was für ein Tag: Olaf Scholz ist Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Ab jetzt tragen SPD, Grüne und FDP die Bundesregierung und viel Verantwortung. 100 Tage Schonfrist bekommen sie absehbar nicht – doch vollständig sortiert scheinen Minister und Ressorts auch noch nicht. Dafür ist nun klar, wer für Scholz künftig die europäischen und internationalen Fäden in der Hand halten soll: Jörg Kukies, bislang Staatssekretär unter Scholz im Bundesfinanzministerium, einst bei Goldman Sachs und zumindest in der Brüsseler Finanz- und Eurogruppenpolitik ein bekannter Akteur.
Die neue Regierung bedeutet natürlich auch Kompetenzverschiebungen, die wir Ihnen in den kommenden Tagen weiter erläutern werden. Bei der Digitalpolitik ist die Verteilung zwischen den Ministerien nun grundsätzlich erlassen, im Detail aber weiterhin nicht abgeschlossen. Doch einige Rückwirkungen auf die zukünftige Aufstellung Berlins und das Zusammenspiel Brüssel-Berlin lassen sich bereits jetzt erkennen.
Klarer ist: Die Bundesregierung fliegt. Heute schon wird Außenministerin Annalena Baerbock ihren Antrittsbesuch in Paris absolvieren und ihren Amtskollegen Jean-Yves Le Drian treffen. Am Mittag geht es nach Brüssel zu Charles Michel und Jens Stoltenberg. Im Anschluss folgt der wohl schwierigste Termin: Freitagmorgen erwartet sie der polnische Außenminister Zbigniew Rau in Warschau. Nur die ersten vieler Flugmeilen im Kampf gegen den Klimawandel und für den Weltfrieden.
Bundeskanzler Olaf Scholz reist am Freitag ebenfalls erst nach Paris, trifft dort Staatspräsident Emmanuel Macron. Anschließend geht es weiter nach Brüssel zu Charles Michel und Ursula von der Leyen, am Abend will auch er sich mit Jens Stoltenberg beraten. Auch einen Besuch in Polen plant Scholz zeitnah.
Die Flugbereitschaft der Bundeswehr fliegt bei jedem CO₂-Preis. Doch der liegt momentan bei knapp 90 Euro und damit fast 30 Euro über dem Niveau vor einem Monat. Was dies für die europäischen Klimaschutzziele bedeutet und auf wen sich die hohen Preise tatsächlich niederschlagen, hat Lukas Scheid analysiert.
Bei einer Veranstaltung von CEP und Europe.Table war gestern Abend Nicola Beer zu Gast. Die FDP-Europaabgeordnete rechnet mit einer Aufnahme von Kernenergie und Erdgas in die Taxonomie für grüne Investitionen – und warnt, die Diskussion sei “aus dem Ruder gelaufen”.
Nun ist Angela Merkel nach 16 Jahren nicht mehr Kanzlerin, sieben Jahre regierte vor ihr Gerhard Schröder. Wer hat mit Wählermandat noch vier Kanzler erlebt, mit Ausnahme von Wolfgang Schäuble, der seit 1972 Bundestagsmitglied ist? Ganz so bekannt ist sie nie geworden – zu Unrecht, meinen manche: Evelyne Gebhardt wird nach 28 Jahren im Februar aus dem Europaparlament ausscheiden. Warum – und warum jetzt? Das hat sie Jasmin Kohl erzählt.
Vergangenen Sommer zahlten die ETS-pflichtigen Wirtschaftszweige für ihre Emissionensrechte Preise um die 50 Euro pro Tonne ausgestoßenes CO2 – ein zuvor unerreichter Rekordwert. Jahrelang dümpelte der Preis auf unter zehn Euro herum, ehe er Anfang 2018 begann allmählich anzusteigen. Prognosen gingen seinerzeit davon aus, dass die Preise auch weiterhin ansteigen würden, bis 2030 auf etwa 80 Euro. Dieser Wert wurde allerdings vergangenen Montag bereits erreicht, ohne Aussicht auf ein Ende des Trends. Im Laufe des Mittwochs ging die Kurve sogar über die 90 hinaus und pendelte sich zum Ende des Handelstages bei 88,88 Euro ein.
Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament und Schattenberichterstatter für die ETS-Reform, geht davon aus, dass der Preis bis Ende des Jahres auf 100 Euro ansteigen wird. Für ihn ein gutes Zeichen: “Wir brauchen hohe CO2-Preise für das Gelingen der Klimawende”. Einen Grund für den Anstieg sieht er auch in der neuen Bundesregierung. Es sei nun klar, dass es Unterstützung für einen ambitionierten Green Deal gibt. Die derzeitigen CO2-Preise seien daher eine “Antizipation dessen, was nach der ETS-Reform kommt”, so Bloss.
Die EU-Kommission plant, den ETS auf die Bereiche Gebäude und Verkehr auszuweiten (Europe.Table berichtete) und die Anzahl der kostenlosen Zuteilungen von Emissionsrechten schneller zu reduzieren. Ungenutzte Zertifikate könnten zudem nach einer Frist vom Markt verschwinden. Durch eine Verknappung der Emissionsrechte steigt naturgemäß der Preis. Allerdings ist noch längst nicht klar, wie die Reform schlussendlich aussieht und wann sie in Kraft tritt. Derzeit wird noch in den Ausschüssen des EU-Parlaments über den Kommissionsvorschlag debattiert.
Der regulatorische Rahmen des ETS, und das sei bereits abzusehen, werde jedoch nicht lockerer, sondern strenger, sagt Henrik Maatsch, Referent für Klimaschutz und Energiepolitik bei der Umweltschutzorganisation WWF. Maatsch sieht die Gründe für die höhere Nachfrage auch in den Ergebnissen der Klimakonferenz COP26 in Glasgow: dem klaren Bekenntnis zum 1,5 Grad-Ziel, dem absehbaren Ende der globalen Kohleverstromung und der angekündigten Verhinderung von Methan-Emissionen. Daraus habe sich ein Trend am Markt ergeben, so Maatsch.
Der momentane Anstieg des CO2-Preises ist also auf die erhöhte Nachfrage der ETS-pflichtigen Industrien zurückzuführen, die sich vorsorglich mit Zertifikaten eindecken und hat weniger mit dem tatsächlichen Bedarf zu tun. Für Michael Bloss ein Zeichen, dass der Markt noch nicht so richtig funktioniert: “Wir haben immer noch ein zu hohes Angebot an CO2-Zertifikaten, als dass sie genutzt werden”, bemängelt er. Denn das Hedging von Zertifikaten führt zu einer immensen Lücke zwischen gekauften und eingelösten Emissionsrechten. 2020 lag diese Lücke laut der EU-Kommission bei über 460 Megatonnen CO2, die hätten emittiert werden dürfen, aber nicht wurden.
Dazu kommt, dass Spekulanten auf steigende Preise setzen und eben diese nicht eingelösten Emissionszertifikate einkaufen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt – wenn die Preise noch höher sind – gewinnbringend zu verkaufen. Zu diesen Spekulanten gehören die Energieversorger teilweise selbst. Im September war bekannt geworden, dass RWE über genügend Zertifikate verfügt, um sich bis 2030 zu versorgen.
Allerdings gilt es als wahrscheinlicher, dass sie diese nicht selbst einlösen, sondern verkaufen. Denn um die Gewinnmarge aus den gehedgten Zertifikaten beim Verkauf zu erhöhen, und darauf hoffen Umweltschützer, könnten die Energieversorger vermehrt auf Erneuerbare Energien setzen und fossile Energieträger, für die sie wiederum teure Zertifikate kaufen müssten, reduzieren.
Dass Energieunternehmen hedgen, sei “absoluter Standard” zur Risikominimierung, betont WWF-Energiepolitik-Experte Maatsch. Es sei sogar fahrlässig, das nicht zu tun. Denn ansonsten würden Preisausschläge vorrangig jene Unternehmen treffen, die keine Risikominimierung betreiben, erklärt Maatsch.
Ausruhen auf gehedgten Zertifikaten, um weiter mit fossilen Energieträgern zu arbeiten, wolle man sich ohnehin nicht, erklärt Andreas Renner, Leiter Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei EnBW. Denn je nachdem, womit man produziert, bekomme man die hohen CO2-Preise zu spüren. Das mache den langfristig niedrigeren Preis der Erneuerbaren noch attraktiver. Renner begrüßt deshalb den von der neuen Regierungskoalition eingeschlagenen Weg des beschleunigten Ausbaus und hofft vor allem auf schnellere Genehmigungsverfahren für Erneuerbaren-Projekte.
Während der Energiesektor von steigenden CO2-Preisen profitiert, macht man sich in der verarbeitenden Industrie größere Sorgen: “Jedes Unternehmen mit ETS-pflichtigen Industrieanlagen in der EU bekommt die hohen Preise für den Zukauf von Zertifikaten deutlich zu spüren”, sagt Carsten Rolle, Abteilungsleiter für Energie- und Klimapolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Zwar hätten sich einige produzierende Unternehmen “mittels Handelsverträge langfristig bis zum Jahr 2030 gegenüber dem Risiko stark steigender CO2-Preise abgesichert”, doch andere Unternehmen würden die hohen Preise hart treffen. “Sie werden spätestens jetzt nach Maßnahmen und Strategien suchen, um die Wucht der steigenden Preise abzumildern”, so Rolle gegenüber Europe.Table.
Michael Bloss lässt das nicht gelten. Er verweist auf die kostenlosen Zuteilungen für die Industrie. “Die bezahlen diese Preise gar nicht, sondern bekommen die Zertifikate geschenkt”. Er sieht dahinter gar eine staatliche Subvention, die umso größer ausfällt, je höher der CO2-Preis ist. Er setzt sich bei der anstehenden ETS-Reform deshalb für eine schnellere Reduzierung der kostenlosen Zertifikate für die Industrie ein.
Carsten Rolle dagegen sieht sie als wichtigen Schutz vor Carbon Leakage. Die geplante Verschärfung der Regeln für die freie Zuteilung sei absolut kontraproduktiv: “Sie ist ein wichtiger Mechanismus gegen Wettbewerbsverzerrungen aufgrund weniger strenger Klimaauflagen in anderen Teilen der Welt.” Er fordert, dass die kostenlosen Zuteilungen nicht an zusätzliche Bedingungen geknüpft werden. Dass sie reduziert werden, gilt jedoch als ausgemacht. Die Frage ist nur noch, wie schnell sie durch den Grenzausgleichsmechanismus CBAM ersetzt werden (Europe.Table berichtete).
Die Ampel-Koalition bringt wesentliche Veränderungen für die Organisation der Digitalpolitik in der Bundesregierung mit sich. Das künftige Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) wird Kompetenzen für den Digitalbereich an das künftige Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) abgeben.
Stefan Schnorr soll als verbeamteter Staatssekretär im BMDV künftig wesentliche Teile der Digitalpolitik in der Bundesregierung unter Minister Volker Wissing verantworten. Der bisherige Leiter der Abteilung VI Digital- und Innovationspolitik im BMWi ist selbst FDP-Mitglied. Doch seine Karriere wurde auch von anderen Parteien gefördert: Im April 2015 wurde er unter SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zum Abteilungsleiter für Digitales, diente dort auch unter dessen Nachfolgern Brigitte Zypries (SPD) und Peter Altmaier (CDU). In Brüssel wird er von Gesprächspartnern für seine Fachkenntnis geschätzt.
Mit Schnorr sollen dabei Teile der Abteilung VI umziehen. Damit könnte auch die Zuständigkeit für wesentliche europäische Digitalvorhaben wechseln. Laut Organisationserlass des Bundeskanzlers sind die Zuständigkeiten für “nationale, europäische und internationale Digitalpolitik” und für Telekommunikation dem BMDV künftig zugeordnet und würden damit den kleinen Digitalbereich deutlich aufwerten. Ob die Erstnennung des Digitalen noch vor dem Verkehr damit gerechtfertigt ist, kommt unter anderem auf die genaue Ausgestaltung an.
Formal beschreibt der Erlass – abzüglich der Postkompetenz – vor allem die Unterabteilungen A und B der bisherigen Abteilung VI des BMWi. Unklar bleibt derweil, ob neben dem Telekommunikations- auch das für Telemedien (Inhaltsanbieter) zuständige Referat VI A3 ins BMDV wechselt.
Im bisherigen BMVI waren bislang nur zwei Unterabteilungen für Digitalpolitik zuständig:
Insgesamt dürfte in der Koordination absehbar weiterhin viel zu tun bleiben. Die Zuständigkeit für KI und Datenpolitik, für die sich die FDP noch in den Koalitionsverhandlungen besonders engagiert hatte, verbleibt im BMWK. Zudem umfassen die garantiert im BMWK verbleibenden Kompetenzen unter anderem die Regulierungs- und Wettbewerbspolitik. Im Gegenzug wechselt auch eine Zuständigkeit vom BMDV ins BMWi: die Gamesbranche. Robert Habeck dürfte damit auch den Computerspielepreis verleihen.
Ein deutlich stärkeres Mitspracherecht wird bei den Vorhaben der Digitalpolitik in der Bundesregierung die Verbraucherschutzpolitik bekommen. Mit dem Regierungswechsel wird sie vom Bundesjustizministerium abgezogen und dem Bundesumweltministerium unter der Grünen Steffi Lemke zugeschlagen. Da der Bereich Verbraucherschutz bereits in der Vergangenheit als relativ eigenständig galt, sind kaum Probleme durch die Abtrennung vom alten Haus zu erwarten.
Allerdings erhält der Bereich Verbraucherschutz zusätzlich die Zuständigkeit für allgemeine und spezielle Produktsicherheit aus dem Landwirtschaftsministerium. Diese kann auch für die KI-Regulierung eine wesentliche Rolle spielen, im BMEL hingegen war dies politisch zuletzt kaum mehr von Bedeutung. Auch das Verbraucherinformationsgesetz, das in der Datennutzung und Bereitstellung modernisiert werden müsste, geht an das Ressort.
Die neue Verbraucherstaatssekretärin Christiane Rohleder, zuletzt Staatsekretärin in der Ampel in Rheinland-Pfalz ist zudem in den digitalen Themen zu Hause: Im damaligen BMELV war sie im Referat 212 tätig – Informationsgesellschaft, Verkehr, Zukunft, zuständig unter anderem für die ersten politischen Auseinandersetzungen mit Facebook unter Ilse Aigner.
Mit der Herauslösung des V-Bereichs aus dem bisherigen BMJV dürfte die Zukunft des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) im BMJ unter FDP-Politiker Marco Buschmann spannend werden. Das bislang unaufgelöste Verhältnis zu den Anforderungen, die der DSA bringen wird, könnte BMJ, BMUV, BMWK und BMDV einigen Koordinationsbedarf einbringen.
Der Kompetenzaufbau für Digitalpolitik im Bundeskanzleramt ist mit der neuen Bundesregierung beendet.
Die unter der langjährigen Merkel-Vertrauten Eva Christiansen angesiedelte Gruppe 6.2 für Digitalpolitik wird wohl keine eigenständige Zukunft haben, die Zuständigkeiten für operative Tätigkeiten sollen ins BMVD wechseln. Grundsätzlich sieht der Organisationserlass des Kanzleramtes zudem vor, dass “europäische und internationale Bezüge sowie die entsprechenden übergeordneten und Querschnittbereiche wie insbesondere Grundsatz- und Planungsangelegenheiten” eingeschlossen sein sollen.
Ob die digitalpolitischen Grundsatzreferate im Bundeskanzleramt also dort verbleiben, anderen Abteilungen angeschlossen oder in die Ressorts verteilt werden, ist noch offen. Ein kleinerer Teil der IT-Planung soll ins BMI zurückwechseln. Dass es künftig keine Staatsministerin für Digitalisierung mehr geben soll, hatten die Koalitionäre bereits zu Beginn ihrer Verhandlungen klargemacht.
Während im Weißen Haus und in der EU-Kommission Digitalthemen immer stärker als geopolitische Themen auch die internationalen Gipfel der Chefs bestimmen, baut Deutschlands Regierungszentrale in der 20. Wahlperiode hier strukturell etwas zurück – wenige Wochen vor der eigenen G7-Präsidentschaft. Deren künftiger Sherpa Jörg Kukies, bisher Staatssekretär im BMF, erhält bei anderen wesentlichen politischen Themen sonst eine erstaunliche Machtfülle als Abteilungsleiter im Kanzleramt.
Ob das Auswärtige Amt und die Fachressorts hier künftig also tatsächlich aktive Digital-Außenpolitik betreiben werden, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht? Und dabei auch auf den Kanzler als internationalen Vertreter zählen können, der außer bei der Steuerpolitik nicht als digitalpolitisch stärker interessiert bekannt ist? Die digitalpolitische Neuaufstellung der Bundesregierung erzeugt zumindest vorerst noch viele offene Fragen.
09.12.2021 – 09:30-12:00 Uhr, online
BDI, Vortrag Daten im industriellen Mittelstand
Bei der Veranstaltung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) wird die Studie “Datenwirtschaft in Deutschland” vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) vorgestellt, der Status Quo der Datennutzung im industriellen Mittelstand sowie Erfolgsfaktoren und Hemmnisse bei der Datennutzung in KMU dargelegt. ANMELDUNG
10.12.2021 – 11:30-13:00 Uhr, online
VBW, Podiumsdiskussion EU-Vorhaben zu nachhaltigen Lieferketten – Auswirkungen für Unternehmen
Die EU will einen Vorschlag zur Regulierung der Verantwortung von Unternehmen für die Einhaltung von Menschenrechten entlang von Lieferketten vorlegen. Die Expert:innen der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) diskutieren diesen Vorschlag und dessen praktische Bedeutung für Unternehmen. INFOS & ANMELDUNG
13.12.2021 – 10:00-17:30 Uhr, online
Stiftung Datenschutz, Konferenz Daten Tag: Datenschutz und Künstliche Intelligenz
Beim Daten Tag der Stiftung Datenschutz diskutieren Expert:innen über den verantwortungsvollen und datenschutzgerechten Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI). INFOS & ANMELDUNG
13.12.2021 – 18:00-19:30 Uhr, online
HBS, Podiumsdiskussion Digitale Ernährungswende in Europa
Die Podiumsteilnehmer:innen der Heinrich Böll Stiftung (HBS) diskutieren die Möglichkeiten einer nachhaltigen Digitalisierung im Bereich Agrar und Ernährung sowie Chancen und Probleme auf praktischer und politischer Ebene. INFOS & ANMELDUNG
14.12.2021 – 09:00-10:30 Uhr, online
EASE, Seminar The Future of Long Duration Energy Storage Technologies and Their Applications
This seminar of the European Association for Storage of Energy (EASE) will address the future of long-term energy storage, energy storage technologies, and ways to apply them to decarbonize power systems. REGISTRATION
14.12.2021 – 11:00-12:00 Uhr, online
GMF, Presentation The Summit for Democracy: A Transatlantic Readout
On the occasion of the Summit for Democracy, on Dec. 9-10, 2021, the German Marshall Fund of the United States (GMF) invites experts to share their insights on the Summit, the implications of a “values-based foreign policy” for transatlantic actors, the priorities of transatlantic foreign policy and transatlantic cooperation in the coming years. REGISTRATION
14.12.2021 – 14:00-16:00 Uhr, online
DBU, Vortrag Klimaschutz durch Pflanzenkohle!? – Chancen und Risiken einer negative emission technology
Pflanzenkohle stellt eine vergleichsweise schnell umsetzbare Möglichkeit der Realisierung negativer Emissionen dar. Die Expert:innen der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) diskutieren Chancen und Risiken der Nutzung von Pflanzenkohle für den Klimaschutz. INFOS & ANMELDUNG
14.12.2021 – 15:00-16:00 Uhr, online
HOPE, Seminar Capturing the patient’s voice on patient safety
The European Hospital and Healthcare Federation (HOPE) seminar addresses the issue of how the Patient Reported Incident Measure (PRIM) can help capture patient voices to improve patient safety and presents the preliminary results of a survey of the French-speaking population in Belgium. INFOS & REGISTRATION
Der Berichterstatter des Europaparlaments, Andreas Schwab, hält es für realistisch, den Trilog mit dem Rat zum Digital Markets Act (DMA) im März abzuschließen. Er hoffe, bis Anfang oder Mitte März fertig zu werden, sagte der CDU-Abgeordnete am Mittwoch vor Journalisten. Der parallel verhandelte Digital Services Act (DSA) werde voraussichtlich kurz darauf so weit sein.
Damit würden die beiden Rechtsakte nur Eineinviertel Jahre nach der Vorlage des Kommissionsvorschlages beschlossen – für EU-Verhältnisse ein beachtliches Tempo. Der Digital Markets Act soll dafür sorgen, dass die großen Digitalkonzerne den Wettbewerb auf ihren Märkten nicht erdrücken. Der DSA fasst die Spielregeln für die gesamte Branche neu, mit Fokus auf die Inhalte auf den Plattformen. Am kommenden Montag und Dienstag soll der Binnenmarktausschuss (IMCO) über die Position des Parlaments zum DSA abstimmen (Europe.Table berichtete).
Der Digital Markets Act ist bereits einen Schritt weiter, kommende Woche soll das Plenum über Schwabs Bericht abstimmen. Im IMCO hatte er eine sehr große Mehrheit erreicht, allerdings wollen einige Abgeordnete wie Stéphanie Yon-Courtin noch neue Änderungsanträge zur Abstimmung stellen. Schwab gibt sich aber gelassen: Diese bräuchten eine Mehrheit und würden selbst in diesem Falle “das Geschehen nicht maßgeblich beeinflussen”, sagte er.
Der Unterhändler des Europaparlaments sieht sich in einer starken Position. Der Rat habe ein großes Interesse, die Verhandlungen in drei Trilogen zum Ende zu bringen. Ab Januar übernimmt Frankreich den Ratsvorsitz, und Emmanuel Macron will vor der Präsidentschaftswahl im April Erfolge vorweisen können. Das Parlament hat etwa bei den Vorgaben für personalisierte Werbung andere Forderungen als die Mitgliedsstaaten. tho
Nach 28 Jahren im Europäischen Parlament wird die Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt (SPD, S&D) zum 1. Februar ihr Mandat abgeben. Die Schwäbisch-Hallerin und gebürtige Französin ist Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) sowie stellvertretende Vorsitzende der Delegation für die parlamentarischen Beziehungen zur Volksrepublik China.
Als S&D-Schattenberichterstatterin für den Digital Markets Act will sie noch bis zu Ihrem Ausscheiden das Gesetz, das auch online für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen soll, aktiv mitgestalten. Dass sie ausgerechnet in der “heißen Phase” des Verhandlungsprozesses mit Rat und Kommission geht, findet die 67-Jährige nicht frustrierend: “Den Anfang werde ich auf jeden Fall noch mitbekommen”, sagt Gebhardt auf Anfrage von Europe.Table, denn die Trilog-Verhandlungen mit Rat und Kommission könnten im Januar beginnen. “Ich bin sehr zufrieden, was ich in den Verhandlungen im Parlament erreicht habe”, so Gebhardt weiter. Auch nach ihrem Abschied aus dem Europaparlament will sie den DMA weiterhin “ideell begleiten”. “Sollte mein Rat gefragt sein, dann werde ich ihn natürlich gerne geben”, sagt sie. Wenn das Gesetz zur finalen Abstimmung im Parlament steht, könne sie sich auch gut vorstellen, noch einmal nach Straßburg zu fahren, um sich anzuschauen, was daraus geworden ist.
Für Evelyne Gebhardt ins Europäische Parlament nachrücken wird der SPD-Politiker René Repasi aus dem Landkreis Karlsruhe. Repasi lehrt derzeit als Professor für Europarecht an der Erasmus Universität Rotterdam. Mit 28 Jahren kandidierte er 2009 bereits für die Europawahl und wurde 2018 zum Ersatzkandidaten für Gebhardt gewählt. Repasi bezeichnet sich als Vollbluteuropäer und verbindet mit Gebhardt das Verständnis, dass die EU und der europäische Binnenmarkt sozial gestaltet werden muss.
Den Abschied aus dem Europaparlament hat sich Gebhardt lange und gut überlegt. Ihr sei immer klar gewesen, dass sie nicht ihr Leben lang Abgeordnete sein wolle. Den richtigen Moment für den Absprung zu wählen, war ihr wichtig: “Ich wollte zu einem Zeitpunkt aufhören, an dem ich hoffe, dass die Leute sagen: “Es ist schade, dass sie geht, und nicht: Na endlich!”.
Auch wenn sie kein weiteres politisches Amt anstrebt: Däumchen drehen kommt für Gebhardt nicht infrage. Sie will sich weiter in ihren ehrenamtlichen Funktionen engagieren, unter anderem als Vorsitzende der Europaunion Deutschland für Baden-Württemberg. koj
EU-Vizeparlamentspräsidentin Nicola Beer (FDP) hält die Aufnahme von Atomkraft und Erdgas in die sogenannte Taxonomie der Europäischen Union für wahrscheinlich. “Wir müssen unterschiedliche Notwendigkeiten in unterschiedlichen Mitgliedstaaten anerkennen”, sagte Beer am Mittwochabend auf einer Veranstaltung von Table.Media und dem Centrum für Europäische Politik (cep). Es gebe ein großes Interesse an Brückentechnologien wie Erdgas, Frankreich und mehrere osteuropäische Staaten setzten auch auf Atomkraft. Die Einstufung von Kernenergie und Gas als Brückentechnologien sei “letztendlich das Zauberwort”.
Über das Thema würden in der EU derzeit Gespräche auf höchster politischer Ebene geführt, sagte Beer. Es gelte, gemeinsam einen Weg zu finden, der zu weniger Emissionen führe und gleichzeitig als nachhaltig gesehen werden könne, “ohne dass alle diese Energieformen als grün tituliert werden können”, sagte die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende. “Wir werden den Spagat schaffen müssen zwischen dem individuellen Energiemix in den einzelnen Mitgliedstaaten und dem Ausstieg aus fossilen Energiequellen.”
Frankreich bemüht sich seit Monaten um die Aufnahme der Atomkraft in die Taxonomie, Deutschland um die von Erdgas. Die Auffassungen dazu gehen in den Mitgliedstaaten zum Teil weit auseinander. In ihrem Koalitionsvertrag bekennt sich die neue deutsche Regierung zwar ausdrücklich zur Abkehr von Atomenergie sowie zur Notwendigkeit von Gas als Übergangslösung. Die EU-Taxonomie findet in dem Papier jedoch keine Erwähnung. Auf die Zurückhaltung habe sich die Ampel jedoch bewusst verständigt, sagte Beer. Man habe die “Manövrierfähigkeit” nicht einschränken wollen. Es gebe unter den Parteien aber eine gemeinsame Position.
Generell sei die Diskussion um die Taxonomie “aus dem Ruder gelaufen”, so Nicola Beer weiter. Ursprünglich sei diese als eine Form des Verbraucherschutzes gedacht gewesen – als grünes Label für potenzielle Investitionen in nachhaltige Produkte. Nun werde das Regelwerk in praktisch jedes Dossier der EU eingebaut, inklusive des Aufbau-Pakets Next Generation EU. “Das führt zu Kollateralschäden bei der Mittelstandsfinanzierung, da Gelder für die grüne Transformation nicht eingesetzt werden können”, kritisierte Beer.
Da es sich bei der Taxonomie um einen sogenannten delegierten Rechtsakt der Kommission handelt, seien dem Parlament überdies die Hände gebunden. Das Plenum kann offiziell keinen Einfluss nehmen und lediglich zustimmen oder ablehnen. Letzteres kommt nur selten vor. Für Beer ist das der falsche Weg. Sie plädierte dafür, das Regelwerk im Zweifelsfall zurückzuweisen. Die Europäische Kommission will nach derzeitigem Stand am 22. Dezember eine Entscheidung über die grüne Taxonomie treffen. til
Bei den Vorwahlen der konservativen Partei Les Républicains (LR) hatte Valérie Pécresse das Glück auf ihrer Seite. Höchstens 3500 Stimmen trennten die relevanten Kandidaten Bertrand, Barnier, Ciotti und Pécresse voneinander, und der Einzug der einzigen Frau in die zweite Runde war für die meisten Beobachter eine Überraschung. In der Stichwahl gegen Rechtsaußen-Vertreter Éric Ciotti war die Lage klarer.
Valérie Pécresse hat ihre Kampagne bisher gut geführt. Sie ist gut organisiert, hat ein gutes Team und ist eine stolze Feministin, was für die LR ziemlich erfrischend ist. Ihr Überraschungserfolg bei den Vorwahlen scheint ihrer Kampagne einen Schub zu geben – ihre Umfragewerte schnellten zuletzt von 9 auf 20 Prozent nach oben. In der Stichwahl gegen Emmanuel Macron läge sie demnach sogar vorne. Macron (rund 24 Prozent in den Umfragen), Le Pen (rund 20 Prozent) und Zemmour (rund 14 Prozent).
“Zwei Drittel Merkel, ein Drittel Thatcher”: So beschrieb sich Valérie Pécresse im September selbst. Doch die Formel passt so gar nicht zu dem Bild, das die französische Presse von ihr zeichnet. Lange Zeit war in Pécresse keine Thatcher zu erkennen: Sie war eine politische Erbin von Chirac, der nicht gerade für seinen Appetit auf Veränderungen bekannt war. 2017 verließ sie LR und wurde als “Macron-kompatible” Mitte-Rechts-Persönlichkeit eingestuft. Erst wenige Wochen vor den Vorwahlen kehrte sie in die Partei zurück.
Auch der Vergleich mit Angela Merkel scheint weit hergeholt, da sie nicht die Qualitäten aufweist, die die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin am besten beschreiben: anerkannte Klugheit, Gelassenheit angesichts der kommenden Herausforderungen und kein wirklicher Sinn für Konsens.
Für ihren Sinn für Vergleiche ist Valérie Pécresse hingegen durchaus bekannt: Während ihrer erfolgreichen Kampagne für die Region Île de France zeichnete sie sich durch einen weiteren kraftvollen Satz aus: “rien de tel qu’une femme pour faire le ménage“, was übersetzt so viel heißt wie “es gibt nichts Besseres als eine Frau, die aufräumt”. Das war vielleicht der Moment, in dem ihre Thatcher-Seite geboren wurde, zumindest in Worten.
Ihr Durchsetzungsvermögen muss sie jedenfalls früher unter Beweis stellen, als ihr lieb sein dürfte. Nach der verlorenen Stichwahl kündigte Pécresses Kontrahent Ciotti die Gründung einer neuen Fraktion innerhalb der Partei an. “À droite” soll der neue Flügel heißen. “Nach rechts”. Ein Schritt, der deutlich macht, dass Les Républicains kaum noch geschlossen hinter ihrer Überraschungskandidatin stehen.
Außerdem muss sich Valérie Pécresse mit der neu gegründeten Mitte-Rechts-Partei “Horizonte” von Macrons ehemaligem Premierminister Edouard Philippe auseinandersetzen. Erst vor kurzem wechselte mit Christian Estrosi ein bekanntes Gesicht der LR in die neue Partei.
Diese soll Macron bei den kommenden Präsidentschaftswahlen im April 2022 unterstützen und ihm helfen, bei den im Juni folgenden Parlamentswahlen eine Mehrheit zu bilden. Edouard Philippe gehört zu den populärsten politischen Akteuren in Frankreich, was es Pécresse zusätzlich erschweren dürfte, weitere Stimmen von rechts und aus der Mitte zu gewinnen. Vielmehr könnte Philippe sogar eingefleischte LR-Wähler dazu bewegen, sich schließlich für Macron zu entscheiden.
In diesem Zusammenhang sind zwei Szenarien möglich: Entweder gelingt es Valérie Pécresse nicht, die Wähler der Mitte und der Rechten zu erreichen und sie bestätigt die Marginalisierung der LR in einem Frankreich, in dem die neue relevante politische Kluft zwischen Nationalisten und Globalisten besteht. Oder aber sie eint ihre Partei dank einer durch sie aufkommenden Dynamik, erreicht neue Wähler und geht in die zweite Runde. Der Weg für die zweite Option scheint schmal, aber denkbar. Der Wahlkampf hat gerade erst begonnen und es ist zu erwarten, dass sich die Fronten in der Wählerschaft verschieben werden, wovon sie profitieren könnte.
Daneben darf nicht vergessen werden, dass die Präsidentschaftswahlen 2017 aufgrund von Skandalen völlig unerwartet verliefen. Die “Skandal-Komponente” ist bei vielen Kandidaten nicht zu unterschätzen und könnte die derzeitige Dynamik stark verändern. Das gilt auch für Pécresse, die bereits 20 Jahre in der Politik tätig ist.
was für ein Tag: Olaf Scholz ist Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Ab jetzt tragen SPD, Grüne und FDP die Bundesregierung und viel Verantwortung. 100 Tage Schonfrist bekommen sie absehbar nicht – doch vollständig sortiert scheinen Minister und Ressorts auch noch nicht. Dafür ist nun klar, wer für Scholz künftig die europäischen und internationalen Fäden in der Hand halten soll: Jörg Kukies, bislang Staatssekretär unter Scholz im Bundesfinanzministerium, einst bei Goldman Sachs und zumindest in der Brüsseler Finanz- und Eurogruppenpolitik ein bekannter Akteur.
Die neue Regierung bedeutet natürlich auch Kompetenzverschiebungen, die wir Ihnen in den kommenden Tagen weiter erläutern werden. Bei der Digitalpolitik ist die Verteilung zwischen den Ministerien nun grundsätzlich erlassen, im Detail aber weiterhin nicht abgeschlossen. Doch einige Rückwirkungen auf die zukünftige Aufstellung Berlins und das Zusammenspiel Brüssel-Berlin lassen sich bereits jetzt erkennen.
Klarer ist: Die Bundesregierung fliegt. Heute schon wird Außenministerin Annalena Baerbock ihren Antrittsbesuch in Paris absolvieren und ihren Amtskollegen Jean-Yves Le Drian treffen. Am Mittag geht es nach Brüssel zu Charles Michel und Jens Stoltenberg. Im Anschluss folgt der wohl schwierigste Termin: Freitagmorgen erwartet sie der polnische Außenminister Zbigniew Rau in Warschau. Nur die ersten vieler Flugmeilen im Kampf gegen den Klimawandel und für den Weltfrieden.
Bundeskanzler Olaf Scholz reist am Freitag ebenfalls erst nach Paris, trifft dort Staatspräsident Emmanuel Macron. Anschließend geht es weiter nach Brüssel zu Charles Michel und Ursula von der Leyen, am Abend will auch er sich mit Jens Stoltenberg beraten. Auch einen Besuch in Polen plant Scholz zeitnah.
Die Flugbereitschaft der Bundeswehr fliegt bei jedem CO₂-Preis. Doch der liegt momentan bei knapp 90 Euro und damit fast 30 Euro über dem Niveau vor einem Monat. Was dies für die europäischen Klimaschutzziele bedeutet und auf wen sich die hohen Preise tatsächlich niederschlagen, hat Lukas Scheid analysiert.
Bei einer Veranstaltung von CEP und Europe.Table war gestern Abend Nicola Beer zu Gast. Die FDP-Europaabgeordnete rechnet mit einer Aufnahme von Kernenergie und Erdgas in die Taxonomie für grüne Investitionen – und warnt, die Diskussion sei “aus dem Ruder gelaufen”.
Nun ist Angela Merkel nach 16 Jahren nicht mehr Kanzlerin, sieben Jahre regierte vor ihr Gerhard Schröder. Wer hat mit Wählermandat noch vier Kanzler erlebt, mit Ausnahme von Wolfgang Schäuble, der seit 1972 Bundestagsmitglied ist? Ganz so bekannt ist sie nie geworden – zu Unrecht, meinen manche: Evelyne Gebhardt wird nach 28 Jahren im Februar aus dem Europaparlament ausscheiden. Warum – und warum jetzt? Das hat sie Jasmin Kohl erzählt.
Vergangenen Sommer zahlten die ETS-pflichtigen Wirtschaftszweige für ihre Emissionensrechte Preise um die 50 Euro pro Tonne ausgestoßenes CO2 – ein zuvor unerreichter Rekordwert. Jahrelang dümpelte der Preis auf unter zehn Euro herum, ehe er Anfang 2018 begann allmählich anzusteigen. Prognosen gingen seinerzeit davon aus, dass die Preise auch weiterhin ansteigen würden, bis 2030 auf etwa 80 Euro. Dieser Wert wurde allerdings vergangenen Montag bereits erreicht, ohne Aussicht auf ein Ende des Trends. Im Laufe des Mittwochs ging die Kurve sogar über die 90 hinaus und pendelte sich zum Ende des Handelstages bei 88,88 Euro ein.
Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament und Schattenberichterstatter für die ETS-Reform, geht davon aus, dass der Preis bis Ende des Jahres auf 100 Euro ansteigen wird. Für ihn ein gutes Zeichen: “Wir brauchen hohe CO2-Preise für das Gelingen der Klimawende”. Einen Grund für den Anstieg sieht er auch in der neuen Bundesregierung. Es sei nun klar, dass es Unterstützung für einen ambitionierten Green Deal gibt. Die derzeitigen CO2-Preise seien daher eine “Antizipation dessen, was nach der ETS-Reform kommt”, so Bloss.
Die EU-Kommission plant, den ETS auf die Bereiche Gebäude und Verkehr auszuweiten (Europe.Table berichtete) und die Anzahl der kostenlosen Zuteilungen von Emissionsrechten schneller zu reduzieren. Ungenutzte Zertifikate könnten zudem nach einer Frist vom Markt verschwinden. Durch eine Verknappung der Emissionsrechte steigt naturgemäß der Preis. Allerdings ist noch längst nicht klar, wie die Reform schlussendlich aussieht und wann sie in Kraft tritt. Derzeit wird noch in den Ausschüssen des EU-Parlaments über den Kommissionsvorschlag debattiert.
Der regulatorische Rahmen des ETS, und das sei bereits abzusehen, werde jedoch nicht lockerer, sondern strenger, sagt Henrik Maatsch, Referent für Klimaschutz und Energiepolitik bei der Umweltschutzorganisation WWF. Maatsch sieht die Gründe für die höhere Nachfrage auch in den Ergebnissen der Klimakonferenz COP26 in Glasgow: dem klaren Bekenntnis zum 1,5 Grad-Ziel, dem absehbaren Ende der globalen Kohleverstromung und der angekündigten Verhinderung von Methan-Emissionen. Daraus habe sich ein Trend am Markt ergeben, so Maatsch.
Der momentane Anstieg des CO2-Preises ist also auf die erhöhte Nachfrage der ETS-pflichtigen Industrien zurückzuführen, die sich vorsorglich mit Zertifikaten eindecken und hat weniger mit dem tatsächlichen Bedarf zu tun. Für Michael Bloss ein Zeichen, dass der Markt noch nicht so richtig funktioniert: “Wir haben immer noch ein zu hohes Angebot an CO2-Zertifikaten, als dass sie genutzt werden”, bemängelt er. Denn das Hedging von Zertifikaten führt zu einer immensen Lücke zwischen gekauften und eingelösten Emissionsrechten. 2020 lag diese Lücke laut der EU-Kommission bei über 460 Megatonnen CO2, die hätten emittiert werden dürfen, aber nicht wurden.
Dazu kommt, dass Spekulanten auf steigende Preise setzen und eben diese nicht eingelösten Emissionszertifikate einkaufen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt – wenn die Preise noch höher sind – gewinnbringend zu verkaufen. Zu diesen Spekulanten gehören die Energieversorger teilweise selbst. Im September war bekannt geworden, dass RWE über genügend Zertifikate verfügt, um sich bis 2030 zu versorgen.
Allerdings gilt es als wahrscheinlicher, dass sie diese nicht selbst einlösen, sondern verkaufen. Denn um die Gewinnmarge aus den gehedgten Zertifikaten beim Verkauf zu erhöhen, und darauf hoffen Umweltschützer, könnten die Energieversorger vermehrt auf Erneuerbare Energien setzen und fossile Energieträger, für die sie wiederum teure Zertifikate kaufen müssten, reduzieren.
Dass Energieunternehmen hedgen, sei “absoluter Standard” zur Risikominimierung, betont WWF-Energiepolitik-Experte Maatsch. Es sei sogar fahrlässig, das nicht zu tun. Denn ansonsten würden Preisausschläge vorrangig jene Unternehmen treffen, die keine Risikominimierung betreiben, erklärt Maatsch.
Ausruhen auf gehedgten Zertifikaten, um weiter mit fossilen Energieträgern zu arbeiten, wolle man sich ohnehin nicht, erklärt Andreas Renner, Leiter Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei EnBW. Denn je nachdem, womit man produziert, bekomme man die hohen CO2-Preise zu spüren. Das mache den langfristig niedrigeren Preis der Erneuerbaren noch attraktiver. Renner begrüßt deshalb den von der neuen Regierungskoalition eingeschlagenen Weg des beschleunigten Ausbaus und hofft vor allem auf schnellere Genehmigungsverfahren für Erneuerbaren-Projekte.
Während der Energiesektor von steigenden CO2-Preisen profitiert, macht man sich in der verarbeitenden Industrie größere Sorgen: “Jedes Unternehmen mit ETS-pflichtigen Industrieanlagen in der EU bekommt die hohen Preise für den Zukauf von Zertifikaten deutlich zu spüren”, sagt Carsten Rolle, Abteilungsleiter für Energie- und Klimapolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Zwar hätten sich einige produzierende Unternehmen “mittels Handelsverträge langfristig bis zum Jahr 2030 gegenüber dem Risiko stark steigender CO2-Preise abgesichert”, doch andere Unternehmen würden die hohen Preise hart treffen. “Sie werden spätestens jetzt nach Maßnahmen und Strategien suchen, um die Wucht der steigenden Preise abzumildern”, so Rolle gegenüber Europe.Table.
Michael Bloss lässt das nicht gelten. Er verweist auf die kostenlosen Zuteilungen für die Industrie. “Die bezahlen diese Preise gar nicht, sondern bekommen die Zertifikate geschenkt”. Er sieht dahinter gar eine staatliche Subvention, die umso größer ausfällt, je höher der CO2-Preis ist. Er setzt sich bei der anstehenden ETS-Reform deshalb für eine schnellere Reduzierung der kostenlosen Zertifikate für die Industrie ein.
Carsten Rolle dagegen sieht sie als wichtigen Schutz vor Carbon Leakage. Die geplante Verschärfung der Regeln für die freie Zuteilung sei absolut kontraproduktiv: “Sie ist ein wichtiger Mechanismus gegen Wettbewerbsverzerrungen aufgrund weniger strenger Klimaauflagen in anderen Teilen der Welt.” Er fordert, dass die kostenlosen Zuteilungen nicht an zusätzliche Bedingungen geknüpft werden. Dass sie reduziert werden, gilt jedoch als ausgemacht. Die Frage ist nur noch, wie schnell sie durch den Grenzausgleichsmechanismus CBAM ersetzt werden (Europe.Table berichtete).
Die Ampel-Koalition bringt wesentliche Veränderungen für die Organisation der Digitalpolitik in der Bundesregierung mit sich. Das künftige Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) wird Kompetenzen für den Digitalbereich an das künftige Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) abgeben.
Stefan Schnorr soll als verbeamteter Staatssekretär im BMDV künftig wesentliche Teile der Digitalpolitik in der Bundesregierung unter Minister Volker Wissing verantworten. Der bisherige Leiter der Abteilung VI Digital- und Innovationspolitik im BMWi ist selbst FDP-Mitglied. Doch seine Karriere wurde auch von anderen Parteien gefördert: Im April 2015 wurde er unter SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zum Abteilungsleiter für Digitales, diente dort auch unter dessen Nachfolgern Brigitte Zypries (SPD) und Peter Altmaier (CDU). In Brüssel wird er von Gesprächspartnern für seine Fachkenntnis geschätzt.
Mit Schnorr sollen dabei Teile der Abteilung VI umziehen. Damit könnte auch die Zuständigkeit für wesentliche europäische Digitalvorhaben wechseln. Laut Organisationserlass des Bundeskanzlers sind die Zuständigkeiten für “nationale, europäische und internationale Digitalpolitik” und für Telekommunikation dem BMDV künftig zugeordnet und würden damit den kleinen Digitalbereich deutlich aufwerten. Ob die Erstnennung des Digitalen noch vor dem Verkehr damit gerechtfertigt ist, kommt unter anderem auf die genaue Ausgestaltung an.
Formal beschreibt der Erlass – abzüglich der Postkompetenz – vor allem die Unterabteilungen A und B der bisherigen Abteilung VI des BMWi. Unklar bleibt derweil, ob neben dem Telekommunikations- auch das für Telemedien (Inhaltsanbieter) zuständige Referat VI A3 ins BMDV wechselt.
Im bisherigen BMVI waren bislang nur zwei Unterabteilungen für Digitalpolitik zuständig:
Insgesamt dürfte in der Koordination absehbar weiterhin viel zu tun bleiben. Die Zuständigkeit für KI und Datenpolitik, für die sich die FDP noch in den Koalitionsverhandlungen besonders engagiert hatte, verbleibt im BMWK. Zudem umfassen die garantiert im BMWK verbleibenden Kompetenzen unter anderem die Regulierungs- und Wettbewerbspolitik. Im Gegenzug wechselt auch eine Zuständigkeit vom BMDV ins BMWi: die Gamesbranche. Robert Habeck dürfte damit auch den Computerspielepreis verleihen.
Ein deutlich stärkeres Mitspracherecht wird bei den Vorhaben der Digitalpolitik in der Bundesregierung die Verbraucherschutzpolitik bekommen. Mit dem Regierungswechsel wird sie vom Bundesjustizministerium abgezogen und dem Bundesumweltministerium unter der Grünen Steffi Lemke zugeschlagen. Da der Bereich Verbraucherschutz bereits in der Vergangenheit als relativ eigenständig galt, sind kaum Probleme durch die Abtrennung vom alten Haus zu erwarten.
Allerdings erhält der Bereich Verbraucherschutz zusätzlich die Zuständigkeit für allgemeine und spezielle Produktsicherheit aus dem Landwirtschaftsministerium. Diese kann auch für die KI-Regulierung eine wesentliche Rolle spielen, im BMEL hingegen war dies politisch zuletzt kaum mehr von Bedeutung. Auch das Verbraucherinformationsgesetz, das in der Datennutzung und Bereitstellung modernisiert werden müsste, geht an das Ressort.
Die neue Verbraucherstaatssekretärin Christiane Rohleder, zuletzt Staatsekretärin in der Ampel in Rheinland-Pfalz ist zudem in den digitalen Themen zu Hause: Im damaligen BMELV war sie im Referat 212 tätig – Informationsgesellschaft, Verkehr, Zukunft, zuständig unter anderem für die ersten politischen Auseinandersetzungen mit Facebook unter Ilse Aigner.
Mit der Herauslösung des V-Bereichs aus dem bisherigen BMJV dürfte die Zukunft des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) im BMJ unter FDP-Politiker Marco Buschmann spannend werden. Das bislang unaufgelöste Verhältnis zu den Anforderungen, die der DSA bringen wird, könnte BMJ, BMUV, BMWK und BMDV einigen Koordinationsbedarf einbringen.
Der Kompetenzaufbau für Digitalpolitik im Bundeskanzleramt ist mit der neuen Bundesregierung beendet.
Die unter der langjährigen Merkel-Vertrauten Eva Christiansen angesiedelte Gruppe 6.2 für Digitalpolitik wird wohl keine eigenständige Zukunft haben, die Zuständigkeiten für operative Tätigkeiten sollen ins BMVD wechseln. Grundsätzlich sieht der Organisationserlass des Kanzleramtes zudem vor, dass “europäische und internationale Bezüge sowie die entsprechenden übergeordneten und Querschnittbereiche wie insbesondere Grundsatz- und Planungsangelegenheiten” eingeschlossen sein sollen.
Ob die digitalpolitischen Grundsatzreferate im Bundeskanzleramt also dort verbleiben, anderen Abteilungen angeschlossen oder in die Ressorts verteilt werden, ist noch offen. Ein kleinerer Teil der IT-Planung soll ins BMI zurückwechseln. Dass es künftig keine Staatsministerin für Digitalisierung mehr geben soll, hatten die Koalitionäre bereits zu Beginn ihrer Verhandlungen klargemacht.
Während im Weißen Haus und in der EU-Kommission Digitalthemen immer stärker als geopolitische Themen auch die internationalen Gipfel der Chefs bestimmen, baut Deutschlands Regierungszentrale in der 20. Wahlperiode hier strukturell etwas zurück – wenige Wochen vor der eigenen G7-Präsidentschaft. Deren künftiger Sherpa Jörg Kukies, bisher Staatssekretär im BMF, erhält bei anderen wesentlichen politischen Themen sonst eine erstaunliche Machtfülle als Abteilungsleiter im Kanzleramt.
Ob das Auswärtige Amt und die Fachressorts hier künftig also tatsächlich aktive Digital-Außenpolitik betreiben werden, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht? Und dabei auch auf den Kanzler als internationalen Vertreter zählen können, der außer bei der Steuerpolitik nicht als digitalpolitisch stärker interessiert bekannt ist? Die digitalpolitische Neuaufstellung der Bundesregierung erzeugt zumindest vorerst noch viele offene Fragen.
09.12.2021 – 09:30-12:00 Uhr, online
BDI, Vortrag Daten im industriellen Mittelstand
Bei der Veranstaltung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) wird die Studie “Datenwirtschaft in Deutschland” vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) vorgestellt, der Status Quo der Datennutzung im industriellen Mittelstand sowie Erfolgsfaktoren und Hemmnisse bei der Datennutzung in KMU dargelegt. ANMELDUNG
10.12.2021 – 11:30-13:00 Uhr, online
VBW, Podiumsdiskussion EU-Vorhaben zu nachhaltigen Lieferketten – Auswirkungen für Unternehmen
Die EU will einen Vorschlag zur Regulierung der Verantwortung von Unternehmen für die Einhaltung von Menschenrechten entlang von Lieferketten vorlegen. Die Expert:innen der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) diskutieren diesen Vorschlag und dessen praktische Bedeutung für Unternehmen. INFOS & ANMELDUNG
13.12.2021 – 10:00-17:30 Uhr, online
Stiftung Datenschutz, Konferenz Daten Tag: Datenschutz und Künstliche Intelligenz
Beim Daten Tag der Stiftung Datenschutz diskutieren Expert:innen über den verantwortungsvollen und datenschutzgerechten Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI). INFOS & ANMELDUNG
13.12.2021 – 18:00-19:30 Uhr, online
HBS, Podiumsdiskussion Digitale Ernährungswende in Europa
Die Podiumsteilnehmer:innen der Heinrich Böll Stiftung (HBS) diskutieren die Möglichkeiten einer nachhaltigen Digitalisierung im Bereich Agrar und Ernährung sowie Chancen und Probleme auf praktischer und politischer Ebene. INFOS & ANMELDUNG
14.12.2021 – 09:00-10:30 Uhr, online
EASE, Seminar The Future of Long Duration Energy Storage Technologies and Their Applications
This seminar of the European Association for Storage of Energy (EASE) will address the future of long-term energy storage, energy storage technologies, and ways to apply them to decarbonize power systems. REGISTRATION
14.12.2021 – 11:00-12:00 Uhr, online
GMF, Presentation The Summit for Democracy: A Transatlantic Readout
On the occasion of the Summit for Democracy, on Dec. 9-10, 2021, the German Marshall Fund of the United States (GMF) invites experts to share their insights on the Summit, the implications of a “values-based foreign policy” for transatlantic actors, the priorities of transatlantic foreign policy and transatlantic cooperation in the coming years. REGISTRATION
14.12.2021 – 14:00-16:00 Uhr, online
DBU, Vortrag Klimaschutz durch Pflanzenkohle!? – Chancen und Risiken einer negative emission technology
Pflanzenkohle stellt eine vergleichsweise schnell umsetzbare Möglichkeit der Realisierung negativer Emissionen dar. Die Expert:innen der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) diskutieren Chancen und Risiken der Nutzung von Pflanzenkohle für den Klimaschutz. INFOS & ANMELDUNG
14.12.2021 – 15:00-16:00 Uhr, online
HOPE, Seminar Capturing the patient’s voice on patient safety
The European Hospital and Healthcare Federation (HOPE) seminar addresses the issue of how the Patient Reported Incident Measure (PRIM) can help capture patient voices to improve patient safety and presents the preliminary results of a survey of the French-speaking population in Belgium. INFOS & REGISTRATION
Der Berichterstatter des Europaparlaments, Andreas Schwab, hält es für realistisch, den Trilog mit dem Rat zum Digital Markets Act (DMA) im März abzuschließen. Er hoffe, bis Anfang oder Mitte März fertig zu werden, sagte der CDU-Abgeordnete am Mittwoch vor Journalisten. Der parallel verhandelte Digital Services Act (DSA) werde voraussichtlich kurz darauf so weit sein.
Damit würden die beiden Rechtsakte nur Eineinviertel Jahre nach der Vorlage des Kommissionsvorschlages beschlossen – für EU-Verhältnisse ein beachtliches Tempo. Der Digital Markets Act soll dafür sorgen, dass die großen Digitalkonzerne den Wettbewerb auf ihren Märkten nicht erdrücken. Der DSA fasst die Spielregeln für die gesamte Branche neu, mit Fokus auf die Inhalte auf den Plattformen. Am kommenden Montag und Dienstag soll der Binnenmarktausschuss (IMCO) über die Position des Parlaments zum DSA abstimmen (Europe.Table berichtete).
Der Digital Markets Act ist bereits einen Schritt weiter, kommende Woche soll das Plenum über Schwabs Bericht abstimmen. Im IMCO hatte er eine sehr große Mehrheit erreicht, allerdings wollen einige Abgeordnete wie Stéphanie Yon-Courtin noch neue Änderungsanträge zur Abstimmung stellen. Schwab gibt sich aber gelassen: Diese bräuchten eine Mehrheit und würden selbst in diesem Falle “das Geschehen nicht maßgeblich beeinflussen”, sagte er.
Der Unterhändler des Europaparlaments sieht sich in einer starken Position. Der Rat habe ein großes Interesse, die Verhandlungen in drei Trilogen zum Ende zu bringen. Ab Januar übernimmt Frankreich den Ratsvorsitz, und Emmanuel Macron will vor der Präsidentschaftswahl im April Erfolge vorweisen können. Das Parlament hat etwa bei den Vorgaben für personalisierte Werbung andere Forderungen als die Mitgliedsstaaten. tho
Nach 28 Jahren im Europäischen Parlament wird die Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt (SPD, S&D) zum 1. Februar ihr Mandat abgeben. Die Schwäbisch-Hallerin und gebürtige Französin ist Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) sowie stellvertretende Vorsitzende der Delegation für die parlamentarischen Beziehungen zur Volksrepublik China.
Als S&D-Schattenberichterstatterin für den Digital Markets Act will sie noch bis zu Ihrem Ausscheiden das Gesetz, das auch online für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen soll, aktiv mitgestalten. Dass sie ausgerechnet in der “heißen Phase” des Verhandlungsprozesses mit Rat und Kommission geht, findet die 67-Jährige nicht frustrierend: “Den Anfang werde ich auf jeden Fall noch mitbekommen”, sagt Gebhardt auf Anfrage von Europe.Table, denn die Trilog-Verhandlungen mit Rat und Kommission könnten im Januar beginnen. “Ich bin sehr zufrieden, was ich in den Verhandlungen im Parlament erreicht habe”, so Gebhardt weiter. Auch nach ihrem Abschied aus dem Europaparlament will sie den DMA weiterhin “ideell begleiten”. “Sollte mein Rat gefragt sein, dann werde ich ihn natürlich gerne geben”, sagt sie. Wenn das Gesetz zur finalen Abstimmung im Parlament steht, könne sie sich auch gut vorstellen, noch einmal nach Straßburg zu fahren, um sich anzuschauen, was daraus geworden ist.
Für Evelyne Gebhardt ins Europäische Parlament nachrücken wird der SPD-Politiker René Repasi aus dem Landkreis Karlsruhe. Repasi lehrt derzeit als Professor für Europarecht an der Erasmus Universität Rotterdam. Mit 28 Jahren kandidierte er 2009 bereits für die Europawahl und wurde 2018 zum Ersatzkandidaten für Gebhardt gewählt. Repasi bezeichnet sich als Vollbluteuropäer und verbindet mit Gebhardt das Verständnis, dass die EU und der europäische Binnenmarkt sozial gestaltet werden muss.
Den Abschied aus dem Europaparlament hat sich Gebhardt lange und gut überlegt. Ihr sei immer klar gewesen, dass sie nicht ihr Leben lang Abgeordnete sein wolle. Den richtigen Moment für den Absprung zu wählen, war ihr wichtig: “Ich wollte zu einem Zeitpunkt aufhören, an dem ich hoffe, dass die Leute sagen: “Es ist schade, dass sie geht, und nicht: Na endlich!”.
Auch wenn sie kein weiteres politisches Amt anstrebt: Däumchen drehen kommt für Gebhardt nicht infrage. Sie will sich weiter in ihren ehrenamtlichen Funktionen engagieren, unter anderem als Vorsitzende der Europaunion Deutschland für Baden-Württemberg. koj
EU-Vizeparlamentspräsidentin Nicola Beer (FDP) hält die Aufnahme von Atomkraft und Erdgas in die sogenannte Taxonomie der Europäischen Union für wahrscheinlich. “Wir müssen unterschiedliche Notwendigkeiten in unterschiedlichen Mitgliedstaaten anerkennen”, sagte Beer am Mittwochabend auf einer Veranstaltung von Table.Media und dem Centrum für Europäische Politik (cep). Es gebe ein großes Interesse an Brückentechnologien wie Erdgas, Frankreich und mehrere osteuropäische Staaten setzten auch auf Atomkraft. Die Einstufung von Kernenergie und Gas als Brückentechnologien sei “letztendlich das Zauberwort”.
Über das Thema würden in der EU derzeit Gespräche auf höchster politischer Ebene geführt, sagte Beer. Es gelte, gemeinsam einen Weg zu finden, der zu weniger Emissionen führe und gleichzeitig als nachhaltig gesehen werden könne, “ohne dass alle diese Energieformen als grün tituliert werden können”, sagte die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende. “Wir werden den Spagat schaffen müssen zwischen dem individuellen Energiemix in den einzelnen Mitgliedstaaten und dem Ausstieg aus fossilen Energiequellen.”
Frankreich bemüht sich seit Monaten um die Aufnahme der Atomkraft in die Taxonomie, Deutschland um die von Erdgas. Die Auffassungen dazu gehen in den Mitgliedstaaten zum Teil weit auseinander. In ihrem Koalitionsvertrag bekennt sich die neue deutsche Regierung zwar ausdrücklich zur Abkehr von Atomenergie sowie zur Notwendigkeit von Gas als Übergangslösung. Die EU-Taxonomie findet in dem Papier jedoch keine Erwähnung. Auf die Zurückhaltung habe sich die Ampel jedoch bewusst verständigt, sagte Beer. Man habe die “Manövrierfähigkeit” nicht einschränken wollen. Es gebe unter den Parteien aber eine gemeinsame Position.
Generell sei die Diskussion um die Taxonomie “aus dem Ruder gelaufen”, so Nicola Beer weiter. Ursprünglich sei diese als eine Form des Verbraucherschutzes gedacht gewesen – als grünes Label für potenzielle Investitionen in nachhaltige Produkte. Nun werde das Regelwerk in praktisch jedes Dossier der EU eingebaut, inklusive des Aufbau-Pakets Next Generation EU. “Das führt zu Kollateralschäden bei der Mittelstandsfinanzierung, da Gelder für die grüne Transformation nicht eingesetzt werden können”, kritisierte Beer.
Da es sich bei der Taxonomie um einen sogenannten delegierten Rechtsakt der Kommission handelt, seien dem Parlament überdies die Hände gebunden. Das Plenum kann offiziell keinen Einfluss nehmen und lediglich zustimmen oder ablehnen. Letzteres kommt nur selten vor. Für Beer ist das der falsche Weg. Sie plädierte dafür, das Regelwerk im Zweifelsfall zurückzuweisen. Die Europäische Kommission will nach derzeitigem Stand am 22. Dezember eine Entscheidung über die grüne Taxonomie treffen. til
Bei den Vorwahlen der konservativen Partei Les Républicains (LR) hatte Valérie Pécresse das Glück auf ihrer Seite. Höchstens 3500 Stimmen trennten die relevanten Kandidaten Bertrand, Barnier, Ciotti und Pécresse voneinander, und der Einzug der einzigen Frau in die zweite Runde war für die meisten Beobachter eine Überraschung. In der Stichwahl gegen Rechtsaußen-Vertreter Éric Ciotti war die Lage klarer.
Valérie Pécresse hat ihre Kampagne bisher gut geführt. Sie ist gut organisiert, hat ein gutes Team und ist eine stolze Feministin, was für die LR ziemlich erfrischend ist. Ihr Überraschungserfolg bei den Vorwahlen scheint ihrer Kampagne einen Schub zu geben – ihre Umfragewerte schnellten zuletzt von 9 auf 20 Prozent nach oben. In der Stichwahl gegen Emmanuel Macron läge sie demnach sogar vorne. Macron (rund 24 Prozent in den Umfragen), Le Pen (rund 20 Prozent) und Zemmour (rund 14 Prozent).
“Zwei Drittel Merkel, ein Drittel Thatcher”: So beschrieb sich Valérie Pécresse im September selbst. Doch die Formel passt so gar nicht zu dem Bild, das die französische Presse von ihr zeichnet. Lange Zeit war in Pécresse keine Thatcher zu erkennen: Sie war eine politische Erbin von Chirac, der nicht gerade für seinen Appetit auf Veränderungen bekannt war. 2017 verließ sie LR und wurde als “Macron-kompatible” Mitte-Rechts-Persönlichkeit eingestuft. Erst wenige Wochen vor den Vorwahlen kehrte sie in die Partei zurück.
Auch der Vergleich mit Angela Merkel scheint weit hergeholt, da sie nicht die Qualitäten aufweist, die die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin am besten beschreiben: anerkannte Klugheit, Gelassenheit angesichts der kommenden Herausforderungen und kein wirklicher Sinn für Konsens.
Für ihren Sinn für Vergleiche ist Valérie Pécresse hingegen durchaus bekannt: Während ihrer erfolgreichen Kampagne für die Region Île de France zeichnete sie sich durch einen weiteren kraftvollen Satz aus: “rien de tel qu’une femme pour faire le ménage“, was übersetzt so viel heißt wie “es gibt nichts Besseres als eine Frau, die aufräumt”. Das war vielleicht der Moment, in dem ihre Thatcher-Seite geboren wurde, zumindest in Worten.
Ihr Durchsetzungsvermögen muss sie jedenfalls früher unter Beweis stellen, als ihr lieb sein dürfte. Nach der verlorenen Stichwahl kündigte Pécresses Kontrahent Ciotti die Gründung einer neuen Fraktion innerhalb der Partei an. “À droite” soll der neue Flügel heißen. “Nach rechts”. Ein Schritt, der deutlich macht, dass Les Républicains kaum noch geschlossen hinter ihrer Überraschungskandidatin stehen.
Außerdem muss sich Valérie Pécresse mit der neu gegründeten Mitte-Rechts-Partei “Horizonte” von Macrons ehemaligem Premierminister Edouard Philippe auseinandersetzen. Erst vor kurzem wechselte mit Christian Estrosi ein bekanntes Gesicht der LR in die neue Partei.
Diese soll Macron bei den kommenden Präsidentschaftswahlen im April 2022 unterstützen und ihm helfen, bei den im Juni folgenden Parlamentswahlen eine Mehrheit zu bilden. Edouard Philippe gehört zu den populärsten politischen Akteuren in Frankreich, was es Pécresse zusätzlich erschweren dürfte, weitere Stimmen von rechts und aus der Mitte zu gewinnen. Vielmehr könnte Philippe sogar eingefleischte LR-Wähler dazu bewegen, sich schließlich für Macron zu entscheiden.
In diesem Zusammenhang sind zwei Szenarien möglich: Entweder gelingt es Valérie Pécresse nicht, die Wähler der Mitte und der Rechten zu erreichen und sie bestätigt die Marginalisierung der LR in einem Frankreich, in dem die neue relevante politische Kluft zwischen Nationalisten und Globalisten besteht. Oder aber sie eint ihre Partei dank einer durch sie aufkommenden Dynamik, erreicht neue Wähler und geht in die zweite Runde. Der Weg für die zweite Option scheint schmal, aber denkbar. Der Wahlkampf hat gerade erst begonnen und es ist zu erwarten, dass sich die Fronten in der Wählerschaft verschieben werden, wovon sie profitieren könnte.
Daneben darf nicht vergessen werden, dass die Präsidentschaftswahlen 2017 aufgrund von Skandalen völlig unerwartet verliefen. Die “Skandal-Komponente” ist bei vielen Kandidaten nicht zu unterschätzen und könnte die derzeitige Dynamik stark verändern. Das gilt auch für Pécresse, die bereits 20 Jahre in der Politik tätig ist.