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Erscheinungsdatum: 02. November 2025

Regional verankert, national vernetzt: China-Kompetenzzentren als Schlüssel für sichere Wissenschaftskooperationen

Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt

Die Debatte um „Wissenssicherheit“ verändert die internationale Zusammenarbeit von Hochschulen. Im Umgang mit China braucht es regionale Kompetenzzentren. Ihre langfristige Förderung ist entscheidend für die Zukunft des Wissenschaftsstandorts Deutschland, schreiben fünf im Wissenschaftsaustausch mit China tätige Autoren von der HU Berlin und den Universitäten in Kiel, Jena und Marburg.

Internationale Wissenschaftskooperationen bilden nicht nur einen erheblichen Mehrwert für deutsche Hochschulen, sie sind Voraussetzung und Bedingung für wissenschaftlichen Fortschritt. Doch angesichts wachsender geopolitischer Spannungen müssen auch Risiken stärker in den Blick genommen werden: „Resilienz“ und „Exportkontrolle“ sind Begriffe, die nicht nur Wirtschaftsdebatten prägen, sondern zunehmend auch Auseinandersetzungen rund um Wissenschaft und Forschung. Die Debatte um „Wissenssicherheit“ hat an Fahrt aufgenommen; neue Beratungszentren, Richtlinien und Instrumente entstehen weltweit – oder aber ihre Entstehung wird gefordert.

So veröffentlichte das DAAD-Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen (KIWi) mit der KIWi-Checkliste Wissenssicherheit im September ein Instrument zur strukturierten Risikoabwägung. Auch der Wissenschaftsrat hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und im Mai 2025 ein Positionspapier mit dem Titel Wissenschaft und Sicherheit in Zeiten weltpolitischer Umbrücheveröffentlicht. Zu den dort genannten Risiken zählen der „unerwünschte Wissensabfluss“, insbesondere wenn es um sicherheits- oder wirtschaftlich relevante Informationen geht, oder aber eine „unerwünschte Einflussnahme auf das Wissenschaftssystem“. Der Wissenschaftsrat empfiehlt daher eine „schlanke, handhabbare und zugleich klare Risikobetrachtung“, gestützt auf einen dreistufigen Prozess: individuelle Analyse, kollegialer Austausch und die Einbindung geeigneter Gremien (etwa rund um ethische und/oder sicherheitsrelevante Fragen).

Eben hier kommen die regionalen China-Kompetenzzentren ins Spiel, die das BMFTR seit 2023 und noch bis 2026 unter dem Titel „Förderung des regionalen Ausbaus der China-Kompetenz in der Wissenschaft“ finanziert. Ziel ist es, Wissen nicht nur punktuell, sondern regional verankert aufzubauen: Universitäten, Institute und Transferstellen sollen Kompetenzen bündeln, Netzwerke bilden und Synergien nutzen. Elf regionale Projekte sowie ein Begleitprojekt wurden ausgewählt. Für viele Akteur*innen in diesem Feld besteht die Herausforderung darin, einerseits chinesische Forscher*innen und Institutionen nicht zu dämonisieren oder unter Generalverdacht zu stellen und andererseits die Notwendigkeit einer regional spezifischen Expertise für entsprechende Prüfprozesse anzuerkennen.

Aus diesem Grund sollte der Bund, wenn der Projektzeitraum für die regionalen Kompetenzzentren ausläuft, gemeinsam mit den Ländern erneut Geld in die Hand nehmen und regionale China-Kompetenzzentren fördern. Diese Förderung sollte jedoch nicht einer dreijährigen Projektlogik folgen, sondern nachhaltige Strukturen und Institutionen aufbauen, die eng miteinander verzahnt sind. Hierfür muss der Bund regionale Strukturen dauerhaft absichern und koordinieren. Entsprechende Vorhaben finden unter anderem im Koalitionsvertrag politische Rückendeckung, der den Ausbau von China-Kompetenz und die Förderung von unabhängiger Forschung ausdrücklich als Ziel formuliert.

Damit die politischen Zielsetzungen in der Praxis wirksam werden, braucht es eine konkrete Unterstützung für Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Denn nur so können sie Risiken – aber auch Chancen – frühzeitig erkennen und verantwortungsvoll damit umgehen. Die Förderung regionaler China-Kompetenzzentren hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass deutsche Hochschulen für ihre internationalen Kooperationen dabei mehr benötigen als allgemeine Beratung oder juristische Hinweise.

Neben einer nationalen Plattform für Wissenssicherheit sowie einer diskutierten nationalen Anlaufstelle für chinaspezifische Fragen sind regionale Kompetenzzentren dafür unverzichtbar. Obwohl Hochschulen internationale Kooperationen im Allgemeinen selbst begleiten können und müssen, fehlt es in der Regel an personellen Ressourcen, um die komplexe und sich rasch wandelnde Kooperation mit chinesischen Partnern angemessen zu begleiten. Gleichzeitig verengen sich bisherige Debatten über China-Kooperationen häufig auf exportkontrollrechtliche Fragen. Die eigentliche Herausforderung liegt jedoch in Fragen wie:

  • Mit welchen Partnern lohnt sich eine Zusammenarbeit?

  • Welche Risiken oder Fallstricke bestehen im Forschungsalltag?

  • Wie können Chancen sinnvoll genutzt werden, ohne in Abhängigkeiten zu geraten?

Genau hier setzen regionale China-Kompetenzzentren an – und leisten unverzichtbare Arbeit. Sie bieten niedrigschwellige und vertrauensbasierte Beratung. Sie helfen Hochschulen, Kooperationen strategisch aufzubauen, kritisch zu begleiten – und notfalls auch Wege zu finden, ein Vorhaben verantwortungsvoll abzusagen.

Die Stärke der Zentren liegt darin, chinaspezifisches Wissen bereitzustellen, das weit über juristische Fragen hinausgeht. Die regionale Verankerung von Chinakompetenzzentren ist hier ein Vorteil gegenüber einer rein nationalen Stelle: Sie können den unmittelbaren Bedarf von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Kliniken in ihrer Region aufnehmen, bestehende Netzwerke gezielt mit China-Know-how verbinden und so präzisere, praxisnähere Unterstützung bieten.

Eine weitere Stärke liegt im Matchmaking vor Ort. Regionale Zentren kennen die Akteure, die Themen und die politischen wie wirtschaftlichen Prioritäten ihrer Umgebung: In Norddeutschland etwa gibt es Dutzende lokale Institutionen mit China-Bezug – von Universitäten bis zu Wirtschaftskammern. Ein regionales Zentrum hat den Überblick und kann die richtigen Akteure miteinander vernetzen und Themen passgenau bearbeiten. Dieses Wissen lässt sich nicht an externe Stellen ohne China-Kompetenz oder an eine Bundesstelle „outsourcen“.

Wissenssicherheit ist dennoch eine Aufgabe des Bundes, die erfordert, regionale Zentren über Projektzeiträume hinaus zu verstetigen und diese zu koordinieren. Damit Deutschland im Umgang mit China handlungsfähig bleibt, braucht es eine nationale Plattform, die regionale Zentren vernetzt, Doppelstrukturen vermeidet und Profile klar definiert. Es darf kein Konkurrenzverhältnis zwischen Zentren entstehen, vielmehr braucht es ein abgestimmtes Zusammenwirken.

Um ihr volles Potenzial zu entfalten, sollten regionale Zentren bundesweit vernetzt arbeiten. Jedes Zentrum bringt besondere Schwerpunkte ein, die durch eine nationale Plattform zusammengeführt werden können. So entsteht ein arbeitsteiliges, abgestimmtes System. Die Weiterförderung und langfristige Absicherung regionaler China-Kompetenzzentren ist eine strategische Investition in die Zukunft des Wissenschaftsstandorts Deutschland – und damit Verantwortung des Bundes.

Jana Brokate ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Kiel und Koordinatorin des BMFTR-Projekts China-Kompetenz im Norden. Merle Groneweg ist Mitarbeiterin am Seminar für Ostasienstudien der Humboldt-Universität zu Berlin. Isabelle Harbrecht ist Projektkoordinatorin des China Competence Training Center an der HU Berlin. Daniel Höft arbeitet an der Universität Marburg im Bereich Internationalisierung und Wissenschaftliche Kooperationen und koordiniert das BMFTR-Projekt ChinakomMitt. Linus Schlüter ist Mitarbeiter an der Universität Jena und Projektkoordinator der China-Kompetenz-Plattform für Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Thüringen.

Hinweis der Redaktion: Über China zu diskutieren heißt heute mehr denn je: kontrovers debattieren. Wir möchten die Vielfalt der Standpunkte abbilden, damit Sie einen Einblick in die Breite der Debatte gewinnen können. Standpunkte spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider.

Letzte Aktualisierung: 04. November 2025

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