Interview.

  • China

Termine

28.04.-30.04.2023, Bonn
FES, Seminar Europa und Soziale Demokratie
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) beschäftigt sich mit den Herausforderungen eines sozialen Europas. INFOS & ANMELDUNG

28.04.-30.04.2023, Lissabon (Portugal)
Conference 6th International Conference on Research in Business, Management and Finance
The 6th International Conference on Research in Business, Management and Finance addresses the latest developments in the areas of business, management, and finance. INFOS & REGISTRATION

29.04.2023 – 10:00-15:30 Uhr, Königsbronn/online
KAS, Diskussion 10. Königsbronner Gespräche: Deutschland in der Zeitenwende – Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zieht eine Bilanz der verteidigungspolitischen Maßnahmen seit Beginn des Ukraine-Kriegs. INFOS & LIVESTREAM

01.05.-05.05.2023, Kochel am See
Georg-von-Vollmar-Akademie, Seminar Die USA im 21. Jahrhundert: Gesellschaftlicher Wandel, politische Umbrüche und internationale Neuausrichtung
Die Georg-von-Vollmar-Akademie nimmt das politische System der USA und deren aktuelle Politik in den Blick. INFOS & ANMELDUNG

02.05.-06.05.2023, Florenz (Italien)
EUI, Conference Climate Week
The European University Institute (EUI) discusses the central issues on today’s climate change agenda, with particular attention to the evolution of carbon pricing in the coming decades. INFOS & REGISTRATION

02.05.-04.05.2023, Amsterdam/online
Conference Securing Europe’S Energy Supply And Hitting Climate Change Targets
This Conference brings together stakeholders to discuss new economies of scale in low carbon gases, infrastructure projects, CCS, LNG-terminals and hydrogen. INFOS & REGISTRATION

02.05.-03.05.2023, Florenz (Italien)/online
EUI, Workshop Transformative transnational governance in the EU and beyond – Democratic resilience and democratic innovations
The European University Institute (EUI) explores alternative conceptual frames for what can be called “Transformative Transnational Governance” in the 21rst century. INFOS & REGISTRATION

02.05.2023 – 10:00-11:00 Uhr, online
Klimawirtschaft, Seminar Green Office – Das Büro klimafreundlich gestalten
Die Klimawirtschaft beschäftigt sich mit der Dekarbonisierung des Büros. INFOS & ANMELDUNG

02.05.2023 – 15:00-16:00 Uhr, online
HBS, Panel Discussion Guaranteeing Sustainable Development: Debt Relief for a Green and Inclusive Recovery
The Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) discusses the question of how emerging market and developing economies (EMDEs) can find financial and fiscal stability while making the investments necessary to transition to sustainable and low-carbon economies. INFOS & REGISTRATION

02.05.2023 – 17:00 Uhr, Brüssel
Stiftung Mercator, Conference Turkey Europe Future Forum
Die Stiftung Mercator bringt junge Führungskräfte aus Europa und der Türkei zusammen. INFOS & REGISTRATION

02.05.2023 – 18:30-20:00 Uhr, Berlin
DGAP, Podiumsdiskussion Die Rolle der Schweiz als gewähltes Mitglied des UNO-Sicherheitsrats
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) geht der Frage nach, welche Schwerpunkte in der internationalen Politik sich die Schweiz politisch für 2023 und 2024 gesetzt hat. INFOS & ANMELDUNG

23.05.-25.05.2023, Kapstadt (Südafrika)
FSR, Seminar Gas market design, structure and regulation (LNGnet)
The European University Institute (EUI) addresses different aspects of gas market design and regulation.  REGISTRATION BY 28 APRIL

News

Methan-Verordnung: ITRE und ENVI stimmen für Bericht

Wie erwartet haben die Abgeordneten in den beiden federführenden Ausschüssen (Umwelt und Industrie) für den Vorschlag der Grünen-Verhandlungsführerin Jutta Paulus zur Methan-Verordnung gestimmt. Die Abstimmung am Mittwoch fiel mit 114 Ja-Stimmen gegen 15 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen klar für den Text aus. Der Inhalt geht deutlich über den von der Kommission vorgelegten Gesetzesentwurf für die Begrenzung der Methanemissionen im Energiesektor hinaus, beispielsweise bei Importen, die nach dem Willen des Parlaments miterfasst werden sollen.

“Wir Abgeordnete fordern ambitionierte und stringente Maßnahmen zur Methan-Reduktion. Gerade im Energiebereich können drei Viertel der Methanemissionen mit einfachen Mitteln und ohne große Investitionen vermieden werden“, sagte Paulus anschließend. Die EU importiere über 80 Prozent ihres Gas- und Ölbedarfs sowie 40 Prozent ihres Kohlebedarfs. “Die Ausweitung der Methan-Verordnung auf Energieimporte ist daher für uns Abgeordnete unerlässlich, denn ein Großteil des Methans entweicht außerhalb der EU-Mitgliedstaaten“, sagte die Grünen-Abgeordnete weiter. Ohne die Ausweitung auf Importe sei die EU-Methan-Verordnung wirkungslos. 

Methan-Ziele für alle relevanten Sektoren

Die wichtigsten Punkte des EP-Vorschlags:

  • Ein Methanreduktionsziel für 2030 für alle relevanten Sektoren. Der entsprechende Vorschlag von der Kommission soll bis 2025 vorgelegt werden.
  • Importierte Energie soll einbezogen werden. Der Parlamentsvorschlag weitet die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen auf die gesamte Lieferkette fossiler Importe aus.
  • Routinemäßiges Ablassen und Abfackeln  (“venting and flaring”) wird verboten. Die Parlamentsposition stärkt den Kommissionsvorschlag und fordert ein 99-prozentiges Effizienzziel. Leckagen müssen aufgespürt, gemeldet und geschlossen werden. Vorbild ist Norwegen, das aufgrund seiner Methangesetzgebung und -besteuerung eine Methanintensität seiner Produktion von lediglich 0,02 Prozent aufweist (EU-Durchschnitt: 0,2 Prozent).
  • Für Methanemissionen aus Kohleminen gilt ein Grenzwert von maximal fünf Tonnen Methanemissionen auf 1.000 Tonnen Kohleproduktion ab 2027 und maximal drei Tonnen ab 2031. Das gibt Polen, das historisch und gesellschaftlich bedingt in einer schwierigeren Ausgangslage ist, mehr Zeit zur Umsetzung.

Als Nächstes wird das Europäische Parlament am 8. Mai in Straßburg über die neue Methan-Verordnung debattieren und am 9. oder 10. Mai im Plenum über die Parlamentsposition für die Trilog-Verhandlungen abstimmen. cst

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Rechnungshof kritisiert fehlende Strategie bei Verteidigungsausgaben

Der Bericht des Europäischen Rechnungshofs wirft ein kritisches Licht auf die Maßnahmen der EU im Bereich Verteidigung und Sicherheit. Aktuell ist die EU dabei, auf diesem Gebiet deutlich mehr Geld auszugeben. Die Prüferinnen und Prüfer in Luxemburg zeigen sich in ihrem Bericht jedoch bereits von einem Vorläuferprojekt nicht überzeugt.

Untersucht hat der Rechnungshof das EU-Programm im Bereich Verteidigungsforschung, Preparatory Action on Defence Research (PADR). Es startete 2017 als Testlauf für den Europäischen Verteidigungsfonds (EVF). Für diesen Testlauf standen 90 Millionen Euro zur Verfügung. Das Ziel: Verschiedene Optionen der Finanzierung von Verteidigungsforschung zu testen. Für den Verteidigungsfonds sind in der laufenden siebenjährigen Haushaltsperiode deutlich mehr Mittel vorgesehen, nämlich acht Milliarden Euro.

Fehlende Strategie, fehlendes Personal

Verzögerungen beim Vorläuferprogramm PADR und dürftige Ergebnisse hätten leider dazu geführt, dass die EU nur in beschränktem Umfang Erkenntnisse für den Verteidigungsfonds habe gewinnen können, bilanzierte Viorel Ștefan, das für den Bericht zuständige Mitglied des Rechnungshofs. Der EU fehle nach wie vor eine langfristige Strategie für Verteidigungsausgaben. Bisher habe die Kommission hier keine Schwerpunkte festgelegt. So fragen die Rechnungsprüfer, ob über den EVF nicht statt vieler kleiner Projekte nicht besser große und potenziell weltweit wettbewerbsfähige Projekte unterstützt werden sollten. Es sei zudem unklar, ob in den Verteidigungsministerien das nötige Interesse und Engagement gegeben sei, gemeinsam entwickelte Verteidigungsfähigkeiten auch zu beschaffen.

Probleme sieht der Rechnungshof außerdem mit Blick auf die “begrenzte Verfügbarkeit von Humanressourcen bei der Kommission”, wenn es in Zukunft um die ordnungsgemäße Bewertung von Vorschlägen und ein sachgerechtes Projektmanagement geht. Der Mangel an qualifiziertem Personal sei bei der effizienten Verwaltung des Verteidigungsfonds “ein Risiko”. Die Liste der Kritik des Rechnungshofs endet damit noch nicht: Dazu komme, dass Projektkoordinatoren und Projektteilnehmer bei PADR vorwiegend aus Mitgliedstaaten mit großer Verteidigungsindustrie stammten und die Verfahren zu lange dauerten. sti

  • Verteidigungspolitik

Mercosur: Spanien will Skeptiker überzeugen

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez will die verbliebenen Skeptiker innerhalb der EU überzeugen, grünes Licht für das Handelsabkommen Mercosur zu geben. Das sagte Sánchez bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.

Das Abkommen zwischen der EU und den vier Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) war 2019 aufgrund von Bedenken, insbesondere aus Frankreich, auf Eis gelegt worden. Sorgen gab es damals vor allem wegen der Abholzung des Amazonasgebiets und Brasiliens mangelndem Engagement für den Klimawandel.

“Es gibt in der Tat Länder innerhalb der EU, die Zweifel am Zustandekommen dieses wichtigen Abkommens haben, aber ich glaube, dass diese Zweifel ausgeräumt werden sollten, wenn wir an das gesamte Potenzial eines Abkommens dieser Größenordnung denken”, betonte Sánchez am Mittwoch. Spanien pflegt enge Wirtschaftsbeziehungen zu den Mercosur-Ländern. Ziel Spaniens ist, während der EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2023, deutliche Fortschritte beim Abkommen zu erzielen.

Auch auf südamerikanischer Seite stößt das Abkommen auf Widerstände. Hier stört man sich vor allem an dem nachträglich dazugekommenen Zusatzabkommen, mit dem die EU den Mercosur-Staaten verbindliche Nachhaltigkeitsziele vorgeben will.

Brasiliens Präsident da Silva twitterte: Er hoffe, dass es in Sachen Mercosur noch in diesem Jahr gute Nachrichten gebe. Das Abkommen sei sehr wichtig für alle Seiten. “Wir wollen, dass es ausgewogen ist und zur Reindustrialisierung Brasiliens beiträgt.” rtr/lei mit dpa

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ZVEI will Tempo beim Net-Zero Industry Act

Angesichts des Verkaufs des Wärmepumpenherstellers Viessmann fordert die Elektroindustrie mehr Tempo beim europäischen Net-Zero Industry Act (NZIA). “Die Nachfrage nach klimafreundlichen Technologien wie Wärmepumpen steigt rasant und muss auch durch die hiesige, insbesondere mittelständisch geprägte Industrie weiterhin bedient werden können”, sagte gestern ZVEI-Chef Wolfgang Weber. Deshalb dränge der ZVEI die EU und die Bundesregierung, die Ziele des NZIA entschlossener zu vereinbaren und umzusetzen, hieß es in einer Mitteilung des Verbands.

“Wir brauchen jetzt einen Booster für alle Netto-Null-Industrien mit deutlich verkürzten Genehmigungsverfahren und auch mit Innovationsförderung“, sagte Weber weiter. Die angekündigten Net-Zero-Resilience-Projekte, die unter anderem auf den Ausbau der Produktionskapazitäten von grünen Technologien zielen, müssten schnell umgesetzt werden. 

Die Kommission hatte Mitte März Maßnahmen für schnellere Genehmigungen von Produktionskapazitäten für strategische Netto-Null-Projekte und einen leichteren Zugang zu Fördermitteln angekündigt. Die Verabschiedung des NZIA wird sich aber noch hinziehen. Nach der jetzigen Zeitplanung wird der Industrieausschuss des EU-Parlaments erst im Oktober über seine Position abstimmen, erfuhr Table.Media gestern. Bis zu einer Annahme des Gesetzes werden dann noch weitere Monate vergehen. ber

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  • Net Zero Industry Act

EU verfehlt eigenes Stromsparziel deutlich

Deutschland hat wie die meisten EU-Länder im vergangenen Winter das Krisenziel zum Stromsparen verfehlt. Das geht aus einer Veröffentlichung der Umweltorganisation Ember hervor, die heute erschienen ist. Als Reaktion auf die gestiegenen Preise für Gas und Elektrizität hatten die EU-Staaten im vergangenen Oktober beschlossen, den Stromverbrauch von November 2022 bis März 2023 freiwillig um zehn Prozent zu senken. Nach den Daten von Ember schaffte die EU aber nur eine Reduktion um 6,2 Prozent, auch Deutschland verfehlte das Ziel mit gut sieben Prozent. Anfang des Jahres hatte sich die Zielverfehlung bereits abgezeichnet.

Durch den gesunkenen Energieverbrauch sparte die Bundesrepublik laut Ember 2,5 Milliarden Euro. Neben dem Preiseffekt war ein weiteres Ziel der Maßnahme, den Brennstoffverbrauch von Gaskraftwerken zu senken und zur Versorgungssicherheit beizutragen. Nach vorläufigen Schätzungen von Ember war der gesunkene Stromverbrauch in Deutschland nicht nur auf eine Veränderung der industriellen Produktion zurückzuführen.

Von den 27 EU-Staaten übertrafen lediglich Rumänien, die Slowakei und Griechenland das Sparziel von zehn Prozent. In Polen, Dänemark, Malta und Irland stieg der Stromverbrauch sogar – in Irland um mehr als sechs Prozent. Ein weiteres beschlossenes Ziel, die Senkung von Spitzenverbräuchen um fünf Prozent, wurde dagegen laut Ember von der Mehrheit der EU27 erreicht – auch von Deutschland. ber

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Presseschau

Europa lockert starre Schuldenregeln SUEDDEUTSCHE
Lindner will EU-Vorschläge für Stabilitätspakt nicht akzeptieren WELT
EU-Kommission legt Vorschläge für große Arzneimittelreform vor AERZTEBLATT
EU setzt auf Öko-Kerosin: Flugreisen sollen klimafreundlicher werden TAGESSCHAU
EU-Behörde: Weiter große Risiken durch Einsatz von Pestiziden in Europa RND
Rechnungsprüfer rügen EU-Verteidigungsfonds FAZ
Deutsche und britische Eurofighter fangen drei russische Militärflugzeuge über der Ostsee ab TAGESSPIEGEL
Niederlande schieben keine Geflüchteten mehr nach Italien ab NRZ
Britisches Unterhaus stimmt für schärferes Asylgesetz WELT
Libyen: Dutzende Migranten sterben bei Bootsunglück ZEIT
Bundestag erteilt Mandat zu weiterer Bundeswehr-Beteiligung vor Libyens Küste STERN
FDP will Behörden offenbar zu schneller Digitalisierung verpflichten ZEIT
EU-Verteidigungsagentur schließt Kooperationsabkommen mit USA EURACTIV
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Andreas Löschel – grüne Energiewirtschaft fördern

Andreas Löschel ist Professor für Umwelt- und Ressourcenökonomik an der Ruhr-Universität Bochum.

Die Strom- und Gaspreise sind gesunken, die Europäische Union ist auch ohne russisches Gas gut durch den Winter gekommen – trotzdem muss sich der Energiemarkt weiter auf Krisen und Klimawandel einstellen. Andreas Löschel weiß, wie eine grünere Energiewirtschaft aussehen könnte: Er ist Professor für Umwelt- und Ressourcenökonomik an der Ruhr-Universität Bochum und berät sowohl die deutsche als auch die französische Regierung in Energiefragen.

“Für Ökonomen war das Umweltthema lange eigentlich kein Thema”, sagt Löschel, der 1998 Teil des ersten Graduiertenkollegs zur Umweltökonomik war. In seiner Promotion befasste er sich mit dem Kyoto-Protokoll, es folgten Professuren in Heidelberg und Münster; in Bochum lehrt er seit 2021. Außerdem ist Löschel einer der Leitautoren des fünften und sechsten IPCC-Klimaberichts.

Sparsam durch den Winter

Im vergangenen Jahr hat sich der Umweltökonom schon früh damit beschäftigt, wie die Energieversorgung Europas ohne russisches Gas aussehen könnte. Deutschland und die Europäische Union hätten erfolgreicher reagiert, als er zunächst erwartet habe: LNG-Terminals und Gas aus anderen Staaten sorgten für gefüllte Speicher, Haushalte und Unternehmen sparten. “Jetzt dürfen wir uns nicht zurücklehnen“, betont Löschel. Denn dieser Winter sei mild gewesen, im nächsten Jahr könne es wieder anders aussehen.

“Hohe Preise für fossile Energie dürfen kein temporäres Phänomen sein”, sagt Löschel. Dafür würden in Zukunft auch die neuen Bedingungen im europäischen Emissionshandel und die neuen Emissionsregeln für Gebäude und Verkehr sorgen. Es sei wichtig, dass Unternehmen und Haushalte die hohen Preise spüren – damit sie langfristig sparen: “Die Preise müssen hoch bleiben, auch wenn das für den Einzelnen schmerzhaft ist. Nur so werden langfristige Investitionen angestoßen.” Dann gelte es, Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten, die sich das nicht leisten können.

Einsatz für eine Europäische Energie-Agentur

Dabei sei es wichtig, europäische Lösungen zu finden. “Zu Anfang hat Deutschland oft den Eindruck erweckt, es denke beim Gas insbesondere an sich selbst“, sagt Löschel. Die Unsicherheit in Politik und Gesellschaft sei groß gewesen, Energie bislang immer nur günstiger geworden. Viele Unternehmen hätten sich vorher noch nie damit auseinandergesetzt. Löschel sieht seine Aufgabe als Wissenschaftler darin, verschiedene Möglichkeiten aufzuzeigen, wie mit der Situation umzugehen ist – für die Politik und die Öffentlichkeit in den Medien.

Um die besten Lösungen zu finden, ist die Wissenschaft auf öffentlich verfügbare Daten zum Energiesektor angewiesen – etwa zu Engpässen in den europäischen Netzen. Löschel veröffentlichte deshalb mit anderen Wissenschaftlern am Mittwoch einen Aufruf zur Gründung einer Europäischen Energie-Agentur: “Ohne sie gibt es weder die Grundlage für die notwendige öffentliche Planung noch für private Investitionen, die dem System dienen.”

Um Transparenz geht es auch in einem weiteren neuen Projekt von Löschel. Der Ökonom entwickelt Umweltlabels für CO₂-intensive Unternehmen, die weniger Emission ausstoßen wollen. Das ist teuer – entsprechend untersucht der Professor, ob und inwieweit neue Labels Unternehmen attraktiver für Investoren machen können. Es reiche nicht, grüne Unternehmen zu skalieren: “Besonders Bereiche, die heute dreckig sind, müssen grün werden.” Jana Hemmersmeier

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Christian Linder ist kein Freund von Schulden. Es verwundert daher nicht, dass dem deutschen Finanzminister die Pläne der Kommission zu den neuen Schuldenregeln nicht streng genug sind. “Es braucht noch deutliche Anpassungen”, urteile Lindner am Mittwoch. Ganz anders sieht das sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire. “Einige Punkte widersprechen dem Geist der Reform”, kritisiert der. Und auch im Europaparlament gehen die Meinungen über die Vorschläge weit auseinander, analysieren Christof Roche und Till Hoppe.

    Einen besseren Zugang zu Medikamenten in der ganzen EU ermöglichen. Das will die EU-Kommission mit ihrem heute vorgestellten Pharma-Paket erreichen. Sie will ein Ökosystem schaffen, das schnellere und flächendeckendere Zulassungen in Europa möglich macht. Im Gegenzug soll es unter anderem längere Schutzzeiträume geben. Doch nicht nur das sorgt für Kritik, berichtet Charlotte Wirth.

    Mehr als ein Jahr lang hat sich Chinas Präsident Xi Jinping den ukrainischen Präsidenten warten lassen. Nun erreichte am Mittwoch überraschend ein Anruf aus Peking in Kiew. Und Selenskyj hofft auf den chinesischen Einfluss. Doch China will nun ausgerechnet einen Russland-Versteher in der Causa schicken, schreibt Fabian Peltsch.

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    Alina Leimbach
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    Analyse

    Neue Schuldenregeln: Berlin fordert Nachbesserungen

    Deutschland lehnt die Vorschläge der EU-Kommission für eine Reform der europäischen Schuldenregeln vorerst ab. Sie entsprächen noch nicht den Anforderungen der Bundesregierung, sagte Finanzminister Christian Lindner am Mittwoch. “Es braucht noch deutliche Anpassungen.” Fortschritte seien aber gleichwohl erkennbar, weswegen sich die weitere Debatte lohnen werde, sagte Lindner. Eine Aufweichung der Schuldenregeln könne Deutschland nicht mittragen.

    Beim Treffen der EU-Finanzminister in Stockholm am Freitag und Samstag werde es einen ersten Gedankenaustausch dazu geben. Die aktuellen Schuldenregeln sind seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 ausgesetzt, sollen aber ab Anfang 2024 wieder greifen. Lindner betonte, sie hätten Bestand, bis eine Reform beschlossen sei.

    Le Maire stört sich an festen Regeln zum Schuldenabbau

    Kern der Brüsseler Pläne sind individuell ausgehandelte Abbaupfade für EU-Staaten mit zu hohen Haushaltsdefiziten und Schuldenständen. Diese sollen künftig im Regelfall binnen vier Jahren ihre Werte verbessern, in Ausnahmefällen binnen sieben Jahren. Außerdem sollen Maßnahmen ergriffen werden, damit es mittelfristig keinen Rückfall in höhere Defizite und Schuldenstände gibt.

    Berlin hatte darauf gedrungen, dabei feste Anforderungen an die Schuldenabbaupfade festzuschreiben, die Kommission kam dem teilweise nach. Das sorgt nun in Paris für Kritik: “Einige Punkte widersprechen dem Geist der Reform“, sagte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire. “Beispielsweise sind wir gegen einheitliche automatische Regeln zum Abbau des Defizits und der Schulden.” Die festen Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes hätten sich nicht bewährt als Instrumente zur Steuerung der öffentlichen Finanzen.

    Gemischte Resonanz im Europaparlament

    Im Europaparlament, das bei Teilen der Reform als Gesetzgeber eingebunden ist, stießen die Vorschläge auf gemischte Resonanz. Während Sozialisten und Grüne den Vorstoß der Kommission begrüßten, kritisierten ihn Konservative und Liberale.

    Biljana Borzan, Vizevorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, bezeichnete die geltenden Fiskalregeln als veraltetet und ineffizient: “Eine rasche Überarbeitung ist der Schlüssel, um die Rückkehr zur Austerität zu verhindern und grüne und soziale Ziele zu erreichen.”

    Der Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen sagte, die Reform werde von entscheidender Bedeutung sein, um die Investitionslücke vor allem beim Übergang in eine nachhaltige Wirtschaft zu schließen. Die Fehler der Vergangenheit wie eine extreme Fokussierung auf Schuldenstand und Defizitregeln dürften nicht wiederholt werden.

    Konservative und Liberale mit Kritik

    Dagegen hieß es aus dem konservativen Lager, die Kommission verliere bei der Reform der Schuldenregeln die Stabilität aus den Augen. “Mit dem Verwässern der Schuldenregeln untergräbt die Kommission das Fundament unserer gemeinsamen Währung”, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Markus Ferber (CSU). “Statt auf mehr Flexibilität zu setzen, müsste auf bessere Durchsetzung gesetzt werden.

    Auch von den Liberalen kam Kritik. Moritz Körner, haushaltspolitischer Sprecher der FDP im Parlament, kritisierte, die von der Kommission vorgesehenen Schuldenlimits und Reduktionspflichten für exzessive Schuldenmacher seien zu schwach. “Die Netto-Primärausgaben sollten im Verhältnis zum potenziellen Wirtschaftswachstum begrenzt sein und Länder mit hohen Schuldenquoten sollten ihren Schuldenstand jährlich nachhaltig reduzieren müssen.”

    Auch Daniel Gros, Senior Fellow am Centre for European Policy Studies (CEPS), bezweifelt die Wirksamkeit des neuen Ansatzes: “Kommission und Mitgliedstaat werden nahezu jedes Jahr über den Pfad neu verhandeln müssen“, sagte der Ökonom zu Table.Media. Ein Regierungswechsel, neue Reformprogramme oder externe Schocks könnten dazu führen, dass ein Land in den vier Jahren vom festgelegten Haushaltspfad abweiche. “Ich bezweifele daher, dass die Defizitverfahren bei Abweichungen quasi-automatisch eingeleitet werden.” Von Christof Roche und Till Hoppe

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    Pharmapaket: Kommission verspricht bessere Medikamentenversorgung

    Erschwinglich. Zugänglich. Verfügbar. So lauten die drei Schlagworte, mit denen die Kommission ihr neues Pharmapaket beschreibt. Eine Richtlinie, eine Verordnung sowie eine Ratsmitteilung sollen dafür sorgen, dass die Menschen in der EU medikamentös besser versorgt werden. Von einem “epischen” Paket sprach EU-Vizekommissar Margaritis Schinas: “Noch nie in der Geschichte der EU konnten wir so viel im Bereich der öffentlichen Gesundheit tun.” Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides: “Wir schaffen einen Binnenmarkt für Medikamente.” Sie zitierte sogar Bono, den Sänger von U2: “Where you live should not determine whether you live, or whether you die.”

    Damit lehnen sich die Kommissare weit aus dem Fenster. Auch nach der Stärkung der EU-Gesundheitspolitik durch EU4Health und HERA hat die Kommission wenig Kompetenzen im Gesundheitsbereich. Sie kann beispielsweise nicht auf Beschaffungspreise und Preisgestaltung in den EU-Mitgliedstaaten einwirken. Diese Kompetenz liegt bei den Mitgliedstaaten. Vielleicht ruderte Kyriakides auch deswegen wenig später zurück und sagte: Man wolle ein Ökosystem schaffen, welches den Zugang zu Medikamenten vereinfacht.

    Momentan bestimmt in der EU nämlich sehr wohl der Wohnort die medikamentöse Versorgung. In Deutschland wurden 2018 beispielsweise 104 Medikamente auf den Markt gebracht, welche 2015 bis 2017 ihre Zulassung erhielten. In Polen waren es nur 24.

    Möglicher Interessenskonflikt?

    Eigentlich wollte die Kommission die Überarbeitung der rund 20 Jahre alten Pharmagesetzgebung bereits vor Monaten vorstellen. Immer wieder hat sie den Termin verschoben. Zuletzt soll sich Kommissionspräsidentin von der Leyen persönlich mit dem strittigen Dossier befasst haben, wie es in gut informierten Kreisen heißt.

    Manche Abgeordnete sehen darin einen möglichen Interessenkonflikt. Der Ehemann der Kommissionspräsidentin, Heiko von der Leyen, fungiert als medizinischer Direktor des auf Gen- und Zelltherapie spezialisierten Biotech-Konzerns Orgenesis. “Man sollte sicherlich die Frage aufwerfen, wie neutral Frau von der Leyen hier agieren kann”, kommentierte die Grünen-Abgeordnete Tilly Metz. Die Kommission hat bis Redaktionsschluss nicht auf unsere Anfrage reagiert.

    Längerer Schutz an Bedingungen geknüpft

    Die Pharmaindustrie hatte in den vergangenen Monaten großen Lobbydruck auf die Kommission ausgeübt. In dem Paket scheint die Behörde einige Zugeständnisse an die Branche gemacht zu haben. Schinas nennt Pharma einen “europäischen Champion”.

    So plant die Kommission, den Schutzzeitraum von neuen Medikamenten unter Umständen zu verlängern. Bisher gilt der Markt- und Unterlagenschutz für zehn bis elf Jahre. Die Kommission will bausteinförmig vorgehen: Der reguläre Schutz soll mindestens acht Jahre gelten. Wenn die Hersteller gewisse Bedingungen erfüllen, gibt es Ausnahmen: bei gleichzeitiger Markteinführung in allen Mitgliedstaaten, Deckung eines medizinischen Bedarfs oder Durchführung vergleichender klinischer Studien kann der Schutz bis zu zwölf Jahre und bei Arzneimitteln für seltene Krankheiten bis zu 13 Jahre betragen.

    Zum Vergleich: In den USA reicht der Marktschutz unter Bedingungen bis zu maximal zwölf Jahre, in der Schweiz bis zu zehn Jahre. Ein längerer Schutz bedeutet auch: Es dauert länger, bis Generika auf den Markt kommen. Sprich, die Hersteller kontrollieren länger die Preisgestaltung für den Wirkstoff.

    Die Branche moniert jedoch, dass der modulare Ansatz der Kommission kürzeren Schutz bedeute. “Das Ziel, die Versorgung mit neuen Medikamenten zu fördern, wird ganz klar verfehlt. Reduziert sich der Schutzzeitraum, demotiviert dies die Unternehmen, die kostenintensive Forschung für neue Medikamente weiterhin hier zu betreiben”, kritisiert Wolfgang Große Entrup vom Verband der Chemischen Industrie (VCI).

    Kontroverses Gutschein-System

    Ein neues Voucher-System stärkt laut Kritikern ebenfalls die Pharmakonzerne. Die Kommission spricht von einem “neuartigen und innovativen” Tool, um die Entwicklung neuer Antibiotika zu fördern. Denn dazu habe es bisher zu wenig Anreize gegeben, so Kyriakides.

    Wenn ein Unternehmen ein neues Antibiotikum entwickelt, so steht ihm künftig ein zusätzliches Jahr Marktschutz zu. Konkret könnte der Schutz eines Medikamentes dann also bis zu 13 Jahre (bei Medikamenten für seltene Krankheiten bis 14 Jahre) anhalten. Kostenpunkt für die Kommission: ungefähr 500 Millionen Euro pro Gutschein.

    Kritiker bemängeln: Das Pharmaunternehmen kann den Gutschein auf jedes Medikament anwenden und ihn an ein anderes Unternehmen verkaufen. Da die Gutscheine die Markteinführung von Generika verzögern, will die Kommission sie auf zehn Voucher in 15 Jahren begrenzen.

    Bereits im Vorfeld haben Europaabgeordnete und Mitgliedstaaten diesen Ansatz kritisiert. “Die Konzerne können den zusätzlichen Schutz auch für ihre teuersten Medikamente nutzen. Das passt nicht zum Ziel der Kommission, Medikamente erschwinglicher zu machen”, kritisierte etwa die Grüne Tilly Metz. Der Meinung ist auch die Abgeordnete und Ärztin Véronique Trillet-Lenoir (Renew): “Antimikrobielle Resistenzen sollten stattdessen durch den Einsatz innovativer Lösungen, die Reduzierung der Verschreibungen und die Stärkung der Rolle der neuen Gesundheitsbehörde HERA bei der Suche nach neuen Antibiotika bekämpft werden.”

    Schnellere Genehmigung von Medikamenten

    Das Paket der Kommission setzt sich insgesamt aus drei Teilen zusammen. Eine Richtlinie befasst sich mit den Anforderungen an die Zulassung, Überwachung, Kennzeichnung, regulatorischen Schutz und Markteinführung für Arzneimittel. Die Kommission will beispielsweise die Genehmigung von Medikamenten durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) beschleunigen.

    Zurzeit dauert dies bis zu 400 Tage. Die Kommission will die Zeit auf 180 Tage verkürzen. Für bestimmte Medikamente, etwa bei seltenen Krankheiten, soll sie sogar nur noch 150 Tage dauern. Das soll durch die Digitalisierung der Genehmigungsprozedur und die Begrenzung der Anzahl an Kommissionen erreicht werden, die sich innerhalb der EMA mit der Genehmigung beschäftigen.

    Für neue Therapien und Medikamente will die Kommission die Regeln anpassen. Die Kommission spricht hier von Reallaboren, in denen neue Regulierungsansätze für neue Therapien unter realen Bedingungen getestet werden.

    Es soll auch strengere Regeln bei Umwelteinflüssen und Nachhaltigkeit von Arzneimitteln geben. Dafür will die EMA eine stringentere umweltbezogene Risikobewertung vornehmen. Allerdings betonte ein Kommissionsmitarbeiter, es komme nicht zu “drastischen Maßnahmen” wie etwa der Rücknahme der Genehmigung.

    Bessere Überwachung von Medikamentenbeständen

    Der zweite Teil des Pakets ist eine Verordnung. Diese legt Regeln fest, um die Versorgungssicherheit mit kritischen Arzneimitteln zu gewährleisten. Dies etwa durch die Erstellung einer Liste kritischer Arzneimittel, deren Bestände die EMA überwachen soll. Arzneimittelhersteller sollen die Behörden benachrichtigen, wenn sie Medikamente vom Markt nehmen oder Bestände an einem Medikament knapp werden. Sie sollen verpflichtet werden, Pläne zur Verhinderung von Engpässen vorlegen.

    Kritiker bemängeln, dass die Kommission sich nicht mit dem Problem der komplexen Lieferketten von Medikamenten beschäftigt, etwa die Abhängigkeit von Indien und China bei Inhaltsstoffen und Vorprodukten.

    Letztes Glied ist eine Mitteilung zu Antibiotikaresistenzen. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, den vorsichtigen Einsatz von Antibiotika zu fördern. Sie legt dabei Wert auf einen sogenannte “One Health”-Ansatz (Zusammenspiel von Tier, Mensch und Umwelt) sowie auf besseres Monitoring und Infektionsbekämpfung. Eine Mitteilung hat keinen gesetzgebenden Charakter.

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    Xi telefoniert mit Selenskyi und schickt Emissär

    Die Meldung kam am Mittwochabend Pekinger Ortszeit ohne Vorankündigung: Chinas Präsident Xi Jinping hat mit Wolodymyr Selenskyj, dem Präsident der Ukraine, telefoniert, meldeten chinesische Staatsmedien. Wie Selenskyj kurz danach auf Twitter mitteilte, sei das Gespräch “lang und bedeutsam” gewesen. Das Telefonat wurde vor allem von ukrainischer Seite seit Monaten erwartet. Seit der Invasion russischer Truppen in der Ukraine herrschte zwischen den beiden Staatschefs Funkstille.

    Statt mit Selenskyj zu sprechen, traf Xi Ende März seinen “guten alten Freund” Wladimir Putin in Moskau. Freundschaftsbekundungen und wirtschaftliche Kooperation mit Russland standen dabei im Vordergrund. Als Selenskyj wenige Tage später eine Einladung an Xi aussprach und der Nachrichtenagentur AP erklärte “wir sind bereit, ihn hier zu sehen”, war seine Verzweiflung zu greifen.

    Endlich Schwung in den bilateralen Beziehungen?

    Selenskyj ist klar, dass China das einzige Land ist, das substanziell Druck auf Russland ausüben kann, um gemeinsam mit der Ukraine auf einen Frieden hinzuarbeiten. Peking hatte im Februar einen 12-Punkte-Plan für eine “politische Lösung der Ukraine-Krise vorgelegt. Dieser beinhaltet unter anderem die Forderung nach einer Deeskalation und einen eventuellen Waffenstillstand. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich der Plan jedoch als schwammig, unkonkret und tendenziell dem Narrativ und Ansprüchen des russischen Partners folgend. So sah das auch Selenskyj. Er werde erst dann eine Friedensregelung in Betracht ziehen, wenn die russischen Truppen das ukrainische Gebiet verlassen haben.

    Ob solche Pläne nun Teil des Telefonats mit Xi waren, ist nicht bekannt: Ich glaube, dass dieser Anruf, ebenso wie die Ernennung des ukrainischen Botschafters in China, der Entwicklung unserer bilateralen Beziehungen Schwung verleihen werden“, schrieb Selenskyj nach dem Telefonat auf Twitter. Selenskyjs Sprecher Serhii Nykyforov sagte in einem Facebook-Post, die Diskussion habe fast eine Stunde gedauert. Der neue Botschafter für China, von dem die Rede ist, heißt Pavlo Riabikin. Er leitete bislang das Ministerium für strategische Industrien. Der Posten des Botschafters war seit Februar 2021 nicht besetzt gewesen.

    Chinas Sonderbeauftragter ist Russland-Versteher

    Wie geht es nach dem Telefonat weiter? Wie Hua Chunying, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, ankündigte, werde Peking nun den Sonderbeauftragten der chinesischen Regierung für eurasische Angelegenheiten in die Ukraine und andere Länder entsenden, um mit allen Parteien eingehende Gespräche über eine politische Lösung der Ukraine-Krise zu führen”. Der derzeitige Sonderbeauftragte Chinas für den eurasischen Raum ist seit 2019 Li Hui.

    Der 70-Jährige ist ein Kenner Osteuropas und Russlands. Schon Mitte der 1970er-Jahre trat er in die Abteilung für die UdSSR und Europa im chinesischen Außenministerium ein. Von hier erklomm er als Sekretär der chinesischen Botschaft in der UdSSR und später als Sekretär der chinesischen Botschaft in der Russischen Föderation die Karriereleiter. Von 2009 bis 2019 war er Botschafter der Volksrepublik China in Russland, bis er im Juli 2019 seinen Rücktritt bekannt gab.

    In seinem neuen Posten als Sonderbeauftragter Eurasiens propagiert Li bislang vor allem die Umsetzung der “Belt-and-Road”-Initiative in der Region, wobei er stets die wichtige Rolle Russlands betont: Ein starkes gegenseitiges politisches Vertrauen ist das wichtigste Merkmal der chinesisch-russischen Beziehungen und die Grundlage der bilateralen Beziehungen.” Das sagte er im Vorfeld des zweiten Belt-and-Road-Forums for International Cooperation (BRF) im April 2019, zu dem auch Putin nach Peking reiste.

    Pläne bleiben unkonkret

    Ob Lis Mission zu Friedensverhandlungen beitragen kann, ist fraglich. Chinas Ministerium machte keine näheren Angaben darüber, wann Li die Reise antreten und welche Länder er besuchen wird. Auch Chinas Staatsmedien bleiben gewohnt schwammig. Präsident Xi habe Selenskyj am Telefon mitgeteilt, dass “Gespräche und Verhandlungen der einzige Ausweg” aus dem Krieg seien. Alle beteiligten Parteien müssten ruhig und beherrscht” bleiben. Sie sollten sich auf ihr eigenes Schicksal und das der ganzen Menschheit” konzentrieren und “gemeinsam die Krise bewältigen und kontrollieren”.

    Selenskyj kann und will die Hoffnung in Peking aber ganz offensichtlich nicht aufgeben. Mit seinem Friedensplan habe China immerhin gezeigt, dass man über die Ukraine sprechen wolle. Das sei schon mal nicht schlecht”, hatte er bei einer Rede zum Jahrestag der Invasion Ende Februar erklärt. Dass Xi sich auf seiner Moskau-Reise nicht positiv zur Rolle Russlands im Ukraine-Krieg äußerte, interpretierte Selenskyj sogar als Niederlage für Putin. “Er hat keine Verbündeten”, erklärte er damals in einem Interview.

    • China

    Termine

    28.04.-30.04.2023, Bonn
    FES, Seminar Europa und Soziale Demokratie
    Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) beschäftigt sich mit den Herausforderungen eines sozialen Europas. INFOS & ANMELDUNG

    28.04.-30.04.2023, Lissabon (Portugal)
    Conference 6th International Conference on Research in Business, Management and Finance
    The 6th International Conference on Research in Business, Management and Finance addresses the latest developments in the areas of business, management, and finance. INFOS & REGISTRATION

    29.04.2023 – 10:00-15:30 Uhr, Königsbronn/online
    KAS, Diskussion 10. Königsbronner Gespräche: Deutschland in der Zeitenwende – Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
    Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zieht eine Bilanz der verteidigungspolitischen Maßnahmen seit Beginn des Ukraine-Kriegs. INFOS & LIVESTREAM

    01.05.-05.05.2023, Kochel am See
    Georg-von-Vollmar-Akademie, Seminar Die USA im 21. Jahrhundert: Gesellschaftlicher Wandel, politische Umbrüche und internationale Neuausrichtung
    Die Georg-von-Vollmar-Akademie nimmt das politische System der USA und deren aktuelle Politik in den Blick. INFOS & ANMELDUNG

    02.05.-06.05.2023, Florenz (Italien)
    EUI, Conference Climate Week
    The European University Institute (EUI) discusses the central issues on today’s climate change agenda, with particular attention to the evolution of carbon pricing in the coming decades. INFOS & REGISTRATION

    02.05.-04.05.2023, Amsterdam/online
    Conference Securing Europe’S Energy Supply And Hitting Climate Change Targets
    This Conference brings together stakeholders to discuss new economies of scale in low carbon gases, infrastructure projects, CCS, LNG-terminals and hydrogen. INFOS & REGISTRATION

    02.05.-03.05.2023, Florenz (Italien)/online
    EUI, Workshop Transformative transnational governance in the EU and beyond – Democratic resilience and democratic innovations
    The European University Institute (EUI) explores alternative conceptual frames for what can be called “Transformative Transnational Governance” in the 21rst century. INFOS & REGISTRATION

    02.05.2023 – 10:00-11:00 Uhr, online
    Klimawirtschaft, Seminar Green Office – Das Büro klimafreundlich gestalten
    Die Klimawirtschaft beschäftigt sich mit der Dekarbonisierung des Büros. INFOS & ANMELDUNG

    02.05.2023 – 15:00-16:00 Uhr, online
    HBS, Panel Discussion Guaranteeing Sustainable Development: Debt Relief for a Green and Inclusive Recovery
    The Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) discusses the question of how emerging market and developing economies (EMDEs) can find financial and fiscal stability while making the investments necessary to transition to sustainable and low-carbon economies. INFOS & REGISTRATION

    02.05.2023 – 17:00 Uhr, Brüssel
    Stiftung Mercator, Conference Turkey Europe Future Forum
    Die Stiftung Mercator bringt junge Führungskräfte aus Europa und der Türkei zusammen. INFOS & REGISTRATION

    02.05.2023 – 18:30-20:00 Uhr, Berlin
    DGAP, Podiumsdiskussion Die Rolle der Schweiz als gewähltes Mitglied des UNO-Sicherheitsrats
    Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) geht der Frage nach, welche Schwerpunkte in der internationalen Politik sich die Schweiz politisch für 2023 und 2024 gesetzt hat. INFOS & ANMELDUNG

    23.05.-25.05.2023, Kapstadt (Südafrika)
    FSR, Seminar Gas market design, structure and regulation (LNGnet)
    The European University Institute (EUI) addresses different aspects of gas market design and regulation.  REGISTRATION BY 28 APRIL

    News

    Methan-Verordnung: ITRE und ENVI stimmen für Bericht

    Wie erwartet haben die Abgeordneten in den beiden federführenden Ausschüssen (Umwelt und Industrie) für den Vorschlag der Grünen-Verhandlungsführerin Jutta Paulus zur Methan-Verordnung gestimmt. Die Abstimmung am Mittwoch fiel mit 114 Ja-Stimmen gegen 15 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen klar für den Text aus. Der Inhalt geht deutlich über den von der Kommission vorgelegten Gesetzesentwurf für die Begrenzung der Methanemissionen im Energiesektor hinaus, beispielsweise bei Importen, die nach dem Willen des Parlaments miterfasst werden sollen.

    “Wir Abgeordnete fordern ambitionierte und stringente Maßnahmen zur Methan-Reduktion. Gerade im Energiebereich können drei Viertel der Methanemissionen mit einfachen Mitteln und ohne große Investitionen vermieden werden“, sagte Paulus anschließend. Die EU importiere über 80 Prozent ihres Gas- und Ölbedarfs sowie 40 Prozent ihres Kohlebedarfs. “Die Ausweitung der Methan-Verordnung auf Energieimporte ist daher für uns Abgeordnete unerlässlich, denn ein Großteil des Methans entweicht außerhalb der EU-Mitgliedstaaten“, sagte die Grünen-Abgeordnete weiter. Ohne die Ausweitung auf Importe sei die EU-Methan-Verordnung wirkungslos. 

    Methan-Ziele für alle relevanten Sektoren

    Die wichtigsten Punkte des EP-Vorschlags:

    • Ein Methanreduktionsziel für 2030 für alle relevanten Sektoren. Der entsprechende Vorschlag von der Kommission soll bis 2025 vorgelegt werden.
    • Importierte Energie soll einbezogen werden. Der Parlamentsvorschlag weitet die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen auf die gesamte Lieferkette fossiler Importe aus.
    • Routinemäßiges Ablassen und Abfackeln  (“venting and flaring”) wird verboten. Die Parlamentsposition stärkt den Kommissionsvorschlag und fordert ein 99-prozentiges Effizienzziel. Leckagen müssen aufgespürt, gemeldet und geschlossen werden. Vorbild ist Norwegen, das aufgrund seiner Methangesetzgebung und -besteuerung eine Methanintensität seiner Produktion von lediglich 0,02 Prozent aufweist (EU-Durchschnitt: 0,2 Prozent).
    • Für Methanemissionen aus Kohleminen gilt ein Grenzwert von maximal fünf Tonnen Methanemissionen auf 1.000 Tonnen Kohleproduktion ab 2027 und maximal drei Tonnen ab 2031. Das gibt Polen, das historisch und gesellschaftlich bedingt in einer schwierigeren Ausgangslage ist, mehr Zeit zur Umsetzung.

    Als Nächstes wird das Europäische Parlament am 8. Mai in Straßburg über die neue Methan-Verordnung debattieren und am 9. oder 10. Mai im Plenum über die Parlamentsposition für die Trilog-Verhandlungen abstimmen. cst

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    Rechnungshof kritisiert fehlende Strategie bei Verteidigungsausgaben

    Der Bericht des Europäischen Rechnungshofs wirft ein kritisches Licht auf die Maßnahmen der EU im Bereich Verteidigung und Sicherheit. Aktuell ist die EU dabei, auf diesem Gebiet deutlich mehr Geld auszugeben. Die Prüferinnen und Prüfer in Luxemburg zeigen sich in ihrem Bericht jedoch bereits von einem Vorläuferprojekt nicht überzeugt.

    Untersucht hat der Rechnungshof das EU-Programm im Bereich Verteidigungsforschung, Preparatory Action on Defence Research (PADR). Es startete 2017 als Testlauf für den Europäischen Verteidigungsfonds (EVF). Für diesen Testlauf standen 90 Millionen Euro zur Verfügung. Das Ziel: Verschiedene Optionen der Finanzierung von Verteidigungsforschung zu testen. Für den Verteidigungsfonds sind in der laufenden siebenjährigen Haushaltsperiode deutlich mehr Mittel vorgesehen, nämlich acht Milliarden Euro.

    Fehlende Strategie, fehlendes Personal

    Verzögerungen beim Vorläuferprogramm PADR und dürftige Ergebnisse hätten leider dazu geführt, dass die EU nur in beschränktem Umfang Erkenntnisse für den Verteidigungsfonds habe gewinnen können, bilanzierte Viorel Ștefan, das für den Bericht zuständige Mitglied des Rechnungshofs. Der EU fehle nach wie vor eine langfristige Strategie für Verteidigungsausgaben. Bisher habe die Kommission hier keine Schwerpunkte festgelegt. So fragen die Rechnungsprüfer, ob über den EVF nicht statt vieler kleiner Projekte nicht besser große und potenziell weltweit wettbewerbsfähige Projekte unterstützt werden sollten. Es sei zudem unklar, ob in den Verteidigungsministerien das nötige Interesse und Engagement gegeben sei, gemeinsam entwickelte Verteidigungsfähigkeiten auch zu beschaffen.

    Probleme sieht der Rechnungshof außerdem mit Blick auf die “begrenzte Verfügbarkeit von Humanressourcen bei der Kommission”, wenn es in Zukunft um die ordnungsgemäße Bewertung von Vorschlägen und ein sachgerechtes Projektmanagement geht. Der Mangel an qualifiziertem Personal sei bei der effizienten Verwaltung des Verteidigungsfonds “ein Risiko”. Die Liste der Kritik des Rechnungshofs endet damit noch nicht: Dazu komme, dass Projektkoordinatoren und Projektteilnehmer bei PADR vorwiegend aus Mitgliedstaaten mit großer Verteidigungsindustrie stammten und die Verfahren zu lange dauerten. sti

    • Verteidigungspolitik

    Mercosur: Spanien will Skeptiker überzeugen

    Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez will die verbliebenen Skeptiker innerhalb der EU überzeugen, grünes Licht für das Handelsabkommen Mercosur zu geben. Das sagte Sánchez bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.

    Das Abkommen zwischen der EU und den vier Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) war 2019 aufgrund von Bedenken, insbesondere aus Frankreich, auf Eis gelegt worden. Sorgen gab es damals vor allem wegen der Abholzung des Amazonasgebiets und Brasiliens mangelndem Engagement für den Klimawandel.

    “Es gibt in der Tat Länder innerhalb der EU, die Zweifel am Zustandekommen dieses wichtigen Abkommens haben, aber ich glaube, dass diese Zweifel ausgeräumt werden sollten, wenn wir an das gesamte Potenzial eines Abkommens dieser Größenordnung denken”, betonte Sánchez am Mittwoch. Spanien pflegt enge Wirtschaftsbeziehungen zu den Mercosur-Ländern. Ziel Spaniens ist, während der EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2023, deutliche Fortschritte beim Abkommen zu erzielen.

    Auch auf südamerikanischer Seite stößt das Abkommen auf Widerstände. Hier stört man sich vor allem an dem nachträglich dazugekommenen Zusatzabkommen, mit dem die EU den Mercosur-Staaten verbindliche Nachhaltigkeitsziele vorgeben will.

    Brasiliens Präsident da Silva twitterte: Er hoffe, dass es in Sachen Mercosur noch in diesem Jahr gute Nachrichten gebe. Das Abkommen sei sehr wichtig für alle Seiten. “Wir wollen, dass es ausgewogen ist und zur Reindustrialisierung Brasiliens beiträgt.” rtr/lei mit dpa

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    ZVEI will Tempo beim Net-Zero Industry Act

    Angesichts des Verkaufs des Wärmepumpenherstellers Viessmann fordert die Elektroindustrie mehr Tempo beim europäischen Net-Zero Industry Act (NZIA). “Die Nachfrage nach klimafreundlichen Technologien wie Wärmepumpen steigt rasant und muss auch durch die hiesige, insbesondere mittelständisch geprägte Industrie weiterhin bedient werden können”, sagte gestern ZVEI-Chef Wolfgang Weber. Deshalb dränge der ZVEI die EU und die Bundesregierung, die Ziele des NZIA entschlossener zu vereinbaren und umzusetzen, hieß es in einer Mitteilung des Verbands.

    “Wir brauchen jetzt einen Booster für alle Netto-Null-Industrien mit deutlich verkürzten Genehmigungsverfahren und auch mit Innovationsförderung“, sagte Weber weiter. Die angekündigten Net-Zero-Resilience-Projekte, die unter anderem auf den Ausbau der Produktionskapazitäten von grünen Technologien zielen, müssten schnell umgesetzt werden. 

    Die Kommission hatte Mitte März Maßnahmen für schnellere Genehmigungen von Produktionskapazitäten für strategische Netto-Null-Projekte und einen leichteren Zugang zu Fördermitteln angekündigt. Die Verabschiedung des NZIA wird sich aber noch hinziehen. Nach der jetzigen Zeitplanung wird der Industrieausschuss des EU-Parlaments erst im Oktober über seine Position abstimmen, erfuhr Table.Media gestern. Bis zu einer Annahme des Gesetzes werden dann noch weitere Monate vergehen. ber

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    EU verfehlt eigenes Stromsparziel deutlich

    Deutschland hat wie die meisten EU-Länder im vergangenen Winter das Krisenziel zum Stromsparen verfehlt. Das geht aus einer Veröffentlichung der Umweltorganisation Ember hervor, die heute erschienen ist. Als Reaktion auf die gestiegenen Preise für Gas und Elektrizität hatten die EU-Staaten im vergangenen Oktober beschlossen, den Stromverbrauch von November 2022 bis März 2023 freiwillig um zehn Prozent zu senken. Nach den Daten von Ember schaffte die EU aber nur eine Reduktion um 6,2 Prozent, auch Deutschland verfehlte das Ziel mit gut sieben Prozent. Anfang des Jahres hatte sich die Zielverfehlung bereits abgezeichnet.

    Durch den gesunkenen Energieverbrauch sparte die Bundesrepublik laut Ember 2,5 Milliarden Euro. Neben dem Preiseffekt war ein weiteres Ziel der Maßnahme, den Brennstoffverbrauch von Gaskraftwerken zu senken und zur Versorgungssicherheit beizutragen. Nach vorläufigen Schätzungen von Ember war der gesunkene Stromverbrauch in Deutschland nicht nur auf eine Veränderung der industriellen Produktion zurückzuführen.

    Von den 27 EU-Staaten übertrafen lediglich Rumänien, die Slowakei und Griechenland das Sparziel von zehn Prozent. In Polen, Dänemark, Malta und Irland stieg der Stromverbrauch sogar – in Irland um mehr als sechs Prozent. Ein weiteres beschlossenes Ziel, die Senkung von Spitzenverbräuchen um fünf Prozent, wurde dagegen laut Ember von der Mehrheit der EU27 erreicht – auch von Deutschland. ber

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    Andreas Löschel – grüne Energiewirtschaft fördern

    Andreas Löschel ist Professor für Umwelt- und Ressourcenökonomik an der Ruhr-Universität Bochum.

    Die Strom- und Gaspreise sind gesunken, die Europäische Union ist auch ohne russisches Gas gut durch den Winter gekommen – trotzdem muss sich der Energiemarkt weiter auf Krisen und Klimawandel einstellen. Andreas Löschel weiß, wie eine grünere Energiewirtschaft aussehen könnte: Er ist Professor für Umwelt- und Ressourcenökonomik an der Ruhr-Universität Bochum und berät sowohl die deutsche als auch die französische Regierung in Energiefragen.

    “Für Ökonomen war das Umweltthema lange eigentlich kein Thema”, sagt Löschel, der 1998 Teil des ersten Graduiertenkollegs zur Umweltökonomik war. In seiner Promotion befasste er sich mit dem Kyoto-Protokoll, es folgten Professuren in Heidelberg und Münster; in Bochum lehrt er seit 2021. Außerdem ist Löschel einer der Leitautoren des fünften und sechsten IPCC-Klimaberichts.

    Sparsam durch den Winter

    Im vergangenen Jahr hat sich der Umweltökonom schon früh damit beschäftigt, wie die Energieversorgung Europas ohne russisches Gas aussehen könnte. Deutschland und die Europäische Union hätten erfolgreicher reagiert, als er zunächst erwartet habe: LNG-Terminals und Gas aus anderen Staaten sorgten für gefüllte Speicher, Haushalte und Unternehmen sparten. “Jetzt dürfen wir uns nicht zurücklehnen“, betont Löschel. Denn dieser Winter sei mild gewesen, im nächsten Jahr könne es wieder anders aussehen.

    “Hohe Preise für fossile Energie dürfen kein temporäres Phänomen sein”, sagt Löschel. Dafür würden in Zukunft auch die neuen Bedingungen im europäischen Emissionshandel und die neuen Emissionsregeln für Gebäude und Verkehr sorgen. Es sei wichtig, dass Unternehmen und Haushalte die hohen Preise spüren – damit sie langfristig sparen: “Die Preise müssen hoch bleiben, auch wenn das für den Einzelnen schmerzhaft ist. Nur so werden langfristige Investitionen angestoßen.” Dann gelte es, Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten, die sich das nicht leisten können.

    Einsatz für eine Europäische Energie-Agentur

    Dabei sei es wichtig, europäische Lösungen zu finden. “Zu Anfang hat Deutschland oft den Eindruck erweckt, es denke beim Gas insbesondere an sich selbst“, sagt Löschel. Die Unsicherheit in Politik und Gesellschaft sei groß gewesen, Energie bislang immer nur günstiger geworden. Viele Unternehmen hätten sich vorher noch nie damit auseinandergesetzt. Löschel sieht seine Aufgabe als Wissenschaftler darin, verschiedene Möglichkeiten aufzuzeigen, wie mit der Situation umzugehen ist – für die Politik und die Öffentlichkeit in den Medien.

    Um die besten Lösungen zu finden, ist die Wissenschaft auf öffentlich verfügbare Daten zum Energiesektor angewiesen – etwa zu Engpässen in den europäischen Netzen. Löschel veröffentlichte deshalb mit anderen Wissenschaftlern am Mittwoch einen Aufruf zur Gründung einer Europäischen Energie-Agentur: “Ohne sie gibt es weder die Grundlage für die notwendige öffentliche Planung noch für private Investitionen, die dem System dienen.”

    Um Transparenz geht es auch in einem weiteren neuen Projekt von Löschel. Der Ökonom entwickelt Umweltlabels für CO₂-intensive Unternehmen, die weniger Emission ausstoßen wollen. Das ist teuer – entsprechend untersucht der Professor, ob und inwieweit neue Labels Unternehmen attraktiver für Investoren machen können. Es reiche nicht, grüne Unternehmen zu skalieren: “Besonders Bereiche, die heute dreckig sind, müssen grün werden.” Jana Hemmersmeier

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