China ist schon lange nicht mehr nur die Werkbank der Welt. Die Volksrepublik strebt bei E-Autos, IT und in vielen weiteren High-Tech Branchen die Führerschaft an. Die Förderung von Innovationen, Forschung und Wissenschaft stehen in Peking hoch auf der Agenda. Wissenschaftler dürfen nicht die gleichen Fehler machen wie Unternehmenslenker, warnt Almuth Wietholtz-Eisert von der Leibniz-Gesellschaft im Interview. Forschungskooperation mit China ist positiv zu sehen, aber dürfe nicht zu einseitigem Technologietransfer und der Unterstützung repressiver Ziele der KP führen. Bei der Forschungsförderung könne Europa hingegen in einigen Bereichen von China lernen.
Staatliche Subventionen und Eingriffe in die freien Kräfte des Marktes spiel(t)en beim wirtschaftlichen Aufstieg Chinas eine tragende Rolle. Immer stärker scheinen das auch deutsche Firmen zu merken, wie Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Standpunkt darlegt. Laut einer IW-Befragung plädieren viele deutsche Unternehmen für eine robuste Handelspolitik gegenüber China. Denn Subventionen wurden als Ursache der stärkeren Konkurrenz aus der Volksrepublik ausgemacht. Ob Handelsschranken der deutschen Exportwirtschaft aber wirklich dienlich sind und ihnen die Innovations- und Technologieführerschaft sichern, ist eine andere Frage.
Frau Wietholtz-Eisert, Staatspräsident Xi Jinping lässt an seinen Zielen keinen Zweifel aufkommen: China soll wieder zur Weltmacht werden – nicht nur in Politik und Wirtschaft, sondern auch in der Wissenschaft, Ihrem persönliche Spezialgebiet. Gelingt das?
China ist bereits eine ernstzunehmende wissenschaftliche Großmacht. Dies lässt sich an entsprechenden bibliometrischen Daten, also an Publikationsoutput und Patentanmeldungen und an den dynamischen Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen differenziert ablesen. Die Verlautbarungen des Nationalen Volkskongresses vom März dieses Jahres und der aktuelle 14. Fünfjahresplan lassen keinen Zweifel daran, dass die Kommunistische Partei Chinas unter Xi Jinping die globale Innovations- und Hightech-Führerschaft Chinas bis spätestens 2049 anstrebt. In einzelnen Forschungsbereichen liegt China bereits an vorderer Stelle.
Sie sagen “in einzelnen Forschungsbereichen”. Wo genau?
Den Anfang machen gerade Elektrotechnik, Materialforschung, Unterbereiche der Chemie und der Physik wie Quantenforschung sowie Teilbereiche der Informations- und Kommunikationstechnologien. Im aktuellen Fünfjahresplan werden zudem zukünftige Fokusbereiche für die Forschung identifiziert, darunter 5G-Anwendungen, künstliche Intelligenz, Gentechnik und Biotechnologie, Neurowissenschaften, neue Materialien für Luft- und Raumfahrt, Spezialrobotik, neue Energietechnologien und smarte Fahrzeugantriebe. Seit Kurzem investiert China außerdem verstärkt in Grundlagenforschung – ein Zeichen für eine “reife” Wissenschaftsnation.
Was steckt hinter dieser klaren Fokussierung?
Die chinesische Führung erkannte schon früh, dass es für den Übergang ihrer Wirtschaft von der reinen Fertigung in die Entwicklung erforderlich sein würde, sich auf Technologien auszurichten, in denen entweder der Vorsprung des Westens noch nicht gefestigt ist oder die sich zuweilen disruptiv, also in Sprüngen, entwickeln – etwa Solarzellen, Elektromobilität, Quantenforschung. In Technologiefeldern, in welchen andere Nationen bereits auf jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen können, hat es China noch schwer, wie das bekannte Beispiel der Halbleiterproduktion zeigt. Hier will die Volksrepublik sich aus der Abhängigkeit von anderen Staaten, vor allem von den USA, befreien, denn diese schwächt bisher Chinas Position in Konflikten wie dem Handelsstreit.
Viele Forscher loben es, dass in China Wissenschaft und Forschung derart umfangreich gefördert wird. Auch deutsche Wissenschaftler. Was stört Sie daran?
Grundsätzlich ist es gut, dass Wissenschaft und Forschung gefördert werden – für das eigene Land und auch für Kooperationspartner, sofern alle nach ähnlichen Spielregeln forschen und zusammenarbeiten. Sobald Forschung jedoch von einer Großmacht mit klarem Hegemonialanspruch für deren politischen Machterhalt instrumentalisiert wird, stillschweigend ihren militärischen, wirtschaftlichen oder repressiven Zwecken dient, klar anderen ethischen Standards unterliegt oder auf einen nicht abgesprochenen, einseitigen Technologieabfluss zielt, dürfen internationale Kooperationspartner vor den möglichen Konsequenzen nicht die Augen verschließen.
Was ist der Unterschied zu Deutschland?
Bei uns sind Wissenschaft und Forschung nach dem Grundgesetz frei – aber sie sind weder per se “unschuldig” noch frei von Verantwortung, und sie dürfen auch nicht unbedarft sein oder so tun. Im Gegenteil, der Wissenschaft kommt im brodelnden Systemkonflikt eine Schlüsselrolle zu. Für die einzelne Forscherin, den einzelnen Forscher wird eine Zusammenarbeit dadurch leider erschwert.
Klingt ziemlich abstrakt. Wie sieht das in der Realität aus?
Zweierlei Dinge sind zu unterscheiden: Zum einen gibt es – im engeren Sinne problematische – natur- und technikwissenschaftliche Kooperationen mit Dual-Use-Potenzial, also möglicher militärischer Verwendung der Forschungsergebnisse. Um eine solche möglichst auszuschließen, greift das Exportkontroll- und Sanktionsrecht mit entsprechenden Güter- und Sanktionslisten. Schwierig bis undurchschaubar wird es allerdings in vermeintlich harmlosen Kooperationsprojekten. Gesichtserkennung mithilfe künstlicher Intelligenz zur gesellschaftlichen Überwachung ist ein altbekanntes Beispiel für missbräuchliche Forschungskooperation.
Hier scheint das Problem offensichtlich. Aber Sie warnen ja auch in so vermeintlich harmlosen Bereichen wie der Umweltforschung.
Ja. Denn ist allen Beteiligten klar, dass zum Beispiel ozeanografische oder hydrografische Forschungsergebnisse, für die gemeinsam der Meeresboden kartiert wird, Meeresströmungen und Salinität gemessen oder Hochleistungssonare entwickelt werden, für militärische U-Boot-Operationen zweckentfremdet werden können? Vieles davon kann die klassische Exportkontrolle gar nicht einfangen – hier gilt es, rasch neue Formate des unbürokratischen, fachlichen Austauschs zwischen der Fachcommunity und staatlichen Stellen zu etablieren. Damit haben wir jedoch die viel grundsätzlichere Frage nach dem Wettbewerb um wirtschaftliche und technologische Überlegenheit noch gar nicht angesprochen.
Aber ist es denn verwerflich, dass ein Staat von seiner Förderung auch profitieren will?
Natürlich nicht. Im Gegenteil ist es faszinierend, wie klug und breit die Kommunistische Partei in Bildung, Forschung und Talententwicklung investiert, dabei aus eigenen Fehlern lernt und in kurzer Zeit, aber eben mit langem, strategischem Atem, zusammen mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern große technologische Erfolge erzielt – auch in der Umsetzung. Hier sollten wir vorurteilsfrei und ohne jede Arroganz genauer hinschauen und unsererseits von China lernen, wo wir können und wo immer dies für uns angemessen ist.
Aber?
Aber Peking bedient sich eben auch unlauterer Maßnahmen wie des staatlich großangelegten, erzwungenen Technologietransfers, gezielter Cyberangriffe, der weltweiten unsichtbaren Kooptation und finanziellen Begünstigung von Gleichgesonnenen durch die sogenannte chinesische Einheitsfront und der gezielten Platzierung von Forschenden der Volksbefreiungsarmee in internationalen Wissenschaftseinrichtungen – während das eigene Militär über die seit Langem verfolgte offizielle Strategie der “zivil-militärischen Fusion” technologisch hochgerüstet wird.
Nach Planwirtschaft nun also Planwissenschaft?
In China unterwirft die KP die Wissenschaft eben Staatszielen. Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft, Recht, Politik und Militär werden in China zusammen gedacht und mittels Bestenauslese und mit sehr langem Atem strategisch und vorausschauend geführt. Das funktioniert selbst in der Forschung besser als viele im Westen es wahrhaben wollen, deren Herz zu Recht für die Wissenschaftsfreiheit schlägt. Wissenschaftspolitisch und strategisch spielen wir mit unseren Kurzzeitzyklen weder auf Augenhöhe, noch forschen wir unter den gleichen Rahmenbedingungen und nach denselben Spielregeln – unabhängig davon, dass chinesische Kolleginnen und Kollegen fachlich und persönlich hoch geschätzt sind.
Das klingt jetzt sehr nach: “Böses, schlimmes China”.
Nein, gar nicht. Denn zunächst sollten wir uns einmal in Bescheidenheit üben und unsererseits von Chinas Aufstieg lernen. Eine Frischzellenkur täte der deutschen bzw. europäischen Forschung und Forschungsadministration sehr gut, Stichwort mangelnde Innovationsfähigkeit und Überbürokratisierung. Auch ohne China müssen wir auf allen Ebenen besser werden – und es steigert nicht eben unsere Zukunftsfähigkeit, wenn 52 Prozent der Drittklässler in meiner Wahlheimat Berlin funktionale Analphabeten sind, wenn ich mir diese Randbemerkung erlauben darf.
Okay. Und dann? Schluss mit jeglicher Zusammenarbeit mit China?
Nein. Aber deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen Kosten und Nutzen einer Kooperation mit chinesischen Partnern nüchtern abwägen. Zu den Kosten gehört eben auch Risikomanagement hinsichtlich Technologieabfluss, finanziellen Abhängigkeiten, Wertschöpfungsketten und Informationssicherheit. Wenn wir – sei es nun aus Idealismus, eigener Unkenntnis, Bequemlichkeit oder wissenschaftsmerkantilem Opportunismus heraus – unser Wissen offenlegen, die andere Seite dies jedoch nicht im gleichen Umfang tut, dann führt das zu einem Ungleichgewicht.
Ungleichgewicht hört sich nicht sonderlich gefährlich an. Oder an was denken Sie?
Kurzfristig nicht, aber es lohnt ein Blick auf andere Bereiche, um zu erkennen, welche Folgen das haben kann. Das lehren uns ganz klar die Erfahrungen aus der Wirtschaft, wo mittels Joint-Venture-Zwang jahrelang der Wissensabfluss für den schnellen Euro forciert und eben auch hingenommen wurde. Irgendwann werden die Chinesen analog zur Wirtschaft auch unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Tür zuschlagen, das steht für mich außer Frage. Die Frage ist, wie man mit dieser Aussicht heute umgeht.
Ist das den deutschen Wissenschaftlern nicht bewusst?
In der Wissenschaft findet derzeit tatsächlich eine gewisse Sensibilisierung statt, aber vor allem beschränkt auf den Bereich der Dual-Use-Güter und entsprechender Compliance-Fragen. Überspitzt ausgedrückt ließen sich die traditionellen Reaktionen aus der Wissenschaft einer von vier Kategorien zuordnen: Relativismus, Idealismus, Eskapismus oder Fatalismus, die ich in meinem Aufsatz “Dornröschen schlägt die Augen auf” beschrieben habe.
Doch immer mehr Forscherinnen und Forscher werden heute hellhörig und stellen fest: Mit den beschriebenen Standardreaktionen kommen wir im Umgang mit China nicht weiter. Statt die Flinte voreilig ins Korn zu werfen, müssen wir uns differenzierter und auch informierter mit diesem Land, seinen Plänen und Strategien auseinandersetzen, um auf dieser Grundlage informierte Entscheidungen über eine etwaige Kooperation zu treffen. Doch als allererstes müssen wir unsere eigenen langfristigen Interessen, Ziele und Strategien deutlich artikulieren und selbst besser werden.
Das mag alles stimmen, aber Wissenschaft ist ja keine Einbahnstraße. Deutsche Forscher haben bei ihren Aufenthalten in China doch auch Zugriff auf dortige Daten und Forschungsergebnisse.
Nein, eben nicht. Die Chinesen ziehen mit neuen Regelungen wie dem Cyber-Security-Gesetz, dem Datensicherheitsgesetz, dem Anti-Sanktionsgesetz oder der zuletzt immer häufiger angewandten Extraterritorial-Klausel des National Security Law vor ihrem Wissen und ihren Daten eine wahre juristische Schutzmauer hoch. Das lässt mich doch sehr am guten Willen Pekings zweifeln. Von der Zensur und der vorauseilenden Selbstzensur auch westlicher Forscherinnen und Forscher und Fachzeitschriften ganz zu schweigen.
Nach dieser spannenden Fehleranalyse drängt sich vor allem eine Frage auf: Wie soll die deutsche Wissenschaft reagieren?
Erstens: Die föderale, korporatistische Struktur in Deutschland begünstigt auch hier das altbekannte Schwarze-Peter-Spiel der Verantwortungsverschleierung. Jede einzelne Stelle sollte sich deshalb dieser Herausforderung in all ihren Konsequenzen und Komplexitäten stellen und nichts beschönigen. Ein Beispiel: Wissenschaft ist nicht gleich Wirtschaft. In der Wissenschaft lässt sich redlicherweise nicht analog zur Wirtschaft mit einer Konsumentenrente über billiger produzierte Waren oder mit eigenen Absatzmärkten argumentieren.
Zweitens brauchen wir eine klare und langfristig ausgerichtete politische Positionierung, am besten auf europäischer Ebene, an der entlang Wissenschaft und Verwaltung arbeiten können, ohne zwischen der Skylla der persönlichen Haftbarkeit und den Sirenen wissenschaftsmerkantilistisch ausgenutzter Forschungsfreiheit zu navigieren.
Und drittens?
Drittens – eigentlich erstens – brauchen wir die besagte Frischzellenkur im Dienste der wissenschaftlichen Leistungs- und Innovationsfähigkeit. Und viertens brauchen wir unbürokratische, wissenschaftsadäquate und risikoangemessene Wege, um gemeinsam sinnvolle rote Linien zu ziehen. Die Betonung liegt hier auf unbürokratisch. Ein “Weiter so” wäre unverantwortlich. Was in der Wirtschaft passiert ist, darf in der Wissenschaft nicht passieren.
Almuth Wietholtz-Eisert ist Wissenschaftliche Referentin für Internationales im Präsidialstab der Leibniz-Gemeinschaft und dort unter anderem für den Bereich China-Kooperationen verantwortlich. In der Leibniz-Gemeinschaft sind 96 Forschungseinrichtungen vernetzt. Sie verbindet Fachrichtungen von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften bis zu Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Sie ist Teil der Allianz der Wissenschaftsorganisationen.
Meng Wanzhou, Finanzchefin und Tochter des Huawei-Gründers Ren Zhengfei, wurde bei ihrer Rückkehr nach China am Samstag gefeiert wie eine Nationalheldin. Dabei hatte sie mit ihrem “Betrug an einer globalen Finanzinstitution”, wie es die US-Staatsanwaltschaft formuliert, erheblichen Anteil daran, dass sich die Beziehungen zwischen der Volksrepublik und Nordamerika in den vergangenen drei Jahren massiv verschlechterten. Denn Peking bezeichnete die Vorwürfe gegen Meng als “frei erfunden” und revanchierte sich mit der Festnahme von Michael Spavor und Michael Kovrig, zwei kanadische Staatsbürger, und stellte sie unter Spionageverdacht.
Statt eine schnelle Lösung anzustreben, wurde der Politkriminalfall zur Hängepartie. Knapp drei Jahre vergingen bis zur Freilassung von Meng, Spavor und Kovrig am vergangenen Wochenende. Die politischen Resonanzen dürften viele Jahre nachschwingen. Insgesamt aber wird in US-Regierungskreisen die Lösung als eine Rückkehr zur Normalität gewertet. Analysten in China und den USA gehen nun davon aus, dass sich wirtschaftliche Spannungen teilweise lösen und Zollschranken fallen werden.
China.Table hat den Verlauf der Ereignisse noch einmal nachgezeichnet.
Der Politthriller beginnt am 1. Dezember 2018. Bei einer Zwischenlandung auf dem Weg nach Südamerika wird Meng Wanzhou im kanadischen Vancouver festgenommen und unter Hausarrest gestellt. Die US-Justiz hatte sie mit internationalem Haftbefehl suchen lassen. Der Vorwurf: Meng habe die britische HSBC-Bank über die Beziehungen eines ihrer Unternehmen zum Iran getäuscht. Dadurch sei die Bank nicht in der Lage gewesen, die Bestimmungen der US-Sanktionen gegen den Iran einzuhalten.
Während die kanadische Polizei Meng verhaftet, sitzen der damalige US-Präsident Donald Trump und sein chinesischer Counterpart Xi Jinping bei einem privaten Essen am Rande des G20-Gipfels in Buenos Aires zusammen. Xi empfindet die Festnahme der Managerin eines der strategisch wichtigsten chinesischen Unternehmen als besonderen Affront. Kurz darauf vermeldet Peking die Festnahme zweier Kanadier, Kovrig und Spavor, die unter dem Vorwurf der Spionage in Untersuchungshaft kommen. Jahrelang bleibt unklar, inwiefern die beiden konkret spioniert haben sollen. Erst im Laufe dieses Jahres ist von illegalen Fotoaufnahmen eines Flughafengeländes die Rede. Spavor soll die Fotos geschossen und an Kovirg weitergegeben haben.
Die USA werden dagegen deutlich früher konkret. Im Detail werfen sie Meng kurz nach der Festnahme öffentlich vor, sie habe 2013 gegenüber der HSBC “in betrügerischer Absicht” die Wahrheit über Huaweis Verhältnis zu einer dritten Firma (Skycom) verschwiegen und deshalb über Geschäftsbeziehungen zum Iran nicht ausreichend informiert. Die Bank habe in Folge das Risiko nicht angemessen evaluieren können. Meng habe zudem ausschließlich Junior-Mitarbeiter informiert, nicht die Führungsebene. Huawei bestreitet das.
Da die Geschäftsbeziehungen in US-Dollar abgewickelt werden, beanspruchen die US-Behörden die Gerichtsbarkeit des Falles für sich. Auch deshalb erkennt China politische Motivation hinter der Festnahme. Denn Meng ist Chinesin, die mit einer britischen Bank mit Sitz in Hongkong eine Geschäftsbeziehung eingeht. Weshalb mischen sich US-Behörden ein, fragt man sich in der Volksrepublik.
Trump selbst verhehlt nicht, dass Meng ein politisches Faustpfand im Machtkampf zwischen den USA und China ist. In einem Interview sagt er sinngemäß, dass er in den Fall eingreifen würde, wenn es seinem Land einen Vorteil verschaffen würde. Bis zum Ende seiner Amtszeit laufen Versuche der Anwälte, eine Lösung zu finden, immer wieder ins Leere. Andererseits wird Meng auch nicht aus Kanada in die USA ausgeliefert. Sie muss eine Fußfessel tragen, kann aber privat unter Hausarrest leben. Häufig vergehen mehrere Monate, ohne dass Bewegung in den Fall kommt.
Eine Wende zeichnet sich erst ab, nachdem Joe Biden das Amt des US-Präsidenten übernimmt und signalisiert, dass er anders mit China umgehen will. Daraufhin beginnen die Anwälte von Meng und die HSBC zu kooperieren. Am 12. April dieses Jahres informieren Mengs Anwälte ein Hongkonger Gericht darüber, dass man sich mit der Bank geeinigt habe. HSBC stellt Informationen zur Verfügung, die Meng entlasten. Doch ungewöhnlich dabei ist, dass die Beschuldigte Beweise vom “Opfer” erhält. Damit war absehbar, dass es für die US-Justiz schwierig würde, den Fall durchzuziehen.
Aus den Dokumenten geht hervor, dass die Manager der Bank vom eigentlichen Verhältnis zwischen Huawei und Skycom wussten und sich keineswegs ausschließlich auf eine interne Präsentation von Huawei als Entscheidungsgrundlage gestützt hätten, wie es anfangs hieß. Die Argumentation der US-Behörden wird damit deutlich geschwächt.
Der zuständige HSBC-Mitarbeiter soll mehrere Risikoanalysen unterzeichnet haben, aus denen hervorgeht, dass die Zusammenhänge bekannt waren und nichts verschwiegen wurde. Huawei “versuche, alle Sanktionsvorschriften einzuhalten“, betont der verantwortliche Manager im Laufe der Ermittlungen. Die Verteidigung behauptet zudem, beweisen zu können, den US-Behörden sei bekannt gewesen, dass die Vorwürfe falsch sind, die in dem Auslieferungsantrag gegen Meng formuliert werden. Der Vorwurf gegen die US-Justiz wiegt schwer: Es seien Fakten unterschlagen worden. Diese Informationen werden auch in Kanada wahrgenommen. Die Auslieferung von Meng rückt in immer weitere Ferne.
Ende August folgen Anzeichen, dass die neue US-Regierung einen entspannteren Kurs gegenüber Huawei einschlägt. Trump hatte Huawei auf eine schwarze Liste gesetzt, die es verbietet, Chips und Software an Huawei zu verkaufen, wenn diese mit Unterstützung von US-amerikanischen Unternehmen hergestellt wurden – just in dem Moment als der chinesische Hersteller zum Weltmarktführer aufgestiegen war. Die Verkäufe von Huawei Smartphones brechen daraufhin ein. Die Regelung bleibt auch unter dem neuen US-Präsidenten bestehen. Dennoch macht Biden eine Ausnahme und genehmigt US-Chips für Huawei im Wert von mehreren hundert Millionen US-Dollar (China.Table berichtete). Das erste Zeichen, dass die Stimmung sich wandelt.
“Die USA sind nicht an einem neuen kalten Krieg interessiert,” betont Biden kurz darauf in einer Rede. Schießlich telefonieren Xi und Biden miteinander, kurz nach einem Besuch vom Klima-Sonderbeauftragten der USA, John Kerry, in Peking. Die Volksrepublik folgt einer langgehegten Forderung der Amerikaner, keine Kohlekraftwerke mehr in Drittländern verkaufen zu wollen.
Auch die kanadische Richterin Heather Holmes, die über die Rechtmäßigkeit des Auslieferungsverfahrens entscheiden muss, lässt durchblicken, dass auch sie Zweifel hat an der Korrektheit der Vorwürfe der US-Justiz und der Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens.
Bereits im Oktober 2020, noch ehe Biden zum Präsidenten gewählt wurde, hatte sie entschieden, dass die Anwälte Mengs Argumente und Beweise vortragen dürfen. Des Weiteren ließ die Richterin eine Untersuchung zu, in der geklärt werden sollte, ob wesentliche Rechte von Meng bei ihrer Verhaftung am Flughafen in Vancouver verletzt wurden. Sie war nach Darstellung der Verteidigung verhört worden, ohne die Möglichkeit zu haben, einen Anwalt zu konsultieren. Die Verteidigung äußert zudem den Verdacht, die kanadische Grenzpolizei habe ihren rechtlichen Spielraum überdehnt, um den US-Behörden Informationen für das Verfahren zu beschaffen. Kanada weist das zurück.
“Wir sind überzeugt, dass wir unschuldig sind”, beteuert Huawei Gründer Ren, “Wenn ein Gericht uns bestrafen würde, nachdem es ein Urteil gesprochen hat, wären wir in der Lage, das zu verstehen, denn wir respektieren die rechtlichen Verfahren. Aber die USA spielen nach ihren eigenen Spielregeln. Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll.”
Kanadische Prozessbeobachter sprechen schon 2020 davon, dass der US-Auslieferungsantrag wie ein “Schweizer Käse” sei: voller Löcher. Ein prominenter kanadischer Auslieferungsanwalt wirft den Vereinigten Staaten vor, ganz unverhohlen die Hilfe Kanadas in Anspruch genommen zu haben, um jeden Versuch von Huawei zu vereiteln, seine Technologie in Nordamerika auszubauen und zu erweitern.
Derweil wird der Kanadier Spavor in China zu elf Jahren verurteilt, während Kovrig noch auf seinen Schuldspruch wartet. Das Urteil, das hinter verschlossenen Türen gesprochen wird, löst Kritik in den USA, aber auch in Europa aus. Der Vorwurf: China setze auf Geiseldiplomatie.
Die Festnahme Mengs nähert sich dem dritten Jahrestag, als die US-Justiz in der Vorwoche in einem sogenannten Deferred Prosecution Agreement (DPA) der Ausreise Mengs aus Kanada zustimmt. Sie gilt als unschuldig und muss nicht einmal eine Geldstrafe zahlen. Sofern keine neuen Anschuldigungen auftauchen, was als unwahrscheinlich gilt, wird sie nach dem 1. Dezember 2022 keinen Registereintrag bezüglich dieses Falles in den USA haben.
Das ist sehr ungewöhnlich. Normalerweise enden solche Fälle mit einer Teilschuldanerkennung der beklagten Partei und einer Geldstrafe. Gegenüber den USA hat sich Meng allerdings verpflichten müssen, nicht mehr der Darstellung einzelner Sachverhalte durch die US-Seite zu widersprechen. Dazu musste sie eine nicht-öffentliche “Fakten-Feststellung” unterschrieben, die nicht als Schuldeingeständnis gewertet werden kann. Richterin Holmes ordnet noch am gleichen Tag die Aufhebung von Mengs Arrestauflagen an.
Die US-Behörden hadern offenbar. “Meng gibt zu, globale Finanzinstitutionen in die Irre geführt zu haben”, betitel sie ihre schriftliche Stellungnahme. Meng habe “die Verantwortung übernommen, für den begangenen Betrug an einer globalen Finanzinstitution”, und ihre Mitarbeiter hätten “einen konzertieren Betrug an globalen Finanzinstitutionen, der US-Regierung und der Öffentlichkeit über Huaweis Aktivitäten im Iran begangen.” Dennoch bleibt Meng straffrei.
David Laufman, unter Donald Trump der Chef der Counterintelligence and Export Control Section (CES) der National Security Division im Justizministerium spricht im kanadischen Fernsehen von “einem gefährlichen Präzedenzfall”, der der “normalen Justizpraxis” widerspreche.
Meng verlässt wenige Stunden später das Land und landet kurz darauf im südchinesischen Shenzhen. Ihre Ankunft wird live im Fernsehen übertragen. 13 Millionen Menschen schauen zu. Tausende warten am Flughafen auf sie. Sie habe in der Zeit im Hausarrest in Kanada “jeden Moment die Wärme und die Sorge der Partei, ihres Vaterlandes und der Menschen gespürt”, sagt sie bei der Ankunft. Das chinesische Außenministerium spricht von “politischen Anklage gegen einen chinesischen Bürger.”
Im Gegenzug lässt die Volksrepublik Spavor und Kovrig unverzüglich frei, ohne zu erklären, weshalb ein bereits verurteilter Strafgefangener plötzlich Amnesie erhält. Beide Kanadier kehren nach mehr als 1.000 Tagen Gefängnis in ihre Heimat zurück.
Nur wenige Tage später entlässt die Volksrepublik zwei us-amerikanische Staatsbürger:innen nach mehr als drei Jahren in die Freiheit. Das Geschwisterpaar war bereits im Juni 2018 mit einem Ausreiseverbot in China belegt worden und durfte das Land nicht verlassen. Die “South China Morning Post” berichtet, das Duo sei im Zusammenhang mit einem Betrugsfall ihres Vaters festgehalten worden.
Die Investmentbank Goldman Sachs hat ihre Wachstumsprognose für China für das laufende Jahr von 8,2 auf 7,8 Prozent gesenkt, wie Reuters berichtet. Als Ursachen werden die Energieknappheit (China.Table berichtete) und Produktionskürzungen in der Industrie angegeben. Die Stromversorgungskrise hat Unternehmen in mehreren Landesteilen zur Drosselung der Produktion veranlasst. Goldman Sachs geht davon aus, dass bis zu 44 Prozent der chinesischen Industrie davon betroffen sind, was sich merklich auf das Wirtschaftswachstum auswirken wird. Zuletzt hatte auch der japanische Autobauer Toyota berichtet, von den Stromengpässen in China betroffen zu sein.
Der US-Bank Citi zufolge, wird das Wachstum auch in 2022 geringer ausfallen. Die Bank prognostiziert nun nur noch ein Wachstum der chinesischen Wirtschaft von 4,9 Prozent. Zuvor war sie noch von 5,5 Prozent ausgegangen. Als Ursache wird die Schuldenkrise des Immobilienentwicklers Evergrande angegeben, die sich auf weitere Wirtschaftszweige auswirken und somit das Wachstum drücke werde. nib
Airbus befindet sich in Gesprächen mit der chinesischen Luftfahrtbehörde über die Zulassung der A220, sagte der Leiter des China-Geschäfts von Airbus laut Reuters am Dienstag. Das Flugzeug stoße auf großes Interesse bei chinesischen Fluggesellschaften, da es den Gesellschaften die Lücke zwischen Regionalflugzeugen und größeren Fliegern zu schließen, so George Xu, CEO von Airbus China. Die A220 wird seit 2016 in anderen Ländern eingesetzt. Chinas Luftfahrtbehörde hat sie bisher jedoch nicht zugelassen. nib
Zwischen China und dem EU-Mitglied Tschechien braut sich ein Disput über die potenzielle Beteiligung der Volksrepublik an einer Ausschreibung für den Ausbau eines tschechischen Atomkraftwerks zusammen. Der tschechische Präsident Miloš Zeman hatte zu Beginn der Woche ein Gesetz unterzeichnet, das chinesischen Unternehmen die Beteiligung am Bau eines neuen Blocks des Kernkraftwerks Dukovany im Südosten des Landes verbietet, wie das tschechische Radio berichtete. Peking ist damit nicht einverstanden.
Das sogenannte Low-Carbon-Gesetz war zuvor von beiden Kammern des tschechischen Parlaments verabschiedet worden. Es schließt unter anderem chinesische sowie russische Unternehmen von der Liste potenzieller Baubeteiligter aus. Denn laut der Gesetzgebung dürfen nur Technologien aus Ländern, die dem internationalen Abkommen über staatliche Aufträge von 1996 beigetreten sind, beim Bau und im späteren Betrieb des Akw Dukovany verwendet werden – weder Russland noch China sind jedoch dem Bericht zufolge Unterzeichner des Abkommens.
Peking reagierte prompt: China erwarte von Tschechien eine Neubewertung der Entscheidung, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Dienstag laut der russischen Presseagentur Tass. Tschechien solle zu den Regeln des freien Marktes zurückkehren, lautete demnach die Aufforderung. ari
Das südafrikanische Sambia steht bei chinesischen Geldgebern viel tiefer in der Kreide, als bislang angenommen. Der Binnenstaat schuldet seinen Gläubigern möglicherweise fast das Doppelte dessen, was die Regierung bisher offengelegt hat. Das ergab eine neue Studie der Johns Hopkins’ China Africa Research Initiative. Demnach schuldet das Land chinesischen Banken und staatlichen Stellen umgerechnet 5,6 Milliarden Euro. Die von der sambischen Regierung veröffentlichte Zahl liegt bei umgerechnet 2,9 Milliarden Euro. Insgesamt machen die sambischen Auslandsschulden umgerechnet 12,2 Milliarden Euro aus.
Die Autor:innen der Studie beklagen, dass Sambia bei der Offenlegung der tatsächlichen Schulden nicht transparent genug war. Im November 2020 war Sambia das erste afrikanische Land, das seine sogenannten Eurobonds – Anleihen in ausländischer Währung – während der COVID-19-Pandemie nicht bedienen konnte und Zahlungsunfähigkeit anmeldete. Die Weigerung der privaten Anleihegläubiger, dem Land einen Schuldenerlass zu gewähren, beruhte weitgehend auf der Befürchtung, dass Sambia seine Verbindlichkeiten gegenüber chinesischen Gläubigern nicht ausreichend offengelegt habe, so die Autor:innen.
Sambias neuer Präsident Hakainde Hichilema sucht die Unterstützung des Internationalen Währungsfonds, um die Schuldenkrise zu bewältigen. “In Anbetracht der komplizierten Situation, in der mindestens 18 chinesische Kreditgeber der sambischen Regierung und ihren staatlichen Unternehmen externe Darlehen zur Verfügung gestellt haben, dürfte es außerordentlich schwierig sein, einen Konsens über die Lastenteilung” eines Schuldenerlasses zu erzielen, so die Autor:innen in ihrem Bericht. nib
Einen Tag vor dem Beginn des “EU-US Trade and Technology Council” (kurz TTC) hat die Peking nach eigenen Angaben Brüssel gegenüber eine Zusammenarbeit im Technologie-Bereich angesprochen. Chinas Außenminister Wang Yi habe sich mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell über die Förderung der Zusammenarbeit in den Bereichen der technologischen Innovation, Finanzen, Energie und Landwirtschaft ausgetauscht, teilte die chinesische Seite nach einem Videogespräch am Dienstag mit.
Die Volksrepublik und die Europäische Union sollten zudem über einen gemeinsamen Aufbau der “Belt and Road”-Initiative und deren EU-Pendant, der Konnektivitätsstrategie (seit SOTEU umbenannt zu “Global Gateway”), sprechen, hieß in der Erklärung. In der Pressemitteilung der EU wurde das Thema nicht erwähnt. Das erste Treffen des TTC ist für heute in Pittsburgh angesetzt.
Borrell und Wang sprachen zudem über eine Kooperation bei der Herstellung von Impfstoffen und der weltweiten Versorgung damit sowie über Taiwan, Menschenrechte in Xinjiang und Hongkong, das neue Sicherheitsbündnis Aukus sowie über die EU-Indo-Pazifik-Strategie. Wang sagte laut der chinesischen Erklärung, China sei “bereit, einen Menschenrechtsdialog zu führen”, aber “keine Menschenrechtslehrer” zu akzeptieren. Die EU setze sich für die Wiederaufnahme des EU-China-Menschenrechtsdialogs ein, hieß es in der EU-Erklärung. Demnach äußerte Borrell “seine Hoffnung, dass das nächste Treffen noch vor Ende des Jahres stattfinden könne.” ari
Europas Unternehmen sehen sich einem zunehmenden Konkurrenzdruck aus China ausgesetzt. Schon ein Blick auf die Entwicklung der Anteile am Exportmarkt seit der Jahrtausendwende illustriert Chinas enormen Exporterfolg: Es hat seinen Anteil an den Weltexporten von Waren und Dienstleistungen von rund drei Prozent im Jahr 2000 auf fast elf Prozent im Jahr 2019 immens erhöht, vor allem in der ersten Dekade. Parallel dazu gingen schon in den 2000er-Jahren die Weltexportanteile anderer großer Industriestaaten deutlich zurück.
Empirische Studien, die sich überwiegend auf die Zeit vor 2010 beziehen, deuten darauf hin, dass sich in dieser Zeit chinesische und deutsche Exporte überwiegend komplementär und nicht substitutiv zueinander verhielten, sich die Konkurrenzintensität durch China aus deutscher Sicht also in engen Grenzen hielt. Mit Blick auf die Zukunft stellt sich aber die Frage, ob China nicht immer stärker in diejenigen Branchen vordringt, in denen die deutsche Wirtschaft ihre Stärken hat. Die Strategie Made in China 2025 setzt sich dies zumindest zum Ziel. In diesem Fall könnten in der laufenden Dekade auch die Weltmarktanteile Deutschlands deutlich stärker als bislang unter Druck geraten.
Ein Blick auf die Entwicklung der Marktanteile Chinas und Deutschlands an den EU-Importen zwischen 2000 und 2019 belegt in der Tat, dass China mit seinen Exporten immer mehr in diejenigen Branchen vordringt, in denen die deutsche Wirtschaft ihre Stärken hat. Dabei zeigt sich, dass Chinas Anteile auch hier sehr deutlich stiegen, Deutschlands Anteile waren dagegen seit 2005 rückläufig. Bei anspruchsvollen industriellen Produktgruppen, in denen Deutschland stärker spezialisiert ist, ist der Gegensatz noch ausgeprägter als im Warenhandel insgesamt. Zudem haben sich die chinesischen Exporte sehr deutlich in Richtung der anspruchsvollen Industriewaren verschoben.
Vor diesem Hintergrund wurden deutsche Unternehmen aus Industrie und industrienahen Dienstleistungen im Spätherbst 2020 im Rahmen des IW-Zukunftspanels befragt, wie stark sie die Konkurrenz durch China bereits spüren, welche Ursachen sie dahinter vermuten und wie sie einer robusteren Handelspolitik der EU gegenüber China gegenüberstehen. Die Ergebnisse sprechen eine recht deutliche Sprache.
So wird die Relevanz des Konkurrenzdrucks durch China in den nächsten fünf Jahren von deutschen Industrie-Unternehmen sogar deutlich höher eingeschätzt als die Relevanz des Protektionismus. Ein knappes Drittel der Firmen misst der Konkurrenz durch chinesische Unternehmen einen eher hoher oder sehr hohen Stellwert bei. Bei Firmen, die nach China exportieren, beträgt dieser Anteil sogar über 42 Prozent.
Zugleich werden chinesische Konkurrenten zwar als leistungsfähig und innovativ eingeschätzt. Doch die Zustimmung zur Relevanz von Wettbewerbsverzerrungen ist noch deutlich größer. So stimmten der Frage, ob Subventionen der chinesischen Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil ermöglichen, rund 71 Prozent der deutschen Firmen zu, die einen sehr hohen Konkurrenzdruck aus China spüren. Nur gut 42 Prozent dieser Unternehmen sehen ihre chinesische Konkurrenz als leistungsfähig und innovativ an.
Die befragten Unternehmen messen einer robusteren Handelspolitik gegenüber chinesischen Wettbewerbsverzerrungen in den kommenden Jahren zudem einen hohen Stellenwert bei. Zum Beispiel halten über 60 Prozent der befragten Firmen mit einem hohen Exportanteil ein robusteres Vorgehen gegenüber China für sehr bzw. für eher wichtig. Bemerkenswert ist, dass die Zustimmungsraten auch bei Firmen mit Export nach oder Produktion in China ähnlich hoch oder noch etwas höher sind, obwohl diese Unternehmen vermutlich Gegenmaßnahmen Chinas fürchten müssen.
Unter Firmen, die einen sehr hohen Konkurrenzdruck durch chinesische Unternehmen verspüren, befürworten sogar mehr als zwei von drei Unternehmen mit Nachdruck eine robustere Politikausrichtung. Sie sind offenbar überzeugt, dass dies nötig ist, um den Wettbewerbsverzerrungen durch chinesische Staatssubventionen entgegenzuwirken, die von diesen Firmen wie aufgezeigt sehr deutlich wahrgenommen werden.
Das Antwortverhalten der deutschen Unternehmen kann damit als dringender Appell an die europäische und deutsche Wirtschaftspolitik interpretiert werden, Maßnahmen zu ergreifen, um faire Wettbewerbsbedingungen (“level playing field”) zu gewährleisten.
Dieser Beitrag gehört in den Kontext der Veranstaltungsreihe “Global China Conversations” des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW). Am Donnerstag, 30.09.2021, diskutieren Jürgen Matthes vom Institut der Deutschen Wirtschaft und Dietmar Baetge, Professor an der TH Wildau, im Rahmen dieses Formats über das Thema “Chinas Konkurrenz für Europas Unternehmen: Fairer Wettbewerb oder unerlaubte Subventionierung?” China.Table ist Medienpartner der Veranstaltungsreihe.
Francesco Blandino ist zukünftig für die Produktstrategie im NEV-Bereich bei Volkswagen China verantwortlich. Zu seinen Aufgaben gehört auch das Produktmarketing. Zuvor war Blandino drei Jahre bei Volkswagen China als “Sales und Marketing Coordinator” tätig.
Am 1. Oktober jährt sich die Gründung der Volksrepublik China zum 72. Mal. Auch in Hongkong werden die Bürger:innen daran erinnert. In Reih’ und Glied schmücken die Hong Qi, die chinesische Nationalflagge, und die Flagge der Metropole in dieser Woche das Straßenbild.
China ist schon lange nicht mehr nur die Werkbank der Welt. Die Volksrepublik strebt bei E-Autos, IT und in vielen weiteren High-Tech Branchen die Führerschaft an. Die Förderung von Innovationen, Forschung und Wissenschaft stehen in Peking hoch auf der Agenda. Wissenschaftler dürfen nicht die gleichen Fehler machen wie Unternehmenslenker, warnt Almuth Wietholtz-Eisert von der Leibniz-Gesellschaft im Interview. Forschungskooperation mit China ist positiv zu sehen, aber dürfe nicht zu einseitigem Technologietransfer und der Unterstützung repressiver Ziele der KP führen. Bei der Forschungsförderung könne Europa hingegen in einigen Bereichen von China lernen.
Staatliche Subventionen und Eingriffe in die freien Kräfte des Marktes spiel(t)en beim wirtschaftlichen Aufstieg Chinas eine tragende Rolle. Immer stärker scheinen das auch deutsche Firmen zu merken, wie Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Standpunkt darlegt. Laut einer IW-Befragung plädieren viele deutsche Unternehmen für eine robuste Handelspolitik gegenüber China. Denn Subventionen wurden als Ursache der stärkeren Konkurrenz aus der Volksrepublik ausgemacht. Ob Handelsschranken der deutschen Exportwirtschaft aber wirklich dienlich sind und ihnen die Innovations- und Technologieführerschaft sichern, ist eine andere Frage.
Frau Wietholtz-Eisert, Staatspräsident Xi Jinping lässt an seinen Zielen keinen Zweifel aufkommen: China soll wieder zur Weltmacht werden – nicht nur in Politik und Wirtschaft, sondern auch in der Wissenschaft, Ihrem persönliche Spezialgebiet. Gelingt das?
China ist bereits eine ernstzunehmende wissenschaftliche Großmacht. Dies lässt sich an entsprechenden bibliometrischen Daten, also an Publikationsoutput und Patentanmeldungen und an den dynamischen Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen differenziert ablesen. Die Verlautbarungen des Nationalen Volkskongresses vom März dieses Jahres und der aktuelle 14. Fünfjahresplan lassen keinen Zweifel daran, dass die Kommunistische Partei Chinas unter Xi Jinping die globale Innovations- und Hightech-Führerschaft Chinas bis spätestens 2049 anstrebt. In einzelnen Forschungsbereichen liegt China bereits an vorderer Stelle.
Sie sagen “in einzelnen Forschungsbereichen”. Wo genau?
Den Anfang machen gerade Elektrotechnik, Materialforschung, Unterbereiche der Chemie und der Physik wie Quantenforschung sowie Teilbereiche der Informations- und Kommunikationstechnologien. Im aktuellen Fünfjahresplan werden zudem zukünftige Fokusbereiche für die Forschung identifiziert, darunter 5G-Anwendungen, künstliche Intelligenz, Gentechnik und Biotechnologie, Neurowissenschaften, neue Materialien für Luft- und Raumfahrt, Spezialrobotik, neue Energietechnologien und smarte Fahrzeugantriebe. Seit Kurzem investiert China außerdem verstärkt in Grundlagenforschung – ein Zeichen für eine “reife” Wissenschaftsnation.
Was steckt hinter dieser klaren Fokussierung?
Die chinesische Führung erkannte schon früh, dass es für den Übergang ihrer Wirtschaft von der reinen Fertigung in die Entwicklung erforderlich sein würde, sich auf Technologien auszurichten, in denen entweder der Vorsprung des Westens noch nicht gefestigt ist oder die sich zuweilen disruptiv, also in Sprüngen, entwickeln – etwa Solarzellen, Elektromobilität, Quantenforschung. In Technologiefeldern, in welchen andere Nationen bereits auf jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen können, hat es China noch schwer, wie das bekannte Beispiel der Halbleiterproduktion zeigt. Hier will die Volksrepublik sich aus der Abhängigkeit von anderen Staaten, vor allem von den USA, befreien, denn diese schwächt bisher Chinas Position in Konflikten wie dem Handelsstreit.
Viele Forscher loben es, dass in China Wissenschaft und Forschung derart umfangreich gefördert wird. Auch deutsche Wissenschaftler. Was stört Sie daran?
Grundsätzlich ist es gut, dass Wissenschaft und Forschung gefördert werden – für das eigene Land und auch für Kooperationspartner, sofern alle nach ähnlichen Spielregeln forschen und zusammenarbeiten. Sobald Forschung jedoch von einer Großmacht mit klarem Hegemonialanspruch für deren politischen Machterhalt instrumentalisiert wird, stillschweigend ihren militärischen, wirtschaftlichen oder repressiven Zwecken dient, klar anderen ethischen Standards unterliegt oder auf einen nicht abgesprochenen, einseitigen Technologieabfluss zielt, dürfen internationale Kooperationspartner vor den möglichen Konsequenzen nicht die Augen verschließen.
Was ist der Unterschied zu Deutschland?
Bei uns sind Wissenschaft und Forschung nach dem Grundgesetz frei – aber sie sind weder per se “unschuldig” noch frei von Verantwortung, und sie dürfen auch nicht unbedarft sein oder so tun. Im Gegenteil, der Wissenschaft kommt im brodelnden Systemkonflikt eine Schlüsselrolle zu. Für die einzelne Forscherin, den einzelnen Forscher wird eine Zusammenarbeit dadurch leider erschwert.
Klingt ziemlich abstrakt. Wie sieht das in der Realität aus?
Zweierlei Dinge sind zu unterscheiden: Zum einen gibt es – im engeren Sinne problematische – natur- und technikwissenschaftliche Kooperationen mit Dual-Use-Potenzial, also möglicher militärischer Verwendung der Forschungsergebnisse. Um eine solche möglichst auszuschließen, greift das Exportkontroll- und Sanktionsrecht mit entsprechenden Güter- und Sanktionslisten. Schwierig bis undurchschaubar wird es allerdings in vermeintlich harmlosen Kooperationsprojekten. Gesichtserkennung mithilfe künstlicher Intelligenz zur gesellschaftlichen Überwachung ist ein altbekanntes Beispiel für missbräuchliche Forschungskooperation.
Hier scheint das Problem offensichtlich. Aber Sie warnen ja auch in so vermeintlich harmlosen Bereichen wie der Umweltforschung.
Ja. Denn ist allen Beteiligten klar, dass zum Beispiel ozeanografische oder hydrografische Forschungsergebnisse, für die gemeinsam der Meeresboden kartiert wird, Meeresströmungen und Salinität gemessen oder Hochleistungssonare entwickelt werden, für militärische U-Boot-Operationen zweckentfremdet werden können? Vieles davon kann die klassische Exportkontrolle gar nicht einfangen – hier gilt es, rasch neue Formate des unbürokratischen, fachlichen Austauschs zwischen der Fachcommunity und staatlichen Stellen zu etablieren. Damit haben wir jedoch die viel grundsätzlichere Frage nach dem Wettbewerb um wirtschaftliche und technologische Überlegenheit noch gar nicht angesprochen.
Aber ist es denn verwerflich, dass ein Staat von seiner Förderung auch profitieren will?
Natürlich nicht. Im Gegenteil ist es faszinierend, wie klug und breit die Kommunistische Partei in Bildung, Forschung und Talententwicklung investiert, dabei aus eigenen Fehlern lernt und in kurzer Zeit, aber eben mit langem, strategischem Atem, zusammen mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern große technologische Erfolge erzielt – auch in der Umsetzung. Hier sollten wir vorurteilsfrei und ohne jede Arroganz genauer hinschauen und unsererseits von China lernen, wo wir können und wo immer dies für uns angemessen ist.
Aber?
Aber Peking bedient sich eben auch unlauterer Maßnahmen wie des staatlich großangelegten, erzwungenen Technologietransfers, gezielter Cyberangriffe, der weltweiten unsichtbaren Kooptation und finanziellen Begünstigung von Gleichgesonnenen durch die sogenannte chinesische Einheitsfront und der gezielten Platzierung von Forschenden der Volksbefreiungsarmee in internationalen Wissenschaftseinrichtungen – während das eigene Militär über die seit Langem verfolgte offizielle Strategie der “zivil-militärischen Fusion” technologisch hochgerüstet wird.
Nach Planwirtschaft nun also Planwissenschaft?
In China unterwirft die KP die Wissenschaft eben Staatszielen. Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft, Recht, Politik und Militär werden in China zusammen gedacht und mittels Bestenauslese und mit sehr langem Atem strategisch und vorausschauend geführt. Das funktioniert selbst in der Forschung besser als viele im Westen es wahrhaben wollen, deren Herz zu Recht für die Wissenschaftsfreiheit schlägt. Wissenschaftspolitisch und strategisch spielen wir mit unseren Kurzzeitzyklen weder auf Augenhöhe, noch forschen wir unter den gleichen Rahmenbedingungen und nach denselben Spielregeln – unabhängig davon, dass chinesische Kolleginnen und Kollegen fachlich und persönlich hoch geschätzt sind.
Das klingt jetzt sehr nach: “Böses, schlimmes China”.
Nein, gar nicht. Denn zunächst sollten wir uns einmal in Bescheidenheit üben und unsererseits von Chinas Aufstieg lernen. Eine Frischzellenkur täte der deutschen bzw. europäischen Forschung und Forschungsadministration sehr gut, Stichwort mangelnde Innovationsfähigkeit und Überbürokratisierung. Auch ohne China müssen wir auf allen Ebenen besser werden – und es steigert nicht eben unsere Zukunftsfähigkeit, wenn 52 Prozent der Drittklässler in meiner Wahlheimat Berlin funktionale Analphabeten sind, wenn ich mir diese Randbemerkung erlauben darf.
Okay. Und dann? Schluss mit jeglicher Zusammenarbeit mit China?
Nein. Aber deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen Kosten und Nutzen einer Kooperation mit chinesischen Partnern nüchtern abwägen. Zu den Kosten gehört eben auch Risikomanagement hinsichtlich Technologieabfluss, finanziellen Abhängigkeiten, Wertschöpfungsketten und Informationssicherheit. Wenn wir – sei es nun aus Idealismus, eigener Unkenntnis, Bequemlichkeit oder wissenschaftsmerkantilem Opportunismus heraus – unser Wissen offenlegen, die andere Seite dies jedoch nicht im gleichen Umfang tut, dann führt das zu einem Ungleichgewicht.
Ungleichgewicht hört sich nicht sonderlich gefährlich an. Oder an was denken Sie?
Kurzfristig nicht, aber es lohnt ein Blick auf andere Bereiche, um zu erkennen, welche Folgen das haben kann. Das lehren uns ganz klar die Erfahrungen aus der Wirtschaft, wo mittels Joint-Venture-Zwang jahrelang der Wissensabfluss für den schnellen Euro forciert und eben auch hingenommen wurde. Irgendwann werden die Chinesen analog zur Wirtschaft auch unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Tür zuschlagen, das steht für mich außer Frage. Die Frage ist, wie man mit dieser Aussicht heute umgeht.
Ist das den deutschen Wissenschaftlern nicht bewusst?
In der Wissenschaft findet derzeit tatsächlich eine gewisse Sensibilisierung statt, aber vor allem beschränkt auf den Bereich der Dual-Use-Güter und entsprechender Compliance-Fragen. Überspitzt ausgedrückt ließen sich die traditionellen Reaktionen aus der Wissenschaft einer von vier Kategorien zuordnen: Relativismus, Idealismus, Eskapismus oder Fatalismus, die ich in meinem Aufsatz “Dornröschen schlägt die Augen auf” beschrieben habe.
Doch immer mehr Forscherinnen und Forscher werden heute hellhörig und stellen fest: Mit den beschriebenen Standardreaktionen kommen wir im Umgang mit China nicht weiter. Statt die Flinte voreilig ins Korn zu werfen, müssen wir uns differenzierter und auch informierter mit diesem Land, seinen Plänen und Strategien auseinandersetzen, um auf dieser Grundlage informierte Entscheidungen über eine etwaige Kooperation zu treffen. Doch als allererstes müssen wir unsere eigenen langfristigen Interessen, Ziele und Strategien deutlich artikulieren und selbst besser werden.
Das mag alles stimmen, aber Wissenschaft ist ja keine Einbahnstraße. Deutsche Forscher haben bei ihren Aufenthalten in China doch auch Zugriff auf dortige Daten und Forschungsergebnisse.
Nein, eben nicht. Die Chinesen ziehen mit neuen Regelungen wie dem Cyber-Security-Gesetz, dem Datensicherheitsgesetz, dem Anti-Sanktionsgesetz oder der zuletzt immer häufiger angewandten Extraterritorial-Klausel des National Security Law vor ihrem Wissen und ihren Daten eine wahre juristische Schutzmauer hoch. Das lässt mich doch sehr am guten Willen Pekings zweifeln. Von der Zensur und der vorauseilenden Selbstzensur auch westlicher Forscherinnen und Forscher und Fachzeitschriften ganz zu schweigen.
Nach dieser spannenden Fehleranalyse drängt sich vor allem eine Frage auf: Wie soll die deutsche Wissenschaft reagieren?
Erstens: Die föderale, korporatistische Struktur in Deutschland begünstigt auch hier das altbekannte Schwarze-Peter-Spiel der Verantwortungsverschleierung. Jede einzelne Stelle sollte sich deshalb dieser Herausforderung in all ihren Konsequenzen und Komplexitäten stellen und nichts beschönigen. Ein Beispiel: Wissenschaft ist nicht gleich Wirtschaft. In der Wissenschaft lässt sich redlicherweise nicht analog zur Wirtschaft mit einer Konsumentenrente über billiger produzierte Waren oder mit eigenen Absatzmärkten argumentieren.
Zweitens brauchen wir eine klare und langfristig ausgerichtete politische Positionierung, am besten auf europäischer Ebene, an der entlang Wissenschaft und Verwaltung arbeiten können, ohne zwischen der Skylla der persönlichen Haftbarkeit und den Sirenen wissenschaftsmerkantilistisch ausgenutzter Forschungsfreiheit zu navigieren.
Und drittens?
Drittens – eigentlich erstens – brauchen wir die besagte Frischzellenkur im Dienste der wissenschaftlichen Leistungs- und Innovationsfähigkeit. Und viertens brauchen wir unbürokratische, wissenschaftsadäquate und risikoangemessene Wege, um gemeinsam sinnvolle rote Linien zu ziehen. Die Betonung liegt hier auf unbürokratisch. Ein “Weiter so” wäre unverantwortlich. Was in der Wirtschaft passiert ist, darf in der Wissenschaft nicht passieren.
Almuth Wietholtz-Eisert ist Wissenschaftliche Referentin für Internationales im Präsidialstab der Leibniz-Gemeinschaft und dort unter anderem für den Bereich China-Kooperationen verantwortlich. In der Leibniz-Gemeinschaft sind 96 Forschungseinrichtungen vernetzt. Sie verbindet Fachrichtungen von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften bis zu Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Sie ist Teil der Allianz der Wissenschaftsorganisationen.
Meng Wanzhou, Finanzchefin und Tochter des Huawei-Gründers Ren Zhengfei, wurde bei ihrer Rückkehr nach China am Samstag gefeiert wie eine Nationalheldin. Dabei hatte sie mit ihrem “Betrug an einer globalen Finanzinstitution”, wie es die US-Staatsanwaltschaft formuliert, erheblichen Anteil daran, dass sich die Beziehungen zwischen der Volksrepublik und Nordamerika in den vergangenen drei Jahren massiv verschlechterten. Denn Peking bezeichnete die Vorwürfe gegen Meng als “frei erfunden” und revanchierte sich mit der Festnahme von Michael Spavor und Michael Kovrig, zwei kanadische Staatsbürger, und stellte sie unter Spionageverdacht.
Statt eine schnelle Lösung anzustreben, wurde der Politkriminalfall zur Hängepartie. Knapp drei Jahre vergingen bis zur Freilassung von Meng, Spavor und Kovrig am vergangenen Wochenende. Die politischen Resonanzen dürften viele Jahre nachschwingen. Insgesamt aber wird in US-Regierungskreisen die Lösung als eine Rückkehr zur Normalität gewertet. Analysten in China und den USA gehen nun davon aus, dass sich wirtschaftliche Spannungen teilweise lösen und Zollschranken fallen werden.
China.Table hat den Verlauf der Ereignisse noch einmal nachgezeichnet.
Der Politthriller beginnt am 1. Dezember 2018. Bei einer Zwischenlandung auf dem Weg nach Südamerika wird Meng Wanzhou im kanadischen Vancouver festgenommen und unter Hausarrest gestellt. Die US-Justiz hatte sie mit internationalem Haftbefehl suchen lassen. Der Vorwurf: Meng habe die britische HSBC-Bank über die Beziehungen eines ihrer Unternehmen zum Iran getäuscht. Dadurch sei die Bank nicht in der Lage gewesen, die Bestimmungen der US-Sanktionen gegen den Iran einzuhalten.
Während die kanadische Polizei Meng verhaftet, sitzen der damalige US-Präsident Donald Trump und sein chinesischer Counterpart Xi Jinping bei einem privaten Essen am Rande des G20-Gipfels in Buenos Aires zusammen. Xi empfindet die Festnahme der Managerin eines der strategisch wichtigsten chinesischen Unternehmen als besonderen Affront. Kurz darauf vermeldet Peking die Festnahme zweier Kanadier, Kovrig und Spavor, die unter dem Vorwurf der Spionage in Untersuchungshaft kommen. Jahrelang bleibt unklar, inwiefern die beiden konkret spioniert haben sollen. Erst im Laufe dieses Jahres ist von illegalen Fotoaufnahmen eines Flughafengeländes die Rede. Spavor soll die Fotos geschossen und an Kovirg weitergegeben haben.
Die USA werden dagegen deutlich früher konkret. Im Detail werfen sie Meng kurz nach der Festnahme öffentlich vor, sie habe 2013 gegenüber der HSBC “in betrügerischer Absicht” die Wahrheit über Huaweis Verhältnis zu einer dritten Firma (Skycom) verschwiegen und deshalb über Geschäftsbeziehungen zum Iran nicht ausreichend informiert. Die Bank habe in Folge das Risiko nicht angemessen evaluieren können. Meng habe zudem ausschließlich Junior-Mitarbeiter informiert, nicht die Führungsebene. Huawei bestreitet das.
Da die Geschäftsbeziehungen in US-Dollar abgewickelt werden, beanspruchen die US-Behörden die Gerichtsbarkeit des Falles für sich. Auch deshalb erkennt China politische Motivation hinter der Festnahme. Denn Meng ist Chinesin, die mit einer britischen Bank mit Sitz in Hongkong eine Geschäftsbeziehung eingeht. Weshalb mischen sich US-Behörden ein, fragt man sich in der Volksrepublik.
Trump selbst verhehlt nicht, dass Meng ein politisches Faustpfand im Machtkampf zwischen den USA und China ist. In einem Interview sagt er sinngemäß, dass er in den Fall eingreifen würde, wenn es seinem Land einen Vorteil verschaffen würde. Bis zum Ende seiner Amtszeit laufen Versuche der Anwälte, eine Lösung zu finden, immer wieder ins Leere. Andererseits wird Meng auch nicht aus Kanada in die USA ausgeliefert. Sie muss eine Fußfessel tragen, kann aber privat unter Hausarrest leben. Häufig vergehen mehrere Monate, ohne dass Bewegung in den Fall kommt.
Eine Wende zeichnet sich erst ab, nachdem Joe Biden das Amt des US-Präsidenten übernimmt und signalisiert, dass er anders mit China umgehen will. Daraufhin beginnen die Anwälte von Meng und die HSBC zu kooperieren. Am 12. April dieses Jahres informieren Mengs Anwälte ein Hongkonger Gericht darüber, dass man sich mit der Bank geeinigt habe. HSBC stellt Informationen zur Verfügung, die Meng entlasten. Doch ungewöhnlich dabei ist, dass die Beschuldigte Beweise vom “Opfer” erhält. Damit war absehbar, dass es für die US-Justiz schwierig würde, den Fall durchzuziehen.
Aus den Dokumenten geht hervor, dass die Manager der Bank vom eigentlichen Verhältnis zwischen Huawei und Skycom wussten und sich keineswegs ausschließlich auf eine interne Präsentation von Huawei als Entscheidungsgrundlage gestützt hätten, wie es anfangs hieß. Die Argumentation der US-Behörden wird damit deutlich geschwächt.
Der zuständige HSBC-Mitarbeiter soll mehrere Risikoanalysen unterzeichnet haben, aus denen hervorgeht, dass die Zusammenhänge bekannt waren und nichts verschwiegen wurde. Huawei “versuche, alle Sanktionsvorschriften einzuhalten“, betont der verantwortliche Manager im Laufe der Ermittlungen. Die Verteidigung behauptet zudem, beweisen zu können, den US-Behörden sei bekannt gewesen, dass die Vorwürfe falsch sind, die in dem Auslieferungsantrag gegen Meng formuliert werden. Der Vorwurf gegen die US-Justiz wiegt schwer: Es seien Fakten unterschlagen worden. Diese Informationen werden auch in Kanada wahrgenommen. Die Auslieferung von Meng rückt in immer weitere Ferne.
Ende August folgen Anzeichen, dass die neue US-Regierung einen entspannteren Kurs gegenüber Huawei einschlägt. Trump hatte Huawei auf eine schwarze Liste gesetzt, die es verbietet, Chips und Software an Huawei zu verkaufen, wenn diese mit Unterstützung von US-amerikanischen Unternehmen hergestellt wurden – just in dem Moment als der chinesische Hersteller zum Weltmarktführer aufgestiegen war. Die Verkäufe von Huawei Smartphones brechen daraufhin ein. Die Regelung bleibt auch unter dem neuen US-Präsidenten bestehen. Dennoch macht Biden eine Ausnahme und genehmigt US-Chips für Huawei im Wert von mehreren hundert Millionen US-Dollar (China.Table berichtete). Das erste Zeichen, dass die Stimmung sich wandelt.
“Die USA sind nicht an einem neuen kalten Krieg interessiert,” betont Biden kurz darauf in einer Rede. Schießlich telefonieren Xi und Biden miteinander, kurz nach einem Besuch vom Klima-Sonderbeauftragten der USA, John Kerry, in Peking. Die Volksrepublik folgt einer langgehegten Forderung der Amerikaner, keine Kohlekraftwerke mehr in Drittländern verkaufen zu wollen.
Auch die kanadische Richterin Heather Holmes, die über die Rechtmäßigkeit des Auslieferungsverfahrens entscheiden muss, lässt durchblicken, dass auch sie Zweifel hat an der Korrektheit der Vorwürfe der US-Justiz und der Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens.
Bereits im Oktober 2020, noch ehe Biden zum Präsidenten gewählt wurde, hatte sie entschieden, dass die Anwälte Mengs Argumente und Beweise vortragen dürfen. Des Weiteren ließ die Richterin eine Untersuchung zu, in der geklärt werden sollte, ob wesentliche Rechte von Meng bei ihrer Verhaftung am Flughafen in Vancouver verletzt wurden. Sie war nach Darstellung der Verteidigung verhört worden, ohne die Möglichkeit zu haben, einen Anwalt zu konsultieren. Die Verteidigung äußert zudem den Verdacht, die kanadische Grenzpolizei habe ihren rechtlichen Spielraum überdehnt, um den US-Behörden Informationen für das Verfahren zu beschaffen. Kanada weist das zurück.
“Wir sind überzeugt, dass wir unschuldig sind”, beteuert Huawei Gründer Ren, “Wenn ein Gericht uns bestrafen würde, nachdem es ein Urteil gesprochen hat, wären wir in der Lage, das zu verstehen, denn wir respektieren die rechtlichen Verfahren. Aber die USA spielen nach ihren eigenen Spielregeln. Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll.”
Kanadische Prozessbeobachter sprechen schon 2020 davon, dass der US-Auslieferungsantrag wie ein “Schweizer Käse” sei: voller Löcher. Ein prominenter kanadischer Auslieferungsanwalt wirft den Vereinigten Staaten vor, ganz unverhohlen die Hilfe Kanadas in Anspruch genommen zu haben, um jeden Versuch von Huawei zu vereiteln, seine Technologie in Nordamerika auszubauen und zu erweitern.
Derweil wird der Kanadier Spavor in China zu elf Jahren verurteilt, während Kovrig noch auf seinen Schuldspruch wartet. Das Urteil, das hinter verschlossenen Türen gesprochen wird, löst Kritik in den USA, aber auch in Europa aus. Der Vorwurf: China setze auf Geiseldiplomatie.
Die Festnahme Mengs nähert sich dem dritten Jahrestag, als die US-Justiz in der Vorwoche in einem sogenannten Deferred Prosecution Agreement (DPA) der Ausreise Mengs aus Kanada zustimmt. Sie gilt als unschuldig und muss nicht einmal eine Geldstrafe zahlen. Sofern keine neuen Anschuldigungen auftauchen, was als unwahrscheinlich gilt, wird sie nach dem 1. Dezember 2022 keinen Registereintrag bezüglich dieses Falles in den USA haben.
Das ist sehr ungewöhnlich. Normalerweise enden solche Fälle mit einer Teilschuldanerkennung der beklagten Partei und einer Geldstrafe. Gegenüber den USA hat sich Meng allerdings verpflichten müssen, nicht mehr der Darstellung einzelner Sachverhalte durch die US-Seite zu widersprechen. Dazu musste sie eine nicht-öffentliche “Fakten-Feststellung” unterschrieben, die nicht als Schuldeingeständnis gewertet werden kann. Richterin Holmes ordnet noch am gleichen Tag die Aufhebung von Mengs Arrestauflagen an.
Die US-Behörden hadern offenbar. “Meng gibt zu, globale Finanzinstitutionen in die Irre geführt zu haben”, betitel sie ihre schriftliche Stellungnahme. Meng habe “die Verantwortung übernommen, für den begangenen Betrug an einer globalen Finanzinstitution”, und ihre Mitarbeiter hätten “einen konzertieren Betrug an globalen Finanzinstitutionen, der US-Regierung und der Öffentlichkeit über Huaweis Aktivitäten im Iran begangen.” Dennoch bleibt Meng straffrei.
David Laufman, unter Donald Trump der Chef der Counterintelligence and Export Control Section (CES) der National Security Division im Justizministerium spricht im kanadischen Fernsehen von “einem gefährlichen Präzedenzfall”, der der “normalen Justizpraxis” widerspreche.
Meng verlässt wenige Stunden später das Land und landet kurz darauf im südchinesischen Shenzhen. Ihre Ankunft wird live im Fernsehen übertragen. 13 Millionen Menschen schauen zu. Tausende warten am Flughafen auf sie. Sie habe in der Zeit im Hausarrest in Kanada “jeden Moment die Wärme und die Sorge der Partei, ihres Vaterlandes und der Menschen gespürt”, sagt sie bei der Ankunft. Das chinesische Außenministerium spricht von “politischen Anklage gegen einen chinesischen Bürger.”
Im Gegenzug lässt die Volksrepublik Spavor und Kovrig unverzüglich frei, ohne zu erklären, weshalb ein bereits verurteilter Strafgefangener plötzlich Amnesie erhält. Beide Kanadier kehren nach mehr als 1.000 Tagen Gefängnis in ihre Heimat zurück.
Nur wenige Tage später entlässt die Volksrepublik zwei us-amerikanische Staatsbürger:innen nach mehr als drei Jahren in die Freiheit. Das Geschwisterpaar war bereits im Juni 2018 mit einem Ausreiseverbot in China belegt worden und durfte das Land nicht verlassen. Die “South China Morning Post” berichtet, das Duo sei im Zusammenhang mit einem Betrugsfall ihres Vaters festgehalten worden.
Die Investmentbank Goldman Sachs hat ihre Wachstumsprognose für China für das laufende Jahr von 8,2 auf 7,8 Prozent gesenkt, wie Reuters berichtet. Als Ursachen werden die Energieknappheit (China.Table berichtete) und Produktionskürzungen in der Industrie angegeben. Die Stromversorgungskrise hat Unternehmen in mehreren Landesteilen zur Drosselung der Produktion veranlasst. Goldman Sachs geht davon aus, dass bis zu 44 Prozent der chinesischen Industrie davon betroffen sind, was sich merklich auf das Wirtschaftswachstum auswirken wird. Zuletzt hatte auch der japanische Autobauer Toyota berichtet, von den Stromengpässen in China betroffen zu sein.
Der US-Bank Citi zufolge, wird das Wachstum auch in 2022 geringer ausfallen. Die Bank prognostiziert nun nur noch ein Wachstum der chinesischen Wirtschaft von 4,9 Prozent. Zuvor war sie noch von 5,5 Prozent ausgegangen. Als Ursache wird die Schuldenkrise des Immobilienentwicklers Evergrande angegeben, die sich auf weitere Wirtschaftszweige auswirken und somit das Wachstum drücke werde. nib
Airbus befindet sich in Gesprächen mit der chinesischen Luftfahrtbehörde über die Zulassung der A220, sagte der Leiter des China-Geschäfts von Airbus laut Reuters am Dienstag. Das Flugzeug stoße auf großes Interesse bei chinesischen Fluggesellschaften, da es den Gesellschaften die Lücke zwischen Regionalflugzeugen und größeren Fliegern zu schließen, so George Xu, CEO von Airbus China. Die A220 wird seit 2016 in anderen Ländern eingesetzt. Chinas Luftfahrtbehörde hat sie bisher jedoch nicht zugelassen. nib
Zwischen China und dem EU-Mitglied Tschechien braut sich ein Disput über die potenzielle Beteiligung der Volksrepublik an einer Ausschreibung für den Ausbau eines tschechischen Atomkraftwerks zusammen. Der tschechische Präsident Miloš Zeman hatte zu Beginn der Woche ein Gesetz unterzeichnet, das chinesischen Unternehmen die Beteiligung am Bau eines neuen Blocks des Kernkraftwerks Dukovany im Südosten des Landes verbietet, wie das tschechische Radio berichtete. Peking ist damit nicht einverstanden.
Das sogenannte Low-Carbon-Gesetz war zuvor von beiden Kammern des tschechischen Parlaments verabschiedet worden. Es schließt unter anderem chinesische sowie russische Unternehmen von der Liste potenzieller Baubeteiligter aus. Denn laut der Gesetzgebung dürfen nur Technologien aus Ländern, die dem internationalen Abkommen über staatliche Aufträge von 1996 beigetreten sind, beim Bau und im späteren Betrieb des Akw Dukovany verwendet werden – weder Russland noch China sind jedoch dem Bericht zufolge Unterzeichner des Abkommens.
Peking reagierte prompt: China erwarte von Tschechien eine Neubewertung der Entscheidung, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Dienstag laut der russischen Presseagentur Tass. Tschechien solle zu den Regeln des freien Marktes zurückkehren, lautete demnach die Aufforderung. ari
Das südafrikanische Sambia steht bei chinesischen Geldgebern viel tiefer in der Kreide, als bislang angenommen. Der Binnenstaat schuldet seinen Gläubigern möglicherweise fast das Doppelte dessen, was die Regierung bisher offengelegt hat. Das ergab eine neue Studie der Johns Hopkins’ China Africa Research Initiative. Demnach schuldet das Land chinesischen Banken und staatlichen Stellen umgerechnet 5,6 Milliarden Euro. Die von der sambischen Regierung veröffentlichte Zahl liegt bei umgerechnet 2,9 Milliarden Euro. Insgesamt machen die sambischen Auslandsschulden umgerechnet 12,2 Milliarden Euro aus.
Die Autor:innen der Studie beklagen, dass Sambia bei der Offenlegung der tatsächlichen Schulden nicht transparent genug war. Im November 2020 war Sambia das erste afrikanische Land, das seine sogenannten Eurobonds – Anleihen in ausländischer Währung – während der COVID-19-Pandemie nicht bedienen konnte und Zahlungsunfähigkeit anmeldete. Die Weigerung der privaten Anleihegläubiger, dem Land einen Schuldenerlass zu gewähren, beruhte weitgehend auf der Befürchtung, dass Sambia seine Verbindlichkeiten gegenüber chinesischen Gläubigern nicht ausreichend offengelegt habe, so die Autor:innen.
Sambias neuer Präsident Hakainde Hichilema sucht die Unterstützung des Internationalen Währungsfonds, um die Schuldenkrise zu bewältigen. “In Anbetracht der komplizierten Situation, in der mindestens 18 chinesische Kreditgeber der sambischen Regierung und ihren staatlichen Unternehmen externe Darlehen zur Verfügung gestellt haben, dürfte es außerordentlich schwierig sein, einen Konsens über die Lastenteilung” eines Schuldenerlasses zu erzielen, so die Autor:innen in ihrem Bericht. nib
Einen Tag vor dem Beginn des “EU-US Trade and Technology Council” (kurz TTC) hat die Peking nach eigenen Angaben Brüssel gegenüber eine Zusammenarbeit im Technologie-Bereich angesprochen. Chinas Außenminister Wang Yi habe sich mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell über die Förderung der Zusammenarbeit in den Bereichen der technologischen Innovation, Finanzen, Energie und Landwirtschaft ausgetauscht, teilte die chinesische Seite nach einem Videogespräch am Dienstag mit.
Die Volksrepublik und die Europäische Union sollten zudem über einen gemeinsamen Aufbau der “Belt and Road”-Initiative und deren EU-Pendant, der Konnektivitätsstrategie (seit SOTEU umbenannt zu “Global Gateway”), sprechen, hieß in der Erklärung. In der Pressemitteilung der EU wurde das Thema nicht erwähnt. Das erste Treffen des TTC ist für heute in Pittsburgh angesetzt.
Borrell und Wang sprachen zudem über eine Kooperation bei der Herstellung von Impfstoffen und der weltweiten Versorgung damit sowie über Taiwan, Menschenrechte in Xinjiang und Hongkong, das neue Sicherheitsbündnis Aukus sowie über die EU-Indo-Pazifik-Strategie. Wang sagte laut der chinesischen Erklärung, China sei “bereit, einen Menschenrechtsdialog zu führen”, aber “keine Menschenrechtslehrer” zu akzeptieren. Die EU setze sich für die Wiederaufnahme des EU-China-Menschenrechtsdialogs ein, hieß es in der EU-Erklärung. Demnach äußerte Borrell “seine Hoffnung, dass das nächste Treffen noch vor Ende des Jahres stattfinden könne.” ari
Europas Unternehmen sehen sich einem zunehmenden Konkurrenzdruck aus China ausgesetzt. Schon ein Blick auf die Entwicklung der Anteile am Exportmarkt seit der Jahrtausendwende illustriert Chinas enormen Exporterfolg: Es hat seinen Anteil an den Weltexporten von Waren und Dienstleistungen von rund drei Prozent im Jahr 2000 auf fast elf Prozent im Jahr 2019 immens erhöht, vor allem in der ersten Dekade. Parallel dazu gingen schon in den 2000er-Jahren die Weltexportanteile anderer großer Industriestaaten deutlich zurück.
Empirische Studien, die sich überwiegend auf die Zeit vor 2010 beziehen, deuten darauf hin, dass sich in dieser Zeit chinesische und deutsche Exporte überwiegend komplementär und nicht substitutiv zueinander verhielten, sich die Konkurrenzintensität durch China aus deutscher Sicht also in engen Grenzen hielt. Mit Blick auf die Zukunft stellt sich aber die Frage, ob China nicht immer stärker in diejenigen Branchen vordringt, in denen die deutsche Wirtschaft ihre Stärken hat. Die Strategie Made in China 2025 setzt sich dies zumindest zum Ziel. In diesem Fall könnten in der laufenden Dekade auch die Weltmarktanteile Deutschlands deutlich stärker als bislang unter Druck geraten.
Ein Blick auf die Entwicklung der Marktanteile Chinas und Deutschlands an den EU-Importen zwischen 2000 und 2019 belegt in der Tat, dass China mit seinen Exporten immer mehr in diejenigen Branchen vordringt, in denen die deutsche Wirtschaft ihre Stärken hat. Dabei zeigt sich, dass Chinas Anteile auch hier sehr deutlich stiegen, Deutschlands Anteile waren dagegen seit 2005 rückläufig. Bei anspruchsvollen industriellen Produktgruppen, in denen Deutschland stärker spezialisiert ist, ist der Gegensatz noch ausgeprägter als im Warenhandel insgesamt. Zudem haben sich die chinesischen Exporte sehr deutlich in Richtung der anspruchsvollen Industriewaren verschoben.
Vor diesem Hintergrund wurden deutsche Unternehmen aus Industrie und industrienahen Dienstleistungen im Spätherbst 2020 im Rahmen des IW-Zukunftspanels befragt, wie stark sie die Konkurrenz durch China bereits spüren, welche Ursachen sie dahinter vermuten und wie sie einer robusteren Handelspolitik der EU gegenüber China gegenüberstehen. Die Ergebnisse sprechen eine recht deutliche Sprache.
So wird die Relevanz des Konkurrenzdrucks durch China in den nächsten fünf Jahren von deutschen Industrie-Unternehmen sogar deutlich höher eingeschätzt als die Relevanz des Protektionismus. Ein knappes Drittel der Firmen misst der Konkurrenz durch chinesische Unternehmen einen eher hoher oder sehr hohen Stellwert bei. Bei Firmen, die nach China exportieren, beträgt dieser Anteil sogar über 42 Prozent.
Zugleich werden chinesische Konkurrenten zwar als leistungsfähig und innovativ eingeschätzt. Doch die Zustimmung zur Relevanz von Wettbewerbsverzerrungen ist noch deutlich größer. So stimmten der Frage, ob Subventionen der chinesischen Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil ermöglichen, rund 71 Prozent der deutschen Firmen zu, die einen sehr hohen Konkurrenzdruck aus China spüren. Nur gut 42 Prozent dieser Unternehmen sehen ihre chinesische Konkurrenz als leistungsfähig und innovativ an.
Die befragten Unternehmen messen einer robusteren Handelspolitik gegenüber chinesischen Wettbewerbsverzerrungen in den kommenden Jahren zudem einen hohen Stellenwert bei. Zum Beispiel halten über 60 Prozent der befragten Firmen mit einem hohen Exportanteil ein robusteres Vorgehen gegenüber China für sehr bzw. für eher wichtig. Bemerkenswert ist, dass die Zustimmungsraten auch bei Firmen mit Export nach oder Produktion in China ähnlich hoch oder noch etwas höher sind, obwohl diese Unternehmen vermutlich Gegenmaßnahmen Chinas fürchten müssen.
Unter Firmen, die einen sehr hohen Konkurrenzdruck durch chinesische Unternehmen verspüren, befürworten sogar mehr als zwei von drei Unternehmen mit Nachdruck eine robustere Politikausrichtung. Sie sind offenbar überzeugt, dass dies nötig ist, um den Wettbewerbsverzerrungen durch chinesische Staatssubventionen entgegenzuwirken, die von diesen Firmen wie aufgezeigt sehr deutlich wahrgenommen werden.
Das Antwortverhalten der deutschen Unternehmen kann damit als dringender Appell an die europäische und deutsche Wirtschaftspolitik interpretiert werden, Maßnahmen zu ergreifen, um faire Wettbewerbsbedingungen (“level playing field”) zu gewährleisten.
Dieser Beitrag gehört in den Kontext der Veranstaltungsreihe “Global China Conversations” des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW). Am Donnerstag, 30.09.2021, diskutieren Jürgen Matthes vom Institut der Deutschen Wirtschaft und Dietmar Baetge, Professor an der TH Wildau, im Rahmen dieses Formats über das Thema “Chinas Konkurrenz für Europas Unternehmen: Fairer Wettbewerb oder unerlaubte Subventionierung?” China.Table ist Medienpartner der Veranstaltungsreihe.
Francesco Blandino ist zukünftig für die Produktstrategie im NEV-Bereich bei Volkswagen China verantwortlich. Zu seinen Aufgaben gehört auch das Produktmarketing. Zuvor war Blandino drei Jahre bei Volkswagen China als “Sales und Marketing Coordinator” tätig.
Am 1. Oktober jährt sich die Gründung der Volksrepublik China zum 72. Mal. Auch in Hongkong werden die Bürger:innen daran erinnert. In Reih’ und Glied schmücken die Hong Qi, die chinesische Nationalflagge, und die Flagge der Metropole in dieser Woche das Straßenbild.