Hannah Pilgrim – Rohstoffe als Lebensthema

Für sie gibt es keinen verantwortungsvollen Bergbau: Hannah Pilgrim koordiniert das Netzwerk des Arbeitskreises Rohstoffe bei der NGO Powershift.

Europa will die Energiewende – aber für Solarzellen und Elektroautos braucht es Rohstoffe, darunter Chrom, Platin und Eisenerze aus Südafrika. Dort hat Hannah Pilgrim im Februar Organisationen getroffen, die Bergarbeiter und Anwohner vertreten. Die 30-Jährige koordiniert das Netzwerk AK Rohstoffe bei der NGO Powershift. Ihre Forderung: Die EU soll für höhere Standards und ein Mitspracherecht der Betroffenen sorgen, wenn sie die sogenannten kritischen Rohstoffe aus dem globalen Süden bezieht.

Pilgrim hat Sozialwissenschaften und Humangeografie studiert, sich für NGOs mit Hungerkrisen beschäftigt und sich im Hambacher Forst gegen den Kohleabbau engagiert. Ihr Lebensthema aber seien die metallischen Rohstoffe, erzählt Pilgrim. Die könnten bald wichtiger sein als Öl und Gas, denn sie stecken in vielen Technologien, die Europa für Digitalisierung und Energiewende dringend braucht.

Löcher so tief wie Strommasten

„Das sind nicht nur Rohstoffe, die geborgen werden müssen“, sagt Pilgrim. In Südafrika hat sie Dörfer besucht, wo der Bergbau Senklöcher verursacht hat, die so tief sind wie Strommasten. „Einen per se verantwortungsvollen oder grünen Bergbau gibt es einfach nicht„, sagt Pilgrim. Die EU könne aber für höhere soziale und ökologische Standards in den Lieferketten sorgen.

Zudem brauche es ein Mitspracherecht für die Bevölkerung vor Ort, sagt Pilgrim: „Keine reinen Informationsveranstaltungen, sondern im Zweifel auch das Recht, nein sagen zu können“. Denn der Bergbau reproduziere vielerorts neokoloniale Strukturen. Bei Betroffenen seien noch Wunden offen aus den vergangenen Jahrzehnten. „Unternehmen haben nicht ausreichend für Entschädigungen gesorgt, sich zum Teil nicht einmal entschuldigt“, kritisiert Pilgrim. „Wir können nicht erwarten, dass die Menschen ihnen jetzt einfach vertrauen.“

Betroffene sehen Europa in der Pflicht

In Kapstadt hat sie die „Alternative Mining Indaba“ besucht – das ist eine Konferenz für Organisationen, die Betroffene des Bergbaus vertreten. Unter ihnen gebe es hohe Erwartungen an Europa, an den Green Deal und den geplanten Critical Raw Materials Act. Damit will die EU die Versorgung mit den sogenannten kritischen Rohstoffen sicherstellen. Vor allem wollen die Mitgliedstaaten die Lieferketten diversifizieren und weniger abhängig von einzelnen Staaten sein.

Für Hannah Pilgrim geht es dabei zu viel um das Angebot an Metallen und Seltenen Erden, zu wenig um die europäische Nachfrage – denn die sei viel zu hoch. Die EU müsse sich zum Ziel setzen, weniger kritische Rohstoffe zu verbrauchen, durch weniger Konsum und mehr Recycling. Das fordert Powershift in einem Papier zusammen mit Organisationen wie dem BUND und der Heinrich-Böll-Stiftung. Denn verglichen mit dem Rest der Welt verbrauche die europäische Bevölkerung zu viele Rohstoffe, sagt Pilgrim. „Da geht es auch um globale Gerechtigkeit.“ Jana Hemmersmeier

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