die Ukraine hat in der Nacht zum Montag das Ultimatum zur Aufgabe Mariupols zurückgewiesen. Am Sonntag hatte Russland die ukrainischen Streitkräfte aufgefordert, ihre Waffen in der östlichen Hafenstadt niederzulegen. Die Unterhändler der Ukraine und Russlands setzen ihre Verhandlungen heute fort. Am Donnerstag kommen die Spitzen der EU-Länder mit US-Präsident Joe Biden zusammen, unter anderem wollen sie über ein Ölembargo gegen Russland sprechen.
Seine Erwartungen an das Treffen mit dem Emir von Katar seien übertroffen worden, es sei “großartigerweise” fest vereinbart worden, eine langfristige Energiepartnerschaft einzugehen. Das sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Sonntag in Doha. Mehr lesen Sie in den News.
Belgien setzt dagegen auf eine andere Strategie zur Sicherung der Energieversorgung im eigenen Land: Die Laufzeit zweier Atomreaktoren des Landes soll verlängert werden. Geplant war eigentlich eine Abschaltung aller sieben Reaktoren bis 2025. Es sei eine Entscheidung für die Sicherheit in unsicheren Zeiten gewesen, hieß es aus Brüssel.
Damit mit der Energie- auch die Verkehrswende funktioniert, müssen die EU-Länder in eine europaweite Ladeinfrastruktur für E-Autos investieren. Die Verordnung mit nationalen Ausbauzielen (Alternative Fuel Infrastructure Regulation, AFIR) soll dies voranbringen. Bis Freitag konnten noch Änderungsanträge eingebracht werden, und bis auf einige Details herrscht Einigkeit in Rat und Parlament. Bei den Ausbauzielen von LNG für Lkw gehen die Vorstellungen allerdings weit auseinander. Bei welchen Details es noch hakt, hat Lukas Scheid analysiert.
Im Portrait stellt Europe.Table Anne Gläser, Umweltwissenschaftlerin und Referentin für CO2-Preise bei der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch, vor. Sie ist überzeugt, dass die Ziele des European Green Deal noch erreichbar sind – mit viel internationaler Zusammenarbeit.
Die Alternative Fuel Infrastructure Regulation (AFIR) ist Teil des Fit-for-55-Pakets und soll den Aufbau einer Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge vorantreiben. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, dass die Mitgliedstaaten mit jedem neu zugelassenen E-Auto ein Kilowatt (kW) Ladeleistung verpflichtend zubauen müssen – für jeden Plug-in-Hybrid (PHEV) 0,66 kW. Der Berichterstatter des federführenden TRAN-Ausschusses im EU-Parlament, Ismail Ertug (SPD/S&D), möchte die Ausbauziele deutlich erhöhen und an die bereits vorhandene Menge an Ladekapazität knüpfen (Europe.Table berichtete).
Am Freitag endete jetzt die Frist für Änderungsanträge. Grünen-Schattenberichterstatterin Anna Deparnay-Grunenberg will ebenfalls höhere Ausbauziele, allerdings ohne Unterscheidung zwischen E-Auto und Hybrid:
Jens Gieseke, Verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament und AFIR-Schattenberichterstatter für die EVP, will den Aufbau der Ladeinfrastruktur ebenfalls deutlich beschleunigen: 3 kW pro neuem E-Auto, 2 kW pro PHEV. Anders als Ertug und Deparnay-Grunenberg sieht Gieseke jedoch keine Verknüpfung mit dem bereits bestehenden Ladenetz vor.
In anderen Bereichen gehen die Vorstellungen jedoch weiter auseinander. “Die Streichung von LNG-Ausbauzielen für Lkw beispielsweise kann ich – insbesondere vor dem Hintergrund der russischen Invasion in der Ukraine – nicht nachvollziehen”, sagte Gieseke Europe.Table. Man brauche LNG als Übergangslösung, um unabhängiger zu werden. Ertug hatte in seinem Berichtsentwurf einen Stopp des LNG-Ausbaus für den Schwerlasttransport auf der Straße gefordert, da dieser Risiken für “Stranded Assets” und Lock-In-Effekte fossiler Technologien berge. Unterstützt wird Ertug von Grünen-Schattenberichterstatterin Deparnay-Grunenberg.
Kommission und Rat sehen vor, dass die LNG-Infrastruktur nur “begrenzt” ausgebaut werden soll, da gasförmige Kraftstoffe durch emissionsfreie Technologien ersetzt werden. Dekarbonisierte gasförmige Kraftstoffe könnten zudem auf die bestehende Infrastruktur für LNG zurückgreifen.
Wie der Ausbau in den einzelnen Mitgliedstaaten überwacht werden soll, ist ebenfalls maßgeblich. Bis 2024 sollen die Mitgliedstaaten über den aktuellen Stand des Marktes für alternative Kraftstoffe und deren Infrastruktur sowie deren zukünftige Entwicklung in den jeweiligen Ländern informieren. Außerdem sollen sie nationale Ausbauziele festlegen sowie Strategien für deren Erreichung vorlegen.
Anschließend, so schlägt es die Kommission vor, sollen die Länder ab 2027 alle zwei Jahre eigenständige Fortschrittsberichte über die Umsetzung ihres nationalen Strategierahmens einreichen. Berichterstatter Ertug fordert jährliche Fortschrittsberichte schon ab 2026 – öffentlich verfügbar und in “leicht lesbarer und verständlicher Form”. Schattenberichterstatter Gieseke unterstützt diesen Vorschlag.
Im Rat zirkulierte sogar eine Berichtsperiode von drei Jahren. In einem Kompromissvorschlag der französischen Ratspräsidentschaft von voriger Woche ist nun ebenfalls von zwei Jahren die Rede.
Differenzen gibt es auch für den Fall, dass ein Land seine Ziele verfehlt. Die Kommission sieht vor, dass sie ein Land “auffordern” kann, entsprechende Korrekturmaßnahmen durchzuführen, sobald das Risiko besteht, dass das Land die Ziele verfehlt. Im Kompromissvorschlag Frankreichs ist dies deutlich abgeschwächter formuliert: Wenn ein Land seine Ziele bereits verfehlt hat, darf die Kommission Korrekturmaßnahmen “vorschlagen”.
Sozialdemokrat Ertug schlägt sogar eine Ausweitung der Kommissionskompetenz vor für den Fall, dass ein Land keine zufriedenstellenden Maßnahmen ergreift. Die Kommission wäre befugt, im Rahmen ihrer Verträge Maßnahmen für den Mitgliedstaat zu ergreifen.
Deutschland hat mit Katar eine langfristige Energiepartnerschaft vereinbart, um sich von russischen Öl- und Gaslieferungen zu lösen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck traf dazu am Sonntag in Doha den Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani. Jene Unternehmen, die mit ihm gereist seien, würden nun mit der katarischen Seite in Vertragsverhandlungen einsteigen, sagte Habeck seinem Ministerium zufolge nach dem Treffen. Habeck wurde von rund 20 Firmenvertretern vor allem aus dem Energiebereich begleitet.
Von katarischer Seite hieß es zunächst nur, der Emir und Habeck hätten Möglichkeiten erörtert, die bilateralen Beziehungen auszubauen, insbesondere im Energiesektor, Verträge seien noch keine geschlossen worden. Der Grünen-Politiker sagte der ARD, Deutschland habe sich mit Energieimporten abhängig gemacht von Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin. Nun müsse man mit schwierigen Partnern in einen politischen Austausch kommen und diesen fortsetzen. Das Emirat am Persischen Golf ist eine absolute Monarchie, in dem der Islam als Staatsreligion das gesellschaftliche Leben prägt. Kritiker werfen Katar vor, geringere Menschenrechtsstandards zu haben als westliche Staaten.
“Man muss jetzt mit verschiedenen Partnern, die ihre Eigenheiten haben, versuchen in Gespräche zu kommen, um daraus auch eine Dynamik des Besseren zu entfalten”, sagte Habeck. Denn durch den Druck Europas und der internationalen Gemeinschaft habe es bereits Verbesserungen gegeben – wenn auch “weit davon entfernt, den deutschen Standards zu genügen”.
Der Grünen-Politiker will auf seiner Reise zusammen mit der Wirtschaftsdelegation in Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten Möglichkeiten für den Bezug von Wasserstoff und verflüssigtem Erdgas (LNG) ausloten. “Ziel der Reise ist, mittelfristig eine Wasserstoff-Partnerschaft aufzubauen, das heißt es politisch zu flankieren”, hatte Habeck vor dem Abflug in Berlin gesagt. Er wolle Unternehmen dabei unterstützen, kurzfristig LNG-Fördermöglichkeiten zu prüfen. Die Unternehmen, die die Gasversorgung in Deutschland sicherstellten, sollten einen politischen Rahmen erhalten, um von russischem Gas unabhängig zu werden.
Die Bundesregierung will wegen der russischen Invasion in der Ukraine die Gasversorgung in Deutschland auf eine breitere Basis stellen. Bisher deckte Deutschland rund 55 Prozent seines Gasbedarfs mit russischem Erdgas. In Norddeutschland sollen LNG-Terminals errichtet werden, damit Flüssiggastanker dort anlegen können. Dies dauert allerdings mehrere Jahre. Es gehe darum, dass, wenn Deutschland LNG-Terminals baue, Lieferverträge zu haben, die dann die Zusatz-Kapazitäten nach Europa bringen könnten, sagte Habeck. Der Bau der Terminals dauere zwar etwas. Er hoffe aber, dass Katar bis dahin etwas mehr Gas bereitstellen könne. rtr
Eigentlich war der Ausstieg bis 2025 beschlossene Sache. Mit Blick auf die Versorgungssicherheit will die belgische Bundesregierung nun zwei Atomreaktoren zehn Jahre länger laufen lassen. Der Krieg in der Ukraine beschleunigte am Ende die Entscheidung: “Wir entscheiden uns für die Sicherheit in unsicheren Zeiten”, sagte Belgiens Premierminister Alexander De Croo am Freitagabend. Eigentlich sollten alle sieben Atommeiler im Land bis 2025 abgeschaltet werden. Nun sollen zumindest zwei der Reaktoren zehn Jahre länger am Netz bleiben.
Belgiens Bundesregierung hatte schon seit einigen Monaten um die Entscheidung gerungen. Eigentlich war der Atomausstieg seit 2003 beschlossene Sache. Allerdings unter der Voraussetzung, dass die Versorgungssicherheit anders garantiert werden kann. Dies war in der Regierungskoalition mit sieben Parteien aus dem flämischen und dem frankofonen Landesteil schon vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine umstritten.
Vor dem Hintergrund des Krieges sind die Fragezeichen noch größer geworden, und die Energieministerin Tinne Van der Straeten vom grünen Koalitionspartner konnte sich dem teilweisen Ausstieg aus dem Ausstieg nicht mehr verschließen. Die Energieministerin wollte eigentlich den Ausfall der Atomkraft mit dem Bau zweier Gaskraftwerken kompensieren. Ein Projekt soll in Flandern, das andere in der Wallonie realisiert werden. Die flämische Regierung verweigerte aber bisher die Genehmigung.
Die Umweltministerin von den flämischen Nationalisten argumentiert mit den hohen Stickstoffemmissionen. Politische Gegner wittern politisches Kalkül dahinter, denn die flämischen Nationalisten sind Atomkraftbefürworter. Der Bau von zwei Gaskraftwerken wird zwar weiter verfolgt. Doch unabhängig von den politischen Spielchen zwischen Flamen und Wallonen scheint es nun mit Blick auf den Ukrainekrieg nicht mehr so opportun, die Abhängigkeit vom Gas noch einseitig weiter zu vergrößern.
Die Atommeiler Doel 4 bei Antwerpen und Tihange 3 in der Nähe von Lüttich sollen noch einmal eine Laufzeitverlängerung bis 2035 bekommen. Es handelt sich dabei um die zwei vergleichsweise jüngsten Reaktoren, 1985 in Betrieb genommen und mit einer Leistung von zusammen zwei Gigawatt. Teil der Regierungsvereinbarung ist gleichzeitig ein Schub für die erneuerbaren Energien. Mit 1,1 Milliarden Euro soll insbesondere der Ausbau der Offshore-Windparks beschleunigt werden. Die Kapazität soll bis 2030 auf 5,8 Gigawatt ausgebaut werden, etwa dreimal mehr als heute und in etwa die Leistung aller sieben Atommeiler. Die Windräder sollen schneller als ursprünglich geplant unter anderem auf einer künstlichen Energieinsel in der Nordsee erstellt werden, genannt nach Kronprinzessin Elisabeth.
Die Koalitionsregierung präsentierte Laufzeitverlängerung für die Atomkraft und den Schub für die Erneuerbaren als Kompromiss. Ob der Plan aufgeht, ist aber aus verschiedenen Gründen noch unsicher. Schwierige Gespräche mit Atomkraftwerkbetreiber Engie stehen an. Der französische Konzern müsste noch einmal viel Geld in die notorisch pannenanfälligen Atomkraftwerke investieren, damit diese den neusten Sicherheitsstandards entsprechen. Engie werde von der belgischen Regierung finanzielle Zugeständnisse verlangen, vermuten Beobachter. Doch auch so ist fraglich, ob die Anpassungen rechtzeitig abgeschlossen und die zwei Atommeiler ab 2025 ohne längere Unterbrechung werden Strom produzieren können. sti
Mit Blick auf den Angriff Russlands auf die Ukraine und die wirtschaftlichen Folgen fordert Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA. “Wir sollten die Verhandlungen zu einem transatlantischen Freihandelsabkommen wieder aufnehmen. Gerade jetzt in der Krise zeigt sich, wie wichtig der freie Handel mit Partnern in der Welt ist, die unsere Werte teilen”, sagte Lindner dem “Handelsblatt“. “Aus den Erfahrungen mit den TTIP-Gesprächen sollten wir dabei lernen.”
Das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP (“Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft”) wurde 2016 auf Eis gelegt. Insbesondere in Europa gab es massive Proteste dagegen, unter anderem weil Umwelt- und Verbraucherschützer fürchteten, hohe EU-Standards könnten verwässert werden.
Laut Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), sprechen Versorgungsengpässe und strategische Abhängigkeiten dafür, “dass wir mehr Handelsabkommen insgesamt und insbesondere mit Bündnispartnern wie den USA abschließen, statt wie in der Vergangenheit so lange dabei zuzusehen wie sie torpediert werden, bis sie zum Scheitern verurteilt sind”, wie er dem “Handelsblatt” sagte.
Neben dem Ukraine-Krieg fürchten Experten, auch China könnte sich wirtschaftlich vom Westen abkoppeln. Der Handelsökonom Vincent Stamer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sagte der Zeitung: “Wenn China als Absatzmarkt wegbrechen sollte, müssen wir schon vorher für adäquate Alternativen sorgen. Ein europäisch-amerikanisches Handelsabkommen braucht es in diesen Zeiten dringender denn je.”
Es ist unklar, inwieweit es in Europa Unterstützung für solche Gespräche gibt. In den letzten Jahren haben sich einige Partner für eine Wiederaufnahme ausgesprochen, während andere eher zurückhaltend waren. In einer Erklärung ging die US-Botschaft in Berlin nicht direkt auf Lindners Vorschlag ein, sagte aber, dass ein bestehender US-EU-Rat für Handel und Technologie sicherstelle, dass die Handels- und Technologiepolitik ein breit angelegtes Wachstum unterstütze. dpa/rtr
Zwar hatte der Europäische Gerichtshof die Privacy Shield-Vereinbarung zum transatlantischen Transfer personenbezogener Daten 2020 für ungültig erklärt. Seitdem wird intensiv über eine veränderte Neuauflage verhandelt. Doch auf der anderen Seite des Atlantiks hat die Federal Trade Commission (FTC) nun ein Verfahren gegen die früheren Inhaber von CafePress eröffnet, bei dem auch das Privacy Shield eine wichtige Rolle spielt.
Unternehmen, die gegenüber dem US Department of Commerce erklärt hatten, sich den Regeln des Privacy Shields zu unterwerfen, begehen bei Nichtbefolgung der damit entstehenden Pflichten zum Umgang mit Daten einen Verstoß gegen US-Recht. Das jedenfalls argumentiert jetzt die Federal Trade Commission. Sie hat gegen die früheren Eigentümer der Handelsplattform Cafepress ein Verfahren wegen unzureichendem Schutz von Kundendaten eröffnet. Neben anderen Verstößen gegen US-Recht wird ausdrücklich auch ausgeführt, dass der Betreiber seine Kunden irregeführt habe, indem er behauptete, sich an die Vorgaben im Rahmen des Privacy Shield zu halten.
Die FTC forderte die Firma nun unter anderem auf, Betroffene eines aus der unsicheren Datenhaltung resultierenden Hacks von Kundendaten 2019 zu informieren und 500.000 US-Dollar Schadenersatz zu zahlen. fst
Nach Facebook scheint Russland nun auch eine Blockade der Google-Tochter YouTube vorzubereiten. Am Freitag forderte die Medienaufsicht Roskomnadsor die Alphabet-Tochter Google auf, die Verbreitung von Drohungen gegen russische Bürger über die Videoplattform einzustellen. Die Leben und Gesundheit russischer Bürger stünden auf dem Spiel, hieß es.
Konkret geht es um Anzeigen, die für eine Unterbrechung des Bahnverkehrs in Russland und Belarus werben, die Roskomnadsor als Beweis für eine anti-russische Haltung des US-Technologiegiganten heranzieht. Google-Vertreter in Russland wie auch außerhalb waren zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs haben sich die Fronten zwischen Russland und den US-Technologiekonzernen verhärtet. YouTube hat weltweit alle staatlichen russischen Medien blockiert. Während Facebook bereits seit Längerem in Russland gesperrt ist, ist Instagram nun seit Montag nicht mehr verfügbar. Zuvor hatte der Facebook-Eigner Meta Hassrede-Regeln angepasst, um Menschen wegen des Ukraine-Kriegs mehr Möglichkeiten zu geben, ihre Kritik öffentlich zu machen. Mittlerweile hat Russland deshalb ein Strafverfahren auf den Weg gebracht. rtr
Der EZB-Vizechef Luis de Guindos fordert Maßnahmen gegen eine Lohn-Preis-Spirale. Der aktuelle Preisschock bei Energie- und Rohstoffpreisen mache viele Unternehmen und Arbeitnehmer ärmer, sagte er dem “Handelsblatt“. “Die Finanzpolitik sollte durch temporäre, gezielte Hilfen dazu beitragen, die Lasten zu verringern.” Dies würde auch die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale reduzieren.
De Guindos erwartet, dass es im Euro-Raum “voraussichtlich für einen längeren Zeitraum als vor dem Krieg erwartet eine höhere Inflation” gibt. Aus seiner Sicht hängt der künftige geldpolitische Kurs der EZB von den Daten ab. “Wenn wir die Inflation weiter unterschätzen, dann werden wir reagieren. Alle Optionen liegen auf dem Tisch.” Laut de Guindos sind die entscheidenden Faktoren Zweitrundeneffekte und eine mögliche Entankerung der mittelfristigen Inflationserwartungen. “Wenn wir die sehen, dann werden wir handeln.”
Der EZB-Vizechef warnte, dass eine Fragmentierung im Euroraum durch stark auseinanderlaufende Zinsniveaus auf den Anleihemärkten die Wirkung der Geldpolitik gefährden könnte. Die aktuellen Risikoaufschläge für Staatsanleihen von Ländern wie Italien und Spanien hält er für nicht bedenklich. Sie seien derzeit etwa so hoch wie vor der Pandemie und lägen deutlich unter den Höhepunkten etwa in den Jahren 2011 und 2014. rtr
“Ja, ich halte das Erreichen der Ziele des European Green Deals für realistisch“, sagt Anne Gläser lächelnd. In der von den Auswirkungen des Klimawandels derart bedrohten Welt legen wenige Menschen so viel Zuversicht an den Tag. Doch wenn Gläser über ihren Beruf spricht, wird klar, woher ihr Optimismus kommt. Die studierte Umweltwissenschaftlerin trägt täglich dazu bei, dass die Möglichkeit, die gesetzten Ziele einzuhalten, realistisch bleibt. Sie ist Referentin für CO2-Preise bei der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch und außerdem Expertin für das EU-Emissionshandelssystem (ETS).
Dabei agiert sie auf drei Ebenen: zunächst auf der des deutschen nationalen Emissionshandels für Gebäude und Verkehr – Brennstoffemissionshandelsgesetz genannt. Auf EU-Ebene analysiert sie die Sozial- und Klimaverträglichkeit der CO2-Bepreisung, mit besonderem Fokus auf das geplante zweite Emissionshandelssystem. Auf internationaler Ebene betrachtet sie die außenpolitische Dimension des Emissionshandels und setzt sich zudem für einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) ein.
In den letzten zehn Jahren hat es viel Veränderung in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft gegeben und diese wird zukünftig auch nicht weniger. Aktuell sei wichtig, dass der Finanzmarkt auf den Zug aufspringt, sagt Gläser. Etwa durch ein Sustainable Finance System, durch Kredite für klimafreundliche Projekte, vor allem aber durch die Erkenntnis, dass Nicht-Handeln letztendlich teurer sein wird als Handeln.
Ebenfalls unverzichtbar sind internationale Zusammenarbeit, inklusive Technologietransfers und Ambitionswettbewerb. Ein weiterer positiver Aspekt: Für Nationen, die bei der Klimapolitik nicht mit an einem Strang ziehen, entstehen Reputationsrisiken. Auf diese Weise wird ein hohes Maß an globaler Partizipation garantiert.
Mit internationaler Zusammenarbeit kennt Anne Gläser sich aus. Sie arbeitete zunächst für die GIZ in Marokko, wo sie an der Schnittstelle von Klimawandel und Entwicklungszusammenarbeit agierte. In den folgenden Jahren kollaborierte sie mit Regierung und Unternehmen in Tunesien, Indonesien und Uganda, um die dortige Industrieproduktion nachhaltiger zu gestalten. Der Deal sah dabei so aus, dass eine Finanzierung garantiert wurde, wenn Regierung und Unternehmen eine nachhaltige Produktion versprachen. So sollten sie unter anderem auf eine Dekarbonisierung des Industriesektors hinarbeiten.
Gläser beschäftigt sich auch mit der Harmonisierung von nachhaltiger, ökologischer politischer Entwicklung mit sozialer Gerechtigkeit. Möglichkeiten dafür seien unter anderem ein nationales Emissionshandelssystem und insbesondere eine progressive Gestaltung der CO2-Bepreisung durch eine Rückerstattung in Form einer pro-Kopf-Pauschale.
Der Optimismus, der in all dem, was Gläser tut, plant und organisiert mitschwingt, ebbt nicht ab. Im Gegenteil: Er manifestiert sich in jedem ihrer Ziele und Ideen, die sie beschreibt. Ihre zuversichtliche Einstellung ergibt sich aus dem Wissen, dass sie mit ihrer Arbeit an den Problemen unserer Zeit arbeiten kann. Egal ob es um Klimawandel oder soziale Ungerechtigkeit geht – solange es möglich ist, Lösungsmöglichkeiten zu schaffen, sind Pessimismus und Aufgeben keine Option. Anouk Schlung
die Ukraine hat in der Nacht zum Montag das Ultimatum zur Aufgabe Mariupols zurückgewiesen. Am Sonntag hatte Russland die ukrainischen Streitkräfte aufgefordert, ihre Waffen in der östlichen Hafenstadt niederzulegen. Die Unterhändler der Ukraine und Russlands setzen ihre Verhandlungen heute fort. Am Donnerstag kommen die Spitzen der EU-Länder mit US-Präsident Joe Biden zusammen, unter anderem wollen sie über ein Ölembargo gegen Russland sprechen.
Seine Erwartungen an das Treffen mit dem Emir von Katar seien übertroffen worden, es sei “großartigerweise” fest vereinbart worden, eine langfristige Energiepartnerschaft einzugehen. Das sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Sonntag in Doha. Mehr lesen Sie in den News.
Belgien setzt dagegen auf eine andere Strategie zur Sicherung der Energieversorgung im eigenen Land: Die Laufzeit zweier Atomreaktoren des Landes soll verlängert werden. Geplant war eigentlich eine Abschaltung aller sieben Reaktoren bis 2025. Es sei eine Entscheidung für die Sicherheit in unsicheren Zeiten gewesen, hieß es aus Brüssel.
Damit mit der Energie- auch die Verkehrswende funktioniert, müssen die EU-Länder in eine europaweite Ladeinfrastruktur für E-Autos investieren. Die Verordnung mit nationalen Ausbauzielen (Alternative Fuel Infrastructure Regulation, AFIR) soll dies voranbringen. Bis Freitag konnten noch Änderungsanträge eingebracht werden, und bis auf einige Details herrscht Einigkeit in Rat und Parlament. Bei den Ausbauzielen von LNG für Lkw gehen die Vorstellungen allerdings weit auseinander. Bei welchen Details es noch hakt, hat Lukas Scheid analysiert.
Im Portrait stellt Europe.Table Anne Gläser, Umweltwissenschaftlerin und Referentin für CO2-Preise bei der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch, vor. Sie ist überzeugt, dass die Ziele des European Green Deal noch erreichbar sind – mit viel internationaler Zusammenarbeit.
Die Alternative Fuel Infrastructure Regulation (AFIR) ist Teil des Fit-for-55-Pakets und soll den Aufbau einer Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge vorantreiben. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, dass die Mitgliedstaaten mit jedem neu zugelassenen E-Auto ein Kilowatt (kW) Ladeleistung verpflichtend zubauen müssen – für jeden Plug-in-Hybrid (PHEV) 0,66 kW. Der Berichterstatter des federführenden TRAN-Ausschusses im EU-Parlament, Ismail Ertug (SPD/S&D), möchte die Ausbauziele deutlich erhöhen und an die bereits vorhandene Menge an Ladekapazität knüpfen (Europe.Table berichtete).
Am Freitag endete jetzt die Frist für Änderungsanträge. Grünen-Schattenberichterstatterin Anna Deparnay-Grunenberg will ebenfalls höhere Ausbauziele, allerdings ohne Unterscheidung zwischen E-Auto und Hybrid:
Jens Gieseke, Verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament und AFIR-Schattenberichterstatter für die EVP, will den Aufbau der Ladeinfrastruktur ebenfalls deutlich beschleunigen: 3 kW pro neuem E-Auto, 2 kW pro PHEV. Anders als Ertug und Deparnay-Grunenberg sieht Gieseke jedoch keine Verknüpfung mit dem bereits bestehenden Ladenetz vor.
In anderen Bereichen gehen die Vorstellungen jedoch weiter auseinander. “Die Streichung von LNG-Ausbauzielen für Lkw beispielsweise kann ich – insbesondere vor dem Hintergrund der russischen Invasion in der Ukraine – nicht nachvollziehen”, sagte Gieseke Europe.Table. Man brauche LNG als Übergangslösung, um unabhängiger zu werden. Ertug hatte in seinem Berichtsentwurf einen Stopp des LNG-Ausbaus für den Schwerlasttransport auf der Straße gefordert, da dieser Risiken für “Stranded Assets” und Lock-In-Effekte fossiler Technologien berge. Unterstützt wird Ertug von Grünen-Schattenberichterstatterin Deparnay-Grunenberg.
Kommission und Rat sehen vor, dass die LNG-Infrastruktur nur “begrenzt” ausgebaut werden soll, da gasförmige Kraftstoffe durch emissionsfreie Technologien ersetzt werden. Dekarbonisierte gasförmige Kraftstoffe könnten zudem auf die bestehende Infrastruktur für LNG zurückgreifen.
Wie der Ausbau in den einzelnen Mitgliedstaaten überwacht werden soll, ist ebenfalls maßgeblich. Bis 2024 sollen die Mitgliedstaaten über den aktuellen Stand des Marktes für alternative Kraftstoffe und deren Infrastruktur sowie deren zukünftige Entwicklung in den jeweiligen Ländern informieren. Außerdem sollen sie nationale Ausbauziele festlegen sowie Strategien für deren Erreichung vorlegen.
Anschließend, so schlägt es die Kommission vor, sollen die Länder ab 2027 alle zwei Jahre eigenständige Fortschrittsberichte über die Umsetzung ihres nationalen Strategierahmens einreichen. Berichterstatter Ertug fordert jährliche Fortschrittsberichte schon ab 2026 – öffentlich verfügbar und in “leicht lesbarer und verständlicher Form”. Schattenberichterstatter Gieseke unterstützt diesen Vorschlag.
Im Rat zirkulierte sogar eine Berichtsperiode von drei Jahren. In einem Kompromissvorschlag der französischen Ratspräsidentschaft von voriger Woche ist nun ebenfalls von zwei Jahren die Rede.
Differenzen gibt es auch für den Fall, dass ein Land seine Ziele verfehlt. Die Kommission sieht vor, dass sie ein Land “auffordern” kann, entsprechende Korrekturmaßnahmen durchzuführen, sobald das Risiko besteht, dass das Land die Ziele verfehlt. Im Kompromissvorschlag Frankreichs ist dies deutlich abgeschwächter formuliert: Wenn ein Land seine Ziele bereits verfehlt hat, darf die Kommission Korrekturmaßnahmen “vorschlagen”.
Sozialdemokrat Ertug schlägt sogar eine Ausweitung der Kommissionskompetenz vor für den Fall, dass ein Land keine zufriedenstellenden Maßnahmen ergreift. Die Kommission wäre befugt, im Rahmen ihrer Verträge Maßnahmen für den Mitgliedstaat zu ergreifen.
Deutschland hat mit Katar eine langfristige Energiepartnerschaft vereinbart, um sich von russischen Öl- und Gaslieferungen zu lösen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck traf dazu am Sonntag in Doha den Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani. Jene Unternehmen, die mit ihm gereist seien, würden nun mit der katarischen Seite in Vertragsverhandlungen einsteigen, sagte Habeck seinem Ministerium zufolge nach dem Treffen. Habeck wurde von rund 20 Firmenvertretern vor allem aus dem Energiebereich begleitet.
Von katarischer Seite hieß es zunächst nur, der Emir und Habeck hätten Möglichkeiten erörtert, die bilateralen Beziehungen auszubauen, insbesondere im Energiesektor, Verträge seien noch keine geschlossen worden. Der Grünen-Politiker sagte der ARD, Deutschland habe sich mit Energieimporten abhängig gemacht von Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin. Nun müsse man mit schwierigen Partnern in einen politischen Austausch kommen und diesen fortsetzen. Das Emirat am Persischen Golf ist eine absolute Monarchie, in dem der Islam als Staatsreligion das gesellschaftliche Leben prägt. Kritiker werfen Katar vor, geringere Menschenrechtsstandards zu haben als westliche Staaten.
“Man muss jetzt mit verschiedenen Partnern, die ihre Eigenheiten haben, versuchen in Gespräche zu kommen, um daraus auch eine Dynamik des Besseren zu entfalten”, sagte Habeck. Denn durch den Druck Europas und der internationalen Gemeinschaft habe es bereits Verbesserungen gegeben – wenn auch “weit davon entfernt, den deutschen Standards zu genügen”.
Der Grünen-Politiker will auf seiner Reise zusammen mit der Wirtschaftsdelegation in Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten Möglichkeiten für den Bezug von Wasserstoff und verflüssigtem Erdgas (LNG) ausloten. “Ziel der Reise ist, mittelfristig eine Wasserstoff-Partnerschaft aufzubauen, das heißt es politisch zu flankieren”, hatte Habeck vor dem Abflug in Berlin gesagt. Er wolle Unternehmen dabei unterstützen, kurzfristig LNG-Fördermöglichkeiten zu prüfen. Die Unternehmen, die die Gasversorgung in Deutschland sicherstellten, sollten einen politischen Rahmen erhalten, um von russischem Gas unabhängig zu werden.
Die Bundesregierung will wegen der russischen Invasion in der Ukraine die Gasversorgung in Deutschland auf eine breitere Basis stellen. Bisher deckte Deutschland rund 55 Prozent seines Gasbedarfs mit russischem Erdgas. In Norddeutschland sollen LNG-Terminals errichtet werden, damit Flüssiggastanker dort anlegen können. Dies dauert allerdings mehrere Jahre. Es gehe darum, dass, wenn Deutschland LNG-Terminals baue, Lieferverträge zu haben, die dann die Zusatz-Kapazitäten nach Europa bringen könnten, sagte Habeck. Der Bau der Terminals dauere zwar etwas. Er hoffe aber, dass Katar bis dahin etwas mehr Gas bereitstellen könne. rtr
Eigentlich war der Ausstieg bis 2025 beschlossene Sache. Mit Blick auf die Versorgungssicherheit will die belgische Bundesregierung nun zwei Atomreaktoren zehn Jahre länger laufen lassen. Der Krieg in der Ukraine beschleunigte am Ende die Entscheidung: “Wir entscheiden uns für die Sicherheit in unsicheren Zeiten”, sagte Belgiens Premierminister Alexander De Croo am Freitagabend. Eigentlich sollten alle sieben Atommeiler im Land bis 2025 abgeschaltet werden. Nun sollen zumindest zwei der Reaktoren zehn Jahre länger am Netz bleiben.
Belgiens Bundesregierung hatte schon seit einigen Monaten um die Entscheidung gerungen. Eigentlich war der Atomausstieg seit 2003 beschlossene Sache. Allerdings unter der Voraussetzung, dass die Versorgungssicherheit anders garantiert werden kann. Dies war in der Regierungskoalition mit sieben Parteien aus dem flämischen und dem frankofonen Landesteil schon vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine umstritten.
Vor dem Hintergrund des Krieges sind die Fragezeichen noch größer geworden, und die Energieministerin Tinne Van der Straeten vom grünen Koalitionspartner konnte sich dem teilweisen Ausstieg aus dem Ausstieg nicht mehr verschließen. Die Energieministerin wollte eigentlich den Ausfall der Atomkraft mit dem Bau zweier Gaskraftwerken kompensieren. Ein Projekt soll in Flandern, das andere in der Wallonie realisiert werden. Die flämische Regierung verweigerte aber bisher die Genehmigung.
Die Umweltministerin von den flämischen Nationalisten argumentiert mit den hohen Stickstoffemmissionen. Politische Gegner wittern politisches Kalkül dahinter, denn die flämischen Nationalisten sind Atomkraftbefürworter. Der Bau von zwei Gaskraftwerken wird zwar weiter verfolgt. Doch unabhängig von den politischen Spielchen zwischen Flamen und Wallonen scheint es nun mit Blick auf den Ukrainekrieg nicht mehr so opportun, die Abhängigkeit vom Gas noch einseitig weiter zu vergrößern.
Die Atommeiler Doel 4 bei Antwerpen und Tihange 3 in der Nähe von Lüttich sollen noch einmal eine Laufzeitverlängerung bis 2035 bekommen. Es handelt sich dabei um die zwei vergleichsweise jüngsten Reaktoren, 1985 in Betrieb genommen und mit einer Leistung von zusammen zwei Gigawatt. Teil der Regierungsvereinbarung ist gleichzeitig ein Schub für die erneuerbaren Energien. Mit 1,1 Milliarden Euro soll insbesondere der Ausbau der Offshore-Windparks beschleunigt werden. Die Kapazität soll bis 2030 auf 5,8 Gigawatt ausgebaut werden, etwa dreimal mehr als heute und in etwa die Leistung aller sieben Atommeiler. Die Windräder sollen schneller als ursprünglich geplant unter anderem auf einer künstlichen Energieinsel in der Nordsee erstellt werden, genannt nach Kronprinzessin Elisabeth.
Die Koalitionsregierung präsentierte Laufzeitverlängerung für die Atomkraft und den Schub für die Erneuerbaren als Kompromiss. Ob der Plan aufgeht, ist aber aus verschiedenen Gründen noch unsicher. Schwierige Gespräche mit Atomkraftwerkbetreiber Engie stehen an. Der französische Konzern müsste noch einmal viel Geld in die notorisch pannenanfälligen Atomkraftwerke investieren, damit diese den neusten Sicherheitsstandards entsprechen. Engie werde von der belgischen Regierung finanzielle Zugeständnisse verlangen, vermuten Beobachter. Doch auch so ist fraglich, ob die Anpassungen rechtzeitig abgeschlossen und die zwei Atommeiler ab 2025 ohne längere Unterbrechung werden Strom produzieren können. sti
Mit Blick auf den Angriff Russlands auf die Ukraine und die wirtschaftlichen Folgen fordert Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA. “Wir sollten die Verhandlungen zu einem transatlantischen Freihandelsabkommen wieder aufnehmen. Gerade jetzt in der Krise zeigt sich, wie wichtig der freie Handel mit Partnern in der Welt ist, die unsere Werte teilen”, sagte Lindner dem “Handelsblatt“. “Aus den Erfahrungen mit den TTIP-Gesprächen sollten wir dabei lernen.”
Das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP (“Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft”) wurde 2016 auf Eis gelegt. Insbesondere in Europa gab es massive Proteste dagegen, unter anderem weil Umwelt- und Verbraucherschützer fürchteten, hohe EU-Standards könnten verwässert werden.
Laut Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), sprechen Versorgungsengpässe und strategische Abhängigkeiten dafür, “dass wir mehr Handelsabkommen insgesamt und insbesondere mit Bündnispartnern wie den USA abschließen, statt wie in der Vergangenheit so lange dabei zuzusehen wie sie torpediert werden, bis sie zum Scheitern verurteilt sind”, wie er dem “Handelsblatt” sagte.
Neben dem Ukraine-Krieg fürchten Experten, auch China könnte sich wirtschaftlich vom Westen abkoppeln. Der Handelsökonom Vincent Stamer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sagte der Zeitung: “Wenn China als Absatzmarkt wegbrechen sollte, müssen wir schon vorher für adäquate Alternativen sorgen. Ein europäisch-amerikanisches Handelsabkommen braucht es in diesen Zeiten dringender denn je.”
Es ist unklar, inwieweit es in Europa Unterstützung für solche Gespräche gibt. In den letzten Jahren haben sich einige Partner für eine Wiederaufnahme ausgesprochen, während andere eher zurückhaltend waren. In einer Erklärung ging die US-Botschaft in Berlin nicht direkt auf Lindners Vorschlag ein, sagte aber, dass ein bestehender US-EU-Rat für Handel und Technologie sicherstelle, dass die Handels- und Technologiepolitik ein breit angelegtes Wachstum unterstütze. dpa/rtr
Zwar hatte der Europäische Gerichtshof die Privacy Shield-Vereinbarung zum transatlantischen Transfer personenbezogener Daten 2020 für ungültig erklärt. Seitdem wird intensiv über eine veränderte Neuauflage verhandelt. Doch auf der anderen Seite des Atlantiks hat die Federal Trade Commission (FTC) nun ein Verfahren gegen die früheren Inhaber von CafePress eröffnet, bei dem auch das Privacy Shield eine wichtige Rolle spielt.
Unternehmen, die gegenüber dem US Department of Commerce erklärt hatten, sich den Regeln des Privacy Shields zu unterwerfen, begehen bei Nichtbefolgung der damit entstehenden Pflichten zum Umgang mit Daten einen Verstoß gegen US-Recht. Das jedenfalls argumentiert jetzt die Federal Trade Commission. Sie hat gegen die früheren Eigentümer der Handelsplattform Cafepress ein Verfahren wegen unzureichendem Schutz von Kundendaten eröffnet. Neben anderen Verstößen gegen US-Recht wird ausdrücklich auch ausgeführt, dass der Betreiber seine Kunden irregeführt habe, indem er behauptete, sich an die Vorgaben im Rahmen des Privacy Shield zu halten.
Die FTC forderte die Firma nun unter anderem auf, Betroffene eines aus der unsicheren Datenhaltung resultierenden Hacks von Kundendaten 2019 zu informieren und 500.000 US-Dollar Schadenersatz zu zahlen. fst
Nach Facebook scheint Russland nun auch eine Blockade der Google-Tochter YouTube vorzubereiten. Am Freitag forderte die Medienaufsicht Roskomnadsor die Alphabet-Tochter Google auf, die Verbreitung von Drohungen gegen russische Bürger über die Videoplattform einzustellen. Die Leben und Gesundheit russischer Bürger stünden auf dem Spiel, hieß es.
Konkret geht es um Anzeigen, die für eine Unterbrechung des Bahnverkehrs in Russland und Belarus werben, die Roskomnadsor als Beweis für eine anti-russische Haltung des US-Technologiegiganten heranzieht. Google-Vertreter in Russland wie auch außerhalb waren zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs haben sich die Fronten zwischen Russland und den US-Technologiekonzernen verhärtet. YouTube hat weltweit alle staatlichen russischen Medien blockiert. Während Facebook bereits seit Längerem in Russland gesperrt ist, ist Instagram nun seit Montag nicht mehr verfügbar. Zuvor hatte der Facebook-Eigner Meta Hassrede-Regeln angepasst, um Menschen wegen des Ukraine-Kriegs mehr Möglichkeiten zu geben, ihre Kritik öffentlich zu machen. Mittlerweile hat Russland deshalb ein Strafverfahren auf den Weg gebracht. rtr
Der EZB-Vizechef Luis de Guindos fordert Maßnahmen gegen eine Lohn-Preis-Spirale. Der aktuelle Preisschock bei Energie- und Rohstoffpreisen mache viele Unternehmen und Arbeitnehmer ärmer, sagte er dem “Handelsblatt“. “Die Finanzpolitik sollte durch temporäre, gezielte Hilfen dazu beitragen, die Lasten zu verringern.” Dies würde auch die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale reduzieren.
De Guindos erwartet, dass es im Euro-Raum “voraussichtlich für einen längeren Zeitraum als vor dem Krieg erwartet eine höhere Inflation” gibt. Aus seiner Sicht hängt der künftige geldpolitische Kurs der EZB von den Daten ab. “Wenn wir die Inflation weiter unterschätzen, dann werden wir reagieren. Alle Optionen liegen auf dem Tisch.” Laut de Guindos sind die entscheidenden Faktoren Zweitrundeneffekte und eine mögliche Entankerung der mittelfristigen Inflationserwartungen. “Wenn wir die sehen, dann werden wir handeln.”
Der EZB-Vizechef warnte, dass eine Fragmentierung im Euroraum durch stark auseinanderlaufende Zinsniveaus auf den Anleihemärkten die Wirkung der Geldpolitik gefährden könnte. Die aktuellen Risikoaufschläge für Staatsanleihen von Ländern wie Italien und Spanien hält er für nicht bedenklich. Sie seien derzeit etwa so hoch wie vor der Pandemie und lägen deutlich unter den Höhepunkten etwa in den Jahren 2011 und 2014. rtr
“Ja, ich halte das Erreichen der Ziele des European Green Deals für realistisch“, sagt Anne Gläser lächelnd. In der von den Auswirkungen des Klimawandels derart bedrohten Welt legen wenige Menschen so viel Zuversicht an den Tag. Doch wenn Gläser über ihren Beruf spricht, wird klar, woher ihr Optimismus kommt. Die studierte Umweltwissenschaftlerin trägt täglich dazu bei, dass die Möglichkeit, die gesetzten Ziele einzuhalten, realistisch bleibt. Sie ist Referentin für CO2-Preise bei der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch und außerdem Expertin für das EU-Emissionshandelssystem (ETS).
Dabei agiert sie auf drei Ebenen: zunächst auf der des deutschen nationalen Emissionshandels für Gebäude und Verkehr – Brennstoffemissionshandelsgesetz genannt. Auf EU-Ebene analysiert sie die Sozial- und Klimaverträglichkeit der CO2-Bepreisung, mit besonderem Fokus auf das geplante zweite Emissionshandelssystem. Auf internationaler Ebene betrachtet sie die außenpolitische Dimension des Emissionshandels und setzt sich zudem für einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) ein.
In den letzten zehn Jahren hat es viel Veränderung in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft gegeben und diese wird zukünftig auch nicht weniger. Aktuell sei wichtig, dass der Finanzmarkt auf den Zug aufspringt, sagt Gläser. Etwa durch ein Sustainable Finance System, durch Kredite für klimafreundliche Projekte, vor allem aber durch die Erkenntnis, dass Nicht-Handeln letztendlich teurer sein wird als Handeln.
Ebenfalls unverzichtbar sind internationale Zusammenarbeit, inklusive Technologietransfers und Ambitionswettbewerb. Ein weiterer positiver Aspekt: Für Nationen, die bei der Klimapolitik nicht mit an einem Strang ziehen, entstehen Reputationsrisiken. Auf diese Weise wird ein hohes Maß an globaler Partizipation garantiert.
Mit internationaler Zusammenarbeit kennt Anne Gläser sich aus. Sie arbeitete zunächst für die GIZ in Marokko, wo sie an der Schnittstelle von Klimawandel und Entwicklungszusammenarbeit agierte. In den folgenden Jahren kollaborierte sie mit Regierung und Unternehmen in Tunesien, Indonesien und Uganda, um die dortige Industrieproduktion nachhaltiger zu gestalten. Der Deal sah dabei so aus, dass eine Finanzierung garantiert wurde, wenn Regierung und Unternehmen eine nachhaltige Produktion versprachen. So sollten sie unter anderem auf eine Dekarbonisierung des Industriesektors hinarbeiten.
Gläser beschäftigt sich auch mit der Harmonisierung von nachhaltiger, ökologischer politischer Entwicklung mit sozialer Gerechtigkeit. Möglichkeiten dafür seien unter anderem ein nationales Emissionshandelssystem und insbesondere eine progressive Gestaltung der CO2-Bepreisung durch eine Rückerstattung in Form einer pro-Kopf-Pauschale.
Der Optimismus, der in all dem, was Gläser tut, plant und organisiert mitschwingt, ebbt nicht ab. Im Gegenteil: Er manifestiert sich in jedem ihrer Ziele und Ideen, die sie beschreibt. Ihre zuversichtliche Einstellung ergibt sich aus dem Wissen, dass sie mit ihrer Arbeit an den Problemen unserer Zeit arbeiten kann. Egal ob es um Klimawandel oder soziale Ungerechtigkeit geht – solange es möglich ist, Lösungsmöglichkeiten zu schaffen, sind Pessimismus und Aufgeben keine Option. Anouk Schlung