unliebsame Umweltschützer lassen sich derweil etwas leichter handhaben als die Kapriolen des Klimas: Einfach wegsperren und schon ist Ruhe. So zumindest die Logik der chinesischen Behörden. Dabei ist eine gesunde und saubere Umwelt seit dem vergangenen Jahr offiziell ein Menschenrecht. Das zumindest sagen die Vereinten Nationen.
Die Uno stellt daher kritische Fragen zum Verbleib von neun tibetischen Umweltaktivisten, die verschwunden sind. Von dreien ist zumindest bekannt, wie lange sie sich in Haft befinden. Im Januar dürfte das Thema beim Menschenrechtsrat in Genf auf den Tisch kommen, schreibt Marcel Grzanna, und erzählt, was über die Vorgänge bekannt ist.
Patienten in China ist die Praxis geläufig, dem Arzt eine Aufmerksamkeit in einem roten Umschlag zukommen zu lassen. Dann gibt es beispielsweise den Ultraschalltermin oder die OP etwas schneller. Pharmafirmen wiederum zahlen großzügige Rückvergütungen an Chefärzte, wenn deren Krankenhaus ihre Arzneien bestellt.
Nun kommt es zum Aufstand gegen die korrupten Mediziner – und wie so oft in China droht auch schon wieder eine Übertreibung. Fabian Kretschmer berichtet aus Peking von der Hexenjagd gegen Ärzte, die auch schon Unschuldige erfasst.
Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen bringen die chinesischen Behörden in Erklärungsnot. In einem Bericht von Anfang August fordern sie Informationen über das Schicksal neun tibetischer Umweltaktivisten. Die UN-Experten wollen wissen, weshalb die Tibeter in Haft sitzen und wie es den Betroffenen geht. Alle Neun waren zwischen 2010 und 2019 verhaftet worden.
In den meistern Fällen gibt es nur spärliche Informationen. Die Familien der Inhaftierten werden im Dunkeln gelassen. Weder ist bekannt, ob und wofür die Aktivisten verurteilt wurden, wo sie untergebracht sind und ob sie überhaupt noch leben. Nur in drei Fällen ist der UN überhaupt die Dauer der Haftstrafen bekannt. “Der Mangel an Informationen seitens der chinesischen Behörden könnte als bewusster Versuch gewertet werden, die Welt diese Menschenrechtsverteidiger vergessen zu lassen, während sie Jahr für Jahr in Isolation verbringen”, heißt es in der Erklärung.
Der Vorstoß der Berichterstatter folgt rund ein Jahr, nachdem die UN das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt durch den Menschenrechtsrat und die Generalversammlung anerkannt hatte. Im Juli 2022 stimmten 161 Staaten für die Resolution. China und sieben andere Staaten enthielten sich.
Der Umgang mit Menschenrechtsaktivisten wurde damals in der Resolution zwar nicht explizit erwähnt, was auf entsprechende Kritik durch einige Mitgliedsstaaten stieß. Dennoch nutzt sie den Berichterstattern nun als Hintertür, um China mit den Fragen zu konfrontieren. Die Resolution verstärkt die Legitimität der Experten, die Volksrepublik an ihre eigenen Versprechen zu erinnern und sie daran zu messen. So heißt es in dem Report: “Wenn China sich verpflichtet, die Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen, sollte es von der Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern im Umweltbereich absehen und alle neun sofort freilassen.”
Verantwortlich für den Report sind die Sonderberichterstatterin für die Situation von Menschenrechtsverteidigern, der Sonderberichterstatter für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie der Sonderberichterstatter für Menschenrechtsverpflichtungen in Bezug auf eine sichere, saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt. Das Trio, das mit der chinesischen Regierung in Kontakt steht, liefert einen Vorgeschmack darauf, was China im Januar des kommenden Jahres vor dem Menschenrechtsrat in Genf erwartet. Dann muss die Volksrepublik im Rahmen der Universal Periodic Review (UPR) konkret vor dem Gremium Stellung beziehen zu den Fortschritten ihrer Menschenrechtsarbeit.
Die Umweltaktivisten aus Tibet könnten dann zur Sprache kommen. Die neun Genannten sollen allesamt inhaftiert worden sein, nachdem sie gegen illegale Bergbauaktivitäten protestiert oder die Wilderei gefährdeter Tierarten aufgedeckt hatten. Einzelheiten bleiben unbekannt. Den UN-Experten zufolge ist unklar, inwieweit die Tibeter Zugang zu einem Rechtsbeistand hatten und ob sie medizinisch versorgt werden. Der Gesundheitszustand mindestens eines Inhaftierten sei besorgniserregend.
Anya Sengdra war im September 2018 festgenommen und mehr als ein Jahr lang willkürlich festgehalten worden, ehe er im Dezember 2019 zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. Diese sitzt er sehr wahrscheinlich im tibetischen Verwaltungsbezirk Golog der Provinz Qinghai ab. Es gibt Berichte von Menschenrechtsorganisationen, dass der vermutlich 52-Jährige gefoltert wurde und sich in einem schlechten körperlichen Zustand befinde. Ihm wurde vor Gericht unter anderem vorgeworfen, Ärger provoziert und eine Gruppe formiert zu haben, um die soziale Ruhe zu stören.
Deutlich schlechter informiert sind die Berichterstatter über Dorjee Daktal und Kelsang Choklang. Im Fall Daktal ist lediglich bekannt, dass er Ende kommenden Jahres nach dann elf Jahren Haft wegen seines Engagements gegen illegalen Bergbau aus dem Gefängnis der tibetischen Präfektur Naqu entlassen werden müsste. Der Mönch Choklang hätte Anfang 2024 seine Strafe verbüßt. Ob er noch lebt, ist unklar. Der Tibetan Centre for Human Rights and Democracy im indischen Dharamsala, dem Sitz der tibetischen Exilregierung, konnte lediglich den Grund seiner Festnahme ermitteln. Er habe illegalerweise eine Versammlung organisiert, heißt es. Im Fall der sechs anderen im Bericht erwähnten Tibeter ist die Dauer der Haftstrafen unklar.
Ohnehin bilden die neun Betroffenen nur die Spitze eines Eisbergs. Die International Campaign for Tibet (ICT) hatte vor etwa einem Jahr 50 Fälle von tibetischen Umweltaktivisten dokumentiert, die seit 2008 zu zwischen 21 Monaten und 21 Jahren Haft verurteilt worden sind. ICT-Geschäftsführer Kai Müller erkennt dahinter Methode. Er fordert, China müsse beweisen, “dass die behauptete Priorität des Umweltschutzes mehr ist als ein Deckmäntelchen für die ungehinderte Ausbeutung des tibetischen Hochlands.”
Müller hofft, dass die neun Fälle vor dem UN-Menschenrechtsrat zur Sprache kommen und sieht auch die deutsche Politik in der Pflicht. Die Bundesregierung solle Fragen von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in den geplanten Klima- und Transformationsdialog mit der chinesischen Regierung einbringen, fordert er.
Was zuvor meist mit einem resignierten Schulterzucken quittiert wurde, landet nun immer öfter vor Gericht: Korruption im chinesischen Gesundheitswesen. Konkret geht es beispielsweise um Zahlungen, die Mediziner unter der Hand für eine schnellere oder bessere Behandlung einfordern. Auch illegale Zuwendungen von Medikamentenherstellern an Chefärzte lösen regelmäßig Entrüstung aus.
Die spektakulärsten Fälle schaffen es derzeit fast täglich auf die Titelseiten der Staatszeitungen: Der Vize-Präsident eines Krankenhauses in der Provinz Liaoning soll umgerechnet 400.000 Euro von einem Pharma-Konzern angenommen haben, um diesem zu Aufträgen zu verhelfen. Im südlichen Yunnan ließ sich ein Oberarzt rund zwei Millionen Euro zahlen, damit sein Spital das medizinische Gerät eines bestimmten Herstellers einkauft.
Ende Juli hat die zentrale Disziplinarkommission der kommunistischen Partei eine bisher beispiellose Kampagne gegen Korruption im Gesundheitswesen ausgerufen. Unter anderem wurden die lokalen Behörden dazu aufgefordert, ihre Strafverfolgung zu intensivieren und insbesondere hochrangige Funktionäre ins Visier zu nehmen.
Wenig überraschend rollten schon bald Köpfe: Allein bis Mitte August wurde bereits gegen mehr als 150 Leiter von öffentlichen Krankenhäusern ermittelt, mehr als doppelt so viele wie 2022. Auch etliche Spitzenmanager von Arzneimittelherstellern gerieten ins Visier der Regulatoren und haben ihre Jobs verloren.
Aus vorauseilendem Gehorsam haben Branchenverbände in diesem Monat bereits mindestens elf medizinische Konferenzen kurzfristig abgesagt, wie das Online-Medium The Paper berichtet.
Zwar wurden keine offiziellen Gründe genannt, doch ein Zusammenhang mit der derzeit laufenden Anti-Korruptionskampagne ist offensichtlich: Gesundheitskonferenzen wurden in der Vergangenheit von der Pharmaindustrie gezielt dafür genutzt, um Bestechungsgelder in Form von Vortragshonoraren zu verteilen. Denn in chinesischen Krankenhäusern stellen die Ärzte nicht nur Rezepte aus, sondern verfügen meist über hauseigene Apotheken, wo sie genauestens über die Wahl der verkauften Arzneimittel verfügen können.
In einer am Februar publizierten Studie untersuchten Forscher der renommierten Peking Universität die Gründe für die weit verbreitete Korruption. Allen voran machten die Studienautoren den finanziellen Druck unter den Medizinern verantwortlich. “In unserem Bezirkskrankenhaus können über 60 Prozent der Ärzte ihre Familien nicht ernähren, wenn sie sich ausschließlich auf ihre Gehälter verlassen”, wird ein Doktor zitiert. Eine andere Oberärztin sagt: “Wenn die meisten Kollegen auf meiner Station Schmiergelder erhalten, kann ich diese doch nicht ablehnen. Ich werde isoliert, wenn ich ihrem Beispiel nicht folge”.
Dementsprechend dürfte die derzeitige Anti-Korruptionskampagne vor allem die Symptome bekämpfen, nicht jedoch die Ursache. Ohne eine bessere Finanzierung des Gesundheitswesens in der Volksrepublik wird es kaum zu nachhaltigen Verbesserungen kommen.
Es ist bemerkenswert, dass viele Publizisten die Maßnahmen der Behörden durchaus skeptisch betrachten. Hu Xijin, ehemaliger Chefredakteur der nationalistischen Global Times, mahnt etwa an: “Wir sollten umfassend sicherstellen, dass die Korruptionsbekämpfung innerhalb des gesetzlichen Rahmens durchgeführt wird. Dies ist keine sogenannte Massenbewegung”.
Hus Kritik spielt auf die radikalen Kampagnen der 60er-Jahre unter Staatsgründer Mao Zedong an, die maßlos über ihr intendiertes Ziel hinausschossen.
Eine solche Befürchtung ist durchaus berechtigt. Auf der Online-Plattform Weibo lässt sich bereits eine regelrechte Hexenjagd gegen das Gesundheitspersonal beobachten. Unzählige Ärzte werden von den Usern namentlich an den Pranger gestellt – und ohne jegliche Beweise schwerwiegender Korruption bezichtigt.
Dabei dürfte es auch etliche Unschuldige treffen: Ein Kardiologe etwa berichtet in einem Online-Posting, dass er kürzlich von einem Patienten wegen angeblicher Korruption gemeldet wurde und daraufhin sein Jahresboni gestrichen bekam. Der Vorwurf: Eine Patientin hatte sich nach einer Operation mit ein paar Lunch-Boxen und Milchkaffees beim Krankenhausteam bedankt. Fabian Kretschmer
Chinas E-Auto-Gigant BYD zieht öffentlichkeitswirksam in den Kampf gegen Korruption im eigenen Unternehmen. Das Unternehmen ermutigt laut einer Mitteilung der Audit and Supervision-Abteilung des Unternehmens auf dem offiziellen Wechat-Konto “Incorruptible BYD” Mitarbeiter, Partner und andere Insider, Korruptionsvorfälle im Unternehmen zu melden. Das berichtet The Paper aus Shanghai. Demnach soll es für effektive Hinweise hohe Belohnungen bis zu fünf Millionen Yuan geben, möglichen Whistleblowern wird Vertraulichkeit zugesichert.
Die firmeninterne Ermittlungsarbeit ist nichts Ungewöhnliches, so entließ zum Beispiel Internetkonzern Tencent zu Beginn des Jahres mehr als 100 Mitarbeitende nach Korruptionsvorwürfen. Mit eigenen Ermittlungen könnte BYD den Behörden zuvorkommen. Xi Jinpings Anti-Korruptionskampagne nimmt immer wieder unterschiedliche Branchen ins Visier, nach Banken, Börsenaufsicht und natürlich auch der Partei selbst ist zuletzt die Gesundheitsbranche in den Fokus geraten. jul
Chinas Geburtenrate ist im vergangenen Jahr auf ein Rekordtief von 1,09 gesunken, berichtet die Zeitung National Business Daily am Dienstag. Im Vorjahr betrug sie noch 1,16. Damit sinkt die Zahl der Neugeborenen noch schneller als befürchtet. In Zukunft könnte Arbeitskräftemangel die Konjunktur belasten.
Aus Sorge über den Bevölkerungsrückgang in China seit sechs Jahrzehnten und die rasche Alterung der Bevölkerung versucht Peking mit einer Reihe von Maßnahmen, die Geburtenrate zu erhöhen, darunter finanzielle Anreize und verbesserte Kinderbetreuungseinrichtungen. rtr/fin
Das Berufungsgericht in Hongkong hat den Medienmagnaten Jimmy Lai und sechs weitere pro-demokratische Oppositionelle vom Vorwurf freigesprochen, im Jahr 2019 eine nicht genehmigte Versammlung organisiert zu haben. Das Urteil ist jedoch lediglich ein formeller Sieg für Lai und seine Mitstreiter, die ihre Strafen längst verbüßt haben. Denn vier von ihnen – darunter Lai – bleiben wegen weiterer Urteile im Rahmen einer politischen Säuberung ohnehin hinter Gittern.
Das Gericht entschied am Montag, dass der Verleger sowie die Anwälte Martin Lee und Margaret Ng, die früheren Parlamentarier Cyd Ho und Albert Ho und die Aktivisten Lee Cheuk-yan und Leung Kwok-hung zwar an einer Massenkundgebung im August 2019 gegen das Auslieferungsgesetz teilgenommen hatten und dafür bestraft werden müssten, sie für die Organisation jedoch nicht verantwortlich waren. Lai selbst plädiert auf nicht schuldig.
Es gebe keine Beweise, dass die Beschwerdeführer Verbindung zur inzwischen aufgelösten Civil Human Rights Front gehabt hätten, die sich für den Protest mit knapp zwei Millionen Menschen verantwortlich zeichnete. Lais Strafe für dieses Vergehen wurde von zwölf auf neun Monaten verkürzt.
Der Gründer der pro-demokratischen Boulevardzeitung Apple Daily, deren Erscheinen inzwischen eingestellt wurde, war zuvor bereits wegen Betrugs zu fünf Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der Vorwurf lautete, er habe den Mietvertrag für die Verlagszentrale der Apple Daily verletzt. Mehr als hundert Journalisten fordern Lais Freilassung. Eine möglicherweise lebenslange Haft droht dem 75-Jährigen in weiteren Verfahren, in denen ihm vier Verstöße gegen das Nationale Sicherheitsgesetz vorgeworfen werden. Mit Lai sitzen 46 weitere Oppositionelle auf der Anklagebank.
Das Nationale Sicherheitsgesetz war Hongkong im Jahr 2020 von der Pekinger Zentralregierung auferlegt worden. Mit der Gesetzgebung hat die Stadtregierung ein wirkungsvolles Instrument an der Hand, um politischen Dissens in Hongkong auf breiter Fläche zu ersticken. grz
Die seit drei Jahren aufgrund von Spionagevorwürfen in China inhaftierte chinesisch-australische Journalistin Cheng Lei hat sich in einem Brief an die australische Öffentlichkeit zu ihren Haftbedingungen geäußert. Sie vermisse die Sonne, schrieb sie zum dritten Jahrestag ihrer Festnahme. “In meiner Zelle scheint das Sonnenlicht durchs Fenster, aber ich kann nur zehn Stunden pro Jahr darin stehen”, heißt es in dem Brief, den Cheng Leis Partner Nick Coyle weiterleitete.
Cheng arbeitete für den staatlichen chinesischen Rundfunksender und wurde im vergangenen Jahr in einem Prozess hinter verschlossenen Türen wegen Verstößen gegen die nationale Sicherheit schuldig gesprochen, selbst Australiens Botschafter in China wurde der Zugang zum Prozess verwehrt. Das Strafmaß steht noch immer aus. Das chinesische Außenministerium erklärte am Freitag, dass der Fall “in strikter Übereinstimmung mit dem Gesetz” behandelt werde und dass Chengs Rechte in vollem Umfang geschützt würden.
Die 48-Jährige war im Alter von zehn Jahren mit ihrer Familie nach Australien gezogen. Als Erwachsene kehrte sie nach China zurück, um für die internationale Welle des Senders CCTV zu arbeiten. Der australische Premierminister Anthony Albanese forderte am Samstag die sofortige Freilassung Chengs. Es sei wichtig, dass Chengs Menschenrechte als australische Staatsbürgerin respektiert würden. Australien übe auf höchster Ebene Druck auf China aus, Cheng freizulassen, sagte Albanese. Die Regierung werde dies weiterhin bei jedem Treffen mit China tun. flee
China hat einen mutmaßlichen Spion enttarnt, der für den US-Geheimdienst CIA gearbeitet haben soll. Dies berichtet der staatliche chinesische Fernsehsender CCTV. Es handele sich um eine Person mit chinesischer Staatsbürgerschaft, die für einen militärischen Industriekonzern gearbeitet habe, hieß es. Ob es sich um einen Mann oder eine Frau handle, wurde nicht angegeben. Der Person seien für sensible militärische Informationen Geld und die Einwanderung in die USA angeboten worden.
Die als chinesischer Geheimnisträger eingestufte Person namens Zeng war von ihrem Unternehmen laut dem Bericht zu einer Weiterbildung nach Italien geschickt worden. Dort habe sie einen US-Botschaftsbeamten kennengelernt. Laut CCTV wurde festgestellt, dass Zeng vor der Rückkehr nach China ein Spionageabkommen mit den USA unterzeichnet habe. Zeng sei zudem eigens ausgebildet worden, um in China spionieren zu können. Dem Bericht zufolge wurden Zwangsmaßnahmen ergriffen, was in der Regel eine Inhaftierung bedeutet. rtr
Wohlmeinende China-Brückenbauer als Opfer einer Journaille, “die glaubt, fehlendes Wissen und mangelnden Sachverstand durch richtige Haltung kompensieren zu können”. Das ist die Geschichte, die uns Michael Schumann, Vorsitzender der China-Brücke und Vorstandschef des Bundesverbands für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA), auftischt. “Fürsprecher der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit werden diffamiert und ihre Reputation beschädigt”, so Schumann, ganz wie in Heinrich Bölls “Die verlorene Ehre der Katharina Blum”.
Der Rundumschlag gegen die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten zu China entbehrt jeder empirischen Grundlage. Wir können uns glücklich schätzen, einige exzellente und wohlinformierte Journalisten zu haben, die über und/oder in China arbeiten. Dass viele von ihnen Schumanns undifferenzierte Begeisterung für China mitnichten teilen, hängt mit dem real existierenden chinesischen Parteistaat unter Xi zusammen und beruht auf Kenntnis, Sachverstand und eigener Erfahrung.
Natürlich gibt es in einzelnen Fällen schwach recherchierte und argumentierte pekingkritische Geschichten und ärgerliche Stereotype bis hin zu Stigmatisierung mit rassistischen Anklängen. Und natürlich schreiben heute aufgrund der großen Nachfrage auch einige Journalistinnen und Journalisten über China-Themen, die keine lange Erfahrung mit der Thematik haben. Und natürlich finden zu wenig Geschichten über die Diversität der chinesischen Gesellschaft den Weg auf die Titelseiten.
Schumann aber rückt die Thematisierung von Einflussnahme und Unterwanderung durch den chinesischen Parteistaat in die Nähe zum “Deep-State”-Geraune des Querdenkertums. Das ist eine nicht haltbare Charakterisierung der empirischen Forschung zur Einheitsfront und politischen Liaison-Arbeit. Diese dokumentiert diese Versuche nüchtern als Instrument des Machtanspruchs des chinesischen Parteistaats.
Neben dem von Schumann herausgegriffenen Buch “Die lautlose Eroberung” gibt es zahlreiche umfangreiche Studien oder Beiträge zu diesem Thema. Auch das Buch “Spies and Lies” von Alex Joske befasst sich mit der Arbeit des Ministeriums für Staatssicherheit, nicht zuletzt im Bereich von “elite capture”, der Gewinnung und Einbindung von westlichen Funktionseliten für Pekings Zwecke.
Jedem, der sich ernsthaft mit diesen Werken beschäftigt, wird klar, dass diese alles andere als verschwörungstheoretisch sind. Sie leisten im besten Sinne des Wortes Aufklärungsarbeit und machen Vorschläge, wie man den Einflussnahmeversuchen des Parteistaats besser begegnen kann.
Natürlich ist nicht jeder, der sich mit Einflussagenten trifft oder an Einflussnahmeveranstaltungen teilnimmt, gleich Erfüllungsgehilfe des Parteistaats. Doch man muss sich kritische Nachfragen gefallen lassen. Es kommt auf die Art und Weise an. Schumann hofierte den Chef des Center for China and Globalization (CCG) höchst unkritisch. Doch der Vizepräsident des Center, Victor Gao, etwa verbreitet Pläne für eine ethnische Säuberung Taiwans, wenn Peking die Kontrolle über die Insel erlangt hat. Einer solchen Organisation rollt man nicht den roten Teppich aus, wenn man nicht zum Legitimierungsgehilfen solcher Politiken werden will.
Schumann schreibt mit Blick auf die Gründung der China-Brücke, deren Vorsitzender er jetzt ist: “Der Gedanke, dass es einen Kreis von Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Politik geben könne, die aus eigener Überzeugung heraus – ganz ohne Inzentivierung seitens staatlicher chinesischer Stellen – mehr Gesprächskanäle nach und einen konstruktiveren Umgang mit China befürworten könnten, sprengte schon damals die Vorstellungskraft vieler Medienvertreter”.
Diese Vorstellungskraft lohnt es sich zu testen. Es gibt drei Hauptmotive für Funktionseliten, die den Interessen autoritärer Systeme dienen: Ego, Geld und Überzeugung. Ist es denkbar, dass Überzeugung aus gutem Herzen das bei weitem dominante Motiv ist bei einzelnen? Sicherlich. Beispiel: Matthias Platzeck. Der ehemalige SPD-Chef und Ministerpräsident Brandenburgs verschrieb sich dem deutsch-russischem Brückenbauen aus tiefer Überzeugung. Er wurde dabei zu einer Pro-Kreml-Stimme etwa in seiner Funktion als Vorstand des Deutsch-Russischen Forums. Doch plausible Kandidaten für einen solchen Typus “Überzeugte Brückenbauer rein aus gutem Herzen” gibt es sonst wenige.
Fallen Schumann und seine Mitstreiter in der China-Brücke und dem BWA unter diese Kategorie? Könnte ja sein, dass auch Schumann aus reiner Überzeugung Begeisterung für Xis Konzept einer “Community of Common Destiny for Mankind” verbreitet oder Abhängigkeiten zwischen Deutschland und China mit Abhängigkeiten in der Familie oder einem Fußballteam vergleicht. Aber wahrscheinlich hilft es, dass all dies auch seinen Interessen als Berater für das Chinageschäft dient. Er ist Brückenbauer im Dienste des eigenen Geschäfts.
Der Gründungsvorsitzende der China-Brücke, Hans-Peter Friedrich, schätzte sicher die Aufmerksamkeit, die Peking dem Ex-Minister beim Schwanengesang seiner Karriere entgegenbrachte. Wohl so sehr, dass er treuherzig zu Protokoll gab, dass China keine Diktatur und die China-Brücke das Gleiche wie die Atlantik-Brücke sei, ungeachtet dessen, dass auf der anderen Seite der China-Brücke ein totalitärer Parteistaat steht und dass dies (bei allen Schwächen der US-Demokratie) einen fundamentalen Unterschied darstellt.
Für den chinesischen Parteistaat ist eine solche Blindheit für die Realitäten des Dialogs und Austauschs mit China ein Glücksfall. Der Parteistaat privilegiert im Austausch mit dem Ausland auf chinesischer Seite bewusst eine kleine Zahl von “vertrauenswürdigen” Spielern wie das CCG als handselektierte “Zivilgesellschaft”, wohingegen regimeskeptische Stimmen komplett ausgeschlossen und nicht selten drangsalisiert werden.
Auch will der Parteistaat nach Möglichkeit selbst entscheiden, wer am Dialog auf der deutschen Seite teilnimmt beziehungsweise wer ihn organisiert. Das chinesische NGO-Gesetz kodifiziert diesen Kontrollanspruch. Missliebigen Dialogpartnern werden Visa vorenthalten, oder sie werden gleich mit Sanktionen belegt. So sanktionierte Peking im Frühjahr 2021 unter anderem das Mercator Institute für China-Studien (Merics).
Organisationen wie die China-Brücke und der BWA sind ein Geschenk für den Parteistaat, weil sie bereitwillig nach Pekings Regeln spielen. Dass Pro-Peking-“Brückenbauer” von Journalistinnen kritisch beleuchtet werden, sollte in einer offenen Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit sein. Mehr Transparenzverpflichtungen könnten und sollten diese Arbeit leichter machen. Wir brauchen mehr investigativen Journalismus zur magischen Verbindung aus Überzeugung, Ego und Geschäft bei deutschen Pro-Peking-Funktionseliten.
unliebsame Umweltschützer lassen sich derweil etwas leichter handhaben als die Kapriolen des Klimas: Einfach wegsperren und schon ist Ruhe. So zumindest die Logik der chinesischen Behörden. Dabei ist eine gesunde und saubere Umwelt seit dem vergangenen Jahr offiziell ein Menschenrecht. Das zumindest sagen die Vereinten Nationen.
Die Uno stellt daher kritische Fragen zum Verbleib von neun tibetischen Umweltaktivisten, die verschwunden sind. Von dreien ist zumindest bekannt, wie lange sie sich in Haft befinden. Im Januar dürfte das Thema beim Menschenrechtsrat in Genf auf den Tisch kommen, schreibt Marcel Grzanna, und erzählt, was über die Vorgänge bekannt ist.
Patienten in China ist die Praxis geläufig, dem Arzt eine Aufmerksamkeit in einem roten Umschlag zukommen zu lassen. Dann gibt es beispielsweise den Ultraschalltermin oder die OP etwas schneller. Pharmafirmen wiederum zahlen großzügige Rückvergütungen an Chefärzte, wenn deren Krankenhaus ihre Arzneien bestellt.
Nun kommt es zum Aufstand gegen die korrupten Mediziner – und wie so oft in China droht auch schon wieder eine Übertreibung. Fabian Kretschmer berichtet aus Peking von der Hexenjagd gegen Ärzte, die auch schon Unschuldige erfasst.
Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen bringen die chinesischen Behörden in Erklärungsnot. In einem Bericht von Anfang August fordern sie Informationen über das Schicksal neun tibetischer Umweltaktivisten. Die UN-Experten wollen wissen, weshalb die Tibeter in Haft sitzen und wie es den Betroffenen geht. Alle Neun waren zwischen 2010 und 2019 verhaftet worden.
In den meistern Fällen gibt es nur spärliche Informationen. Die Familien der Inhaftierten werden im Dunkeln gelassen. Weder ist bekannt, ob und wofür die Aktivisten verurteilt wurden, wo sie untergebracht sind und ob sie überhaupt noch leben. Nur in drei Fällen ist der UN überhaupt die Dauer der Haftstrafen bekannt. “Der Mangel an Informationen seitens der chinesischen Behörden könnte als bewusster Versuch gewertet werden, die Welt diese Menschenrechtsverteidiger vergessen zu lassen, während sie Jahr für Jahr in Isolation verbringen”, heißt es in der Erklärung.
Der Vorstoß der Berichterstatter folgt rund ein Jahr, nachdem die UN das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt durch den Menschenrechtsrat und die Generalversammlung anerkannt hatte. Im Juli 2022 stimmten 161 Staaten für die Resolution. China und sieben andere Staaten enthielten sich.
Der Umgang mit Menschenrechtsaktivisten wurde damals in der Resolution zwar nicht explizit erwähnt, was auf entsprechende Kritik durch einige Mitgliedsstaaten stieß. Dennoch nutzt sie den Berichterstattern nun als Hintertür, um China mit den Fragen zu konfrontieren. Die Resolution verstärkt die Legitimität der Experten, die Volksrepublik an ihre eigenen Versprechen zu erinnern und sie daran zu messen. So heißt es in dem Report: “Wenn China sich verpflichtet, die Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen, sollte es von der Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern im Umweltbereich absehen und alle neun sofort freilassen.”
Verantwortlich für den Report sind die Sonderberichterstatterin für die Situation von Menschenrechtsverteidigern, der Sonderberichterstatter für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie der Sonderberichterstatter für Menschenrechtsverpflichtungen in Bezug auf eine sichere, saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt. Das Trio, das mit der chinesischen Regierung in Kontakt steht, liefert einen Vorgeschmack darauf, was China im Januar des kommenden Jahres vor dem Menschenrechtsrat in Genf erwartet. Dann muss die Volksrepublik im Rahmen der Universal Periodic Review (UPR) konkret vor dem Gremium Stellung beziehen zu den Fortschritten ihrer Menschenrechtsarbeit.
Die Umweltaktivisten aus Tibet könnten dann zur Sprache kommen. Die neun Genannten sollen allesamt inhaftiert worden sein, nachdem sie gegen illegale Bergbauaktivitäten protestiert oder die Wilderei gefährdeter Tierarten aufgedeckt hatten. Einzelheiten bleiben unbekannt. Den UN-Experten zufolge ist unklar, inwieweit die Tibeter Zugang zu einem Rechtsbeistand hatten und ob sie medizinisch versorgt werden. Der Gesundheitszustand mindestens eines Inhaftierten sei besorgniserregend.
Anya Sengdra war im September 2018 festgenommen und mehr als ein Jahr lang willkürlich festgehalten worden, ehe er im Dezember 2019 zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. Diese sitzt er sehr wahrscheinlich im tibetischen Verwaltungsbezirk Golog der Provinz Qinghai ab. Es gibt Berichte von Menschenrechtsorganisationen, dass der vermutlich 52-Jährige gefoltert wurde und sich in einem schlechten körperlichen Zustand befinde. Ihm wurde vor Gericht unter anderem vorgeworfen, Ärger provoziert und eine Gruppe formiert zu haben, um die soziale Ruhe zu stören.
Deutlich schlechter informiert sind die Berichterstatter über Dorjee Daktal und Kelsang Choklang. Im Fall Daktal ist lediglich bekannt, dass er Ende kommenden Jahres nach dann elf Jahren Haft wegen seines Engagements gegen illegalen Bergbau aus dem Gefängnis der tibetischen Präfektur Naqu entlassen werden müsste. Der Mönch Choklang hätte Anfang 2024 seine Strafe verbüßt. Ob er noch lebt, ist unklar. Der Tibetan Centre for Human Rights and Democracy im indischen Dharamsala, dem Sitz der tibetischen Exilregierung, konnte lediglich den Grund seiner Festnahme ermitteln. Er habe illegalerweise eine Versammlung organisiert, heißt es. Im Fall der sechs anderen im Bericht erwähnten Tibeter ist die Dauer der Haftstrafen unklar.
Ohnehin bilden die neun Betroffenen nur die Spitze eines Eisbergs. Die International Campaign for Tibet (ICT) hatte vor etwa einem Jahr 50 Fälle von tibetischen Umweltaktivisten dokumentiert, die seit 2008 zu zwischen 21 Monaten und 21 Jahren Haft verurteilt worden sind. ICT-Geschäftsführer Kai Müller erkennt dahinter Methode. Er fordert, China müsse beweisen, “dass die behauptete Priorität des Umweltschutzes mehr ist als ein Deckmäntelchen für die ungehinderte Ausbeutung des tibetischen Hochlands.”
Müller hofft, dass die neun Fälle vor dem UN-Menschenrechtsrat zur Sprache kommen und sieht auch die deutsche Politik in der Pflicht. Die Bundesregierung solle Fragen von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in den geplanten Klima- und Transformationsdialog mit der chinesischen Regierung einbringen, fordert er.
Was zuvor meist mit einem resignierten Schulterzucken quittiert wurde, landet nun immer öfter vor Gericht: Korruption im chinesischen Gesundheitswesen. Konkret geht es beispielsweise um Zahlungen, die Mediziner unter der Hand für eine schnellere oder bessere Behandlung einfordern. Auch illegale Zuwendungen von Medikamentenherstellern an Chefärzte lösen regelmäßig Entrüstung aus.
Die spektakulärsten Fälle schaffen es derzeit fast täglich auf die Titelseiten der Staatszeitungen: Der Vize-Präsident eines Krankenhauses in der Provinz Liaoning soll umgerechnet 400.000 Euro von einem Pharma-Konzern angenommen haben, um diesem zu Aufträgen zu verhelfen. Im südlichen Yunnan ließ sich ein Oberarzt rund zwei Millionen Euro zahlen, damit sein Spital das medizinische Gerät eines bestimmten Herstellers einkauft.
Ende Juli hat die zentrale Disziplinarkommission der kommunistischen Partei eine bisher beispiellose Kampagne gegen Korruption im Gesundheitswesen ausgerufen. Unter anderem wurden die lokalen Behörden dazu aufgefordert, ihre Strafverfolgung zu intensivieren und insbesondere hochrangige Funktionäre ins Visier zu nehmen.
Wenig überraschend rollten schon bald Köpfe: Allein bis Mitte August wurde bereits gegen mehr als 150 Leiter von öffentlichen Krankenhäusern ermittelt, mehr als doppelt so viele wie 2022. Auch etliche Spitzenmanager von Arzneimittelherstellern gerieten ins Visier der Regulatoren und haben ihre Jobs verloren.
Aus vorauseilendem Gehorsam haben Branchenverbände in diesem Monat bereits mindestens elf medizinische Konferenzen kurzfristig abgesagt, wie das Online-Medium The Paper berichtet.
Zwar wurden keine offiziellen Gründe genannt, doch ein Zusammenhang mit der derzeit laufenden Anti-Korruptionskampagne ist offensichtlich: Gesundheitskonferenzen wurden in der Vergangenheit von der Pharmaindustrie gezielt dafür genutzt, um Bestechungsgelder in Form von Vortragshonoraren zu verteilen. Denn in chinesischen Krankenhäusern stellen die Ärzte nicht nur Rezepte aus, sondern verfügen meist über hauseigene Apotheken, wo sie genauestens über die Wahl der verkauften Arzneimittel verfügen können.
In einer am Februar publizierten Studie untersuchten Forscher der renommierten Peking Universität die Gründe für die weit verbreitete Korruption. Allen voran machten die Studienautoren den finanziellen Druck unter den Medizinern verantwortlich. “In unserem Bezirkskrankenhaus können über 60 Prozent der Ärzte ihre Familien nicht ernähren, wenn sie sich ausschließlich auf ihre Gehälter verlassen”, wird ein Doktor zitiert. Eine andere Oberärztin sagt: “Wenn die meisten Kollegen auf meiner Station Schmiergelder erhalten, kann ich diese doch nicht ablehnen. Ich werde isoliert, wenn ich ihrem Beispiel nicht folge”.
Dementsprechend dürfte die derzeitige Anti-Korruptionskampagne vor allem die Symptome bekämpfen, nicht jedoch die Ursache. Ohne eine bessere Finanzierung des Gesundheitswesens in der Volksrepublik wird es kaum zu nachhaltigen Verbesserungen kommen.
Es ist bemerkenswert, dass viele Publizisten die Maßnahmen der Behörden durchaus skeptisch betrachten. Hu Xijin, ehemaliger Chefredakteur der nationalistischen Global Times, mahnt etwa an: “Wir sollten umfassend sicherstellen, dass die Korruptionsbekämpfung innerhalb des gesetzlichen Rahmens durchgeführt wird. Dies ist keine sogenannte Massenbewegung”.
Hus Kritik spielt auf die radikalen Kampagnen der 60er-Jahre unter Staatsgründer Mao Zedong an, die maßlos über ihr intendiertes Ziel hinausschossen.
Eine solche Befürchtung ist durchaus berechtigt. Auf der Online-Plattform Weibo lässt sich bereits eine regelrechte Hexenjagd gegen das Gesundheitspersonal beobachten. Unzählige Ärzte werden von den Usern namentlich an den Pranger gestellt – und ohne jegliche Beweise schwerwiegender Korruption bezichtigt.
Dabei dürfte es auch etliche Unschuldige treffen: Ein Kardiologe etwa berichtet in einem Online-Posting, dass er kürzlich von einem Patienten wegen angeblicher Korruption gemeldet wurde und daraufhin sein Jahresboni gestrichen bekam. Der Vorwurf: Eine Patientin hatte sich nach einer Operation mit ein paar Lunch-Boxen und Milchkaffees beim Krankenhausteam bedankt. Fabian Kretschmer
Chinas E-Auto-Gigant BYD zieht öffentlichkeitswirksam in den Kampf gegen Korruption im eigenen Unternehmen. Das Unternehmen ermutigt laut einer Mitteilung der Audit and Supervision-Abteilung des Unternehmens auf dem offiziellen Wechat-Konto “Incorruptible BYD” Mitarbeiter, Partner und andere Insider, Korruptionsvorfälle im Unternehmen zu melden. Das berichtet The Paper aus Shanghai. Demnach soll es für effektive Hinweise hohe Belohnungen bis zu fünf Millionen Yuan geben, möglichen Whistleblowern wird Vertraulichkeit zugesichert.
Die firmeninterne Ermittlungsarbeit ist nichts Ungewöhnliches, so entließ zum Beispiel Internetkonzern Tencent zu Beginn des Jahres mehr als 100 Mitarbeitende nach Korruptionsvorwürfen. Mit eigenen Ermittlungen könnte BYD den Behörden zuvorkommen. Xi Jinpings Anti-Korruptionskampagne nimmt immer wieder unterschiedliche Branchen ins Visier, nach Banken, Börsenaufsicht und natürlich auch der Partei selbst ist zuletzt die Gesundheitsbranche in den Fokus geraten. jul
Chinas Geburtenrate ist im vergangenen Jahr auf ein Rekordtief von 1,09 gesunken, berichtet die Zeitung National Business Daily am Dienstag. Im Vorjahr betrug sie noch 1,16. Damit sinkt die Zahl der Neugeborenen noch schneller als befürchtet. In Zukunft könnte Arbeitskräftemangel die Konjunktur belasten.
Aus Sorge über den Bevölkerungsrückgang in China seit sechs Jahrzehnten und die rasche Alterung der Bevölkerung versucht Peking mit einer Reihe von Maßnahmen, die Geburtenrate zu erhöhen, darunter finanzielle Anreize und verbesserte Kinderbetreuungseinrichtungen. rtr/fin
Das Berufungsgericht in Hongkong hat den Medienmagnaten Jimmy Lai und sechs weitere pro-demokratische Oppositionelle vom Vorwurf freigesprochen, im Jahr 2019 eine nicht genehmigte Versammlung organisiert zu haben. Das Urteil ist jedoch lediglich ein formeller Sieg für Lai und seine Mitstreiter, die ihre Strafen längst verbüßt haben. Denn vier von ihnen – darunter Lai – bleiben wegen weiterer Urteile im Rahmen einer politischen Säuberung ohnehin hinter Gittern.
Das Gericht entschied am Montag, dass der Verleger sowie die Anwälte Martin Lee und Margaret Ng, die früheren Parlamentarier Cyd Ho und Albert Ho und die Aktivisten Lee Cheuk-yan und Leung Kwok-hung zwar an einer Massenkundgebung im August 2019 gegen das Auslieferungsgesetz teilgenommen hatten und dafür bestraft werden müssten, sie für die Organisation jedoch nicht verantwortlich waren. Lai selbst plädiert auf nicht schuldig.
Es gebe keine Beweise, dass die Beschwerdeführer Verbindung zur inzwischen aufgelösten Civil Human Rights Front gehabt hätten, die sich für den Protest mit knapp zwei Millionen Menschen verantwortlich zeichnete. Lais Strafe für dieses Vergehen wurde von zwölf auf neun Monaten verkürzt.
Der Gründer der pro-demokratischen Boulevardzeitung Apple Daily, deren Erscheinen inzwischen eingestellt wurde, war zuvor bereits wegen Betrugs zu fünf Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der Vorwurf lautete, er habe den Mietvertrag für die Verlagszentrale der Apple Daily verletzt. Mehr als hundert Journalisten fordern Lais Freilassung. Eine möglicherweise lebenslange Haft droht dem 75-Jährigen in weiteren Verfahren, in denen ihm vier Verstöße gegen das Nationale Sicherheitsgesetz vorgeworfen werden. Mit Lai sitzen 46 weitere Oppositionelle auf der Anklagebank.
Das Nationale Sicherheitsgesetz war Hongkong im Jahr 2020 von der Pekinger Zentralregierung auferlegt worden. Mit der Gesetzgebung hat die Stadtregierung ein wirkungsvolles Instrument an der Hand, um politischen Dissens in Hongkong auf breiter Fläche zu ersticken. grz
Die seit drei Jahren aufgrund von Spionagevorwürfen in China inhaftierte chinesisch-australische Journalistin Cheng Lei hat sich in einem Brief an die australische Öffentlichkeit zu ihren Haftbedingungen geäußert. Sie vermisse die Sonne, schrieb sie zum dritten Jahrestag ihrer Festnahme. “In meiner Zelle scheint das Sonnenlicht durchs Fenster, aber ich kann nur zehn Stunden pro Jahr darin stehen”, heißt es in dem Brief, den Cheng Leis Partner Nick Coyle weiterleitete.
Cheng arbeitete für den staatlichen chinesischen Rundfunksender und wurde im vergangenen Jahr in einem Prozess hinter verschlossenen Türen wegen Verstößen gegen die nationale Sicherheit schuldig gesprochen, selbst Australiens Botschafter in China wurde der Zugang zum Prozess verwehrt. Das Strafmaß steht noch immer aus. Das chinesische Außenministerium erklärte am Freitag, dass der Fall “in strikter Übereinstimmung mit dem Gesetz” behandelt werde und dass Chengs Rechte in vollem Umfang geschützt würden.
Die 48-Jährige war im Alter von zehn Jahren mit ihrer Familie nach Australien gezogen. Als Erwachsene kehrte sie nach China zurück, um für die internationale Welle des Senders CCTV zu arbeiten. Der australische Premierminister Anthony Albanese forderte am Samstag die sofortige Freilassung Chengs. Es sei wichtig, dass Chengs Menschenrechte als australische Staatsbürgerin respektiert würden. Australien übe auf höchster Ebene Druck auf China aus, Cheng freizulassen, sagte Albanese. Die Regierung werde dies weiterhin bei jedem Treffen mit China tun. flee
China hat einen mutmaßlichen Spion enttarnt, der für den US-Geheimdienst CIA gearbeitet haben soll. Dies berichtet der staatliche chinesische Fernsehsender CCTV. Es handele sich um eine Person mit chinesischer Staatsbürgerschaft, die für einen militärischen Industriekonzern gearbeitet habe, hieß es. Ob es sich um einen Mann oder eine Frau handle, wurde nicht angegeben. Der Person seien für sensible militärische Informationen Geld und die Einwanderung in die USA angeboten worden.
Die als chinesischer Geheimnisträger eingestufte Person namens Zeng war von ihrem Unternehmen laut dem Bericht zu einer Weiterbildung nach Italien geschickt worden. Dort habe sie einen US-Botschaftsbeamten kennengelernt. Laut CCTV wurde festgestellt, dass Zeng vor der Rückkehr nach China ein Spionageabkommen mit den USA unterzeichnet habe. Zeng sei zudem eigens ausgebildet worden, um in China spionieren zu können. Dem Bericht zufolge wurden Zwangsmaßnahmen ergriffen, was in der Regel eine Inhaftierung bedeutet. rtr
Wohlmeinende China-Brückenbauer als Opfer einer Journaille, “die glaubt, fehlendes Wissen und mangelnden Sachverstand durch richtige Haltung kompensieren zu können”. Das ist die Geschichte, die uns Michael Schumann, Vorsitzender der China-Brücke und Vorstandschef des Bundesverbands für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA), auftischt. “Fürsprecher der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit werden diffamiert und ihre Reputation beschädigt”, so Schumann, ganz wie in Heinrich Bölls “Die verlorene Ehre der Katharina Blum”.
Der Rundumschlag gegen die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten zu China entbehrt jeder empirischen Grundlage. Wir können uns glücklich schätzen, einige exzellente und wohlinformierte Journalisten zu haben, die über und/oder in China arbeiten. Dass viele von ihnen Schumanns undifferenzierte Begeisterung für China mitnichten teilen, hängt mit dem real existierenden chinesischen Parteistaat unter Xi zusammen und beruht auf Kenntnis, Sachverstand und eigener Erfahrung.
Natürlich gibt es in einzelnen Fällen schwach recherchierte und argumentierte pekingkritische Geschichten und ärgerliche Stereotype bis hin zu Stigmatisierung mit rassistischen Anklängen. Und natürlich schreiben heute aufgrund der großen Nachfrage auch einige Journalistinnen und Journalisten über China-Themen, die keine lange Erfahrung mit der Thematik haben. Und natürlich finden zu wenig Geschichten über die Diversität der chinesischen Gesellschaft den Weg auf die Titelseiten.
Schumann aber rückt die Thematisierung von Einflussnahme und Unterwanderung durch den chinesischen Parteistaat in die Nähe zum “Deep-State”-Geraune des Querdenkertums. Das ist eine nicht haltbare Charakterisierung der empirischen Forschung zur Einheitsfront und politischen Liaison-Arbeit. Diese dokumentiert diese Versuche nüchtern als Instrument des Machtanspruchs des chinesischen Parteistaats.
Neben dem von Schumann herausgegriffenen Buch “Die lautlose Eroberung” gibt es zahlreiche umfangreiche Studien oder Beiträge zu diesem Thema. Auch das Buch “Spies and Lies” von Alex Joske befasst sich mit der Arbeit des Ministeriums für Staatssicherheit, nicht zuletzt im Bereich von “elite capture”, der Gewinnung und Einbindung von westlichen Funktionseliten für Pekings Zwecke.
Jedem, der sich ernsthaft mit diesen Werken beschäftigt, wird klar, dass diese alles andere als verschwörungstheoretisch sind. Sie leisten im besten Sinne des Wortes Aufklärungsarbeit und machen Vorschläge, wie man den Einflussnahmeversuchen des Parteistaats besser begegnen kann.
Natürlich ist nicht jeder, der sich mit Einflussagenten trifft oder an Einflussnahmeveranstaltungen teilnimmt, gleich Erfüllungsgehilfe des Parteistaats. Doch man muss sich kritische Nachfragen gefallen lassen. Es kommt auf die Art und Weise an. Schumann hofierte den Chef des Center for China and Globalization (CCG) höchst unkritisch. Doch der Vizepräsident des Center, Victor Gao, etwa verbreitet Pläne für eine ethnische Säuberung Taiwans, wenn Peking die Kontrolle über die Insel erlangt hat. Einer solchen Organisation rollt man nicht den roten Teppich aus, wenn man nicht zum Legitimierungsgehilfen solcher Politiken werden will.
Schumann schreibt mit Blick auf die Gründung der China-Brücke, deren Vorsitzender er jetzt ist: “Der Gedanke, dass es einen Kreis von Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Politik geben könne, die aus eigener Überzeugung heraus – ganz ohne Inzentivierung seitens staatlicher chinesischer Stellen – mehr Gesprächskanäle nach und einen konstruktiveren Umgang mit China befürworten könnten, sprengte schon damals die Vorstellungskraft vieler Medienvertreter”.
Diese Vorstellungskraft lohnt es sich zu testen. Es gibt drei Hauptmotive für Funktionseliten, die den Interessen autoritärer Systeme dienen: Ego, Geld und Überzeugung. Ist es denkbar, dass Überzeugung aus gutem Herzen das bei weitem dominante Motiv ist bei einzelnen? Sicherlich. Beispiel: Matthias Platzeck. Der ehemalige SPD-Chef und Ministerpräsident Brandenburgs verschrieb sich dem deutsch-russischem Brückenbauen aus tiefer Überzeugung. Er wurde dabei zu einer Pro-Kreml-Stimme etwa in seiner Funktion als Vorstand des Deutsch-Russischen Forums. Doch plausible Kandidaten für einen solchen Typus “Überzeugte Brückenbauer rein aus gutem Herzen” gibt es sonst wenige.
Fallen Schumann und seine Mitstreiter in der China-Brücke und dem BWA unter diese Kategorie? Könnte ja sein, dass auch Schumann aus reiner Überzeugung Begeisterung für Xis Konzept einer “Community of Common Destiny for Mankind” verbreitet oder Abhängigkeiten zwischen Deutschland und China mit Abhängigkeiten in der Familie oder einem Fußballteam vergleicht. Aber wahrscheinlich hilft es, dass all dies auch seinen Interessen als Berater für das Chinageschäft dient. Er ist Brückenbauer im Dienste des eigenen Geschäfts.
Der Gründungsvorsitzende der China-Brücke, Hans-Peter Friedrich, schätzte sicher die Aufmerksamkeit, die Peking dem Ex-Minister beim Schwanengesang seiner Karriere entgegenbrachte. Wohl so sehr, dass er treuherzig zu Protokoll gab, dass China keine Diktatur und die China-Brücke das Gleiche wie die Atlantik-Brücke sei, ungeachtet dessen, dass auf der anderen Seite der China-Brücke ein totalitärer Parteistaat steht und dass dies (bei allen Schwächen der US-Demokratie) einen fundamentalen Unterschied darstellt.
Für den chinesischen Parteistaat ist eine solche Blindheit für die Realitäten des Dialogs und Austauschs mit China ein Glücksfall. Der Parteistaat privilegiert im Austausch mit dem Ausland auf chinesischer Seite bewusst eine kleine Zahl von “vertrauenswürdigen” Spielern wie das CCG als handselektierte “Zivilgesellschaft”, wohingegen regimeskeptische Stimmen komplett ausgeschlossen und nicht selten drangsalisiert werden.
Auch will der Parteistaat nach Möglichkeit selbst entscheiden, wer am Dialog auf der deutschen Seite teilnimmt beziehungsweise wer ihn organisiert. Das chinesische NGO-Gesetz kodifiziert diesen Kontrollanspruch. Missliebigen Dialogpartnern werden Visa vorenthalten, oder sie werden gleich mit Sanktionen belegt. So sanktionierte Peking im Frühjahr 2021 unter anderem das Mercator Institute für China-Studien (Merics).
Organisationen wie die China-Brücke und der BWA sind ein Geschenk für den Parteistaat, weil sie bereitwillig nach Pekings Regeln spielen. Dass Pro-Peking-“Brückenbauer” von Journalistinnen kritisch beleuchtet werden, sollte in einer offenen Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit sein. Mehr Transparenzverpflichtungen könnten und sollten diese Arbeit leichter machen. Wir brauchen mehr investigativen Journalismus zur magischen Verbindung aus Überzeugung, Ego und Geschäft bei deutschen Pro-Peking-Funktionseliten.