die politische und ökonomische Verzahnung der Staaten Europas wird immer enger. Den wachsenden Einfluss europäischer Regulierung auf die Politik der Mitgliedsstaaten der EU und die Rahmenbedingungen der Unternehmen spüren mithin alle Stakeholder – aktuell beim Umgang mit den Folgen des Krieges in der Ukraine, der Energieversorgung und auch der Inflation.
Seit nunmehr genau einem Jahr analysiert die Redaktion von Europe.Table die politischen Prozesse der EU und gibt den Entscheidern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft täglich wichtige Signale für deren Handeln. Zunächst konzentriert auf die Transformationen im Bereich der Digitalisierung und des Green Deal beobachtet das Team um Till Hoppe seither immer mehr politische Bereiche und die Politik der deutschen EU-Nachbarn.
Wir sind stolz auf einige tausend Leserinnen und Leser und möchten Ihnen an diesem ersten Jahrestag Dank sagen für Ihr Vertrauen. Unser Ziel ist es, Ihnen fundierte Grundlagen für Ihre Entscheidungen zu geben und Sie frühzeitig auf Veränderungen hinzuweisen, die Ihren Verantwortungsbereich betreffen.
Und das erwartet Sie in unserem heutigen Briefing: Haushaltskommissar Johannes Hahn mahnt mit Blick auf künftige EU-Eigenmittel zur Eile. Es brauche eine Einigung über die neuen Einnahmequellen bis 2023 oder 2024. “Auch wenn das EU-Parlament sehr engagiert ist, ist bei den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer noch Luft nach oben“, sagt Hahn im Gespräch mit Hans-Peter Siebenhaar.
Eine Übergewinnsteuer für Energieunternehmen – darüber wird in Deutschland zurzeit lebhaft diskutiert, auch die Ampel-Koalition ist nicht einer Meinung. Spaniens Regierung hingegen hat nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der Sondersteuern für Banken und Energieunternehmen vorsieht. Isabel Cuesta Camacho berichtet über die Pläne aus Madrid.
Im Porträt von Mirja Mader lesen Sie, wie Burkhard Ober 2006 als Head of European Affairs der Allianz nach Brüssel kam. Heute berät er dort als Consultant bei Hume Brophy zur Finanzmarktregulierung.
Die EU-Kommission kritisiert in der Diskussion um künftige Eigenmittel die anhaltende Zurückhaltung der Mitgliedstaaten. “Wir sind noch nicht richtig in die Gänge kommen. Auch wenn das EU-Parlament sehr engagiert ist, ist bei den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer noch Luft nach oben”, sagte EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn zu Europe.Table. “Der Europäische Rat muss verstehen, dass wir mit den Gesprächen jetzt beginnen müssen.”
Die Kommission hatte kurz vor Weihnachten des vergangenen Jahres ihre Vorschläge für ein neues Eigenmittelsystem vorgelegt (Europe.Table berichtete). Konkret sieht dieser Vorschlag drei künftige Geldquellen für den EU-Haushalt vor: Einnahmen aus dem Emissionshandel, Einnahmen aus dem vorgeschlagenen CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) und einen Anteil aus der weltweiten Mindeststeuer (Europe.Table berichtete), die innerhalb der OECD vereinbart wurde.
Im Oktober vergangenen Jahres einigten sich 130 Mitgliedsländer der OECD im Kampf gegen Gewinnverlagerungen und Steuervermeidung auf eine Reform des internationalen Steuersystems. Nach Schätzungen der Kommission könnten damit Einnahmen von 2,5 bis 4 Milliarden Euro pro Jahr für die EU-Kasse geschaffen werden.
Die Begeisterung im Rat für die von Johannes Hahn vorgestellten Vorschläge hielt sich aber in Grenzen. “Die Lage ist komplex”, sagt der 64-jährige Österreicher. Denn die vorgeschlagenen Einnahmequellen der EU beträfen die Mitgliedstaaten in unterschiedlichem Maße. “Wir müssen einen fairen Ausgleich suchen, um breite Akzeptanz zu sichern”, so der für das Budget verantwortliche Kommissar, der bereits seit 2010 der Kommission in Brüssel angehört.
Bislang sind die wichtigsten Einnahmequellen für den Haushalt der EU die direkten Beiträge der Mitgliedstaaten, Zölle und der Anteil an der von den Mitgliedstaaten erhobenen Mehrwertsteuer. 2021 kam mit der Plastiksteuer eine vierte Finanzquelle für den EU-Haushalt dazu.
Aus Sicht des dienstältesten EU-Kommissars drängt die Zeit für die Überarbeitung: “Ende nächsten Jahres werden wir mit einem zweiten Vorschlag für die Eigenmittel kommen. Dann werden wir ein Gesamtpaket haben, damit wir die 16 Milliarden Euro an Rückzahlungen jährlich auch wirklich finanziell stemmen können.” Mit den Rückzahlungen sind die ausgegebenen EU-Bonds gemeint.
Angesichts des gewaltigen Anleiheprogramms im Zusammenhang mit dem Corona-Wiederaufbaufonds “Next Generation EU” steht die EU unter Druck, eine verlässliche und dauerhafte Lösung für Eigenmittel zu finden. “Wir brauchen eine Einigung über die neuen Einnahmequellen der EU bis 2023 oder 2024, damit wir die Erhebung der neuen Abgaben für 2026 und 2027 auch technisch vorbereiten können. Da ist unsere Verlässlichkeit auf dem Kapitalmarkt sehr wichtig”, sagte Hahn mit Nachdruck.
Allerdings wird die Bereitschaft der Mitgliedsländer, der Kommission umfangreiche Einnahmequellen zu gewähren, aufgrund der drohenden Rezession in Europa voraussichtlich nicht wachsen. Hahn hofft daher, dass sich die Rezession trotz der von hohen Energiepreisen ausgelösten Inflation in Grenzen hält. Er setzt auf eine mittelfristige Erholung der europäischen Wirtschaft. “Wir haben noch vier oder fünf Jahre Zeit. Bis dahin wird die wirtschaftliche Situation sich hoffentlich wieder entspannt haben”, sagte er in Anspielung auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.
Die drei von der Kommission vorgeschlagenen neuen Geldquellen sollen pro Jahr bis zu 17 Milliarden Euro in die Kassen Brüssels spülen. Im Haushalt von 2026 bis 2030 werden die Mittel dringend gebraucht, um die über Anleihen aufgenommen Milliarden wieder zurückzuzahlen.
Die Skepsis von Ökonomen gegenüber den vorgeschlagenen neuen Eigenmitteln der Kommission ist unterdessen groß. “Trotz der theoretischen Eignung einiger neuer Eigenmittel, ist zu berücksichtigen, dass Eigenmittel auf der Grundlage der Bruttonationaleinkommen – die derzeit zu mehr als 70 Prozent den EU-Haushalt finanzieren – nach überwiegender Meinung die am besten geeignete Einnahmequelle für den EU-Haushalt sind”, heißt es zusammenfassend in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. “Sie können als ein umfassender Maßstab für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten angesehen werden.”
Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist sie derzeit kein Thema, doch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hätte sie gerne: eine Steuer auf exorbitante Gewinne von Energiehändlern infolge des russischen Feldzugs gegen die Ukraine und die Turbulenzen an den Energiemärkten. Erst gestern schloss ein Regierungssprecher sie für den Moment aus und verwies dabei auf den Koalitionsvertrag. In Spanien dagegen hat das linke Regierungsbündnis eine ganz ähnliche Steuer für Energieversorger und Banken jüngst beschlossen.
Die beiden Parteien der Regierungskoalition, PSOE und Unidas Podemos, haben vergangene Woche einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der Sondersteuern für Banken und Energieunternehmen vorsieht. Ziel der Regierung ist es, innerhalb von zwei Jahren sieben Milliarden Euro einzunehmen und damit Maßnahmen gegen die Inflation zu finanzieren (Europe.Table berichtete), die in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine explodiert ist.
Der Entwurf sieht eine 4,8-prozentige Steuer auf Zinsen und Nettoprovisionen für Finanzinstitute mit Einnahmen von mehr als 800 Millionen Euro in den nächsten zwei Jahren vor. Der Energiesektor wird mit einem Satz von 1,2 Prozent auf den jährlichen Nettoumsatz von Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als eine Milliarde Euro besteuert.
Als Argument gegen eine Besteuerung von Übergewinnen wird oft angeführt, dass sie sich nur schwer bemessen ließen. Spanien will die Windfall-Profits ermitteln, indem die Umsätze der unmittelbar vorangegangenen Jahre als Referenz herangezogen werden. Bei der Körperschaftsteuer ist die neue Abgabe nicht abzugsfähig.
Die betroffenen Firmen kritisieren die Maßnahme scharf und erklären, dass sie den Gesetzentwurf genau prüfen werden. Um zu verhindern, dass die Unternehmen die neue Steuerlast auf die Kunden abwälzen, wird eine Strafe in Höhe von 150 Prozent auf eventuell weitergereichte Beträge eingeführt. Die Nationale Kommission für den Wettbewerbsmarkt (CNMC) und die Bank von Spanien sind für die Umsetzung der Maßnahme zuständig und müssen ein neues Aufsichtsmodell entwerfen.
Die beiden neuen Abgaben betreffen insgesamt 19 Unternehmen. Im Bankensektor werden es insgesamt neun Institute sein, große ausländische Banken wie die ING und die Deutsche Bank bleiben ausgespart. Am stärksten betroffen sind die CaixaBank, Santander und BBVA, die entsprechend ihrem Nettoeinkommen im laufenden Jahr zwei Drittel der Steuer aufbringen könnten. Rund 7,4 Prozent ihrer Gewinne werden die betroffenen Kreditinstitute im Durchschnitt für die neue Steuer aufwenden müssen.
Im Energiesektor sind zehn Unternehmen betroffen: Endesa, Iberdrola, Naturgy, EDP, Acciona, Repsol, Cepsa, BP, Galp und der kanarische Kraftstoffverteiler und -vermarkter Disa. Die meisten dieser Unternehmen haben Umsätze im Ausland. In Deutschland etwa ist Endesa im Energiehandel tätig, Iberdrola entwickelt Solaranlagen und bietet langfristige Stromabnahmeverträge (PPA) für Offshore-Windparks an. Die Steuer wird jedoch nur auf Einkünfte in Spanien erhoben.
Die Sprecherin der Oppositonspartei Partido Popular, Cuca Gamarra, warf Präsident Pedro Sánchez Populismus und Irreführung vor, indem er die Wirtschaftspolitik seines linken Koalitionspartners Unidos Podemos übernommen habe. Bankenverbände argumentieren, die neue Bankensteuer sei ein Hindernis für die wirtschaftliche Erholung und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Außerdem ließe sich so die Inflation nicht bekämpfen.
Eine Wettbewerbsverzerrung beklagte der Vorstandsvorsitzende der CaixaBank, Gonzalo Gortázar. Er wandte sich in einem Zeitungsinterview insbesondere gegen die Beschränkung auf Großbanken: “Wir konkurrieren in ganz Spanien, manchmal mit lokalen Unternehmen, die eine sehr starke Präsenz haben, aber die 800-Millionen-Grenze nicht erreichen. Auch bei ausländischen Banken, die überwiegend Zweigstellen haben und diese Anforderung nicht erfüllen, wird dies nicht der Fall sein.”
Auch Italien will den Banken eine Sondersteuer auferlegen, plant jedoch eine Steuer auf außerordentliche Gewinne und nicht auf hohe Umsätze. Die Steuergewerkschaft Gestha ist der Ansicht, dass die Regierung in Madrid einen anderen Weg eingeschlagen hat, um das parlamentarische Verfahren zu beschleunigen und sich vor möglichen gerichtlichen Auseinandersetzungen zu schützen. Steuerfachleute halten die Steuerpläne der spanischen Regierung nicht für unproblematisch.
04.08.2022 – 18:00-20:00 Uhr, Greifswald
KAS, Vortrag Afrika nach Corona – Wie steht es um den Kontinent? Chancen, Probleme, Risiken
Der Referent der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) thematisiert die aktuellen Herausforderungen und Chancen afrikanischer Länder sowie die Auswirkungen der Zukunft Afrikas auf Europa. INFOS & ANMELDUNG
08.08.-12.08.2022, Bonn
FES, Seminar Großbritannien und Europa: Szenen einer gescheiterten Ehe?
Das Seminar der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) beschäftigt sich mit den Folgen des Brexit sowie dem zukünftigen politischen und wirtschaftlichen Miteinander zwischen EU und UK. INFOS & ANMELDUNG
08.08.2022 – 18:00-21:00 Uhr, Berlin/ online
Diskussion KI in der Radiologie
Welche Auswirkungen und Vorteile der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Radiologie haben kann, wird Thema dieser Veranstaltung sein. INFOS & ANMELDUNG
09.08.2022 – 10:00 Uhr, online
BVMW, Workshop Effiziente Produktion dank smarter Daten
Die Referenten des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) stellen das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt “ExDRa” vor und erörtern die Chancen einer effizienten Datenanalyse. ANMELDUNG
09.08.2022 – 10:00-11:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Krisenvorsorge zur Gasmangellage
Welche Rolle Stadtwerke bei einer möglichen Gasmangellage spielen und wie sich Netzbetreiber vorbereiten können, diskutieren die Referenten der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW). INFOS & ANMELDUNG
Tschechien greift Privathaushalten bei den Energiekosten unter die Arme. Präsident Miloš Zeman unterzeichnete am Montag ein entsprechendes Gesetz, das von beiden Parlamentskammern verabschiedet worden war. Der sogenannte vergünstigte Tarif soll zunächst während der bevorstehenden Heizsaison von Anfang Oktober 2022 bis Ende März 2023 gelten.
Die Einzelheiten will die Regierung bis Ende des Monats per Verordnung regeln. Es wird damit gerechnet, dass das Kabinett in einem ersten Schritt umgerechnet mehr als eine Milliarde Euro bereitstellt, um die Rechnungen für Strom, Gas und Heizung um einen festen Betrag zu senken. Man werde flexibel reagieren, kündigte Industrie- und Handelsminister Jozef Síkela an.
Die Energiekosten sind seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine drastisch gestiegen. In einer im Mai veröffentlichten Umfrage der Meinungsforschungsagentur Stem/Mark beklagten 73 Prozent der Befragten, dass die Regierung in Prag den Bürgern angesichts der Teuerung nicht genug helfe. dpa
Vor dem Hintergrund reduzierter Liefermengen nach Europa hat der russische Energieriese Gazprom die Gasexporte nach China in den ersten sieben Monaten 2022 um knapp 61 Prozent erhöht – musste aber trotzdem seine Förderung senken. “Gazprom hat vorläufigen Angaben nach 262,4 Milliarden Kubikmeter Gas gefördert, was 12 Prozent (35,8 Milliarden Kubikmeter) weniger sind als im Vorjahr“, teilte das Unternehmen am Montag auf seinem Telegram-Kanal mit.
Während der Binnenkonsum von Januar bis Juli mit Minus zwei Prozent relativ stabil blieb, ist laut Gazprom vor allem die Nachfrage aus dem Ausland stark rückläufig. Der Konzern beziffert das Minus auf mehr als ein Drittel (34,7 Prozent). Das sind rund 40 Milliarden Kubikmeter Gas, die Gazprom weniger im Ausland verkauft hat. Dies hat in erster Linie mit den Lieferkürzungen nach Europa zu tun, wo Moskau unter anderem die Gasexporte über die Ostseepipeline Nord Stream 1 zurückgefahren hat.
Positiv entwickelten sich einzig die Ausfuhren nach China – über die Pipeline “Kraft Sibiriens”. Allerdings ist der Umfang der russischen Gaslieferungen nach China nicht mit dem europäischen Markt zu vergleichen. So hat Gazprom im Gesamtjahr 2021 über die “Kraft Sibiriens” lediglich 10,39 Milliarden Kubikmeter Gas exportiert. Im selben Zeitraum wurden in Richtung Europa und Türkei rund 180 Milliarden Kubikmeter gepumpt. dpa
Die Wiederaufnahme der Exporte von Getreide über den Schwarzmeer-Hafen Odessa in der Ukraine ist nach Einschätzung der EU ein erster Schritt zur Linderung der durch Russlands Krieg ausgelösten Welternährungskrise. Man erwarte nun, dass das Abkommen vollständig umgesetzt werde und ukrainische Exporte an die Kunden in aller Welt wieder aufgenommen würden, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Montag in Brüssel.
Dies sei notwendig, weil die negativen Folgen der Aggression Russlands gegen die Ukraine (Europe.Table berichtete) und der Blockade ukrainischer Häfen die schwächsten Menschen in Afrika, Asien und im Nahen Osten träfen. Russland habe nicht nur ukrainische Häfen blockiert, sondern auch Felder vermint oder zerstört, Silos kaputt gemacht und Getreide verbrannt.
Die Ukraine und Russland hatten am 22. Juli unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei ein Abkommen unterzeichnet (Europe.Table berichtete), um von drei Häfen wieder Getreideausfuhren aus der Ukraine zu ermöglichen. Ein erstes Schiff verließ am Montagmorgen den Hafen von Odessa. Es hat nach offiziellen Angaben rund 26.000 Tonnen Mais geladen und soll über das Schwarze Meer in Richtung Libanon fahren.
Die Ukraine hat den Start des ersten Frachtschiffes als großen Erfolg bezeichnet. “Heute macht die Ukraine gemeinsam mit Partnern einen weiteren Schritt zur Verhinderung des Hungers in der Welt”, schrieb Infrastrukturminister Olexander Kubrakow am Montag bei Facebook. Durch die Wiederinbetriebnahme von drei Häfen könne die Wirtschaft der Ukraine mindestens eine Milliarde US-Dollar (rund 980 Millionen Euro) einnehmen und Planungen im Agrarsektor ermöglichen, sagte Kubrakow.
16 weitere Schiffe warteten bereits in den Häfen am Schwarzen Meer auf ihre Abfahrt, sagte Kubrakow. Diese Frachter seien seit der russischen Invasion vor gut fünf Monaten blockiert gewesen. Zudem erhielten die ukrainischen Behörden nun Anträge zur Ankunft weiterer Schiffe, die ebenfalls mit landwirtschaftlichen Produkte beladen werden sollen, sagte der Minister. dpa
Bulgarien wird am 2. Oktober zum vierten Mal seit April vergangenen Jahres ein neues Parlament wählen. Staatschef Rumen Radew setzte den Termin am Montag per Erlass fest. Das Parlament des EU-Landes soll nach weniger als ein Jahr an diesem Dienstag aufgelöst werden. Der als russlandfreundlich geltende Staatschef Radew wird ebenfalls am Dienstag per Erlass ein Übergangskabinett aus Vertretern mehrerer Parteien einsetzten.
Zurzeit wird die Regierung kommissarisch von Ministerpräsident Kiril Petkow geführt, dessen prowestliche liberal-sozialistische Koalition Ende Juni nach nur gut einem halben Jahr durch einen Misstrauensantrag der Opposition gestürzt worden war. Drei Anläufe zur Bildung einer neuen Regierung (Europe.Table berichtete) ohne Neuwahl schlugen danach fehl. Die Opposition hatte vor allem die Wirtschafts- und Finanzpolitik kritisiert. Zentrales Versprechen der Wahl war die Korruptionsbekämpfung in dem ärmsten EU-Mitgliedsland Bulgarien.
Das von Staatschef Radew zusammengesetzte Übergangskabinett soll so lange regieren, bis nach der Wahl ein reguläres Kabinett in Sofia steht. Ministerpräsident soll übergangsweise Galab Donew werden, der bereits mehrfach Sozialminister war. Er gilt ebenso als Vertrauter Radews wie Oberst a. D. Dimitar Stojanow, der Verteidigungsminister des Nato-Landes werden soll. dpa/rtr
Die EU hat nach der erneuten Eskalation von Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo die Konfliktparteien zu einem Krisentreffen nach Brüssel eingeladen. Ziel sei es, über das weitere Vorgehen zu beraten und zu verhindern, dass sich solche Spannungen wiederholten, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Montag in Brüssel. Die Streitigkeiten ließen sich nur durch Dialog und Verhandlungen beigelegen. Ein Termin für das geplante Treffen wurde zunächst nicht genannt.
Die Einladung der EU erfolgte nach Angaben des Sprechers, nachdem sich das Kosovo auf Bitten Borrells und der USA bereit erklärt hatte, umstrittene Reiseregeln für Serben zunächst auszusetzen. Diese sehen vor, dass an den Grenzübergängen keine serbischen Personaldokumente mehr anerkannt werden. Stattdessen sollten sich Serben dort von diesem Montag an ein provisorisches Dokument ausstellen lassen. Die kosovarischen Behörden begründen dies mit einem identischen Vorgehen serbischer Behörden beim Grenzübertritt kosovarischer Bürger.
In Reaktion auf die geplante Neuregelung errichteten militante Serben am Sonntag im überwiegend serbisch bevölkerten Norden des Kosovos Barrikaden. Zudem sollen auch Schüsse in Richtung kosovarischer Polizisten abgegeben worden sein.
Alle Beteiligten müssten ruhig bleiben und Maßnahmen einstellen, die die Stabilität und Sicherheit vor Ort gefährden und die Freizügigkeit von Bürgern behindern, sagte ein Sprecher Borrells am Montag zu dem Streit. Die Europäische Union und die Mitgliedstaaten verfolgten die Ereignisse und Entwicklungen mit Sorge.
Die EU versucht seit Jahren, zur Klärung des Verhältnisses zwischen Serbien und dem Kosovo beizutragen. Dieses ist äußerst spannungsgeladen, weil sich das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt hatte. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkannten die Unabhängigkeit des Kosovos an. Andere, darunter Serbien, Russland, China und fünf EU-Länder, tun das bis heute nicht. Kremlsprecher Dmitri Peskow versicherte dem befreundeten Serbien gestern die Unterstützung Russlands. dpa
Für seine Entscheidung, nach Brüssel zu gehen, erntete er 2006 verwunderte Blicke, erinnert sich Burkhard Ober. Damals kam er als Head of European Affairs der Allianz, heute nutzt er seine langjährige Erfahrung freiberuflich als Consultant bei Hume Brophy.
Als Bond-Trader in Paris fängt Burkhard Ober an. Dort macht er sich in fünf Jahren einen Namen. Das führte zu dem Angebot, nicht mehr aus Frankreich nach Deutschland, sondern aus Deutschland nach Dubai, Kuwait und die Golfstaaten zu verkaufen. “Das hat mich zum ersten Mal in die politische Szene hinter den Staatsanlagen geführt”, sagt er rückblickend.
1996 kommt er zur Dresdner Bank und zum Asset-Management für Zentralbanken. Von dort geht es nach Brasilien und 2003 als Vorstandsassistent nach Frankfurt zurück, wo er sich später eine neue Position aussuchen kann. Elizabeth Corley, die die Aktivitäten im Asset-Management der Allianz im Ausland leitet, will seine Hilfe. “Und dann war ich der Mann von Frau Corley in Brüssel”, sagt Ober.
Nach Finanzmärkten und Investmentbanking über Asset-Management und seiner Zeit als Leiter einer Investmentbank in Brasilien geht es in die “Finanzmarktregulierungsschiene”, wie er es nennt. Bis 2013 ist er dann für die Allianz Global Investors tätig und tritt schließlich die Nachfolge von Wolfgang Ischinger an. “Ich wurde Head of Public Policy, also sozusagen der oberste Regierungs-Beziehungs-Mensch”, sagt Ober.
Als er 2020 die Pensionsgrenze der Allianz erreicht, schließt er sich einer Consulting-Firma in Brüssel an: Hume Brophy. Nun arbeitet er freiberuflich.
Zu seinen Aufgaben gehört es, die Finanzmarktregulierung inhaltlich zu verfolgen und Stimmungen einzufangen. Was in Brüssel vor sich geht, ist ein wenig wie ein Bühnenstück mit vielen verschiedenen Akteuren. Es geht um das Kennenlernen und Abwägen von Interessen, sagt Ober. “Ich glaube, dieses Gespür, das kriegt man erst nach längerer Zeit”, sagt er. Mit diesem Wissen betreue er dann seine Kunden.
Auch hält er sich durch verschiedene Netzwerke auf dem Laufenden. So ist er nach jahrelanger Mitgliedschaft weiterhin als Gast im Vorstand des Wirtschaftsrats Deutschland. Die gegenseitige Abhängigkeit von Politik und Wirtschaft habe einen wichtigen Einfluss auf die Art, wie wir leben, sagt Ober, “all das ist interessant im Machen zu erleben”.
“Ich glaube, die Neugier, auf diesen bunten Flickenteppich Europa, die hat mich sehr angetrieben.” Geblieben ist ein tiefes Verständnis für den europäischen Kulturraum. Man werde damit auch skeptisch gegenüber nationalistischen Tendenzen, sagt er. Er sehe aber die “wunderbare Seite” Europas. Die Geschichte habe “unglaublich interessante Kulturen hinterlassen”. Nachdem er an vielen verschiedenen Orten weltweit gelebt hat, kann er eines sagen: “Es ist einfach ein wunderschöner Kontinent.” Mirja Mader
die politische und ökonomische Verzahnung der Staaten Europas wird immer enger. Den wachsenden Einfluss europäischer Regulierung auf die Politik der Mitgliedsstaaten der EU und die Rahmenbedingungen der Unternehmen spüren mithin alle Stakeholder – aktuell beim Umgang mit den Folgen des Krieges in der Ukraine, der Energieversorgung und auch der Inflation.
Seit nunmehr genau einem Jahr analysiert die Redaktion von Europe.Table die politischen Prozesse der EU und gibt den Entscheidern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft täglich wichtige Signale für deren Handeln. Zunächst konzentriert auf die Transformationen im Bereich der Digitalisierung und des Green Deal beobachtet das Team um Till Hoppe seither immer mehr politische Bereiche und die Politik der deutschen EU-Nachbarn.
Wir sind stolz auf einige tausend Leserinnen und Leser und möchten Ihnen an diesem ersten Jahrestag Dank sagen für Ihr Vertrauen. Unser Ziel ist es, Ihnen fundierte Grundlagen für Ihre Entscheidungen zu geben und Sie frühzeitig auf Veränderungen hinzuweisen, die Ihren Verantwortungsbereich betreffen.
Und das erwartet Sie in unserem heutigen Briefing: Haushaltskommissar Johannes Hahn mahnt mit Blick auf künftige EU-Eigenmittel zur Eile. Es brauche eine Einigung über die neuen Einnahmequellen bis 2023 oder 2024. “Auch wenn das EU-Parlament sehr engagiert ist, ist bei den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer noch Luft nach oben“, sagt Hahn im Gespräch mit Hans-Peter Siebenhaar.
Eine Übergewinnsteuer für Energieunternehmen – darüber wird in Deutschland zurzeit lebhaft diskutiert, auch die Ampel-Koalition ist nicht einer Meinung. Spaniens Regierung hingegen hat nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der Sondersteuern für Banken und Energieunternehmen vorsieht. Isabel Cuesta Camacho berichtet über die Pläne aus Madrid.
Im Porträt von Mirja Mader lesen Sie, wie Burkhard Ober 2006 als Head of European Affairs der Allianz nach Brüssel kam. Heute berät er dort als Consultant bei Hume Brophy zur Finanzmarktregulierung.
Die EU-Kommission kritisiert in der Diskussion um künftige Eigenmittel die anhaltende Zurückhaltung der Mitgliedstaaten. “Wir sind noch nicht richtig in die Gänge kommen. Auch wenn das EU-Parlament sehr engagiert ist, ist bei den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer noch Luft nach oben”, sagte EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn zu Europe.Table. “Der Europäische Rat muss verstehen, dass wir mit den Gesprächen jetzt beginnen müssen.”
Die Kommission hatte kurz vor Weihnachten des vergangenen Jahres ihre Vorschläge für ein neues Eigenmittelsystem vorgelegt (Europe.Table berichtete). Konkret sieht dieser Vorschlag drei künftige Geldquellen für den EU-Haushalt vor: Einnahmen aus dem Emissionshandel, Einnahmen aus dem vorgeschlagenen CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) und einen Anteil aus der weltweiten Mindeststeuer (Europe.Table berichtete), die innerhalb der OECD vereinbart wurde.
Im Oktober vergangenen Jahres einigten sich 130 Mitgliedsländer der OECD im Kampf gegen Gewinnverlagerungen und Steuervermeidung auf eine Reform des internationalen Steuersystems. Nach Schätzungen der Kommission könnten damit Einnahmen von 2,5 bis 4 Milliarden Euro pro Jahr für die EU-Kasse geschaffen werden.
Die Begeisterung im Rat für die von Johannes Hahn vorgestellten Vorschläge hielt sich aber in Grenzen. “Die Lage ist komplex”, sagt der 64-jährige Österreicher. Denn die vorgeschlagenen Einnahmequellen der EU beträfen die Mitgliedstaaten in unterschiedlichem Maße. “Wir müssen einen fairen Ausgleich suchen, um breite Akzeptanz zu sichern”, so der für das Budget verantwortliche Kommissar, der bereits seit 2010 der Kommission in Brüssel angehört.
Bislang sind die wichtigsten Einnahmequellen für den Haushalt der EU die direkten Beiträge der Mitgliedstaaten, Zölle und der Anteil an der von den Mitgliedstaaten erhobenen Mehrwertsteuer. 2021 kam mit der Plastiksteuer eine vierte Finanzquelle für den EU-Haushalt dazu.
Aus Sicht des dienstältesten EU-Kommissars drängt die Zeit für die Überarbeitung: “Ende nächsten Jahres werden wir mit einem zweiten Vorschlag für die Eigenmittel kommen. Dann werden wir ein Gesamtpaket haben, damit wir die 16 Milliarden Euro an Rückzahlungen jährlich auch wirklich finanziell stemmen können.” Mit den Rückzahlungen sind die ausgegebenen EU-Bonds gemeint.
Angesichts des gewaltigen Anleiheprogramms im Zusammenhang mit dem Corona-Wiederaufbaufonds “Next Generation EU” steht die EU unter Druck, eine verlässliche und dauerhafte Lösung für Eigenmittel zu finden. “Wir brauchen eine Einigung über die neuen Einnahmequellen der EU bis 2023 oder 2024, damit wir die Erhebung der neuen Abgaben für 2026 und 2027 auch technisch vorbereiten können. Da ist unsere Verlässlichkeit auf dem Kapitalmarkt sehr wichtig”, sagte Hahn mit Nachdruck.
Allerdings wird die Bereitschaft der Mitgliedsländer, der Kommission umfangreiche Einnahmequellen zu gewähren, aufgrund der drohenden Rezession in Europa voraussichtlich nicht wachsen. Hahn hofft daher, dass sich die Rezession trotz der von hohen Energiepreisen ausgelösten Inflation in Grenzen hält. Er setzt auf eine mittelfristige Erholung der europäischen Wirtschaft. “Wir haben noch vier oder fünf Jahre Zeit. Bis dahin wird die wirtschaftliche Situation sich hoffentlich wieder entspannt haben”, sagte er in Anspielung auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.
Die drei von der Kommission vorgeschlagenen neuen Geldquellen sollen pro Jahr bis zu 17 Milliarden Euro in die Kassen Brüssels spülen. Im Haushalt von 2026 bis 2030 werden die Mittel dringend gebraucht, um die über Anleihen aufgenommen Milliarden wieder zurückzuzahlen.
Die Skepsis von Ökonomen gegenüber den vorgeschlagenen neuen Eigenmitteln der Kommission ist unterdessen groß. “Trotz der theoretischen Eignung einiger neuer Eigenmittel, ist zu berücksichtigen, dass Eigenmittel auf der Grundlage der Bruttonationaleinkommen – die derzeit zu mehr als 70 Prozent den EU-Haushalt finanzieren – nach überwiegender Meinung die am besten geeignete Einnahmequelle für den EU-Haushalt sind”, heißt es zusammenfassend in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. “Sie können als ein umfassender Maßstab für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten angesehen werden.”
Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist sie derzeit kein Thema, doch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hätte sie gerne: eine Steuer auf exorbitante Gewinne von Energiehändlern infolge des russischen Feldzugs gegen die Ukraine und die Turbulenzen an den Energiemärkten. Erst gestern schloss ein Regierungssprecher sie für den Moment aus und verwies dabei auf den Koalitionsvertrag. In Spanien dagegen hat das linke Regierungsbündnis eine ganz ähnliche Steuer für Energieversorger und Banken jüngst beschlossen.
Die beiden Parteien der Regierungskoalition, PSOE und Unidas Podemos, haben vergangene Woche einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der Sondersteuern für Banken und Energieunternehmen vorsieht. Ziel der Regierung ist es, innerhalb von zwei Jahren sieben Milliarden Euro einzunehmen und damit Maßnahmen gegen die Inflation zu finanzieren (Europe.Table berichtete), die in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine explodiert ist.
Der Entwurf sieht eine 4,8-prozentige Steuer auf Zinsen und Nettoprovisionen für Finanzinstitute mit Einnahmen von mehr als 800 Millionen Euro in den nächsten zwei Jahren vor. Der Energiesektor wird mit einem Satz von 1,2 Prozent auf den jährlichen Nettoumsatz von Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als eine Milliarde Euro besteuert.
Als Argument gegen eine Besteuerung von Übergewinnen wird oft angeführt, dass sie sich nur schwer bemessen ließen. Spanien will die Windfall-Profits ermitteln, indem die Umsätze der unmittelbar vorangegangenen Jahre als Referenz herangezogen werden. Bei der Körperschaftsteuer ist die neue Abgabe nicht abzugsfähig.
Die betroffenen Firmen kritisieren die Maßnahme scharf und erklären, dass sie den Gesetzentwurf genau prüfen werden. Um zu verhindern, dass die Unternehmen die neue Steuerlast auf die Kunden abwälzen, wird eine Strafe in Höhe von 150 Prozent auf eventuell weitergereichte Beträge eingeführt. Die Nationale Kommission für den Wettbewerbsmarkt (CNMC) und die Bank von Spanien sind für die Umsetzung der Maßnahme zuständig und müssen ein neues Aufsichtsmodell entwerfen.
Die beiden neuen Abgaben betreffen insgesamt 19 Unternehmen. Im Bankensektor werden es insgesamt neun Institute sein, große ausländische Banken wie die ING und die Deutsche Bank bleiben ausgespart. Am stärksten betroffen sind die CaixaBank, Santander und BBVA, die entsprechend ihrem Nettoeinkommen im laufenden Jahr zwei Drittel der Steuer aufbringen könnten. Rund 7,4 Prozent ihrer Gewinne werden die betroffenen Kreditinstitute im Durchschnitt für die neue Steuer aufwenden müssen.
Im Energiesektor sind zehn Unternehmen betroffen: Endesa, Iberdrola, Naturgy, EDP, Acciona, Repsol, Cepsa, BP, Galp und der kanarische Kraftstoffverteiler und -vermarkter Disa. Die meisten dieser Unternehmen haben Umsätze im Ausland. In Deutschland etwa ist Endesa im Energiehandel tätig, Iberdrola entwickelt Solaranlagen und bietet langfristige Stromabnahmeverträge (PPA) für Offshore-Windparks an. Die Steuer wird jedoch nur auf Einkünfte in Spanien erhoben.
Die Sprecherin der Oppositonspartei Partido Popular, Cuca Gamarra, warf Präsident Pedro Sánchez Populismus und Irreführung vor, indem er die Wirtschaftspolitik seines linken Koalitionspartners Unidos Podemos übernommen habe. Bankenverbände argumentieren, die neue Bankensteuer sei ein Hindernis für die wirtschaftliche Erholung und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Außerdem ließe sich so die Inflation nicht bekämpfen.
Eine Wettbewerbsverzerrung beklagte der Vorstandsvorsitzende der CaixaBank, Gonzalo Gortázar. Er wandte sich in einem Zeitungsinterview insbesondere gegen die Beschränkung auf Großbanken: “Wir konkurrieren in ganz Spanien, manchmal mit lokalen Unternehmen, die eine sehr starke Präsenz haben, aber die 800-Millionen-Grenze nicht erreichen. Auch bei ausländischen Banken, die überwiegend Zweigstellen haben und diese Anforderung nicht erfüllen, wird dies nicht der Fall sein.”
Auch Italien will den Banken eine Sondersteuer auferlegen, plant jedoch eine Steuer auf außerordentliche Gewinne und nicht auf hohe Umsätze. Die Steuergewerkschaft Gestha ist der Ansicht, dass die Regierung in Madrid einen anderen Weg eingeschlagen hat, um das parlamentarische Verfahren zu beschleunigen und sich vor möglichen gerichtlichen Auseinandersetzungen zu schützen. Steuerfachleute halten die Steuerpläne der spanischen Regierung nicht für unproblematisch.
04.08.2022 – 18:00-20:00 Uhr, Greifswald
KAS, Vortrag Afrika nach Corona – Wie steht es um den Kontinent? Chancen, Probleme, Risiken
Der Referent der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) thematisiert die aktuellen Herausforderungen und Chancen afrikanischer Länder sowie die Auswirkungen der Zukunft Afrikas auf Europa. INFOS & ANMELDUNG
08.08.-12.08.2022, Bonn
FES, Seminar Großbritannien und Europa: Szenen einer gescheiterten Ehe?
Das Seminar der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) beschäftigt sich mit den Folgen des Brexit sowie dem zukünftigen politischen und wirtschaftlichen Miteinander zwischen EU und UK. INFOS & ANMELDUNG
08.08.2022 – 18:00-21:00 Uhr, Berlin/ online
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Welche Auswirkungen und Vorteile der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Radiologie haben kann, wird Thema dieser Veranstaltung sein. INFOS & ANMELDUNG
09.08.2022 – 10:00 Uhr, online
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Die Referenten des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) stellen das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt “ExDRa” vor und erörtern die Chancen einer effizienten Datenanalyse. ANMELDUNG
09.08.2022 – 10:00-11:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Krisenvorsorge zur Gasmangellage
Welche Rolle Stadtwerke bei einer möglichen Gasmangellage spielen und wie sich Netzbetreiber vorbereiten können, diskutieren die Referenten der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW). INFOS & ANMELDUNG
Tschechien greift Privathaushalten bei den Energiekosten unter die Arme. Präsident Miloš Zeman unterzeichnete am Montag ein entsprechendes Gesetz, das von beiden Parlamentskammern verabschiedet worden war. Der sogenannte vergünstigte Tarif soll zunächst während der bevorstehenden Heizsaison von Anfang Oktober 2022 bis Ende März 2023 gelten.
Die Einzelheiten will die Regierung bis Ende des Monats per Verordnung regeln. Es wird damit gerechnet, dass das Kabinett in einem ersten Schritt umgerechnet mehr als eine Milliarde Euro bereitstellt, um die Rechnungen für Strom, Gas und Heizung um einen festen Betrag zu senken. Man werde flexibel reagieren, kündigte Industrie- und Handelsminister Jozef Síkela an.
Die Energiekosten sind seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine drastisch gestiegen. In einer im Mai veröffentlichten Umfrage der Meinungsforschungsagentur Stem/Mark beklagten 73 Prozent der Befragten, dass die Regierung in Prag den Bürgern angesichts der Teuerung nicht genug helfe. dpa
Vor dem Hintergrund reduzierter Liefermengen nach Europa hat der russische Energieriese Gazprom die Gasexporte nach China in den ersten sieben Monaten 2022 um knapp 61 Prozent erhöht – musste aber trotzdem seine Förderung senken. “Gazprom hat vorläufigen Angaben nach 262,4 Milliarden Kubikmeter Gas gefördert, was 12 Prozent (35,8 Milliarden Kubikmeter) weniger sind als im Vorjahr“, teilte das Unternehmen am Montag auf seinem Telegram-Kanal mit.
Während der Binnenkonsum von Januar bis Juli mit Minus zwei Prozent relativ stabil blieb, ist laut Gazprom vor allem die Nachfrage aus dem Ausland stark rückläufig. Der Konzern beziffert das Minus auf mehr als ein Drittel (34,7 Prozent). Das sind rund 40 Milliarden Kubikmeter Gas, die Gazprom weniger im Ausland verkauft hat. Dies hat in erster Linie mit den Lieferkürzungen nach Europa zu tun, wo Moskau unter anderem die Gasexporte über die Ostseepipeline Nord Stream 1 zurückgefahren hat.
Positiv entwickelten sich einzig die Ausfuhren nach China – über die Pipeline “Kraft Sibiriens”. Allerdings ist der Umfang der russischen Gaslieferungen nach China nicht mit dem europäischen Markt zu vergleichen. So hat Gazprom im Gesamtjahr 2021 über die “Kraft Sibiriens” lediglich 10,39 Milliarden Kubikmeter Gas exportiert. Im selben Zeitraum wurden in Richtung Europa und Türkei rund 180 Milliarden Kubikmeter gepumpt. dpa
Die Wiederaufnahme der Exporte von Getreide über den Schwarzmeer-Hafen Odessa in der Ukraine ist nach Einschätzung der EU ein erster Schritt zur Linderung der durch Russlands Krieg ausgelösten Welternährungskrise. Man erwarte nun, dass das Abkommen vollständig umgesetzt werde und ukrainische Exporte an die Kunden in aller Welt wieder aufgenommen würden, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Montag in Brüssel.
Dies sei notwendig, weil die negativen Folgen der Aggression Russlands gegen die Ukraine (Europe.Table berichtete) und der Blockade ukrainischer Häfen die schwächsten Menschen in Afrika, Asien und im Nahen Osten träfen. Russland habe nicht nur ukrainische Häfen blockiert, sondern auch Felder vermint oder zerstört, Silos kaputt gemacht und Getreide verbrannt.
Die Ukraine und Russland hatten am 22. Juli unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei ein Abkommen unterzeichnet (Europe.Table berichtete), um von drei Häfen wieder Getreideausfuhren aus der Ukraine zu ermöglichen. Ein erstes Schiff verließ am Montagmorgen den Hafen von Odessa. Es hat nach offiziellen Angaben rund 26.000 Tonnen Mais geladen und soll über das Schwarze Meer in Richtung Libanon fahren.
Die Ukraine hat den Start des ersten Frachtschiffes als großen Erfolg bezeichnet. “Heute macht die Ukraine gemeinsam mit Partnern einen weiteren Schritt zur Verhinderung des Hungers in der Welt”, schrieb Infrastrukturminister Olexander Kubrakow am Montag bei Facebook. Durch die Wiederinbetriebnahme von drei Häfen könne die Wirtschaft der Ukraine mindestens eine Milliarde US-Dollar (rund 980 Millionen Euro) einnehmen und Planungen im Agrarsektor ermöglichen, sagte Kubrakow.
16 weitere Schiffe warteten bereits in den Häfen am Schwarzen Meer auf ihre Abfahrt, sagte Kubrakow. Diese Frachter seien seit der russischen Invasion vor gut fünf Monaten blockiert gewesen. Zudem erhielten die ukrainischen Behörden nun Anträge zur Ankunft weiterer Schiffe, die ebenfalls mit landwirtschaftlichen Produkte beladen werden sollen, sagte der Minister. dpa
Bulgarien wird am 2. Oktober zum vierten Mal seit April vergangenen Jahres ein neues Parlament wählen. Staatschef Rumen Radew setzte den Termin am Montag per Erlass fest. Das Parlament des EU-Landes soll nach weniger als ein Jahr an diesem Dienstag aufgelöst werden. Der als russlandfreundlich geltende Staatschef Radew wird ebenfalls am Dienstag per Erlass ein Übergangskabinett aus Vertretern mehrerer Parteien einsetzten.
Zurzeit wird die Regierung kommissarisch von Ministerpräsident Kiril Petkow geführt, dessen prowestliche liberal-sozialistische Koalition Ende Juni nach nur gut einem halben Jahr durch einen Misstrauensantrag der Opposition gestürzt worden war. Drei Anläufe zur Bildung einer neuen Regierung (Europe.Table berichtete) ohne Neuwahl schlugen danach fehl. Die Opposition hatte vor allem die Wirtschafts- und Finanzpolitik kritisiert. Zentrales Versprechen der Wahl war die Korruptionsbekämpfung in dem ärmsten EU-Mitgliedsland Bulgarien.
Das von Staatschef Radew zusammengesetzte Übergangskabinett soll so lange regieren, bis nach der Wahl ein reguläres Kabinett in Sofia steht. Ministerpräsident soll übergangsweise Galab Donew werden, der bereits mehrfach Sozialminister war. Er gilt ebenso als Vertrauter Radews wie Oberst a. D. Dimitar Stojanow, der Verteidigungsminister des Nato-Landes werden soll. dpa/rtr
Die EU hat nach der erneuten Eskalation von Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo die Konfliktparteien zu einem Krisentreffen nach Brüssel eingeladen. Ziel sei es, über das weitere Vorgehen zu beraten und zu verhindern, dass sich solche Spannungen wiederholten, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Montag in Brüssel. Die Streitigkeiten ließen sich nur durch Dialog und Verhandlungen beigelegen. Ein Termin für das geplante Treffen wurde zunächst nicht genannt.
Die Einladung der EU erfolgte nach Angaben des Sprechers, nachdem sich das Kosovo auf Bitten Borrells und der USA bereit erklärt hatte, umstrittene Reiseregeln für Serben zunächst auszusetzen. Diese sehen vor, dass an den Grenzübergängen keine serbischen Personaldokumente mehr anerkannt werden. Stattdessen sollten sich Serben dort von diesem Montag an ein provisorisches Dokument ausstellen lassen. Die kosovarischen Behörden begründen dies mit einem identischen Vorgehen serbischer Behörden beim Grenzübertritt kosovarischer Bürger.
In Reaktion auf die geplante Neuregelung errichteten militante Serben am Sonntag im überwiegend serbisch bevölkerten Norden des Kosovos Barrikaden. Zudem sollen auch Schüsse in Richtung kosovarischer Polizisten abgegeben worden sein.
Alle Beteiligten müssten ruhig bleiben und Maßnahmen einstellen, die die Stabilität und Sicherheit vor Ort gefährden und die Freizügigkeit von Bürgern behindern, sagte ein Sprecher Borrells am Montag zu dem Streit. Die Europäische Union und die Mitgliedstaaten verfolgten die Ereignisse und Entwicklungen mit Sorge.
Die EU versucht seit Jahren, zur Klärung des Verhältnisses zwischen Serbien und dem Kosovo beizutragen. Dieses ist äußerst spannungsgeladen, weil sich das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt hatte. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkannten die Unabhängigkeit des Kosovos an. Andere, darunter Serbien, Russland, China und fünf EU-Länder, tun das bis heute nicht. Kremlsprecher Dmitri Peskow versicherte dem befreundeten Serbien gestern die Unterstützung Russlands. dpa
Für seine Entscheidung, nach Brüssel zu gehen, erntete er 2006 verwunderte Blicke, erinnert sich Burkhard Ober. Damals kam er als Head of European Affairs der Allianz, heute nutzt er seine langjährige Erfahrung freiberuflich als Consultant bei Hume Brophy.
Als Bond-Trader in Paris fängt Burkhard Ober an. Dort macht er sich in fünf Jahren einen Namen. Das führte zu dem Angebot, nicht mehr aus Frankreich nach Deutschland, sondern aus Deutschland nach Dubai, Kuwait und die Golfstaaten zu verkaufen. “Das hat mich zum ersten Mal in die politische Szene hinter den Staatsanlagen geführt”, sagt er rückblickend.
1996 kommt er zur Dresdner Bank und zum Asset-Management für Zentralbanken. Von dort geht es nach Brasilien und 2003 als Vorstandsassistent nach Frankfurt zurück, wo er sich später eine neue Position aussuchen kann. Elizabeth Corley, die die Aktivitäten im Asset-Management der Allianz im Ausland leitet, will seine Hilfe. “Und dann war ich der Mann von Frau Corley in Brüssel”, sagt Ober.
Nach Finanzmärkten und Investmentbanking über Asset-Management und seiner Zeit als Leiter einer Investmentbank in Brasilien geht es in die “Finanzmarktregulierungsschiene”, wie er es nennt. Bis 2013 ist er dann für die Allianz Global Investors tätig und tritt schließlich die Nachfolge von Wolfgang Ischinger an. “Ich wurde Head of Public Policy, also sozusagen der oberste Regierungs-Beziehungs-Mensch”, sagt Ober.
Als er 2020 die Pensionsgrenze der Allianz erreicht, schließt er sich einer Consulting-Firma in Brüssel an: Hume Brophy. Nun arbeitet er freiberuflich.
Zu seinen Aufgaben gehört es, die Finanzmarktregulierung inhaltlich zu verfolgen und Stimmungen einzufangen. Was in Brüssel vor sich geht, ist ein wenig wie ein Bühnenstück mit vielen verschiedenen Akteuren. Es geht um das Kennenlernen und Abwägen von Interessen, sagt Ober. “Ich glaube, dieses Gespür, das kriegt man erst nach längerer Zeit”, sagt er. Mit diesem Wissen betreue er dann seine Kunden.
Auch hält er sich durch verschiedene Netzwerke auf dem Laufenden. So ist er nach jahrelanger Mitgliedschaft weiterhin als Gast im Vorstand des Wirtschaftsrats Deutschland. Die gegenseitige Abhängigkeit von Politik und Wirtschaft habe einen wichtigen Einfluss auf die Art, wie wir leben, sagt Ober, “all das ist interessant im Machen zu erleben”.
“Ich glaube, die Neugier, auf diesen bunten Flickenteppich Europa, die hat mich sehr angetrieben.” Geblieben ist ein tiefes Verständnis für den europäischen Kulturraum. Man werde damit auch skeptisch gegenüber nationalistischen Tendenzen, sagt er. Er sehe aber die “wunderbare Seite” Europas. Die Geschichte habe “unglaublich interessante Kulturen hinterlassen”. Nachdem er an vielen verschiedenen Orten weltweit gelebt hat, kann er eines sagen: “Es ist einfach ein wunderschöner Kontinent.” Mirja Mader