Spanien oder Frankreich klagen schon länger, inzwischen erreicht die Energiepreiskrise auch Deutschland mit Wucht. Viele Industriebetriebe leiden, Millionen Haushalte erhalten Post von ihren Strom- und Gasversorgern: Die Preise steigen drastisch. Wer umzieht oder von seinem bisherigen Versorger im Stich gelassen wurde, muss gar Abschlagszahlungen in doppelter oder dreifache Höhe fürchten. Bundesfinanzminister Christian Lindner stellt nun Hilfen für besonders hart Getroffene in Aussicht. Auf EU-Ebene hat die Bundesregierung bislang eisern weitergehende Eingriffe in die Energiemärkte abgelehnt. Ich bin gespannt, wie lange das noch gilt, wenn die Diskussion zu Hause heiß läuft. Mehr dazu finden Sie in den News.
Heißgelaufen war zuletzt die Debatte um den Plan der EU-Kommission, Kernenergie und Atomkraft zumindest übergangsweise als nachhaltig einzustufen. Luxemburgs Umweltministerin Carole Dieschbourg erklärt im Interview mit Charlotte Wirth, warum sie den Taxonomie-Entwurf für einen “plumpen Versuch des Greenwashings” hält. Und kündigt an: Luxemburg werde sich einer Klage Österreichs anschließen, wenn die Taxonomie in dieser Form angenommen wird.
Zu wenig wahrgenommen in Deutschland werden die unglaublichen Vorgänge in Polen: Im Nachbarland wurden Oppositionspolitiker und eine Staatsanwältin mithilfe der Spionagesoftware Pegasus ausgespäht. Wer dahinter steckt? Man stelle sich einmal vor, auf den Handys von CDU- oder Linken-Abgeordneten würde Spähsoftware gefunden, die die Bundesregierung zuvor beschafft hat. Das Schlimme ist: Der PiS-Regierung traut man es zu. Und was macht die EU-Kommission? Falk Steiner berichtet den Stand der Dinge.
Wie die Bundesregierung mit diesem und anderen Problemen umgeht, darauf wird Undine Ruge erheblichen Einfluss haben: Die bisherige Stellvertreterin von Uwe Corsepius rückt zur Leiterin der Europaabteilung im Bundeskanzleramt auf, wie wir erfahren haben. Sie berichtet damit an Jörg Kukies, für den Kanzler Olaf Scholz den neuen Posten des Staatssekretärs für Wirtschaft, Finanzen und Europa geschaffen hat. Angesichts der Aufgabenfülle von Kukies dürfte die Beamtin einigen Gestaltungsraum erhalten.
Ich hatte es vor Weihnachten bereits angekündigt: Wir erweitern unser Themenangebot. Bislang haben wir Sie im Europe.Table vor allem über Green-Deal-Vorhaben und EU-Digitalpolitik informiert. 2022 werden wir zusätzlich die europäische Gesundheitspolitik in den Blick nehmen. Das Politikfeld war lange eine rein nationale Angelegenheit, aber das gilt nicht mehr. Eugenie Ankowitsch gibt Ihnen in dieser Ausgabe einen Überblick, welche gesundheitspolitischen Initiativen in den kommenden Monaten anstehen.
Frau Dieschbourg, für Sie war der Taxonomie-Entwurf kurz vor Mitternacht des 31. Dezembers (Europe.Table berichtete) sicherlich kein erfreuliches Geschenk.
Man kann es nicht beschönigen. Die Kommission hat kein gutes Zeichen gesetzt, als sie in der Silvesternacht die Taxonomie-Prozedur eingeleitet hat. Ja, Frau von der Leyen hat versprochen, sie wolle bis zum Ende des Jahres liefern und natürlich haben wir uns darauf vorbereitet. Aber der Zeitpunkt war bis zum Schluss nicht klar.
Auch inhaltlich dürfte keine Freude aufkommen: Sie haben dafür gekämpft, dass zumindest die Atomkraft nicht in die Taxonomie aufgenommen wird.
Nein, und ich finde es demokratisch problematisch, wenn Atom und Gas zusammen abgehandelt werden. Das ist eine rein machtpolitische Entscheidung der Kommission, in der es nur darum geht, die nötige Mehrheit zu gewinnen. Für uns ist klar: Atomkraft ist keine Lösung, um den Klimawandel zu bekämpfen. Allein die Entwicklung neuer Technologien ist viel zu langsam. Man schaue sich nur den Reaktor von Flamanville in Frankreich an. Dieser sollte 2012 bereits am Netz sein. Nun wird mit 2023 gerechnet. Währenddessen sind die Kosten explodiert. Atom ist eine unglaublich teurere Energiequelle und jenen Staaten, die sich für die Kernkraft entscheiden, geht es dabei nicht nur um Energiepolitik. Da spielen auch geopolitische Erwägungen eine Rolle.
Wird Luxemburg sich also einer österreichischen Klage anschließen?
Mit den Österreichern sind wir seit Langem in Gesprächen. Wir haben uns gemeinsam vorgenommen, sofort zu reagieren, wenn der Rechtsakt kommt. Wir werden uns also einer Klage anschließen. Anfechten kann man den Rechtsakt erst, wenn die Kommission den Text verabschiedet. Bis dahin analysieren wir Punkt für Punkt den Entwurf. Es geht alleine schon um die Frage, ob ein delegierter Rechtsakt das richtige Instrument ist. Der Entwurf behandelt schließlich substanzielle Fragen. Auch zum Inhalt gibt es einige Fragen, die es juristisch zu prüfen gilt. Politisch sagen wir aber jetzt bereits ganz klar: Diese Taxonomie ist ein No-Go. Da ist die gesamte Luxemburger Regierung auf einer Linie.
Viel Zeit bleibt nicht. Die Kommission plant, das Papier noch diesen Monat formell anzunehmen.
Es gibt ein paar Elemente, die wir noch untersuchen müssen. Einerseits das Vorsorgeprinzip, andererseits die Frage, ob Atomkraft überhaupt einen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten kann, eben weil sie zu teuer und zu langsam ist. In diesem Sinne ist die Kernkraft auch keine “Übergangslösung”, wie im Rechtsakt steht. Dabei handelt es sich seitens der Kommission um eine sehr plumpe Vorgehensweise, über die Taxonomie ein Greenwashing vorzunehmen. Die Kommission setzt im Rechtsakt zum Beispiel hohe Standards, was den Abfall betrifft, ignoriert aber die Tatsache, dass das Endlager-Problem seit Jahrzehnten ungelöst ist. Da hat man eine Ökotoxizität über hunderttausende Jahre hinweg. So etwas ist absolut nicht mit dem Prinzip des Do No Significant Harm in Einklang zu bringen.
Beim Gas sieht es doch nicht anders aus. Es ist eine fossile Energie, die letzten Endes nicht nachhaltig ist.
Genau. Da versucht die Kommission jetzt mit strengeren Normen ab 2030 zu arbeiten. Auch das ist viel zu spät. Für uns ist weder Atom noch Gas grün. Wir kommen gerade von einer Weltklimakonferenz, bei der wir uns dazu verpflichtet haben, in den nächsten zehn Jahren zu liefern. Der Taxonomie-Vorschlag passt nicht zu diesem Vorsatz. Der Sinn des Instruments ist, transparent aufzuschlüsseln, welche Investments als klimafreundlich eingestuft werden können. Fossile Energien und Atomkraft mit einzubeziehen führt das gesamte Instrument ad absurdum.
Läuft man Gefahr, dass die Investments dann statt in erneuerbare Energien in Atom und Gas fließen?
Die Lobbys jedenfalls werden sich freuen. Es geht schließlich um wichtige Finanzspritzen. In der Hinsicht ist eine Einstufung der Kernkraft als “grün” tragisch. Hier werden Gelder blockiert, die wir dringend zur Bekämpfung des Klimawandels und dem Ausbau erneuerbarer Energien brauchen. Eigentlich wollte die EU hier Vorreiter sein und ein Zeichen setzen, welche Investitionen wirklich nachhaltig sind. In dem Sinne hat die Taxonomie auch Auswirkungen auf andere Volkswirtschaften. Wir wollen klimapolitisch ein Exempel setzen und stellen eine Taxonomie vor, die absolut nicht schlüssig ist.
Dann stellt sich allerdings die Frage, wieso eine etwaige Klage sich nur auf die Atomkraft begrenzt? Müsste man nicht gegen beides klagen? Der Luxemburger Energieminister Claude Turmes sagte kürzlich in einem Interview, es sei eine “Frechheit”, dass Gas und Atom zusammen abgehandelt werden. Das Grundsatzproblem der Nachhaltigkeit stellt sich aber genauso beim Gas.
Ja, aber mit jeweils anderen Argumenten. Beides zusammen abzuhandeln ist, wie gesagt, ein Machtspiel der Kommission, um die nötige Mehrheit zu erreichen. Es ist ja klar, dass eine Reihe von EU-Staaten sich gegen Atom wehren würden, würde es nicht auch um Gas gehen. Übrigens: die technische Expertengruppe zum nachhaltigen Finanzwesen hat ursprünglich weder Gas noch Atom als grün einstufen wollen (Europe.Table berichtete). Der Entwurf der Kommission ist das Ergebnis von politischem Lobbying, etwa durch Frankreich. Da muss man politisch dagegenhalten und zeigen, dass es in Europa Stimmen gibt, die ganz klar sagen: “Dieses Instrument wird pervertiert, wenn fossile Energien und Atomkraft eingegliedert werden”.
… Also auch Gas?
Österreich und Luxemburg haben immer beides kritisiert. Andere Länder können sich aufgrund von innenpolitischen Entscheidungen nicht so offen und deutlich positionieren. Genau deswegen spreche ich von einem Demokratiedefizit: Die Kommission hätte die Technologien trennen müssen. Zwischen Gas und Atom gibt es aber noch qualitative Unterschiede, etwa bezüglich der Schwere der Auswirkungen, der Nachsorge und der Umwelteinwirkungen. Der Atommüll wird uns noch über Jahrhunderte begleiten.
Haben Sie gehofft, Deutschland würde sich der Klage anschließen? Es ist ja kein Geheimnis, dass das aufgrund der Gaspolitik nicht der Fall ist. Verliert man damit nicht einen starken Partner?
Wir sind noch nicht am Ende. Am 12. Januar werden sich die Experten äußern und es kommen noch ein paar Etappen auf uns zu.
Sie haben es bereits angesprochen. Die Kommission hat sicherlich einen gewissen Hintergedanken, wenn sie Gas und Kernkraft bündelt. Auch inhaltliche Unschlüssigkeiten, etwa Verweise auf veraltete Rechtstexte, erwecken den Eindruck: man will das jetzt durchdrücken. Wer macht Druck, von der Leyen oder Breton?
(lacht) Die Kommissionsinterna kann ich nicht wirklich kommentieren. Aber es wurde von politischer Seite Druck gemacht, von Anfang an, über alle Wege. Das Resultat ist, dass die Kommission nun diesen Rechtsakt vorlegt. Deswegen müssen wir jetzt klar Position beziehen. Nicht nur Luxemburg und Österreich sind empört über diesen Text. Ein delegierter Rechtsakt ist aber sehr schwer zu kippen. Das weiß die Kommission ganz genau.
Am Inhalt des delegierten Rechtsaktes überrascht, dass Normen für Technologien festgelegt werden, die noch gar nicht auf dem Markt sind. Es ist die Rede von unfalltolerantem Treibstoff oder von der tiefen geologische Endlagerung. Die gibt es aber weltweit noch nicht. Wie sehen Sie das?
Genau das analysieren zurzeit unsere Juristen. Kann man solche Normen und Standards in einem delegierten Rechtsakt festlegen? Auch wird die Atomkraft hier einerseits als Übergangslösung eingestuft, andererseits spricht man aber Technologien an, die es nicht gibt und für die es noch gar keine gesetzliche Basis gibt. Das ist ein plumper Versuch des Greenwashings, der auch dazu dient, das Abfallproblem schönzureden. Wenn man bessere Normen haben will, dann gibt es dazu geeignetere Instrumente als die Taxonomie. Die Lösungen sind schlicht noch nicht da, dabei forschen wir seit Jahrzehnten daran.
Die Kommission hebt immer wieder hervor, die Taxonomie sei lediglich ein Instrument, das Transparenz für Investitionen schaffen soll. Es ginge nicht um Energiepolitik. Sehen sie das ebenso?
Nein. Für mich geht es ganz klar um Energiepolitik. Ja, es ist ein Transparenzinstrument. Doch wenn Gas und Atom als “grün” eingestuft werden, gibt man ein klares Signal an alle Fonds, Banken und den Privatsektor, dass man ruhig in diese Technologien investieren kann. Und wenn man dieses Signal gibt, wie wollen wir dann rechtfertigen, dass man die Technologien aus anderen Beschlüssen ausschließt? Es geht ja hier um Kohärenz. Die Taxonomie prägt jede weitere Diskussion rund um die Gestaltung der Energiewende – über Fonds, über europäische Gelder, auf nationaler und internationaler Ebene, und letztlich darüber, wie öffentliche Gelder investiert werden.
Sie haben es bereits gesagt: Einen delegierten Rechtsakt zu kippen ist schwer. Im Rat braucht es eine umgekehrte qualifizierte Mehrheit, im Parlament eine einfache Mehrheit. Hätten Sie gehofft, dass zumindest unter den europäischen Grünen mehr Konsens herrscht? Gerade in skandinavischen Ländern haben die Grünen keine Probleme mit der Kernkraft.
Wenn man in Bündnissen ist, hat man gewisse Einschränkungen. In Luxemburg haben wir zumindest in diesem Thema den glücklichen Fall, dass wir eine breite politische Mehrheit gegen die Atomkraft haben. In anderen Ländern ist das anders. Je nachdem, in welchen Koalitionen man ist, ist es schwieriger, Position zu beziehen. Demnach können sich manche kritischer gegen Gas, andere gegen Atomkraft aussprechen. Wir versuchen uns jedoch so gut wie möglich zu koordinieren.
Treffen zwischen Ursula von der Leyen und Emmanuel Macron
07.01.2022
Agenda: Im Rahmen des Besuchs der EU-Kommissar:innen in Paris zum Beginn der französischen Ratspräsidentschaft treffen sich Ursula von der Leyen und Emmanuel Macron. Anschließend findet eine gemeinsame Pressekonferenz statt.
Pressekonferenz Live
Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle
10.01.2022 13:45-18:45 Uhr
Akteure: CONT
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem der turnusmäßige Wechsel eines Teils der Mitglieder des Europäischen Rechnungshofes.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Recht
10.01.2022 13:45-15:45/16:45-18:45 Uhr
Akteure: JURI
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem eine Abstimmung über die Stellungnahme zu drittstaatlichen Subventionen mit binnenmarktverzerrender Wirkung.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz
10.01.2022 13:45-16:15 Uhr
Akteure: IMCO
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem der Vorschlag für eine Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung sowie der Jahresbericht Wettbewerbspolitik 2021.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
10.01.2022 15:45-18:45 Uhr
Akteure: AGRI
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem Abstimmungen zur Schaffung eines CO2-Grenzausgleichs, zur Bekämpfung von oligarchischen Strukturen, Schutz von EU-Mitteln vor Betrug und Interessenkonflikten, zur aktuellen Situation und zukünftigen Herausforderungen in der Kohäsionspolitik sowie eine Aussprache mit Janusz Wojciechowski, EU-Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung.
Vorläufige Tagesordnung
Erster Trilog zum Digital Markets Act
11.01.2022
Akteure: Europaparlament, Rat, EU-Kommission
Agenda: Die Unterhändler von Europaparlament und französischer Ratspräsidentschaft nehmen die Trilog-Verhandlungen zum DMA auf. Erklärtes Ziel ist es, im März zu einer Verständigung zu kommen.
Wöchentliche Kommissionssitzung
12.01.2022
Akteure: EU-Kommission
Agenda: Die Kommissar:innen treffen sich zur Klausurtagung, anschließend findet eine Pressekonferenz statt.
Pressekonferenz Live
Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tourismus
13.01.2022 09:00-12:00 Uhr
Akteure: TRAN
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem eine Aussprache mit Frans Timmermans über das “Fit für 55”-Paket.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Entwicklung
13.01.2022 09:00-12:00 Uhr
Akteure: DEVE
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem eine Aussprache mit der EU-Kommission und dem Europäischen Auswärtigen Dienst über deren Mitteilung zur “Global Gateway”-Strategie sowie eine Aussprache mit Vertretern internationaler Organisationen über den Zugang zu Impfstoffen in Entwicklungsländern.
Vorläufige Tagesordnung Hintergrund “Global Gateway”-Strategie
Sitzung des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres
13.01.2022 09:00-12:00/15:30-16:30 Uhr
Akteure: LIBE
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem eine Aussprache mit dem dänischen Minister für Einwanderung und Integration.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten
13.01.2022 13:45-18:45 Uhr
Akteure: EMPL
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem ein Berichtsentwurf zum Europäischen Semester 2022: Beschäftigung und soziale Aspekte im Jahreswachstumsbericht.
Vorläufige Tagesordnung
Die Pegasus-Spyware des umstrittenen israelischen Anbieters NSO Group (Europe.Table berichtete) führt zu immer neuen Machtmissbrauchsvorwürfen in EU-Staaten. Insbesondere drei Fälle in Polen werfen derzeit vielen Fragen an die dortige Regierung auf.
Der Verdacht: Behörden in Polen könnten die mächtige Pegasus-Spyware der NSO Group unrechtmäßig gegen unliebsame Akteure eingesetzt haben. Ein Watergate an der Weichsel? Vertreter der polnischen Regierung streiten bislang jeden unrechtmäßigen Einsatz der israelischen Software ab. Allerdings hatte der umstrittene Hersteller, die NSO Group, zuletzt Polen wie auch Ungarn von der Liste jener Staaten gestrichen, deren Nachrichtendienste und Ermittlungsbehörden als Kunden zulässig wären.
Die Opposition im polnischen Sejm will einen Untersuchungsausschuss einfordern, um die Vorgänge aufklären zu lassen. Seit zuletzt die Gazeta Wyborcza berichten konnte, Rechnungen belegten, dass das Justizministerium in Polen den Einkauf der NSO-Spyware Pegasus aus einem eigentlich für Gewaltopfer vorgesehenen Budget vorgenommen habe, ist der Einsatz durch die Regierung kaum mehr abzustreiten. Offen bleibt vorerst aber, ob sie auch für die drei Fälle Verantwortung trägt und ob der Einsatz unrechtmäßig erfolgte.
Die Staatsanwältin Ewa Wrzosek hatte den Verdacht nach einer Warnung durch Apple Ende November selbst auf Twitter veröffentlicht und Justizminister Zbigniew Ziobro um Erklärungen gebeten. Wrzosek ist in Polen prominent: Sie kämpft seit Jahren für die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft und scheut den Konflikt mit der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nicht. Mehrfach wurde sie von ihrer Behörde an entlegene Tätigkeitsorte abgeordnet, mehrere Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet. Wrzosek gehört zu den aktiven Mitgliedern der Organisation Lex Super Omnia (zu Deutsch etwa “Recht steht über allem”), die die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft zum Ziel hat.
Der zweite mutmaßlich Betroffene ist langjähriger Politiker und derzeit Anwalt: Roman Giertych. Er war für die homophobe Liga polnischer Familien zeitweise sogar Bildungsminister unter PiS-Premier Jarosław Kaczyński. Doch Giertych verteidigte als Anwalt auch Donald Tusk und und befindet sich im Dauerstreit mit Vertretern der PiS-Regierung. Zuletzt wurde 2020 ein Ermittlungsverfahren der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft gegen ihn geführt, das vor Gericht für substanzlos erklärt wurde und im Rechtstaatlichkeitsbericht der EU-Kommission Erwähnung findet. Die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft hat dabei besonders weitgehende Rechte und darf sogar geheimdienstliche Mittel einsetzen.
Krzysztof Brejza, seit 2019 Mitglied des polnischen Senats, ist der dritte mutmaßlich Betroffene. Zuvor war er auch Mitglied des Parlaments, des Sejm, und Wahlkampfleiter von Bürgerplattform-Chef Tusk. In dieser Zeit soll die Pegasus-Spähsoftware auf seinem Telefon aktiv gewesen sein.
Drei Gegner der PiS-Regierung, alle drei mit derselben Software gehackt, einer Software, die ausschließlich Strafverfolgern und Geheimdiensten zur Verfügung gestellt wird. An Zufall lässt sich dabei kaum glauben. Aber handelt es sich um ein planvolles Vorgehen der Regierung in Warschau? Oder agierten übermotivierte Unterstützer in Behörden?
Noch sind diese Fragen nicht zu beantworten. Doch nachdem einige PiS-Vertreter die Vorwürfe zu Weihnachten noch als Unsinn abtun wollten, deutet inzwischen einiges daraufhin, dass diese Debatte Polen weiter in Wallung bringen wird. Nicht zuletzt deshalb, weil Staatsanwälte, Anwälte und Abgeordnete auch bei dem östlichen Nachbarn einem besonderen Schutz unterliegen und der politische Streit in einer Weise ausgetragen wird, der in anderen Staaten Europas kaum vorstellbar ist. Doch die EU überlässt die Aufklärung vorläufig dem Mitgliedstaat.
Auf Anfrage von Europe.Table fordert die EU-Kommission eine innerstaatliche Untersuchung der Vorwürfe: “Jeder Versuch von nationalen Sicherheitsbehörden, illegal auf Daten von Bürgern, inklusive Journalisten und politischen Gegnern, zuzugreifen, ist inakzeptabel”. Die Mitgliedstaaten müssten ihre Nachrichtendienste beaufsichtigen und kontrollieren, um sicherzustellen, dass diese den Grundrechten mit vollem Respekt begegneten. Dies schließe auch den Schutz personenbezogener Daten mit ein, so die Kommission. Die Kommission erwarte von den nationalen Stellen die Untersuchung derartiger Vorfälle. Für die innere Sicherheit seien jedoch die Mitgliedstaaten zuständig (Europe.Table berichtete).
Für die Europaparlamentarierin Sophie in ‘t Veld ist der Verweis auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten inakzeptabel: Die Kommission drücke sich, wie auch der Rat, vor seiner Verantwortung, so die niederländische Abgeordnete (D66/Renew). Die Kommission habe die Verpflichtung, die Verträge durchzusetzen, verstecke sich aber lieber hinter rechtlichen Argumenten. “Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind in Polen und Ungarn kaputt, auf Artikel 2 des EU-Vertrages wird herumgetrampelt.”
Die Kommission müsse handeln, etwa mittels des Rechtsstaats-Konditionalitätsmechanismus, so die Niederländerin. Auch der Rat verfüge mit Artikel 7 EU-Vertrag über ausreichend Möglichkeiten. In ‘t Veld sieht die Reaktion der EU-Institutionen als Teil einer dramatischen Entwicklung: “Diese fortgesetzte Apathie von Rat und Kommission befördert korrupte Möchtegern-Autokraten in Europa, die den Rest des Kontinents in Geiselhaft nehmen”.
In ihrer ersten Rede zur Lage der Nation hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, eine “stärkere europäische Gesundheitsunion” schaffen zu wollen. Im vergangenen Jahr wurde es konkret. Im Mittelpunkt standen Krisenvorsorge und Krisenreaktion, vor allem die Überarbeitung und Erweiterung der Mandate des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) sowie der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Beide Verordnungen müssen noch von Europaparlament und Rat gebilligt werden, was aber lediglich eine Formalität ist, da die politische Einigung bereits erzielt wurde. Anders sieht es bei vielen weiteren Vorhaben aus, die im neuen Jahr für reichlich Diskussionen sorgen dürften.
Darum geht’s:
Am 16. September 2021 hat die EU-Kommission die Europäische Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) eingerichtet. Diese soll die “Entwicklung, Herstellung, Beschaffung und Verteilung von medizinischen Produkten” im Krisenfall sicherstellen. Außerhalb von Krisenzeiten soll HERA etwa Gefahren analysieren, Gegenmaßnahmen entwickeln, Engpässe in den Lieferketten beseitigen und die Bevorratungskapazitäten in der EU erhöhen.
Als Rechtsgrundlage für die Arbeit von HERA hat die EU-Kommission eine Verordnung über den Notfallrahmen für medizinische Gegenmaßnahmen vorgelegt. Diese sorgte Ende 2021 für Streit zwischen Kommission und Rat (Europe.Table berichtete). Zwar befürworteten alle EU-Mitgliedsstaaten die Einrichtung der Behörde im Grundsatz, forderten jedoch ein umfangreiches Mitspracherecht bei den Entscheidungen der HERA. Ende Dezember haben sich die EU-Staaten auf eine gemeinsame Linie geeinigt (Europe.Table berichtete).
Nächste Schritte:
Auf der Grundlage der politischen Einigung im Dezember soll der endgültige Text vom Rat in den ersten Monaten des Jahres 2022 angenommen werden. Dies wird allerdings erst nach dem Abschluss der Verhandlung zur EU-Verordnung zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren erfolgen.
Darum geht’s:
Die Kommission möchte die Fähigkeit der EU stärken, wirksamer auf grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren zu reagieren. Die derzeitige Rechtsgrundlage (der Beschluss zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren) soll durch den Verordnungsvorschlag ersetzt werden, den die Kommission am 11. November 2020 vorgelegt hat. Die Ziele:
Nächste Schritte:
Nach einem ersten Trilog im November und zwei technischen Trilogverhandlungen im Dezember sollen die Verhandlungen in den kommenden Wochen weitergehen. Eine Einigung wird noch im 1. Quartal angestrebt.
Darum geht’s:
Ein europäischer Gesundheitsdatenraum soll für einen europaweit effizienten Austausch und direkten Zugriff auf unterschiedliche Gesundheitsdaten sorgen. Dazu zählen etwa elektronische Patientenakten, Genomikdaten und Informationen aus Patientenregistern, und zwar nicht nur in der Gesundheitsversorgung selbst (Primärnutzung), sondern auch in der Gesundheitsforschung und der Gesundheitspolitik (Sekundärnutzung). Der Datenraum soll sich auf drei Säulen stützen:
Anfang des 2. Quartals 2022 will die Kommission einen entsprechenden Regulierungsvorschlag vorlegen.
Die französische Ratspräsidentschaft will den Ball dann aufnehmen. Dabei müsse ein Gleichgewicht zwischen der Verbesserung der Interoperabilität der europäischen Gesundheitssysteme und einem hohen Schutzniveau der sensiblen Gesundheitsdaten gewährleistet sein, heißt es im Programm.
“Der Gesundheitsdatenraum muss einen besonders schwierigen Drahtseilakt bewältigen”, betont auch EU-Abgeordneter Tiemo Wölken. Zum einen stecke im Teilen von Gesundheitsdaten riesiges Potenzial für Forschung, Prävention und Bekämpfung von Krankheiten. Zum anderen handele es sich bei Gesundheitsdaten aber auch oft um hochsensible, persönliche Daten, die besonderem Schutz bedürften.
Im Zusammenhang mit dem Europäischen Gesundheitsdatenraums werden u.a. der Data Governance Act und der Data Act wichtig (Europe.Table berichtete). Während der Data Governance Act die Datenbörsen regulieren soll, zielt der Data Act auf den rechtmäßigen Zugang und die Nutzung der Daten ab. Der Gesetzesentwurf für den Data Act war zuletzt für den 1. Dezember 2021 vorgesehen, fiel aber wegen vieler offener Fragen durch den Ausschuss für Regulierungskontrolle (Europe.Table berichtete). Der nächste Anlauf soll am 23. Februar 2022 stattfinden. Beim Data Governance Act fehlt nur noch die formelle Zustimmung des Rats der Mitgliedstaaten und des EU-Parlaments.
Nächste Schritte:
Die EU-Kommission will am 5. April 2022 (tbc) einen Verordnungsvorschlag zur Schaffung des Gesundheitsdatenraums vorlegen. Im Vorfeld wird laut Programm der französischen Ratspräsidentschaft am 2. Februar 2022 eine Ministerkonferenz zu den Themen Staatsbürgerschaft, Ethik und Gesundheitsdaten stattfinden.
Darum geht’s:
Systeme mit Künstlicher Intelligenz (KI) werden im Gesundheitswesen längst eingesetzt, ihre Bedeutung dürfte in den kommenden Jahren weiter wachsen. Die Kommission hat im April 2021 einen Vorschlag vorgelegt, mit dem KI auf europäischer Ebene reguliert und gefördert werden soll. Der Vorschlag wird auch für den Gesundheitssektor weitreichende Konsequenzen haben.
Die Kommission verfolgt dabei einen risikobasierten Ansatz: Je nach Gefährdungspotenzial der KI etwa für Gesundheit, Sicherheit und Grundrechte sollen unterschiedliche Anforderungen gelten.
KI-Systemen, die gleichzeitig ein Produkt im Sinne der Medizinprodukteverordnung und der In-vitro-Diagnostik darstellen, wird ein hohes Risiko bescheinigt. Damit wird voraussichtlich ein Großteil der KI-Anwendungen im Gesundheitswesen als Hochrisiko-KI-Systeme gelten. Sie müssen also strenge Anforderungen erfüllen, unter anderem etwa ein Konformitätsbewertungsverfahren durchführen. Geprüft werden dabei die Datenqualität, Dokumentation, Transparenz und Nachvollziehbarkeit, menschliche Aufsicht, Robustheit, Genauigkeit und Sicherheit.
Nächste Schritte:
Obwohl die EU-Kommission den Vorschlang im April 2021 vorgelegt hat, steht der Rat erst am Anfang der Verhandlungen. Auch das Parlament hat zunächst lediglich die Berichterstatter benannt (Europe.Table berichtete). In Ihrem Programm hat die französische Ratspräsidentschaft angekündigt, die Entwicklung von “vertrauenswürdiger künstlicher Intelligenz im Dienste der Menschen” zu einer ihrer Prioritäten zu machen, allerdings ohne konkrete Zeiträume zu nennen. Es heißt darin lediglich: Die Prüfung der Verordnung soll fortgesetzt werden, um “einen ausgewogenen Rechtsrahmen zu schaffen, der eine verstärkte Innovationsdynamik und gleichzeitig einen angemessenen Schutz der Grundrechte gewährleistet”.
Die französische Datenschutzaufsichtsbehörde CNIL hat in zwei Verfahren gegen Google und Facebook am 31. Dezember insgesamt 210 Millionen Euro Bußgelder verhängt, wie die Behörde nun mitteilte. Davon entfallen 150 Millionen Euro auf Google und 60 Millionen auf Facebook. Im Fall von Google sieht die CNIL die europäische Tochter und die US-Firma als Joint Controller, also gemeinsam für die Datenverarbeitung verantwortliche Stellen, im Fall von Facebook die französische und die europäische Tochter mit Sitz in Irland.
In beiden Verfahren ging es darum, dass das Ablehnen von Cookies aus Sicht der CNIL künstlich erschwert wird und irreführend ist. Dies sei mit dem Auslaufen einer Übergangsregelung im französischen Recht seit Ende März 2021 unzulässig. Google habe es, so die CNIL, den Nutzern unerlaubterweise erschwert, Cookies abzulehnen. Konkret geprüft hat die Datenschutzaufsichtsbehörde nach eigenen Angaben dabei die Websites google.fr und youtube.fr. Bei facebook.com sah die CNIL die Erschwerung des Ablehnens von Cookies ebenfalls als unzulässig an.
Die französische Datenschutzaufsichtsbehörde hat der Entscheidung zugrunde gelegt, dass das Prinzip des One-Stop-Shops, also der Zuständigkeit einer federführenden Datenschutzaufsicht entfalle, da die Datenschutzgrundverordnung hier keine Anwendung finde. In diesem Fall wäre dies wohl die umstrittene irische DPC (Europe.Table berichtete). Regulatorisch seien Cookies Teil der Regelungen der europäischen E-Privacy-Richtlinie und deren Umsetzung in nationales Recht.
Zusätzlich zum Bußgeld hat die CNIL in beiden Fällen eine Unterlassungsanordnung erlassen und verfügt, dass bei Nichtbefolgung nach einer Schonfrist von drei Monaten jeweils täglich weitere 100.000 Euro Strafe fällig würden. fst
Der Betrug mit Kryptowährungen hat im vergangenen Jahr laut einer Studie Rekordausmaße erreicht. Allerdings erhöhte sich auch das gesamte gehandelte Volumen von Cyberdevisen massiv. Nach Angaben der Marktforschungsfirma Chainalysis wurden 2021 bei kriminellen Machenschaften Kryptowährungen im Wert von 14 Milliarden Dollar veruntreut. Das sind 80 Prozent mehr als im Jahr davor und so viel wie noch nie. Das Gesamtvolumen im Krypto-Handel verfünffachte sich der Studie zufolge auf 15,8 Billionen Dollar.
Kryptowährungen und andere Finanzprodukte aus der Cyber-Welt wie Non-Fungible Tokens (NFT) hatten im vergangenen Jahr einen Boom erlebt. Die größte und bekannteste Kryptowährung Bitcoin stieg 2021 auf ein Rekordhoch von knapp 69.000 Dollar und gewann in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt 60 Prozent. Aktuell kostet ein Bitcoin 42.900 Dollar.
Cyberdevisen werden durch hochkomplexe Berechnungen von Computern erzeugt und im Gegensatz zu klassischen Währungen wie Euro oder Dollar nicht von Notenbanken kontrolliert. Wegen der Betrugsfälle mit Kryptowährungen sind Aufsichtsbehörden alarmiert. Sie warnen vor allem Privatleute vor möglichen Totalausfällen ihrer Krypto-Investments. Weltweit arbeiten Finanzaufseher deshalb an einer geeigneten Regulierung für die Branche. rtr
Bundesfinanzminister Christian Lindner stellt angesichts der steigenden Energiepreise sozial schwächeren Menschen finanzielle Hilfen in Aussicht. “Ich sage zu, mit den Möglichkeiten, die ich habe, dass wir eine solche solidarische Unterstützung der Menschen, die besonders betroffen sind von den gestiegenen Kosten beim Heizen, auch finanzieren werden”, sagte der FDP-Chef beim virtuellen Dreikönigstreffen der Liberalen am Donnerstag. Aus dem Bundesfinanzministerium hieß es ergänzend, Lindner habe sich dabei auf den im Koalitionsvertrag vorgesehenen einmalig erhöhten Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger bezogen.
Zugleich mahnte der FDP-Chef auch finanzielle Solidität an. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse müsse wie vorgesehen im nächsten Jahr wieder eingehalten werden. Es sei ihm wichtig, “dass Deutschland weiter Anwalt von Stabilität bleibt”, sagte Lindner. Es werde gelingen, die geplante Kreditaufnahme des Landes zu reduzieren. So werde es wohl möglich sein, mehr als zehn Milliarden Euro weniger an neuen Krediten aufzunehmen als es die alte Bundesregierung vorgesehen habe. Mit Blick auf die Euro-Zone sieht Lindner zudem keinen Bedarf einer Reform des Stabilitätspaktes. Das Regelwerk habe sich bewährt.
Verbraucherschützer haben die hohen Preis-Aufschläge von Grundversorgern für Neukunden derweil scharf kritisiert, nachdem Anbieter wie Stromio Stromlieferverträge gekündigt hatten. “Die einseitige Vertragskündigung von Stromio und die verzögerte Mitteilung an die Betroffenen ist aus Sicht der Verbraucherzentrale NRW skandalös”, erklärte diese am Donnerstag. Die Haushalte stünden zwar nicht ohne Energie da, sondern rutschten automatisch in die Ersatzversorgung des kommunalen Energieanbieters. Doch einige Grundversorger verlangten nun von Neukunden Strompreise, die um ein Vielfaches höher lägen als die der Bestandskunden.
Im Zuge der Preisexplosion bei Strom und Gas haben mehrere Anbieter in den vergangenen Wochen den Kunden die Lieferverträge gekündigt. Allein im Fall von Stromio sprechen Verbraucherschützer von mehreren hunderttausend betroffenen Haushalten. Dem Vergleichsportal Check24 zufolge haben rund 260 Grundversorger neue Tarife ausschließlich für Neukunden eingeführt. Hier wurden die Preise um durchschnittlich 105,8 Prozent angehoben, was zu Zusatzkosten von 1735 Euro pro Jahr führe. rtr
Thinktank “Agora Energiewende”: Deutschland entfernt sich von Klimazielen | tagesschau.de
Ebenso wie die Digitalisierung ist der Welthandel ein sich stets im Wandel befindender Prozess. Gerade deshalb gebe es zwischen den beiden Faktoren viele Dimensionenüberschneidungen, sagt Bernd Lange. Bernd Lange ist seit 2014 Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel im Europäischen Parlament und außerdem Berichterstatter für die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA.
Von 1994 bis 2004 saß er das erste Mal für die sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament und tut es seit 2009 wieder. In der SPD ist er seit 1974, ursprünglich eingetreten war er, um ein Jugendzentrum in seiner Studienstadt Göttingen zu retten, wo er von 1974 bis 1981 Politikwissenschaft und evangelische Theologie studierte.
Laut Bernd Lange gibt es drei Hauptaspekte im Zusammenspiel von Digitalisierung und internationalem Handel. Zum einen den freien Datenverkehr. Der zweite Aspekt sind Transparenz und die Vereinfachung von Lieferketten und deren Strukturen. Durch Distributed Ledger-Technologien wie Blockchain und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz soll diese Transparenz technisch unterstützt werden. Der dritte Aspekt ist die Sicherheit und Vertraulichkeit von Handelsbeziehungen.
Dass sich der Handel verändern wird, sei sehr wahrscheinlich. “In Zukunft wird immer mehr mit Daten und geistigem Eigentum gehandelt werden, aber auch mit Dienstleistungen”, sagt Lange voraus. Die Relevanz des Handels werde dabei eher steigen, statt sinken. Schließlich mache er bereits jetzt ein Drittel der Wertschöpfung der EU aus und bildet dadurch einen ihrer wichtigsten Wirtschaftsfaktoren. Von daher seien konkrete Gesetzesvorhaben wie ein europäisches Lieferkettengesetz, die fairen Handel garantieren können, wichtig.
Auch was den Aspekt der digitalen Souveränität betrifft, seien Regeln erforderlich, sagt Lange. Zum Beispiel Datenabkommen, die es zu jedem bilateralen Handelsabkommen geben müsse. Die EU-US-Privacy Shield-Vereinbarung, die 2016 als Nachfolger von Safe Harbor in Kraft trat und 2020 vom Europäischen Gerichtshof so wie schon zuvor Safe Harbor für nicht ausreichend erklärt wurde, ist ein exemplarisches Beispiel dafür.
Ob die Sozialdemokraten eine wichtige Rolle beim Wandel des Handelsbegriffs spielen werden? Bernd Lange lächelt, als er versichert: “Die SPD schreibt aktiv mit am Handelskapitel, das war besonders in den Koalitionsverhandlungen zu erkennen”. Er klingt zuversichtlich. Und obwohl er heute ganz andere Ziele verfolgt als 1974, lässt sich in seinem Optimismus immer noch der junge Mann erkennen, der ein Jugendzentrum retten konnte. Anouk Schlung
Spanien oder Frankreich klagen schon länger, inzwischen erreicht die Energiepreiskrise auch Deutschland mit Wucht. Viele Industriebetriebe leiden, Millionen Haushalte erhalten Post von ihren Strom- und Gasversorgern: Die Preise steigen drastisch. Wer umzieht oder von seinem bisherigen Versorger im Stich gelassen wurde, muss gar Abschlagszahlungen in doppelter oder dreifache Höhe fürchten. Bundesfinanzminister Christian Lindner stellt nun Hilfen für besonders hart Getroffene in Aussicht. Auf EU-Ebene hat die Bundesregierung bislang eisern weitergehende Eingriffe in die Energiemärkte abgelehnt. Ich bin gespannt, wie lange das noch gilt, wenn die Diskussion zu Hause heiß läuft. Mehr dazu finden Sie in den News.
Heißgelaufen war zuletzt die Debatte um den Plan der EU-Kommission, Kernenergie und Atomkraft zumindest übergangsweise als nachhaltig einzustufen. Luxemburgs Umweltministerin Carole Dieschbourg erklärt im Interview mit Charlotte Wirth, warum sie den Taxonomie-Entwurf für einen “plumpen Versuch des Greenwashings” hält. Und kündigt an: Luxemburg werde sich einer Klage Österreichs anschließen, wenn die Taxonomie in dieser Form angenommen wird.
Zu wenig wahrgenommen in Deutschland werden die unglaublichen Vorgänge in Polen: Im Nachbarland wurden Oppositionspolitiker und eine Staatsanwältin mithilfe der Spionagesoftware Pegasus ausgespäht. Wer dahinter steckt? Man stelle sich einmal vor, auf den Handys von CDU- oder Linken-Abgeordneten würde Spähsoftware gefunden, die die Bundesregierung zuvor beschafft hat. Das Schlimme ist: Der PiS-Regierung traut man es zu. Und was macht die EU-Kommission? Falk Steiner berichtet den Stand der Dinge.
Wie die Bundesregierung mit diesem und anderen Problemen umgeht, darauf wird Undine Ruge erheblichen Einfluss haben: Die bisherige Stellvertreterin von Uwe Corsepius rückt zur Leiterin der Europaabteilung im Bundeskanzleramt auf, wie wir erfahren haben. Sie berichtet damit an Jörg Kukies, für den Kanzler Olaf Scholz den neuen Posten des Staatssekretärs für Wirtschaft, Finanzen und Europa geschaffen hat. Angesichts der Aufgabenfülle von Kukies dürfte die Beamtin einigen Gestaltungsraum erhalten.
Ich hatte es vor Weihnachten bereits angekündigt: Wir erweitern unser Themenangebot. Bislang haben wir Sie im Europe.Table vor allem über Green-Deal-Vorhaben und EU-Digitalpolitik informiert. 2022 werden wir zusätzlich die europäische Gesundheitspolitik in den Blick nehmen. Das Politikfeld war lange eine rein nationale Angelegenheit, aber das gilt nicht mehr. Eugenie Ankowitsch gibt Ihnen in dieser Ausgabe einen Überblick, welche gesundheitspolitischen Initiativen in den kommenden Monaten anstehen.
Frau Dieschbourg, für Sie war der Taxonomie-Entwurf kurz vor Mitternacht des 31. Dezembers (Europe.Table berichtete) sicherlich kein erfreuliches Geschenk.
Man kann es nicht beschönigen. Die Kommission hat kein gutes Zeichen gesetzt, als sie in der Silvesternacht die Taxonomie-Prozedur eingeleitet hat. Ja, Frau von der Leyen hat versprochen, sie wolle bis zum Ende des Jahres liefern und natürlich haben wir uns darauf vorbereitet. Aber der Zeitpunkt war bis zum Schluss nicht klar.
Auch inhaltlich dürfte keine Freude aufkommen: Sie haben dafür gekämpft, dass zumindest die Atomkraft nicht in die Taxonomie aufgenommen wird.
Nein, und ich finde es demokratisch problematisch, wenn Atom und Gas zusammen abgehandelt werden. Das ist eine rein machtpolitische Entscheidung der Kommission, in der es nur darum geht, die nötige Mehrheit zu gewinnen. Für uns ist klar: Atomkraft ist keine Lösung, um den Klimawandel zu bekämpfen. Allein die Entwicklung neuer Technologien ist viel zu langsam. Man schaue sich nur den Reaktor von Flamanville in Frankreich an. Dieser sollte 2012 bereits am Netz sein. Nun wird mit 2023 gerechnet. Währenddessen sind die Kosten explodiert. Atom ist eine unglaublich teurere Energiequelle und jenen Staaten, die sich für die Kernkraft entscheiden, geht es dabei nicht nur um Energiepolitik. Da spielen auch geopolitische Erwägungen eine Rolle.
Wird Luxemburg sich also einer österreichischen Klage anschließen?
Mit den Österreichern sind wir seit Langem in Gesprächen. Wir haben uns gemeinsam vorgenommen, sofort zu reagieren, wenn der Rechtsakt kommt. Wir werden uns also einer Klage anschließen. Anfechten kann man den Rechtsakt erst, wenn die Kommission den Text verabschiedet. Bis dahin analysieren wir Punkt für Punkt den Entwurf. Es geht alleine schon um die Frage, ob ein delegierter Rechtsakt das richtige Instrument ist. Der Entwurf behandelt schließlich substanzielle Fragen. Auch zum Inhalt gibt es einige Fragen, die es juristisch zu prüfen gilt. Politisch sagen wir aber jetzt bereits ganz klar: Diese Taxonomie ist ein No-Go. Da ist die gesamte Luxemburger Regierung auf einer Linie.
Viel Zeit bleibt nicht. Die Kommission plant, das Papier noch diesen Monat formell anzunehmen.
Es gibt ein paar Elemente, die wir noch untersuchen müssen. Einerseits das Vorsorgeprinzip, andererseits die Frage, ob Atomkraft überhaupt einen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten kann, eben weil sie zu teuer und zu langsam ist. In diesem Sinne ist die Kernkraft auch keine “Übergangslösung”, wie im Rechtsakt steht. Dabei handelt es sich seitens der Kommission um eine sehr plumpe Vorgehensweise, über die Taxonomie ein Greenwashing vorzunehmen. Die Kommission setzt im Rechtsakt zum Beispiel hohe Standards, was den Abfall betrifft, ignoriert aber die Tatsache, dass das Endlager-Problem seit Jahrzehnten ungelöst ist. Da hat man eine Ökotoxizität über hunderttausende Jahre hinweg. So etwas ist absolut nicht mit dem Prinzip des Do No Significant Harm in Einklang zu bringen.
Beim Gas sieht es doch nicht anders aus. Es ist eine fossile Energie, die letzten Endes nicht nachhaltig ist.
Genau. Da versucht die Kommission jetzt mit strengeren Normen ab 2030 zu arbeiten. Auch das ist viel zu spät. Für uns ist weder Atom noch Gas grün. Wir kommen gerade von einer Weltklimakonferenz, bei der wir uns dazu verpflichtet haben, in den nächsten zehn Jahren zu liefern. Der Taxonomie-Vorschlag passt nicht zu diesem Vorsatz. Der Sinn des Instruments ist, transparent aufzuschlüsseln, welche Investments als klimafreundlich eingestuft werden können. Fossile Energien und Atomkraft mit einzubeziehen führt das gesamte Instrument ad absurdum.
Läuft man Gefahr, dass die Investments dann statt in erneuerbare Energien in Atom und Gas fließen?
Die Lobbys jedenfalls werden sich freuen. Es geht schließlich um wichtige Finanzspritzen. In der Hinsicht ist eine Einstufung der Kernkraft als “grün” tragisch. Hier werden Gelder blockiert, die wir dringend zur Bekämpfung des Klimawandels und dem Ausbau erneuerbarer Energien brauchen. Eigentlich wollte die EU hier Vorreiter sein und ein Zeichen setzen, welche Investitionen wirklich nachhaltig sind. In dem Sinne hat die Taxonomie auch Auswirkungen auf andere Volkswirtschaften. Wir wollen klimapolitisch ein Exempel setzen und stellen eine Taxonomie vor, die absolut nicht schlüssig ist.
Dann stellt sich allerdings die Frage, wieso eine etwaige Klage sich nur auf die Atomkraft begrenzt? Müsste man nicht gegen beides klagen? Der Luxemburger Energieminister Claude Turmes sagte kürzlich in einem Interview, es sei eine “Frechheit”, dass Gas und Atom zusammen abgehandelt werden. Das Grundsatzproblem der Nachhaltigkeit stellt sich aber genauso beim Gas.
Ja, aber mit jeweils anderen Argumenten. Beides zusammen abzuhandeln ist, wie gesagt, ein Machtspiel der Kommission, um die nötige Mehrheit zu erreichen. Es ist ja klar, dass eine Reihe von EU-Staaten sich gegen Atom wehren würden, würde es nicht auch um Gas gehen. Übrigens: die technische Expertengruppe zum nachhaltigen Finanzwesen hat ursprünglich weder Gas noch Atom als grün einstufen wollen (Europe.Table berichtete). Der Entwurf der Kommission ist das Ergebnis von politischem Lobbying, etwa durch Frankreich. Da muss man politisch dagegenhalten und zeigen, dass es in Europa Stimmen gibt, die ganz klar sagen: “Dieses Instrument wird pervertiert, wenn fossile Energien und Atomkraft eingegliedert werden”.
… Also auch Gas?
Österreich und Luxemburg haben immer beides kritisiert. Andere Länder können sich aufgrund von innenpolitischen Entscheidungen nicht so offen und deutlich positionieren. Genau deswegen spreche ich von einem Demokratiedefizit: Die Kommission hätte die Technologien trennen müssen. Zwischen Gas und Atom gibt es aber noch qualitative Unterschiede, etwa bezüglich der Schwere der Auswirkungen, der Nachsorge und der Umwelteinwirkungen. Der Atommüll wird uns noch über Jahrhunderte begleiten.
Haben Sie gehofft, Deutschland würde sich der Klage anschließen? Es ist ja kein Geheimnis, dass das aufgrund der Gaspolitik nicht der Fall ist. Verliert man damit nicht einen starken Partner?
Wir sind noch nicht am Ende. Am 12. Januar werden sich die Experten äußern und es kommen noch ein paar Etappen auf uns zu.
Sie haben es bereits angesprochen. Die Kommission hat sicherlich einen gewissen Hintergedanken, wenn sie Gas und Kernkraft bündelt. Auch inhaltliche Unschlüssigkeiten, etwa Verweise auf veraltete Rechtstexte, erwecken den Eindruck: man will das jetzt durchdrücken. Wer macht Druck, von der Leyen oder Breton?
(lacht) Die Kommissionsinterna kann ich nicht wirklich kommentieren. Aber es wurde von politischer Seite Druck gemacht, von Anfang an, über alle Wege. Das Resultat ist, dass die Kommission nun diesen Rechtsakt vorlegt. Deswegen müssen wir jetzt klar Position beziehen. Nicht nur Luxemburg und Österreich sind empört über diesen Text. Ein delegierter Rechtsakt ist aber sehr schwer zu kippen. Das weiß die Kommission ganz genau.
Am Inhalt des delegierten Rechtsaktes überrascht, dass Normen für Technologien festgelegt werden, die noch gar nicht auf dem Markt sind. Es ist die Rede von unfalltolerantem Treibstoff oder von der tiefen geologische Endlagerung. Die gibt es aber weltweit noch nicht. Wie sehen Sie das?
Genau das analysieren zurzeit unsere Juristen. Kann man solche Normen und Standards in einem delegierten Rechtsakt festlegen? Auch wird die Atomkraft hier einerseits als Übergangslösung eingestuft, andererseits spricht man aber Technologien an, die es nicht gibt und für die es noch gar keine gesetzliche Basis gibt. Das ist ein plumper Versuch des Greenwashings, der auch dazu dient, das Abfallproblem schönzureden. Wenn man bessere Normen haben will, dann gibt es dazu geeignetere Instrumente als die Taxonomie. Die Lösungen sind schlicht noch nicht da, dabei forschen wir seit Jahrzehnten daran.
Die Kommission hebt immer wieder hervor, die Taxonomie sei lediglich ein Instrument, das Transparenz für Investitionen schaffen soll. Es ginge nicht um Energiepolitik. Sehen sie das ebenso?
Nein. Für mich geht es ganz klar um Energiepolitik. Ja, es ist ein Transparenzinstrument. Doch wenn Gas und Atom als “grün” eingestuft werden, gibt man ein klares Signal an alle Fonds, Banken und den Privatsektor, dass man ruhig in diese Technologien investieren kann. Und wenn man dieses Signal gibt, wie wollen wir dann rechtfertigen, dass man die Technologien aus anderen Beschlüssen ausschließt? Es geht ja hier um Kohärenz. Die Taxonomie prägt jede weitere Diskussion rund um die Gestaltung der Energiewende – über Fonds, über europäische Gelder, auf nationaler und internationaler Ebene, und letztlich darüber, wie öffentliche Gelder investiert werden.
Sie haben es bereits gesagt: Einen delegierten Rechtsakt zu kippen ist schwer. Im Rat braucht es eine umgekehrte qualifizierte Mehrheit, im Parlament eine einfache Mehrheit. Hätten Sie gehofft, dass zumindest unter den europäischen Grünen mehr Konsens herrscht? Gerade in skandinavischen Ländern haben die Grünen keine Probleme mit der Kernkraft.
Wenn man in Bündnissen ist, hat man gewisse Einschränkungen. In Luxemburg haben wir zumindest in diesem Thema den glücklichen Fall, dass wir eine breite politische Mehrheit gegen die Atomkraft haben. In anderen Ländern ist das anders. Je nachdem, in welchen Koalitionen man ist, ist es schwieriger, Position zu beziehen. Demnach können sich manche kritischer gegen Gas, andere gegen Atomkraft aussprechen. Wir versuchen uns jedoch so gut wie möglich zu koordinieren.
Treffen zwischen Ursula von der Leyen und Emmanuel Macron
07.01.2022
Agenda: Im Rahmen des Besuchs der EU-Kommissar:innen in Paris zum Beginn der französischen Ratspräsidentschaft treffen sich Ursula von der Leyen und Emmanuel Macron. Anschließend findet eine gemeinsame Pressekonferenz statt.
Pressekonferenz Live
Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle
10.01.2022 13:45-18:45 Uhr
Akteure: CONT
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem der turnusmäßige Wechsel eines Teils der Mitglieder des Europäischen Rechnungshofes.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Recht
10.01.2022 13:45-15:45/16:45-18:45 Uhr
Akteure: JURI
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem eine Abstimmung über die Stellungnahme zu drittstaatlichen Subventionen mit binnenmarktverzerrender Wirkung.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz
10.01.2022 13:45-16:15 Uhr
Akteure: IMCO
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem der Vorschlag für eine Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung sowie der Jahresbericht Wettbewerbspolitik 2021.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
10.01.2022 15:45-18:45 Uhr
Akteure: AGRI
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem Abstimmungen zur Schaffung eines CO2-Grenzausgleichs, zur Bekämpfung von oligarchischen Strukturen, Schutz von EU-Mitteln vor Betrug und Interessenkonflikten, zur aktuellen Situation und zukünftigen Herausforderungen in der Kohäsionspolitik sowie eine Aussprache mit Janusz Wojciechowski, EU-Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung.
Vorläufige Tagesordnung
Erster Trilog zum Digital Markets Act
11.01.2022
Akteure: Europaparlament, Rat, EU-Kommission
Agenda: Die Unterhändler von Europaparlament und französischer Ratspräsidentschaft nehmen die Trilog-Verhandlungen zum DMA auf. Erklärtes Ziel ist es, im März zu einer Verständigung zu kommen.
Wöchentliche Kommissionssitzung
12.01.2022
Akteure: EU-Kommission
Agenda: Die Kommissar:innen treffen sich zur Klausurtagung, anschließend findet eine Pressekonferenz statt.
Pressekonferenz Live
Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tourismus
13.01.2022 09:00-12:00 Uhr
Akteure: TRAN
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem eine Aussprache mit Frans Timmermans über das “Fit für 55”-Paket.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Entwicklung
13.01.2022 09:00-12:00 Uhr
Akteure: DEVE
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem eine Aussprache mit der EU-Kommission und dem Europäischen Auswärtigen Dienst über deren Mitteilung zur “Global Gateway”-Strategie sowie eine Aussprache mit Vertretern internationaler Organisationen über den Zugang zu Impfstoffen in Entwicklungsländern.
Vorläufige Tagesordnung Hintergrund “Global Gateway”-Strategie
Sitzung des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres
13.01.2022 09:00-12:00/15:30-16:30 Uhr
Akteure: LIBE
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem eine Aussprache mit dem dänischen Minister für Einwanderung und Integration.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten
13.01.2022 13:45-18:45 Uhr
Akteure: EMPL
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem ein Berichtsentwurf zum Europäischen Semester 2022: Beschäftigung und soziale Aspekte im Jahreswachstumsbericht.
Vorläufige Tagesordnung
Die Pegasus-Spyware des umstrittenen israelischen Anbieters NSO Group (Europe.Table berichtete) führt zu immer neuen Machtmissbrauchsvorwürfen in EU-Staaten. Insbesondere drei Fälle in Polen werfen derzeit vielen Fragen an die dortige Regierung auf.
Der Verdacht: Behörden in Polen könnten die mächtige Pegasus-Spyware der NSO Group unrechtmäßig gegen unliebsame Akteure eingesetzt haben. Ein Watergate an der Weichsel? Vertreter der polnischen Regierung streiten bislang jeden unrechtmäßigen Einsatz der israelischen Software ab. Allerdings hatte der umstrittene Hersteller, die NSO Group, zuletzt Polen wie auch Ungarn von der Liste jener Staaten gestrichen, deren Nachrichtendienste und Ermittlungsbehörden als Kunden zulässig wären.
Die Opposition im polnischen Sejm will einen Untersuchungsausschuss einfordern, um die Vorgänge aufklären zu lassen. Seit zuletzt die Gazeta Wyborcza berichten konnte, Rechnungen belegten, dass das Justizministerium in Polen den Einkauf der NSO-Spyware Pegasus aus einem eigentlich für Gewaltopfer vorgesehenen Budget vorgenommen habe, ist der Einsatz durch die Regierung kaum mehr abzustreiten. Offen bleibt vorerst aber, ob sie auch für die drei Fälle Verantwortung trägt und ob der Einsatz unrechtmäßig erfolgte.
Die Staatsanwältin Ewa Wrzosek hatte den Verdacht nach einer Warnung durch Apple Ende November selbst auf Twitter veröffentlicht und Justizminister Zbigniew Ziobro um Erklärungen gebeten. Wrzosek ist in Polen prominent: Sie kämpft seit Jahren für die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft und scheut den Konflikt mit der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nicht. Mehrfach wurde sie von ihrer Behörde an entlegene Tätigkeitsorte abgeordnet, mehrere Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet. Wrzosek gehört zu den aktiven Mitgliedern der Organisation Lex Super Omnia (zu Deutsch etwa “Recht steht über allem”), die die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft zum Ziel hat.
Der zweite mutmaßlich Betroffene ist langjähriger Politiker und derzeit Anwalt: Roman Giertych. Er war für die homophobe Liga polnischer Familien zeitweise sogar Bildungsminister unter PiS-Premier Jarosław Kaczyński. Doch Giertych verteidigte als Anwalt auch Donald Tusk und und befindet sich im Dauerstreit mit Vertretern der PiS-Regierung. Zuletzt wurde 2020 ein Ermittlungsverfahren der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft gegen ihn geführt, das vor Gericht für substanzlos erklärt wurde und im Rechtstaatlichkeitsbericht der EU-Kommission Erwähnung findet. Die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft hat dabei besonders weitgehende Rechte und darf sogar geheimdienstliche Mittel einsetzen.
Krzysztof Brejza, seit 2019 Mitglied des polnischen Senats, ist der dritte mutmaßlich Betroffene. Zuvor war er auch Mitglied des Parlaments, des Sejm, und Wahlkampfleiter von Bürgerplattform-Chef Tusk. In dieser Zeit soll die Pegasus-Spähsoftware auf seinem Telefon aktiv gewesen sein.
Drei Gegner der PiS-Regierung, alle drei mit derselben Software gehackt, einer Software, die ausschließlich Strafverfolgern und Geheimdiensten zur Verfügung gestellt wird. An Zufall lässt sich dabei kaum glauben. Aber handelt es sich um ein planvolles Vorgehen der Regierung in Warschau? Oder agierten übermotivierte Unterstützer in Behörden?
Noch sind diese Fragen nicht zu beantworten. Doch nachdem einige PiS-Vertreter die Vorwürfe zu Weihnachten noch als Unsinn abtun wollten, deutet inzwischen einiges daraufhin, dass diese Debatte Polen weiter in Wallung bringen wird. Nicht zuletzt deshalb, weil Staatsanwälte, Anwälte und Abgeordnete auch bei dem östlichen Nachbarn einem besonderen Schutz unterliegen und der politische Streit in einer Weise ausgetragen wird, der in anderen Staaten Europas kaum vorstellbar ist. Doch die EU überlässt die Aufklärung vorläufig dem Mitgliedstaat.
Auf Anfrage von Europe.Table fordert die EU-Kommission eine innerstaatliche Untersuchung der Vorwürfe: “Jeder Versuch von nationalen Sicherheitsbehörden, illegal auf Daten von Bürgern, inklusive Journalisten und politischen Gegnern, zuzugreifen, ist inakzeptabel”. Die Mitgliedstaaten müssten ihre Nachrichtendienste beaufsichtigen und kontrollieren, um sicherzustellen, dass diese den Grundrechten mit vollem Respekt begegneten. Dies schließe auch den Schutz personenbezogener Daten mit ein, so die Kommission. Die Kommission erwarte von den nationalen Stellen die Untersuchung derartiger Vorfälle. Für die innere Sicherheit seien jedoch die Mitgliedstaaten zuständig (Europe.Table berichtete).
Für die Europaparlamentarierin Sophie in ‘t Veld ist der Verweis auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten inakzeptabel: Die Kommission drücke sich, wie auch der Rat, vor seiner Verantwortung, so die niederländische Abgeordnete (D66/Renew). Die Kommission habe die Verpflichtung, die Verträge durchzusetzen, verstecke sich aber lieber hinter rechtlichen Argumenten. “Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind in Polen und Ungarn kaputt, auf Artikel 2 des EU-Vertrages wird herumgetrampelt.”
Die Kommission müsse handeln, etwa mittels des Rechtsstaats-Konditionalitätsmechanismus, so die Niederländerin. Auch der Rat verfüge mit Artikel 7 EU-Vertrag über ausreichend Möglichkeiten. In ‘t Veld sieht die Reaktion der EU-Institutionen als Teil einer dramatischen Entwicklung: “Diese fortgesetzte Apathie von Rat und Kommission befördert korrupte Möchtegern-Autokraten in Europa, die den Rest des Kontinents in Geiselhaft nehmen”.
In ihrer ersten Rede zur Lage der Nation hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, eine “stärkere europäische Gesundheitsunion” schaffen zu wollen. Im vergangenen Jahr wurde es konkret. Im Mittelpunkt standen Krisenvorsorge und Krisenreaktion, vor allem die Überarbeitung und Erweiterung der Mandate des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) sowie der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Beide Verordnungen müssen noch von Europaparlament und Rat gebilligt werden, was aber lediglich eine Formalität ist, da die politische Einigung bereits erzielt wurde. Anders sieht es bei vielen weiteren Vorhaben aus, die im neuen Jahr für reichlich Diskussionen sorgen dürften.
Darum geht’s:
Am 16. September 2021 hat die EU-Kommission die Europäische Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) eingerichtet. Diese soll die “Entwicklung, Herstellung, Beschaffung und Verteilung von medizinischen Produkten” im Krisenfall sicherstellen. Außerhalb von Krisenzeiten soll HERA etwa Gefahren analysieren, Gegenmaßnahmen entwickeln, Engpässe in den Lieferketten beseitigen und die Bevorratungskapazitäten in der EU erhöhen.
Als Rechtsgrundlage für die Arbeit von HERA hat die EU-Kommission eine Verordnung über den Notfallrahmen für medizinische Gegenmaßnahmen vorgelegt. Diese sorgte Ende 2021 für Streit zwischen Kommission und Rat (Europe.Table berichtete). Zwar befürworteten alle EU-Mitgliedsstaaten die Einrichtung der Behörde im Grundsatz, forderten jedoch ein umfangreiches Mitspracherecht bei den Entscheidungen der HERA. Ende Dezember haben sich die EU-Staaten auf eine gemeinsame Linie geeinigt (Europe.Table berichtete).
Nächste Schritte:
Auf der Grundlage der politischen Einigung im Dezember soll der endgültige Text vom Rat in den ersten Monaten des Jahres 2022 angenommen werden. Dies wird allerdings erst nach dem Abschluss der Verhandlung zur EU-Verordnung zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren erfolgen.
Darum geht’s:
Die Kommission möchte die Fähigkeit der EU stärken, wirksamer auf grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren zu reagieren. Die derzeitige Rechtsgrundlage (der Beschluss zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren) soll durch den Verordnungsvorschlag ersetzt werden, den die Kommission am 11. November 2020 vorgelegt hat. Die Ziele:
Nächste Schritte:
Nach einem ersten Trilog im November und zwei technischen Trilogverhandlungen im Dezember sollen die Verhandlungen in den kommenden Wochen weitergehen. Eine Einigung wird noch im 1. Quartal angestrebt.
Darum geht’s:
Ein europäischer Gesundheitsdatenraum soll für einen europaweit effizienten Austausch und direkten Zugriff auf unterschiedliche Gesundheitsdaten sorgen. Dazu zählen etwa elektronische Patientenakten, Genomikdaten und Informationen aus Patientenregistern, und zwar nicht nur in der Gesundheitsversorgung selbst (Primärnutzung), sondern auch in der Gesundheitsforschung und der Gesundheitspolitik (Sekundärnutzung). Der Datenraum soll sich auf drei Säulen stützen:
Anfang des 2. Quartals 2022 will die Kommission einen entsprechenden Regulierungsvorschlag vorlegen.
Die französische Ratspräsidentschaft will den Ball dann aufnehmen. Dabei müsse ein Gleichgewicht zwischen der Verbesserung der Interoperabilität der europäischen Gesundheitssysteme und einem hohen Schutzniveau der sensiblen Gesundheitsdaten gewährleistet sein, heißt es im Programm.
“Der Gesundheitsdatenraum muss einen besonders schwierigen Drahtseilakt bewältigen”, betont auch EU-Abgeordneter Tiemo Wölken. Zum einen stecke im Teilen von Gesundheitsdaten riesiges Potenzial für Forschung, Prävention und Bekämpfung von Krankheiten. Zum anderen handele es sich bei Gesundheitsdaten aber auch oft um hochsensible, persönliche Daten, die besonderem Schutz bedürften.
Im Zusammenhang mit dem Europäischen Gesundheitsdatenraums werden u.a. der Data Governance Act und der Data Act wichtig (Europe.Table berichtete). Während der Data Governance Act die Datenbörsen regulieren soll, zielt der Data Act auf den rechtmäßigen Zugang und die Nutzung der Daten ab. Der Gesetzesentwurf für den Data Act war zuletzt für den 1. Dezember 2021 vorgesehen, fiel aber wegen vieler offener Fragen durch den Ausschuss für Regulierungskontrolle (Europe.Table berichtete). Der nächste Anlauf soll am 23. Februar 2022 stattfinden. Beim Data Governance Act fehlt nur noch die formelle Zustimmung des Rats der Mitgliedstaaten und des EU-Parlaments.
Nächste Schritte:
Die EU-Kommission will am 5. April 2022 (tbc) einen Verordnungsvorschlag zur Schaffung des Gesundheitsdatenraums vorlegen. Im Vorfeld wird laut Programm der französischen Ratspräsidentschaft am 2. Februar 2022 eine Ministerkonferenz zu den Themen Staatsbürgerschaft, Ethik und Gesundheitsdaten stattfinden.
Darum geht’s:
Systeme mit Künstlicher Intelligenz (KI) werden im Gesundheitswesen längst eingesetzt, ihre Bedeutung dürfte in den kommenden Jahren weiter wachsen. Die Kommission hat im April 2021 einen Vorschlag vorgelegt, mit dem KI auf europäischer Ebene reguliert und gefördert werden soll. Der Vorschlag wird auch für den Gesundheitssektor weitreichende Konsequenzen haben.
Die Kommission verfolgt dabei einen risikobasierten Ansatz: Je nach Gefährdungspotenzial der KI etwa für Gesundheit, Sicherheit und Grundrechte sollen unterschiedliche Anforderungen gelten.
KI-Systemen, die gleichzeitig ein Produkt im Sinne der Medizinprodukteverordnung und der In-vitro-Diagnostik darstellen, wird ein hohes Risiko bescheinigt. Damit wird voraussichtlich ein Großteil der KI-Anwendungen im Gesundheitswesen als Hochrisiko-KI-Systeme gelten. Sie müssen also strenge Anforderungen erfüllen, unter anderem etwa ein Konformitätsbewertungsverfahren durchführen. Geprüft werden dabei die Datenqualität, Dokumentation, Transparenz und Nachvollziehbarkeit, menschliche Aufsicht, Robustheit, Genauigkeit und Sicherheit.
Nächste Schritte:
Obwohl die EU-Kommission den Vorschlang im April 2021 vorgelegt hat, steht der Rat erst am Anfang der Verhandlungen. Auch das Parlament hat zunächst lediglich die Berichterstatter benannt (Europe.Table berichtete). In Ihrem Programm hat die französische Ratspräsidentschaft angekündigt, die Entwicklung von “vertrauenswürdiger künstlicher Intelligenz im Dienste der Menschen” zu einer ihrer Prioritäten zu machen, allerdings ohne konkrete Zeiträume zu nennen. Es heißt darin lediglich: Die Prüfung der Verordnung soll fortgesetzt werden, um “einen ausgewogenen Rechtsrahmen zu schaffen, der eine verstärkte Innovationsdynamik und gleichzeitig einen angemessenen Schutz der Grundrechte gewährleistet”.
Die französische Datenschutzaufsichtsbehörde CNIL hat in zwei Verfahren gegen Google und Facebook am 31. Dezember insgesamt 210 Millionen Euro Bußgelder verhängt, wie die Behörde nun mitteilte. Davon entfallen 150 Millionen Euro auf Google und 60 Millionen auf Facebook. Im Fall von Google sieht die CNIL die europäische Tochter und die US-Firma als Joint Controller, also gemeinsam für die Datenverarbeitung verantwortliche Stellen, im Fall von Facebook die französische und die europäische Tochter mit Sitz in Irland.
In beiden Verfahren ging es darum, dass das Ablehnen von Cookies aus Sicht der CNIL künstlich erschwert wird und irreführend ist. Dies sei mit dem Auslaufen einer Übergangsregelung im französischen Recht seit Ende März 2021 unzulässig. Google habe es, so die CNIL, den Nutzern unerlaubterweise erschwert, Cookies abzulehnen. Konkret geprüft hat die Datenschutzaufsichtsbehörde nach eigenen Angaben dabei die Websites google.fr und youtube.fr. Bei facebook.com sah die CNIL die Erschwerung des Ablehnens von Cookies ebenfalls als unzulässig an.
Die französische Datenschutzaufsichtsbehörde hat der Entscheidung zugrunde gelegt, dass das Prinzip des One-Stop-Shops, also der Zuständigkeit einer federführenden Datenschutzaufsicht entfalle, da die Datenschutzgrundverordnung hier keine Anwendung finde. In diesem Fall wäre dies wohl die umstrittene irische DPC (Europe.Table berichtete). Regulatorisch seien Cookies Teil der Regelungen der europäischen E-Privacy-Richtlinie und deren Umsetzung in nationales Recht.
Zusätzlich zum Bußgeld hat die CNIL in beiden Fällen eine Unterlassungsanordnung erlassen und verfügt, dass bei Nichtbefolgung nach einer Schonfrist von drei Monaten jeweils täglich weitere 100.000 Euro Strafe fällig würden. fst
Der Betrug mit Kryptowährungen hat im vergangenen Jahr laut einer Studie Rekordausmaße erreicht. Allerdings erhöhte sich auch das gesamte gehandelte Volumen von Cyberdevisen massiv. Nach Angaben der Marktforschungsfirma Chainalysis wurden 2021 bei kriminellen Machenschaften Kryptowährungen im Wert von 14 Milliarden Dollar veruntreut. Das sind 80 Prozent mehr als im Jahr davor und so viel wie noch nie. Das Gesamtvolumen im Krypto-Handel verfünffachte sich der Studie zufolge auf 15,8 Billionen Dollar.
Kryptowährungen und andere Finanzprodukte aus der Cyber-Welt wie Non-Fungible Tokens (NFT) hatten im vergangenen Jahr einen Boom erlebt. Die größte und bekannteste Kryptowährung Bitcoin stieg 2021 auf ein Rekordhoch von knapp 69.000 Dollar und gewann in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt 60 Prozent. Aktuell kostet ein Bitcoin 42.900 Dollar.
Cyberdevisen werden durch hochkomplexe Berechnungen von Computern erzeugt und im Gegensatz zu klassischen Währungen wie Euro oder Dollar nicht von Notenbanken kontrolliert. Wegen der Betrugsfälle mit Kryptowährungen sind Aufsichtsbehörden alarmiert. Sie warnen vor allem Privatleute vor möglichen Totalausfällen ihrer Krypto-Investments. Weltweit arbeiten Finanzaufseher deshalb an einer geeigneten Regulierung für die Branche. rtr
Bundesfinanzminister Christian Lindner stellt angesichts der steigenden Energiepreise sozial schwächeren Menschen finanzielle Hilfen in Aussicht. “Ich sage zu, mit den Möglichkeiten, die ich habe, dass wir eine solche solidarische Unterstützung der Menschen, die besonders betroffen sind von den gestiegenen Kosten beim Heizen, auch finanzieren werden”, sagte der FDP-Chef beim virtuellen Dreikönigstreffen der Liberalen am Donnerstag. Aus dem Bundesfinanzministerium hieß es ergänzend, Lindner habe sich dabei auf den im Koalitionsvertrag vorgesehenen einmalig erhöhten Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger bezogen.
Zugleich mahnte der FDP-Chef auch finanzielle Solidität an. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse müsse wie vorgesehen im nächsten Jahr wieder eingehalten werden. Es sei ihm wichtig, “dass Deutschland weiter Anwalt von Stabilität bleibt”, sagte Lindner. Es werde gelingen, die geplante Kreditaufnahme des Landes zu reduzieren. So werde es wohl möglich sein, mehr als zehn Milliarden Euro weniger an neuen Krediten aufzunehmen als es die alte Bundesregierung vorgesehen habe. Mit Blick auf die Euro-Zone sieht Lindner zudem keinen Bedarf einer Reform des Stabilitätspaktes. Das Regelwerk habe sich bewährt.
Verbraucherschützer haben die hohen Preis-Aufschläge von Grundversorgern für Neukunden derweil scharf kritisiert, nachdem Anbieter wie Stromio Stromlieferverträge gekündigt hatten. “Die einseitige Vertragskündigung von Stromio und die verzögerte Mitteilung an die Betroffenen ist aus Sicht der Verbraucherzentrale NRW skandalös”, erklärte diese am Donnerstag. Die Haushalte stünden zwar nicht ohne Energie da, sondern rutschten automatisch in die Ersatzversorgung des kommunalen Energieanbieters. Doch einige Grundversorger verlangten nun von Neukunden Strompreise, die um ein Vielfaches höher lägen als die der Bestandskunden.
Im Zuge der Preisexplosion bei Strom und Gas haben mehrere Anbieter in den vergangenen Wochen den Kunden die Lieferverträge gekündigt. Allein im Fall von Stromio sprechen Verbraucherschützer von mehreren hunderttausend betroffenen Haushalten. Dem Vergleichsportal Check24 zufolge haben rund 260 Grundversorger neue Tarife ausschließlich für Neukunden eingeführt. Hier wurden die Preise um durchschnittlich 105,8 Prozent angehoben, was zu Zusatzkosten von 1735 Euro pro Jahr führe. rtr
Thinktank “Agora Energiewende”: Deutschland entfernt sich von Klimazielen | tagesschau.de
Ebenso wie die Digitalisierung ist der Welthandel ein sich stets im Wandel befindender Prozess. Gerade deshalb gebe es zwischen den beiden Faktoren viele Dimensionenüberschneidungen, sagt Bernd Lange. Bernd Lange ist seit 2014 Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel im Europäischen Parlament und außerdem Berichterstatter für die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA.
Von 1994 bis 2004 saß er das erste Mal für die sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament und tut es seit 2009 wieder. In der SPD ist er seit 1974, ursprünglich eingetreten war er, um ein Jugendzentrum in seiner Studienstadt Göttingen zu retten, wo er von 1974 bis 1981 Politikwissenschaft und evangelische Theologie studierte.
Laut Bernd Lange gibt es drei Hauptaspekte im Zusammenspiel von Digitalisierung und internationalem Handel. Zum einen den freien Datenverkehr. Der zweite Aspekt sind Transparenz und die Vereinfachung von Lieferketten und deren Strukturen. Durch Distributed Ledger-Technologien wie Blockchain und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz soll diese Transparenz technisch unterstützt werden. Der dritte Aspekt ist die Sicherheit und Vertraulichkeit von Handelsbeziehungen.
Dass sich der Handel verändern wird, sei sehr wahrscheinlich. “In Zukunft wird immer mehr mit Daten und geistigem Eigentum gehandelt werden, aber auch mit Dienstleistungen”, sagt Lange voraus. Die Relevanz des Handels werde dabei eher steigen, statt sinken. Schließlich mache er bereits jetzt ein Drittel der Wertschöpfung der EU aus und bildet dadurch einen ihrer wichtigsten Wirtschaftsfaktoren. Von daher seien konkrete Gesetzesvorhaben wie ein europäisches Lieferkettengesetz, die fairen Handel garantieren können, wichtig.
Auch was den Aspekt der digitalen Souveränität betrifft, seien Regeln erforderlich, sagt Lange. Zum Beispiel Datenabkommen, die es zu jedem bilateralen Handelsabkommen geben müsse. Die EU-US-Privacy Shield-Vereinbarung, die 2016 als Nachfolger von Safe Harbor in Kraft trat und 2020 vom Europäischen Gerichtshof so wie schon zuvor Safe Harbor für nicht ausreichend erklärt wurde, ist ein exemplarisches Beispiel dafür.
Ob die Sozialdemokraten eine wichtige Rolle beim Wandel des Handelsbegriffs spielen werden? Bernd Lange lächelt, als er versichert: “Die SPD schreibt aktiv mit am Handelskapitel, das war besonders in den Koalitionsverhandlungen zu erkennen”. Er klingt zuversichtlich. Und obwohl er heute ganz andere Ziele verfolgt als 1974, lässt sich in seinem Optimismus immer noch der junge Mann erkennen, der ein Jugendzentrum retten konnte. Anouk Schlung