die Welt wird immer kleiner. Dank moderner Internetverbindungen und fortschreitender Digitalisierung werden Informationen und Daten in rasender Geschwindigkeit um die Welt geschickt. Ob Zoom-Meeting mit den Kollegen in Asien, ein Skype-Telefonat mit Freunden in Dubai oder Filme direkt aus dem indischen Bollywood streamen – Entfernungen verlieren an Bedeutung. Entscheidend dabei sind Tiefsee-Glasfaserkabel. Sie werden auf den Gründen der Ozeane verlegt und bilden das Rückgrat unserer modernen Welt. Doch so unsichtbar sie auch sein mögen, ihre Wichtigkeit ist kaum zu überschätzen, denn: Die jeweiligen Kabel-Betreiber entscheiden nicht nur wie viele, sondern auch welche Daten verschickt werden können.
Just das Tiefsee-Glasfaserkabel mit dem friedvollen Namen Peace entwickelt sich nun zu einem Streitpunkt in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen, wie Ning Wang berichtet. Sie analysiert, welche Rolle im Disput um Tiefseekabel Unternehmen wie Google, Facebook, Huawei oder Hengtong spielen und wie die beiden Supermächte versuchen könnten, den weltweiten Datenverkehr zu kontrollieren.
Deutlich sichtbarer als ein Tiefseekabel ist der Hafen von Piräus an der Ägäis. Es war zu Zeiten der Finanzkrise 2008, als Europa – und vor allem Deutschlands damaliger Finanzminister Wolfgang Schäuble – die Griechen zum Verkauf des maroden Hafens drängten. Peking schlug sofort zu – und so manch europäischer Politiker wunderte sich über die vermeintliche Fehlinvestition der Chinesen. Frank Sieren zeigt, wie Peking seither den Hafen zu einem der größten Containerumschlagplätze Europas ausgebaut hat. Doch es geht um mehr als nur Profit: Der Hafen von Piräus ist inzwischen ein strategischer Knotenpunkt der Chinesen in Europa – sehr zum Missfallen der Europäer wie auch der Amerikaner.
Ebenfalls nicht gefallen dürfte europäischen und amerikanischen Politiker, was Marcel Grzanna beobachtet: Die Front gegen Zwangsarbeit in der Region Xinjiang beginnt zu bröckeln. Offenbar haben die chinesischen Boykottaufrufe in den westlichen Firmenzentralen zu Befürchtungen geführt, man könne auf dem wichtigen Absatzmarkt etwas weniger Gewinn erzielen. Nicht jeder mag so weit gehen wie die japanische Modekette Muji, die gar explizit mit der tollen Baumwolle aus Xinjiang wirbt. Aber der Trend ist klar: Chinas Marktmacht spielt eine immer größere Rolle in einer kleiner werdenden Welt.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Es geht um Kommunikation, etwa um Zoom-Meetings, die derzeit aufgrund der Pandemie vermehrt stattfinden. Aber auch um E-Mails, Filme und Videotelefonie. Die Kontrolle über den Datenverkehr, der dabei entsteht, droht nun zum nächsten Konflikt zwischen den USA und China zu werden. Auslöser ist ein Tiefseekabel, das ausgerechnet den Namen “Peace” trägt – für “Pakistan and East Africa Connecting Europe” steht. Peace ist, wenn das Projekt Ende des Jahres fertiggestellt wird, eine Glasfaserkabelleitung, die zunächst über Land von China nach Pakistan verläuft und dort dann im Hafen von Gwadar für 12.000 Kilometer unter Wasser geht. Vor dem Horn von Afrika teilt es sich: südlich reicht es bis nach Kenia, während es nördlich Richtung Europa in Frankreich in der Nähe eines beliebten Badestrands von Marseille wieder ans Land kommt.
Wie auch bei anderen Tiefseekabelprojekten steht die zuverlässige Konnektivität im Vordergrund, damit Unternehmen, die weltweit tätig sind, reibungslos kommunizieren und Daten transferieren können. Die Geschwindigkeit des Peace-Kabels ist dabei so groß, dass pro Sekunde 90.000 Stunden an Netflix-Filmen transportiert werden könnten, so die Berechnung des Finanzdienstleisters Bloomberg.
“Das Peace-Kabel soll vor allem dazu dienen, den chinesischen Unternehmen, die in Europa und Afrika tätig sind, eine zuverlässige und schnelle Internetverbindung anzubieten”, berichtet Bloomberg weiter. Jedoch spielt es auch als Teil der “Digitalen Seidenstraße” eine nicht unwesentliche Rolle. So will Peking durch das Peace-Tiefseekabel-Projekt einerseits die Länder, durch die es verläuft, mittels Infrastrukturmaßnahmen enger an sich binden; andererseits kann es durch den Ausbau von hochmodernen Datenleitungen seine eigene Technologiehoheit unter Beweis stellen.
Der Ausbau des Tiefseekabels ist auf dem Land gut vorangeschritten. Derzeit wird an der Strecke zwischen Rawalpindi und den Städten Karatschi und Gwadar gearbeitet. Zuletzt warteten die Betreiber auf eine Genehmigung, um im Arabischen Meer eine Landestation für das Kabel zu bauen.
Für Pakistan ist es ein Glücksfall, dass die Strecke des Peace-Kabels durch das Land verläuft: Die Regierung will es nutzen, um seine Telekommunikationsinfrastruktur zu modernisieren.
Ein weiterer Nebeneffekt ergibt sich aus Pakistans und Indiens Rivalität. Beide Länder stehen seit der Teilung des früheren britischen Kolonialgebiets in Konkurrenz zueinander, womit das Peace-Projekt zu einem Diplomatie-Werkzeug Chinas wird.
Betrieben wird “Peace” von Peace Cable International Network Co., einer Tochtergesellschaft des in China ansässigen Strom- und Glasfaserkabelherstellers Hengtong Group, unterstützt von Huawei Marine, die in den vergangenen Jahren Glasfaserkabel vor allem im Pazifik verlegt haben. Huawei Marine wurde im Sommer vergangenen Jahres für 85 Millionen US-Dollar an Hengtong verkauft. Huawei Technologies, der Telekommunikationsausrüster aus Shenzhen ist mit rund drei Prozent drittgrößter Anteilseigner bei Hengtong.
Warum Huawei sich daran beteiligt, wird deutlich bei einem Blick auf die strategische Bedeutung von Unterwasserkabeln: Derzeit verläuft durch rund 400 Unterwasserkabel nahezu 98 Prozent des internationalen Internetdaten- und Telefonverkehrs. Die Mehrheit der Kabel gehören bisher US-Unternehmen und werden auch von ihnen betrieben.
Die Kosten von Unterwasserkabelprojekten reichen von 300 bis 400 Millionen US-Dollar und werden immer öfter statt bisher von Telekommunikationsunternehmen zunehmend von Technologieunternehmen durchgeführt.
“Einige der Hauptinvestoren in neue Kabel sind jetzt Google und Facebook”, warnte bereits im vergangenen Jahr Alan Maudlin, Research Director bei TeleGeography, einem Telekommunikationsforschungsunternehmen. Die Gefahr: Die Technologiegiganten kontrollieren zunehmend die gesamte Unterwasserbandbreite.
Microsoft und Facebook gehören die beiden wichtigsten Transatlantiktiefseekabel. Auch das neue Dunant-Kabel, das seit Anfang Februar fertiggestellt ist und bald zum Einsatz kommen soll, wird zu großen Teilen von Google finanziert. Laut ersten Tests kann das Dunant-Tiefseekabel bis zu 250-Terabit pro Sekunde übermitteln. Google selbst gibt an, dass pro Sekunde drei Mal die gesamte digitalisierte Kongressbibliothek der USA übertragen werden könne.
Knackpunkt ist allerdings nicht wie viele Daten als vielmehr welche Daten übermittelt werden. Das macht die Techkonzerne zukünftig zu wichtigen geopolitischen Akteuren. Laut Daniel Voelsen von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, verfolgen die Techkonzerne dabei zwei Ziele: “Zum einen wollen sie ihre Dienste und Inhalte weltweit so vielen Menschen wie möglich anbieten und ständig weiterwachsen. Zum anderen geht es um Kontrolle und um Macht, vor allem jenen Staaten und Regierungen gegenüber, die die Tech-Konzerne am liebsten regulieren würden. Aber auch gegenüber den klassischen Telekomunternehmen, die nicht nur bei den Inhalten, sondern auch bei der physischen Infrastruktur immer abhängiger werden”, sagte Voelsen Anfang März in einem Beitrag von SWR 2Wissen über “Das Geschäft mit Tiefseekabeln”.
Facebook etwa ist dabei, um Afrika ein Tiefseekabelnetzwerk zu verlegen, das vom Mittelmeer aus den gesamten Kontinent umrunden soll. Ob der Konzern den Zugang zu diesem Netz dann für andere Unternehmen öffnen wird, bleibt fraglich. So haben Facebook und Google schon angekündigt, dass sie das Peace-Tiefseekabel nicht nutzen werden, da sie über genügend eigene Kapazitäten verfügen.
Gleichzeitig zogen sich Facebook und Google aus einem seit Jahren laufenden Projekt zurück, das die Westküste der USA mit Hongkong via Tiefseekabel verbinden sollte. Sie befürchten, dass die Daten, die über das Kabel übertragen werden, einem Sicherheitsrisiko ausgeliefert sein könnten, seitdem Peking seine Kontrolle auf Hongkong durch das sogenannte Nationale Sicherheitsgesetz massiv ausgeweitet hat.
Entsprechend laut sind die Warnrufe aus den USA, wenn es um chinesische Spionage via Tiefseekabeln geht. Mike Pompeo hatte zu seiner Zeit als US-Außenminister die internationale Gemeinschaft aufgefordert, “sicherzustellen, dass die Tiefseekabel, die unser Land mit dem globalen Internet verbinden, nicht für das Sammeln von Informationen durch die Volksrepublik China in großem Maßstab untergraben werden”.
In Europa hingegen sieht man den Vorgang gelassener. So will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron China nicht von der Internetinfrastruktur isolieren, auch damit Frankreich nicht “vollständig von US-Entscheidungen abhängig sein muss”, sagte Macron in einem Interview beim Atlantic Council im Februar. Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnte in einer Pressekonferenz mit Macron am 5. Februar ebenfalls die Bemühungen ab, China zu isolieren, und sagte, sie halte die Entkopplung von China nicht für “den richtigen Weg, insbesondere in diesem digitalen Zeitalter”.
Das Institut für Friedens- und Konfliktforschung und das in den Niederlanden ansässige Leiden Asia Center schätzen, dass China bis 2019 Landepunkt, Eigentümer oder Lieferant von 11,4 Prozent der weltweiten Tiefseekabel werde. Zwischen 2025 und 2030 könnte der Anteil gar auf 20 Prozent ansteigen.
Chinesische Boykott-Aufrufe gegen ausländische Unternehmen haben erste Zugeständnisse nach sich gezogen. Die japanische Modekette Muji hat angekündigt, bei ihrer Textilproduktion künftig nicht auf Baumwolle aus Xinjiang verzichten zu wollen. Das teilte Mujis Konzernmutter Ryohin Keikaku in einer Stellungnahme gegenüber der staatlich chinesischen Tageszeitung Global Times mit. Eine Handvoll weiterer Firmen, wie der spanische Hersteller Zara, zogen ihre kritischen Stellungnahmen zu den Vorwürfen der Zwangsarbeit in Xinjiang von ihren Internetseiten zurück.
In der vergangenen Woche waren zahlreiche Hersteller, darunter der deutsche Sportartikelproduzent Adidas, aber vor allem dessen US-Mitbewerber Nike sowie die schwedische Fast-Fashion-Marke H&M, von einer breiten Empörungswelle in sozialen Medien in der Volksrepublik erfasst worden. Die Firmen hatten teilweise bereits im Vorjahr ihre Sorge über Berichte über Zwangsarbeit in Xinjiang geäußert und angekündigt, keine Baumwolle aus der Region mehr nutzen zu wollen. Erst Monate später setzt als Reaktion darauf eine konzertierte Entrüstung in der Volksrepublik ein. Sie folgte unmittelbar auf Inkrafttreten von Sanktionen durch die Europäische Union und die USA gegen chinesische Funktionäre aus der Region Xinjiang.
Die Firmen hatten sich unter anderem auf Einschätzungen der Better Cotton Initiative (BCI) berufen, einer Nichtregierungsorganisation mit Hauptsitz in Genf, die sich weltweit um nachhaltige Bedingungen in der Textilbranche bemüht. Die BCI-Zweigstelle in China rechtfertigte in der vergangenen Woche derweil die Nutzung von Baumwolle aus Xinjiang, während die Stellungnahme der Zentrale aus dem Oktober 2020 von der Internetseite verschwand und seitdem nur noch über den Pufferspeicher Cache aufrufbar ist.
Zu den Finanzierungspartnern der BCI zählt unter anderem auch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), eine wirtschaftlich operierende GmbH, die im Auftrag der Bundesregierung in der globalen Entwicklungshilfe tätig ist. “In China besteht mit der Better Cotton Initiative keine Kooperation”, teilt die Organisation auf Anfrage von China.Table mit. In der Vergangenheit habe man lediglich im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums die BCI in Indien als Finanzierungspartner unterstützt.
Eine Gruppe von 16 Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen bezifferte am Montag in Genf die Zahl der Firmen, die mit Zwangsarbeit in Xinjiang in Verbindung gebracht werden können, auf mehr als 150. Die UN-Experten nannten keine Namen, mahnten die Firmen jedoch, ihre Lieferketten zu überprüfen. Auch hätte die Gruppe 13 Regierungen an ihre Verantwortung erinnert. Ob die deutsche Regierung ebenfalls eines der vertraulichen Schreiben erhalten hat, blieb offen.
Dem Aufschrei aus China, dessen Dynamik von staatlichen Medien mit scharfen Kommentaren und Drohungen beschleunigt wurde, begegnete Muji jetzt auf seiner chinesischsprachigen Internetseite mit einem deutlich sichtbaren Hinweis auf die Verwendung der umstrittenen Baumwolle in seinen Textilien. Dazu stellte die Firma ein Video ins Netz, in dem die Produktion des Rohstoffes aus Xinjiang vorgestellt wurde. Das Unternehmen ging damit deutlich weiter als andere betroffene, nachdem es sich Tage zuvor noch besorgt über die Berichte von Zwangsarbeit geäußert hatte. Es argumentiert, es habe sich bei seiner Entscheidung an den Resultaten einer unabhängigen Untersuchung orientiert, die es selbst in Auftrag gegeben hatte. Bei indirekten Zulieferern von Baumwolle seien keine Hinweise auf Zwangsarbeit entdeckt worden, hieß es. Anfang März hatten japanische Firmen eine entsprechende Untersuchung ihrer Lieferketten und entsprechende Konsequenzen angekündigt.
Die Untersuchung habe sich am Xinjiang Supply Chain Business Advisory orientiert, eine Anleitung zur Optimierung der Lieferketten für internationale Konzerne, die mehrere US-Ministerien im vergangenen Sommer formuliert hatten. Unklar blieb, ob Muji die Xinjiang-Baumwolle nur in Produkten für den chinesischen Markt weiterhin verwendet oder auch für Waren, die für Europa oder die USA bestimmt sind. Die USA hatten vor wenigen Wochen einen Importstopp für Textilien implementiert, die Baumwolle aus Xinjiang enthalten. Auch Tomaten aus der Region sind von dem Verbot betroffen.
Bei einer Pressekonferenz am Montag hat die Volksrepublik noch einmal den Druck auf die ausländischen Firmen erhöht. Im Visier stand dabei vor allem H&M, die Warnung durfte aber allgemeingültig verstanden werden. “Ich denke nicht, dass Firmen ihr wirtschaftliches Handeln politisieren sollten. Kann H&M weiterhin Geld auf dem chinesischen Markt verdienen“, fragte ein Sprecher der Regionalregierung in Xinjiang und gab umgehend die Antwort: “Nicht mehr.” Es sei unvernünftig von den Firmen, sich in Sanktionen verwickeln zu lassen. “Das ist so, als würde man einen Stein anheben und auf den eigenen Fuß fallen lassen”, sagte der Sprecher.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) bezeichnete die Auseinandersetzung derweil als Lackmustest für Unternehmen, die sich zur Einhaltung von Menschenrechten bekannt hätten. “Die chinesische Regierung zeigt ihr wahres Gesicht, indem sie die Firmen unter Druck setzt, sich zu Komplizen des Missbrauchs zu machen, statt (mit ihnen) zusammenzuarbeiten, um die Gewalt gegen Turk-Muslime zu beenden”, sagte die HRW-China-Beauftragte Sophie Richardson. Die Organisation rief die Firmen dazu auf, sich standhaft gegen Zwangsarbeit zu positionieren. Die chinesischen Behörden würden einmal mehr willkürlich eine bestimmte Gruppe bestrafen, weil deren Sicht der Dinge der Position der Volksrepublik widerspreche.
Neben Muji versuchten auch Inditex, die Mutterfirma von Zara, sowie der Bekleidungskonzern Philipps-Van Heusen (PVH) aus New York, zu dem die Marke Calvin Klein gehört, und die amerikanische VP Corporation, Marktführer für Arbeitsbekleidung und Rucksäcke, die Wogen zu glätten, indem sie ihre Stellungnahmen von ihren Internetseiten löschten oder modifizierten. Die Hersteller Fila und Hugo Boss hatten zuvor bereits angekündigt, Baumwolle aus Xinjiang auch künftig verwenden zu wollen. Die Aktienkurse zahlreicher Textilfirmen waren in der vergangenen Woche deutlich eingebrochen. Der chinesische Netzwerkbetreiber Huawei verbannte derweil die Smartphone-Anwendungen von Nike und Adidas aus seinem App-Store.
Die bröckelnde Front der Firmen, die Baumwolle aus der uigurisch geprägten Region im Nordwesten Chinas ablehnen, ist ein weiterer Stolperstein beim Kampf gegen die Zwangsarbeit. Ein geschlossener Verzicht der Branche würde die Last der chinesischen Gegenmaßnahmen auf viele Schultern verteilen. Der mögliche Verlust von Marktanteilen einiger Firmen könnte deren Mitbewerber jedoch dazu verleiten, aus dem Dilemma der anderen Kapital zu schlagen. Allerdings spürte beispielsweise Muji kurzfristig noch keinen positiven Effekt. In Kommentaren im Internet wurde dem Unternehmen “Heuchelei” vorgeworfen. Zumal die Nachrichtenagentur Reuters erst wenige Tage zuvor über Mujis Bedenken beim Einsatz von Baumwolle aus Xinjiang berichtet hatte.
Der Hafen von Piräus, nahe der griechische Hauptstadt Athen, ist für Peking zum “One Belt, One Road”-Schlüsselprojekt in Europa geworden – und für Griechenland zum Beispiel dafür, dass es trotz und im Zweifel auch gegen Brüssel weitergeht.
Innerhalb von zehn Jahren hat der chinesische Schifffahrtskonzern Cosco den einst maroden Containerumschlagplatz zum am schnellsten wachsenden Mittelmeerhafen gemacht. Seit vergangenem Jahr hat er sogar Valencia, den bisher größten Hafen am Mittelmeer, überholt. Die China Ocean Shipping Company, wie der Staatskonzern ausgeschrieben heißt, bekam 2008 die Betriebslizenz für zwei Kais und sicherte sich dann im Jahr 2016 die Aktienmehrheit des gesamten Hafens. Seither ist der Aktienkurs der Piräus Port Authority um 68 Prozent gestiegen. Der Containerumschlag hat sich seit 2008 verdreizehnfacht. Inzwischen sind in Europa nur noch Rotterdam, Antwerpen und Hamburg umschlagsstärker.
Dass Cosco in Piräus überhaupt so weit kommen konnte, ist ein Resultat der Finanzkrise 2008. Damals hatten Brüssel – und allen voran der damalige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) – Athen zu Privatisierungen gezwungen. Ganz oben auf der Liste stand der Hafen in Piräus. Es fand sich jedoch kein europäisches Unternehmen, das bereit war, substantiell mitzubieten. Denn die großen Hafenbetreiber in Rotterdam Bremerhaven oder Hamburg hatten kein Interesse daran, einen Wettbewerber aufzubauen, der die lange Fahrt um die iberische Halbinsel überflüssig machen würde. Doch sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Peking nutzte diese einmalige Chance.
Für Cosco war es kein großes Risiko. Sie verfügen über eine der größten Schiffsflotten der Welt. Damit sind sie Betreiber und ihr größter Kunde zugleich.
Vergangene Woche hat der Hafenbetreiber Piraeus Port Authority (PPA) die Wirtschaftszahlen für 2020 vorgelegt. Und es zeigt sich: Die Corona-Krise hat den Güter- und Passagierstrom nicht signifikant unterbrochen.
Demnach belief sich der Gesamtumsatz auf 132,9 Millionen Euro gegenüber 149,2 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2019. Das entspricht einem Minus von 10,9 Prozent. Die Einbußen sind hauptsächlich auf den Corona-bedingten Umsatzrückgang im Kreuzfahrt- und Küstenschifffahrtssektor zurückzuführen, der um 84,0 Prozent beziehungsweise 26,4 Prozent gesunken ist. Auf der anderen Seite stiegen die Einnahmen aus Konzessionsgebühren um 1,1 Prozent und aus dem Bereich der Schiffsreparatur und Schiffswartung um 16,2 Prozent. Die Ausgaben gingen von 102,7 Millionen Euro im Jahr 2019 um 8,8 Prozent auf 93,7 Millionen Euro zurück.
Yu Zenggang, Vorsitzender des PPA-Verwaltungsrates, erklärt: “Trotz der Auswirkungen von Covid-19 gelang es uns, die Hafenaktivitäten unter Sicherheitsvorkehrungen und ohne temporäre Entlassungen fortzusetzen”, wobei man weitere Investitionen in Höhe von 212 Millionen Euro einsammeln konnte. Die Gelder sollen zunächst vor allem in die Expansion des Passagierterminals und eine Schiffsreparatur-Zone fließen. Für Cosco ist das kein Problem, denn die Corona-Krise hat dem Unternehmen insgesamt nicht geschadet. Es konnte die Corona-Verluste nach Europa durch mehr Geschäfte in Asien ausgleichen und das Geschäftsjahr 2020 mit einem Plus von 11 Prozent beenden.
Im November 2020, gerade als der zweite Lockdown im Land begann, erklärte der Cosco-Konzern, er werde seinen Investitionsanteil am Hafen planmäßig von 51 auf 67 Prozent erhöhen. Man habe zwar nicht alle vertraglich vorgesehenen Pläne fristgerecht umsetzen können, das habe jedoch vor allem an fehlenden Genehmigungen durch die Behörden gelegen.
Cosco hatte versprochen rund 300 Millionen Euro in den weiteren Ausbau des Hafens zu investieren. Um den Tourismus anzukurbeln, soll unter anderem ein neues Kreuzfahrtterminal in Höhe von 104 Millionen Euro entstehen, inklusive Fünf-Sterne-Hotels und Shoppingmall. Ein aussichtsreiches Geschäft, vor allem angesichts der wachsenden Reiselust der chinesischen Mittelschichtstouristen, die von hier aus die griechischen Inseln besuchen können. “Nach Einschätzung von Experten wird das Kreuzfahrtgeschäft in zwei bis drei Jahren auf das Vorkrisenniveau zurückkehren”, erklärte PPA-Sprecher Nektarios Demenopoulos.
Auch Terminals für die Verschiffung von Autos und die Modernisierung des ältesten Containerpiers sind geplant. Den Auftrag für den technisch anspruchsvollen Bau im Wert von rund 103 Millionen Euro erhielt im Februar 2020 der griechische Baukonzern Tekal. Ein Entgegenkommen, denn ganz ohne Kritik ging der Aufstieg des chinesischen Hafens nicht vonstatten. Immer wieder stießen die Aktivitäten der Chinesen in Griechenland auf Widerstand: Zum Beispiel wurde bemängelt, dass die Privatisierung zu höheren Mieten und einer Benachteiligung lokaler Anbieter geführt habe. Auch habe Cosco keine umfassende Studie zu den Auswirkungen des Hafenausbaus auf die Umwelt vorgelegt. Cosco kontert derartige Vorwürfe immer wieder mit rosigen Aussichten.
Zudem werde der Hafen weiter wachsen, wenn erst einmal die Bahnstrecke von Piräus nach Budapest (Ungarn) fertig ist. Auch sie ist ein zentrales Projekt der Belt-and-Road-Initiative. Die Strecke Budapest-Belgrad ist bereits im Bau. Sie wird von China finanziert, kostet 2,98 Milliarden US-Dollar und soll in zwei Jahren fertig sein. Allerdings untersucht die EU, ob beim Vergabeverfahren eventuell EU-Regeln gebrochen wurden.
Das politische Verhältnis zwischen Griechenland und der EU wird maßgeblich vom Erfolg des Hafens und der enger werdenden Zusammenarbeit mit China bestimmt.
Je erfolgreicher der Hafen, desto selbstbewusster tritt die Athener Regierung gegenüber Brüssel auf. Griechenland hat bereits eigene Corona-Regelungen mit China und Russland. Das Vorhaben mit dem Namen “Operation Freedom” soll Mitte Mai starten.
“Man hoffe, die EU werde dem Beispiel Griechenlands zügig folgen. Wenn nicht, wird Griechenland seine Regeln durchführen und auch mit jedem EU-Land einzeln verhandeln”, sagte Tourismusminister Harry Theoharis vor einer Woche.
Noch Anfang diesen Monats betonte Griechenlands Investitionsminister Adonis Georgiadis, China sei “einer der wichtigsten ausländischen Investoren in unserem Land”. Peking habe “in sehr schwierigen Zeiten in unsere Wirtschaft investiert.” Man hoffe nun auf weitere große Investitionen, “damit wir uns schneller erholen.” Ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Brüssel, wo die Geldtöpfe leer sind. So viel China-Liebe ärgert nicht nur Brüssel, sondern auch die Amerikaner. So titelte die South China Morning Post Ende vergangenen Jahres: Die USA drängen Griechenland, nicht als Kopf des Drachens in Europa zu agieren.
Das Coronavirus ist offenbar von Fledermäusen über ein anderes Tier auf den Menschen übergesprungen. So lautet das Ergebnis einer Studie von Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und deren Kollegen aus China. Es sei das wahrscheinlichste Szenario, heißt es im Entwurf ihres Berichts.
“Extrem unwahrscheinlich” ist demnach die Vermutung, das Virus könne aus einem chinesischen Labor entwichen sein. Diese These hatte unter anderem der ehemalige US-Präsident Donald Trump immer wieder vorgetragen und entsprechend das Coronavirus als “China-Virus” bezeichnet.
Die Annahme der WHO-Experten, wonach das Virus von Fledermäusen über einen Zwischenwirt auf den Menschen übertragen worden sei, entspricht weitgehend den Erwartungen von Gesundheitsexperten. Allerdings seien noch viele Fragen offen, weshalb das Expertenteam weitere Recherchen vorschlägt.
In ihrem Bericht listen die Forscher unterschiedliche Szenarien über den Ursprung des Coronavirus auf – geordnet nach deren Wahrscheinlichkeit: Wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich sei demnach eine Übertragung über eine zweite Tierart. Nur wahrscheinlich gilt eine direkte Übertragung von Fledermäusen auf Menschen. Und als nicht wahrscheinlich wird eine Übertragung über gefrorene oder gekühlte Nahrungsmittel eingestuft.
Dem WHO-Bericht zufolge habe man in Fledermäusen ein dem Sars-CoV-2-Virus sehr ähnlichen Virus gefunden. Doch: Die “evolutionäre Distanz zwischen diesen Fledermaus-Viren und Sars-CoV-2 beträgt Schätzungen zufolge mehrere Jahrzehnte, was eine fehlende Verbindung nahelegt”, zitieren mehrere Nachrichtenagenturen aus der Studie. Sehr ähnliche Viren seien demnach auch in Schuppentieren gefunden worden. Auch Nerze und Katzen könnten Zwischenwirte gewesen sein.
Ob die Corona-Pandemie tatsächlich auf einem Markt in Wuhan ihren Anfang nahm, konnten die Experten nicht abschließend beurteilen. Es seien auch Infektionen vor dem großen Ausbruch auf dem Markt festgestellt worden. Entsprechend könnte die Pandemie auch anderswo begonnen haben, vermuten die Experten. Möglicherweise habe es mildere Verläufe der durch das Virus ausgelösten Krankheit Covid-19 gegeben, die dann zu Infektionen auf dem Markt geführt hätten, zitieren Agenturen aus dem aktuellen Bericht.
Die WHO-Experten waren Anfang des Jahres ins chinesische Wuhan gereist, wo die Pandemie ihren Anfang genommen haben soll. Ihr Bericht hatte sich mehrfach verzögert und war Gegenstand diplomatischer Reibereien geworden: Im Westen wurde befürchtet, China könne die Untersuchungen der Experten beeinflussen um zu verhindern, dass dem Land eine Schuld an der Pandemie zugewiesen werde. Auch unter ihrem neuen Präsidenten Joe Biden haben die USA wiederholt die Befürchtung geäußert, der WHO-Bericht werde wohl möglich nicht alle Erkenntnisse und Hinweise offenlegen. China hingegen betont immer wieder, dass die WHO-Mission in Wuhan nur dank Chinas wissenschaftlicher Zusammenarbeit möglich gewesen sei. rad
Huawei Technologies Co. Ltd. hat eine begehrte chinesische Nonbanking-Zahlungslizenz erhalten. Das berichtet das Wirtschaftsmagazin Caixin. Huawei erhielt die Genehmigung durch den Erwerb der Shenzhener Zahlungsfrima Xunlian Zhipay von Shanghai Woruiou Information Technology Co. Ltd. Ein Huawei-Sprecher bestätigte am Montag den Kauf, gab jedoch keine Details bekannt.
Nach Xiaomi ist Huawei der zweite Mobiltelefonhersteller in China, der eine der begehrten Zahlungslizenzen erhält. Sie gilt als Eintrittskarte zum mobilen Zahlungsverkehr. Nun soll der Telekommunikationsausrüster aus Shenzhen derzeit vor allem auf der Suche nach Personal sein, die aus den Bereichen Zahlungs- und Abfertigungspositionen, Einlagenmanagement und -routing sowie aus der Zusammenarbeit mit Banken kommen.
Laut Analysten könnte ein konzertierter Vorstoß von Huawei in den chinesischen Markt für mobile Zahlungen dazu führen, dass die dominante Position der beiden etablierten Zahlungsunternehmen Alipay und Wechat Pay empfindlich gestört wird. Alipay und WeChat von Tencent haben eine überwältigende Dominanz im chinesischen Sektor für mobile Zahlungen mit Marktanteilen von 54,5 Prozent bzw. 39,5 Prozent.
Bisher bietet Huawei auf seinen Smartphones ein fünf Jahres altes Hardware-System an, das die Telefone zu Bankkarten für die Nutzer macht. Durch den Erwerb der Zahlungslizenz soll Huawei nun in der Lage sein, flexiblere Dienste anbieten zu können. niw
Zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren wird die Verleihung der Oscars Ende April nicht in Hongkong zu sehen sein. TVB, der größte Fernsehsender in Hongkong, wird die Oscar-Gala “aus rein kommerziellen Gründen” nicht ausstrahlen, sagte ein Sprecher des Senders. Der Schritt kommt, nachdem “Do not split” des Norwegers Anders Hammer in der Kategorie “Bester Dokumentar-Kurzfilm” nominiert wurde. Der Film zeigt die Gewalt gegenüber Demonstranten, die in Hongkong vor zwei Jahren für mehr Demokratie und gegen das Auslieferungsgesetz Chinas auf die Straße gingen.
Chinas Zensurbehörde soll laut Bloomberg und der Hongkonger Tageszeitung Apple Daily angeordnet haben, dass die Oscar-Gala nicht live übertragen und das Thema so weit wie möglich ignoriert werden soll. Neben der Nominierung für “Do not split” wird auch “Nomadland” der Chinesin Chloé Zhao (im China.Table) als Grund für Pekings Entscheidung angesehen, die Oscar zu blockieren. Zhaos Film über eine Nomadin am Rande der US-Gesellschaft zählt zu den Favoriten der Oscar-Jury. Zhao hatte Anfang des Monats zwei Golden Globes für Nomadland gewonnen (China.Table berichtete) Doch in China ist sie aufgrund einer kritischen Äußerung Persona non grata. Peking missfällt Zhaos Aussage aus dem Jahr 2013, in China gebe es “überall Lügen”. Entsprechend ist auch nicht klar, ob ihr Film Nomadland in der Volksrepublik überhaupt in den Kinos gezeigt werden wird.
Nach dem Aus für Hongkong bleibt die Frage, ob die Oscar-Verleihung auf dem Festland live übertragen wird. Bisher hat sich der staatliche Sender CCTV dazu nicht geäußert. Die Entscheidung sei laut dem Magazin “Hollywood Reporter” noch offen. niw
Die chinesischen Entwicklungsbanken und staatlich kontrollierten Banken haben 2019 sieben Milliarden US-Dollar an Krediten an afrikanische Staaten vergeben, wie neue Zahlen der China Africa Research Initiative zeigen. Das ist ein Rückgang von 30 Prozent im Vergleich zum Jahr 2018 – und die niedrigste Summe seit 2010. Fünf der sieben Milliarden Dollar flossen in Projekte im Transport- und Energiebereich. Die fünf größten Kreditnehmer waren Ghana, Südafrika, Ägypten – mit jeweils etwas mehr als 1,2 Milliarden Dollar – sowie die Elfenbeinküste und Nigeria mit jeweils mehr als 550 Millionen Dollar. Auffallend ist: Viele der afrikanischen Kreditnehmer, die in den Vorjahren Umschuldungen mit China ausgehandelt hatten, erhielten keine neuen Kredite, darunter die Republik Kongo, Mosambik, Äthiopien und Dschibuti. Andere, darunter Angola, Sambia, Kenia und Kamerun, erhielten relativ kleine Kredite.
Trotz des Rückgangs werden “chinesische Finanzierungen weiterhin eine wichtige Quelle für die Infrastrukturfinanzierung afrikanischer Länder sein“, schreiben Deborah Brautigam und Kevin Acker von der China Africa Research Initiative. Die staatliche Export-Import-Bank Chinas habe ihre Kreditvergabe in Afrika in den vergangenen zehn Jahren reduziert, während Geschäftsbanken ihr Engagement vor Ort erhöht hätten, so die Wissenschaftler:innen. nib
Ferdinand Rudolph-Bartels könnte seine Freizeit mit Golf oder Tennis verbringen. Doch stattdessen hat der 55-Jährige ein anderes Hobby gefunden. Zusammen mit Non-Profit-Unternehmen hilft er Start-Ups aus Deutschland dabei, auf dem chinesischen Markt Fuß zu fassen. “Ich selber habe meine Erfahrung in der westdeutschen Großindustrie gesammelt, die viel in China investiert hat. In den Nullerjahren habe ich sehr viele Investitionen in China betreut – ganz klassische Exportindustrie und Geschäftsaufbau dort”, erinnert er sich. “Ich bin nach Berlin in das Start-Up- und Gründerumfeld gekommen und habe festgestellt, dass viele Technologie-Start-Ups gar keine Vorstellung davon haben, was es bedeutet, international zu expandieren.”
Deshalb hat er die InnoEU Tech Bridge gegründet, mit der er vornehmlich jungen Unternehmen hilft, die schon ein Produkt am Markt haben und nun die Möglichkeiten im asiatischen Raum ausloten wollen. Mit seinem guten Bekannten Volker Hofmann, der für die Humboldt-Universität tätig ist, ist die Idee entstanden, sich auch um Gründerinnen und Gründer in der Frühphase zu kümmern. “Wir haben vor eineinhalb Jahren gesagt: Das Thema ist so komplex. Man muss da früher anfangen. Man muss die Unternehmer dann für das Thema China sensibilisieren, wenn sie in der Gründung oder sogar noch vor der Gründung sind“, erzählt Rudolph-Bartels.
So ist die Humboldt-Tech Bridge entstanden, die sich allerdings nicht nur um Ausgründungen aus der Humboldt-Universität kümmert, sondern mit Start-Ups in ganz Deutschland zusammenarbeitet. “Mit der Humboldt Tech-Bridge sprechen wir ganz dezidiert universitäre Ausgründungen an, die so technologielastig sind, dass es für sie wichtig ist, sich mit Forschung, Entwicklung und Inkubation in China auseinanderzusetzen“, erklärt der studierte Materialwissenschaftler.
Die Vielfalt der betreuten Gründungen und Expansionen auf den chinesischen Markt ist dabei immens. Viele faszinieren Rudolph-Bartels auch persönlich. Er nennt das Beispiel des Unternehmens GrOwnValve. “Es handelt sich um eine Ausgründung aus der Charité mit einem Team an jungen Wissenschaftlern, die von überall herkommen. Sie haben ein Verfahren entwickelt, mit dem man Herzklappen für Kinder und Babys aus dem eigenen Gewebe erzeugen kann”, sagt er. So viel Zeit und Energie er zusammen mit dem Team der Humboldt Tech-Bridge auch investiert, am Ende bleibt es ein Hobby für Rudolph-Bartels. Im normalen Leben ist er selbst Unternehmer und leitet in Berlin die Firma Specs Surface Nano Analysis. Erstmals intensiven Kontakt mit China hatte er vor knapp 21 Jahren, als er für den Technologiekonzern Heraeus tätig war. “Ich hatte damals die Möglichkeit, ein deutsch-chinesisches Joint Venture aufzubauen. Das hat mich von Anfang 2000 bis 2016 mehr oder weniger monatlich nach China gebracht. Ich habe aber nie dort gelebt”, berichtet er. Für touristische Ausflüge sei auch nur selten Zeit geblieben. “Wie sagt man so schön: Ich war einer der Sherpas der deutschen Exportindustrie. Überall in der Welt in den Hotels findet man diese Leute, die halt dort sind, um Produktionsstätten aufzubauen.” Heute hilft er der nächsten Generation dabei, ebenso in China Fuß zu fassen. Constantin Eckner
Ein Blick auf die China Fashon Week in Beijing zeigt: Masken aller Art – wie hier aus der Kollektion der Designerin Janet Chen – schützen nicht nur vor Corona-Viren. Sie entwickeln sich offenbar zu einem prominenten Mode-Accessoire.
die Welt wird immer kleiner. Dank moderner Internetverbindungen und fortschreitender Digitalisierung werden Informationen und Daten in rasender Geschwindigkeit um die Welt geschickt. Ob Zoom-Meeting mit den Kollegen in Asien, ein Skype-Telefonat mit Freunden in Dubai oder Filme direkt aus dem indischen Bollywood streamen – Entfernungen verlieren an Bedeutung. Entscheidend dabei sind Tiefsee-Glasfaserkabel. Sie werden auf den Gründen der Ozeane verlegt und bilden das Rückgrat unserer modernen Welt. Doch so unsichtbar sie auch sein mögen, ihre Wichtigkeit ist kaum zu überschätzen, denn: Die jeweiligen Kabel-Betreiber entscheiden nicht nur wie viele, sondern auch welche Daten verschickt werden können.
Just das Tiefsee-Glasfaserkabel mit dem friedvollen Namen Peace entwickelt sich nun zu einem Streitpunkt in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen, wie Ning Wang berichtet. Sie analysiert, welche Rolle im Disput um Tiefseekabel Unternehmen wie Google, Facebook, Huawei oder Hengtong spielen und wie die beiden Supermächte versuchen könnten, den weltweiten Datenverkehr zu kontrollieren.
Deutlich sichtbarer als ein Tiefseekabel ist der Hafen von Piräus an der Ägäis. Es war zu Zeiten der Finanzkrise 2008, als Europa – und vor allem Deutschlands damaliger Finanzminister Wolfgang Schäuble – die Griechen zum Verkauf des maroden Hafens drängten. Peking schlug sofort zu – und so manch europäischer Politiker wunderte sich über die vermeintliche Fehlinvestition der Chinesen. Frank Sieren zeigt, wie Peking seither den Hafen zu einem der größten Containerumschlagplätze Europas ausgebaut hat. Doch es geht um mehr als nur Profit: Der Hafen von Piräus ist inzwischen ein strategischer Knotenpunkt der Chinesen in Europa – sehr zum Missfallen der Europäer wie auch der Amerikaner.
Ebenfalls nicht gefallen dürfte europäischen und amerikanischen Politiker, was Marcel Grzanna beobachtet: Die Front gegen Zwangsarbeit in der Region Xinjiang beginnt zu bröckeln. Offenbar haben die chinesischen Boykottaufrufe in den westlichen Firmenzentralen zu Befürchtungen geführt, man könne auf dem wichtigen Absatzmarkt etwas weniger Gewinn erzielen. Nicht jeder mag so weit gehen wie die japanische Modekette Muji, die gar explizit mit der tollen Baumwolle aus Xinjiang wirbt. Aber der Trend ist klar: Chinas Marktmacht spielt eine immer größere Rolle in einer kleiner werdenden Welt.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Es geht um Kommunikation, etwa um Zoom-Meetings, die derzeit aufgrund der Pandemie vermehrt stattfinden. Aber auch um E-Mails, Filme und Videotelefonie. Die Kontrolle über den Datenverkehr, der dabei entsteht, droht nun zum nächsten Konflikt zwischen den USA und China zu werden. Auslöser ist ein Tiefseekabel, das ausgerechnet den Namen “Peace” trägt – für “Pakistan and East Africa Connecting Europe” steht. Peace ist, wenn das Projekt Ende des Jahres fertiggestellt wird, eine Glasfaserkabelleitung, die zunächst über Land von China nach Pakistan verläuft und dort dann im Hafen von Gwadar für 12.000 Kilometer unter Wasser geht. Vor dem Horn von Afrika teilt es sich: südlich reicht es bis nach Kenia, während es nördlich Richtung Europa in Frankreich in der Nähe eines beliebten Badestrands von Marseille wieder ans Land kommt.
Wie auch bei anderen Tiefseekabelprojekten steht die zuverlässige Konnektivität im Vordergrund, damit Unternehmen, die weltweit tätig sind, reibungslos kommunizieren und Daten transferieren können. Die Geschwindigkeit des Peace-Kabels ist dabei so groß, dass pro Sekunde 90.000 Stunden an Netflix-Filmen transportiert werden könnten, so die Berechnung des Finanzdienstleisters Bloomberg.
“Das Peace-Kabel soll vor allem dazu dienen, den chinesischen Unternehmen, die in Europa und Afrika tätig sind, eine zuverlässige und schnelle Internetverbindung anzubieten”, berichtet Bloomberg weiter. Jedoch spielt es auch als Teil der “Digitalen Seidenstraße” eine nicht unwesentliche Rolle. So will Peking durch das Peace-Tiefseekabel-Projekt einerseits die Länder, durch die es verläuft, mittels Infrastrukturmaßnahmen enger an sich binden; andererseits kann es durch den Ausbau von hochmodernen Datenleitungen seine eigene Technologiehoheit unter Beweis stellen.
Der Ausbau des Tiefseekabels ist auf dem Land gut vorangeschritten. Derzeit wird an der Strecke zwischen Rawalpindi und den Städten Karatschi und Gwadar gearbeitet. Zuletzt warteten die Betreiber auf eine Genehmigung, um im Arabischen Meer eine Landestation für das Kabel zu bauen.
Für Pakistan ist es ein Glücksfall, dass die Strecke des Peace-Kabels durch das Land verläuft: Die Regierung will es nutzen, um seine Telekommunikationsinfrastruktur zu modernisieren.
Ein weiterer Nebeneffekt ergibt sich aus Pakistans und Indiens Rivalität. Beide Länder stehen seit der Teilung des früheren britischen Kolonialgebiets in Konkurrenz zueinander, womit das Peace-Projekt zu einem Diplomatie-Werkzeug Chinas wird.
Betrieben wird “Peace” von Peace Cable International Network Co., einer Tochtergesellschaft des in China ansässigen Strom- und Glasfaserkabelherstellers Hengtong Group, unterstützt von Huawei Marine, die in den vergangenen Jahren Glasfaserkabel vor allem im Pazifik verlegt haben. Huawei Marine wurde im Sommer vergangenen Jahres für 85 Millionen US-Dollar an Hengtong verkauft. Huawei Technologies, der Telekommunikationsausrüster aus Shenzhen ist mit rund drei Prozent drittgrößter Anteilseigner bei Hengtong.
Warum Huawei sich daran beteiligt, wird deutlich bei einem Blick auf die strategische Bedeutung von Unterwasserkabeln: Derzeit verläuft durch rund 400 Unterwasserkabel nahezu 98 Prozent des internationalen Internetdaten- und Telefonverkehrs. Die Mehrheit der Kabel gehören bisher US-Unternehmen und werden auch von ihnen betrieben.
Die Kosten von Unterwasserkabelprojekten reichen von 300 bis 400 Millionen US-Dollar und werden immer öfter statt bisher von Telekommunikationsunternehmen zunehmend von Technologieunternehmen durchgeführt.
“Einige der Hauptinvestoren in neue Kabel sind jetzt Google und Facebook”, warnte bereits im vergangenen Jahr Alan Maudlin, Research Director bei TeleGeography, einem Telekommunikationsforschungsunternehmen. Die Gefahr: Die Technologiegiganten kontrollieren zunehmend die gesamte Unterwasserbandbreite.
Microsoft und Facebook gehören die beiden wichtigsten Transatlantiktiefseekabel. Auch das neue Dunant-Kabel, das seit Anfang Februar fertiggestellt ist und bald zum Einsatz kommen soll, wird zu großen Teilen von Google finanziert. Laut ersten Tests kann das Dunant-Tiefseekabel bis zu 250-Terabit pro Sekunde übermitteln. Google selbst gibt an, dass pro Sekunde drei Mal die gesamte digitalisierte Kongressbibliothek der USA übertragen werden könne.
Knackpunkt ist allerdings nicht wie viele Daten als vielmehr welche Daten übermittelt werden. Das macht die Techkonzerne zukünftig zu wichtigen geopolitischen Akteuren. Laut Daniel Voelsen von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, verfolgen die Techkonzerne dabei zwei Ziele: “Zum einen wollen sie ihre Dienste und Inhalte weltweit so vielen Menschen wie möglich anbieten und ständig weiterwachsen. Zum anderen geht es um Kontrolle und um Macht, vor allem jenen Staaten und Regierungen gegenüber, die die Tech-Konzerne am liebsten regulieren würden. Aber auch gegenüber den klassischen Telekomunternehmen, die nicht nur bei den Inhalten, sondern auch bei der physischen Infrastruktur immer abhängiger werden”, sagte Voelsen Anfang März in einem Beitrag von SWR 2Wissen über “Das Geschäft mit Tiefseekabeln”.
Facebook etwa ist dabei, um Afrika ein Tiefseekabelnetzwerk zu verlegen, das vom Mittelmeer aus den gesamten Kontinent umrunden soll. Ob der Konzern den Zugang zu diesem Netz dann für andere Unternehmen öffnen wird, bleibt fraglich. So haben Facebook und Google schon angekündigt, dass sie das Peace-Tiefseekabel nicht nutzen werden, da sie über genügend eigene Kapazitäten verfügen.
Gleichzeitig zogen sich Facebook und Google aus einem seit Jahren laufenden Projekt zurück, das die Westküste der USA mit Hongkong via Tiefseekabel verbinden sollte. Sie befürchten, dass die Daten, die über das Kabel übertragen werden, einem Sicherheitsrisiko ausgeliefert sein könnten, seitdem Peking seine Kontrolle auf Hongkong durch das sogenannte Nationale Sicherheitsgesetz massiv ausgeweitet hat.
Entsprechend laut sind die Warnrufe aus den USA, wenn es um chinesische Spionage via Tiefseekabeln geht. Mike Pompeo hatte zu seiner Zeit als US-Außenminister die internationale Gemeinschaft aufgefordert, “sicherzustellen, dass die Tiefseekabel, die unser Land mit dem globalen Internet verbinden, nicht für das Sammeln von Informationen durch die Volksrepublik China in großem Maßstab untergraben werden”.
In Europa hingegen sieht man den Vorgang gelassener. So will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron China nicht von der Internetinfrastruktur isolieren, auch damit Frankreich nicht “vollständig von US-Entscheidungen abhängig sein muss”, sagte Macron in einem Interview beim Atlantic Council im Februar. Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnte in einer Pressekonferenz mit Macron am 5. Februar ebenfalls die Bemühungen ab, China zu isolieren, und sagte, sie halte die Entkopplung von China nicht für “den richtigen Weg, insbesondere in diesem digitalen Zeitalter”.
Das Institut für Friedens- und Konfliktforschung und das in den Niederlanden ansässige Leiden Asia Center schätzen, dass China bis 2019 Landepunkt, Eigentümer oder Lieferant von 11,4 Prozent der weltweiten Tiefseekabel werde. Zwischen 2025 und 2030 könnte der Anteil gar auf 20 Prozent ansteigen.
Chinesische Boykott-Aufrufe gegen ausländische Unternehmen haben erste Zugeständnisse nach sich gezogen. Die japanische Modekette Muji hat angekündigt, bei ihrer Textilproduktion künftig nicht auf Baumwolle aus Xinjiang verzichten zu wollen. Das teilte Mujis Konzernmutter Ryohin Keikaku in einer Stellungnahme gegenüber der staatlich chinesischen Tageszeitung Global Times mit. Eine Handvoll weiterer Firmen, wie der spanische Hersteller Zara, zogen ihre kritischen Stellungnahmen zu den Vorwürfen der Zwangsarbeit in Xinjiang von ihren Internetseiten zurück.
In der vergangenen Woche waren zahlreiche Hersteller, darunter der deutsche Sportartikelproduzent Adidas, aber vor allem dessen US-Mitbewerber Nike sowie die schwedische Fast-Fashion-Marke H&M, von einer breiten Empörungswelle in sozialen Medien in der Volksrepublik erfasst worden. Die Firmen hatten teilweise bereits im Vorjahr ihre Sorge über Berichte über Zwangsarbeit in Xinjiang geäußert und angekündigt, keine Baumwolle aus der Region mehr nutzen zu wollen. Erst Monate später setzt als Reaktion darauf eine konzertierte Entrüstung in der Volksrepublik ein. Sie folgte unmittelbar auf Inkrafttreten von Sanktionen durch die Europäische Union und die USA gegen chinesische Funktionäre aus der Region Xinjiang.
Die Firmen hatten sich unter anderem auf Einschätzungen der Better Cotton Initiative (BCI) berufen, einer Nichtregierungsorganisation mit Hauptsitz in Genf, die sich weltweit um nachhaltige Bedingungen in der Textilbranche bemüht. Die BCI-Zweigstelle in China rechtfertigte in der vergangenen Woche derweil die Nutzung von Baumwolle aus Xinjiang, während die Stellungnahme der Zentrale aus dem Oktober 2020 von der Internetseite verschwand und seitdem nur noch über den Pufferspeicher Cache aufrufbar ist.
Zu den Finanzierungspartnern der BCI zählt unter anderem auch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), eine wirtschaftlich operierende GmbH, die im Auftrag der Bundesregierung in der globalen Entwicklungshilfe tätig ist. “In China besteht mit der Better Cotton Initiative keine Kooperation”, teilt die Organisation auf Anfrage von China.Table mit. In der Vergangenheit habe man lediglich im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums die BCI in Indien als Finanzierungspartner unterstützt.
Eine Gruppe von 16 Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen bezifferte am Montag in Genf die Zahl der Firmen, die mit Zwangsarbeit in Xinjiang in Verbindung gebracht werden können, auf mehr als 150. Die UN-Experten nannten keine Namen, mahnten die Firmen jedoch, ihre Lieferketten zu überprüfen. Auch hätte die Gruppe 13 Regierungen an ihre Verantwortung erinnert. Ob die deutsche Regierung ebenfalls eines der vertraulichen Schreiben erhalten hat, blieb offen.
Dem Aufschrei aus China, dessen Dynamik von staatlichen Medien mit scharfen Kommentaren und Drohungen beschleunigt wurde, begegnete Muji jetzt auf seiner chinesischsprachigen Internetseite mit einem deutlich sichtbaren Hinweis auf die Verwendung der umstrittenen Baumwolle in seinen Textilien. Dazu stellte die Firma ein Video ins Netz, in dem die Produktion des Rohstoffes aus Xinjiang vorgestellt wurde. Das Unternehmen ging damit deutlich weiter als andere betroffene, nachdem es sich Tage zuvor noch besorgt über die Berichte von Zwangsarbeit geäußert hatte. Es argumentiert, es habe sich bei seiner Entscheidung an den Resultaten einer unabhängigen Untersuchung orientiert, die es selbst in Auftrag gegeben hatte. Bei indirekten Zulieferern von Baumwolle seien keine Hinweise auf Zwangsarbeit entdeckt worden, hieß es. Anfang März hatten japanische Firmen eine entsprechende Untersuchung ihrer Lieferketten und entsprechende Konsequenzen angekündigt.
Die Untersuchung habe sich am Xinjiang Supply Chain Business Advisory orientiert, eine Anleitung zur Optimierung der Lieferketten für internationale Konzerne, die mehrere US-Ministerien im vergangenen Sommer formuliert hatten. Unklar blieb, ob Muji die Xinjiang-Baumwolle nur in Produkten für den chinesischen Markt weiterhin verwendet oder auch für Waren, die für Europa oder die USA bestimmt sind. Die USA hatten vor wenigen Wochen einen Importstopp für Textilien implementiert, die Baumwolle aus Xinjiang enthalten. Auch Tomaten aus der Region sind von dem Verbot betroffen.
Bei einer Pressekonferenz am Montag hat die Volksrepublik noch einmal den Druck auf die ausländischen Firmen erhöht. Im Visier stand dabei vor allem H&M, die Warnung durfte aber allgemeingültig verstanden werden. “Ich denke nicht, dass Firmen ihr wirtschaftliches Handeln politisieren sollten. Kann H&M weiterhin Geld auf dem chinesischen Markt verdienen“, fragte ein Sprecher der Regionalregierung in Xinjiang und gab umgehend die Antwort: “Nicht mehr.” Es sei unvernünftig von den Firmen, sich in Sanktionen verwickeln zu lassen. “Das ist so, als würde man einen Stein anheben und auf den eigenen Fuß fallen lassen”, sagte der Sprecher.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) bezeichnete die Auseinandersetzung derweil als Lackmustest für Unternehmen, die sich zur Einhaltung von Menschenrechten bekannt hätten. “Die chinesische Regierung zeigt ihr wahres Gesicht, indem sie die Firmen unter Druck setzt, sich zu Komplizen des Missbrauchs zu machen, statt (mit ihnen) zusammenzuarbeiten, um die Gewalt gegen Turk-Muslime zu beenden”, sagte die HRW-China-Beauftragte Sophie Richardson. Die Organisation rief die Firmen dazu auf, sich standhaft gegen Zwangsarbeit zu positionieren. Die chinesischen Behörden würden einmal mehr willkürlich eine bestimmte Gruppe bestrafen, weil deren Sicht der Dinge der Position der Volksrepublik widerspreche.
Neben Muji versuchten auch Inditex, die Mutterfirma von Zara, sowie der Bekleidungskonzern Philipps-Van Heusen (PVH) aus New York, zu dem die Marke Calvin Klein gehört, und die amerikanische VP Corporation, Marktführer für Arbeitsbekleidung und Rucksäcke, die Wogen zu glätten, indem sie ihre Stellungnahmen von ihren Internetseiten löschten oder modifizierten. Die Hersteller Fila und Hugo Boss hatten zuvor bereits angekündigt, Baumwolle aus Xinjiang auch künftig verwenden zu wollen. Die Aktienkurse zahlreicher Textilfirmen waren in der vergangenen Woche deutlich eingebrochen. Der chinesische Netzwerkbetreiber Huawei verbannte derweil die Smartphone-Anwendungen von Nike und Adidas aus seinem App-Store.
Die bröckelnde Front der Firmen, die Baumwolle aus der uigurisch geprägten Region im Nordwesten Chinas ablehnen, ist ein weiterer Stolperstein beim Kampf gegen die Zwangsarbeit. Ein geschlossener Verzicht der Branche würde die Last der chinesischen Gegenmaßnahmen auf viele Schultern verteilen. Der mögliche Verlust von Marktanteilen einiger Firmen könnte deren Mitbewerber jedoch dazu verleiten, aus dem Dilemma der anderen Kapital zu schlagen. Allerdings spürte beispielsweise Muji kurzfristig noch keinen positiven Effekt. In Kommentaren im Internet wurde dem Unternehmen “Heuchelei” vorgeworfen. Zumal die Nachrichtenagentur Reuters erst wenige Tage zuvor über Mujis Bedenken beim Einsatz von Baumwolle aus Xinjiang berichtet hatte.
Der Hafen von Piräus, nahe der griechische Hauptstadt Athen, ist für Peking zum “One Belt, One Road”-Schlüsselprojekt in Europa geworden – und für Griechenland zum Beispiel dafür, dass es trotz und im Zweifel auch gegen Brüssel weitergeht.
Innerhalb von zehn Jahren hat der chinesische Schifffahrtskonzern Cosco den einst maroden Containerumschlagplatz zum am schnellsten wachsenden Mittelmeerhafen gemacht. Seit vergangenem Jahr hat er sogar Valencia, den bisher größten Hafen am Mittelmeer, überholt. Die China Ocean Shipping Company, wie der Staatskonzern ausgeschrieben heißt, bekam 2008 die Betriebslizenz für zwei Kais und sicherte sich dann im Jahr 2016 die Aktienmehrheit des gesamten Hafens. Seither ist der Aktienkurs der Piräus Port Authority um 68 Prozent gestiegen. Der Containerumschlag hat sich seit 2008 verdreizehnfacht. Inzwischen sind in Europa nur noch Rotterdam, Antwerpen und Hamburg umschlagsstärker.
Dass Cosco in Piräus überhaupt so weit kommen konnte, ist ein Resultat der Finanzkrise 2008. Damals hatten Brüssel – und allen voran der damalige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) – Athen zu Privatisierungen gezwungen. Ganz oben auf der Liste stand der Hafen in Piräus. Es fand sich jedoch kein europäisches Unternehmen, das bereit war, substantiell mitzubieten. Denn die großen Hafenbetreiber in Rotterdam Bremerhaven oder Hamburg hatten kein Interesse daran, einen Wettbewerber aufzubauen, der die lange Fahrt um die iberische Halbinsel überflüssig machen würde. Doch sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Peking nutzte diese einmalige Chance.
Für Cosco war es kein großes Risiko. Sie verfügen über eine der größten Schiffsflotten der Welt. Damit sind sie Betreiber und ihr größter Kunde zugleich.
Vergangene Woche hat der Hafenbetreiber Piraeus Port Authority (PPA) die Wirtschaftszahlen für 2020 vorgelegt. Und es zeigt sich: Die Corona-Krise hat den Güter- und Passagierstrom nicht signifikant unterbrochen.
Demnach belief sich der Gesamtumsatz auf 132,9 Millionen Euro gegenüber 149,2 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2019. Das entspricht einem Minus von 10,9 Prozent. Die Einbußen sind hauptsächlich auf den Corona-bedingten Umsatzrückgang im Kreuzfahrt- und Küstenschifffahrtssektor zurückzuführen, der um 84,0 Prozent beziehungsweise 26,4 Prozent gesunken ist. Auf der anderen Seite stiegen die Einnahmen aus Konzessionsgebühren um 1,1 Prozent und aus dem Bereich der Schiffsreparatur und Schiffswartung um 16,2 Prozent. Die Ausgaben gingen von 102,7 Millionen Euro im Jahr 2019 um 8,8 Prozent auf 93,7 Millionen Euro zurück.
Yu Zenggang, Vorsitzender des PPA-Verwaltungsrates, erklärt: “Trotz der Auswirkungen von Covid-19 gelang es uns, die Hafenaktivitäten unter Sicherheitsvorkehrungen und ohne temporäre Entlassungen fortzusetzen”, wobei man weitere Investitionen in Höhe von 212 Millionen Euro einsammeln konnte. Die Gelder sollen zunächst vor allem in die Expansion des Passagierterminals und eine Schiffsreparatur-Zone fließen. Für Cosco ist das kein Problem, denn die Corona-Krise hat dem Unternehmen insgesamt nicht geschadet. Es konnte die Corona-Verluste nach Europa durch mehr Geschäfte in Asien ausgleichen und das Geschäftsjahr 2020 mit einem Plus von 11 Prozent beenden.
Im November 2020, gerade als der zweite Lockdown im Land begann, erklärte der Cosco-Konzern, er werde seinen Investitionsanteil am Hafen planmäßig von 51 auf 67 Prozent erhöhen. Man habe zwar nicht alle vertraglich vorgesehenen Pläne fristgerecht umsetzen können, das habe jedoch vor allem an fehlenden Genehmigungen durch die Behörden gelegen.
Cosco hatte versprochen rund 300 Millionen Euro in den weiteren Ausbau des Hafens zu investieren. Um den Tourismus anzukurbeln, soll unter anderem ein neues Kreuzfahrtterminal in Höhe von 104 Millionen Euro entstehen, inklusive Fünf-Sterne-Hotels und Shoppingmall. Ein aussichtsreiches Geschäft, vor allem angesichts der wachsenden Reiselust der chinesischen Mittelschichtstouristen, die von hier aus die griechischen Inseln besuchen können. “Nach Einschätzung von Experten wird das Kreuzfahrtgeschäft in zwei bis drei Jahren auf das Vorkrisenniveau zurückkehren”, erklärte PPA-Sprecher Nektarios Demenopoulos.
Auch Terminals für die Verschiffung von Autos und die Modernisierung des ältesten Containerpiers sind geplant. Den Auftrag für den technisch anspruchsvollen Bau im Wert von rund 103 Millionen Euro erhielt im Februar 2020 der griechische Baukonzern Tekal. Ein Entgegenkommen, denn ganz ohne Kritik ging der Aufstieg des chinesischen Hafens nicht vonstatten. Immer wieder stießen die Aktivitäten der Chinesen in Griechenland auf Widerstand: Zum Beispiel wurde bemängelt, dass die Privatisierung zu höheren Mieten und einer Benachteiligung lokaler Anbieter geführt habe. Auch habe Cosco keine umfassende Studie zu den Auswirkungen des Hafenausbaus auf die Umwelt vorgelegt. Cosco kontert derartige Vorwürfe immer wieder mit rosigen Aussichten.
Zudem werde der Hafen weiter wachsen, wenn erst einmal die Bahnstrecke von Piräus nach Budapest (Ungarn) fertig ist. Auch sie ist ein zentrales Projekt der Belt-and-Road-Initiative. Die Strecke Budapest-Belgrad ist bereits im Bau. Sie wird von China finanziert, kostet 2,98 Milliarden US-Dollar und soll in zwei Jahren fertig sein. Allerdings untersucht die EU, ob beim Vergabeverfahren eventuell EU-Regeln gebrochen wurden.
Das politische Verhältnis zwischen Griechenland und der EU wird maßgeblich vom Erfolg des Hafens und der enger werdenden Zusammenarbeit mit China bestimmt.
Je erfolgreicher der Hafen, desto selbstbewusster tritt die Athener Regierung gegenüber Brüssel auf. Griechenland hat bereits eigene Corona-Regelungen mit China und Russland. Das Vorhaben mit dem Namen “Operation Freedom” soll Mitte Mai starten.
“Man hoffe, die EU werde dem Beispiel Griechenlands zügig folgen. Wenn nicht, wird Griechenland seine Regeln durchführen und auch mit jedem EU-Land einzeln verhandeln”, sagte Tourismusminister Harry Theoharis vor einer Woche.
Noch Anfang diesen Monats betonte Griechenlands Investitionsminister Adonis Georgiadis, China sei “einer der wichtigsten ausländischen Investoren in unserem Land”. Peking habe “in sehr schwierigen Zeiten in unsere Wirtschaft investiert.” Man hoffe nun auf weitere große Investitionen, “damit wir uns schneller erholen.” Ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Brüssel, wo die Geldtöpfe leer sind. So viel China-Liebe ärgert nicht nur Brüssel, sondern auch die Amerikaner. So titelte die South China Morning Post Ende vergangenen Jahres: Die USA drängen Griechenland, nicht als Kopf des Drachens in Europa zu agieren.
Das Coronavirus ist offenbar von Fledermäusen über ein anderes Tier auf den Menschen übergesprungen. So lautet das Ergebnis einer Studie von Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und deren Kollegen aus China. Es sei das wahrscheinlichste Szenario, heißt es im Entwurf ihres Berichts.
“Extrem unwahrscheinlich” ist demnach die Vermutung, das Virus könne aus einem chinesischen Labor entwichen sein. Diese These hatte unter anderem der ehemalige US-Präsident Donald Trump immer wieder vorgetragen und entsprechend das Coronavirus als “China-Virus” bezeichnet.
Die Annahme der WHO-Experten, wonach das Virus von Fledermäusen über einen Zwischenwirt auf den Menschen übertragen worden sei, entspricht weitgehend den Erwartungen von Gesundheitsexperten. Allerdings seien noch viele Fragen offen, weshalb das Expertenteam weitere Recherchen vorschlägt.
In ihrem Bericht listen die Forscher unterschiedliche Szenarien über den Ursprung des Coronavirus auf – geordnet nach deren Wahrscheinlichkeit: Wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich sei demnach eine Übertragung über eine zweite Tierart. Nur wahrscheinlich gilt eine direkte Übertragung von Fledermäusen auf Menschen. Und als nicht wahrscheinlich wird eine Übertragung über gefrorene oder gekühlte Nahrungsmittel eingestuft.
Dem WHO-Bericht zufolge habe man in Fledermäusen ein dem Sars-CoV-2-Virus sehr ähnlichen Virus gefunden. Doch: Die “evolutionäre Distanz zwischen diesen Fledermaus-Viren und Sars-CoV-2 beträgt Schätzungen zufolge mehrere Jahrzehnte, was eine fehlende Verbindung nahelegt”, zitieren mehrere Nachrichtenagenturen aus der Studie. Sehr ähnliche Viren seien demnach auch in Schuppentieren gefunden worden. Auch Nerze und Katzen könnten Zwischenwirte gewesen sein.
Ob die Corona-Pandemie tatsächlich auf einem Markt in Wuhan ihren Anfang nahm, konnten die Experten nicht abschließend beurteilen. Es seien auch Infektionen vor dem großen Ausbruch auf dem Markt festgestellt worden. Entsprechend könnte die Pandemie auch anderswo begonnen haben, vermuten die Experten. Möglicherweise habe es mildere Verläufe der durch das Virus ausgelösten Krankheit Covid-19 gegeben, die dann zu Infektionen auf dem Markt geführt hätten, zitieren Agenturen aus dem aktuellen Bericht.
Die WHO-Experten waren Anfang des Jahres ins chinesische Wuhan gereist, wo die Pandemie ihren Anfang genommen haben soll. Ihr Bericht hatte sich mehrfach verzögert und war Gegenstand diplomatischer Reibereien geworden: Im Westen wurde befürchtet, China könne die Untersuchungen der Experten beeinflussen um zu verhindern, dass dem Land eine Schuld an der Pandemie zugewiesen werde. Auch unter ihrem neuen Präsidenten Joe Biden haben die USA wiederholt die Befürchtung geäußert, der WHO-Bericht werde wohl möglich nicht alle Erkenntnisse und Hinweise offenlegen. China hingegen betont immer wieder, dass die WHO-Mission in Wuhan nur dank Chinas wissenschaftlicher Zusammenarbeit möglich gewesen sei. rad
Huawei Technologies Co. Ltd. hat eine begehrte chinesische Nonbanking-Zahlungslizenz erhalten. Das berichtet das Wirtschaftsmagazin Caixin. Huawei erhielt die Genehmigung durch den Erwerb der Shenzhener Zahlungsfrima Xunlian Zhipay von Shanghai Woruiou Information Technology Co. Ltd. Ein Huawei-Sprecher bestätigte am Montag den Kauf, gab jedoch keine Details bekannt.
Nach Xiaomi ist Huawei der zweite Mobiltelefonhersteller in China, der eine der begehrten Zahlungslizenzen erhält. Sie gilt als Eintrittskarte zum mobilen Zahlungsverkehr. Nun soll der Telekommunikationsausrüster aus Shenzhen derzeit vor allem auf der Suche nach Personal sein, die aus den Bereichen Zahlungs- und Abfertigungspositionen, Einlagenmanagement und -routing sowie aus der Zusammenarbeit mit Banken kommen.
Laut Analysten könnte ein konzertierter Vorstoß von Huawei in den chinesischen Markt für mobile Zahlungen dazu führen, dass die dominante Position der beiden etablierten Zahlungsunternehmen Alipay und Wechat Pay empfindlich gestört wird. Alipay und WeChat von Tencent haben eine überwältigende Dominanz im chinesischen Sektor für mobile Zahlungen mit Marktanteilen von 54,5 Prozent bzw. 39,5 Prozent.
Bisher bietet Huawei auf seinen Smartphones ein fünf Jahres altes Hardware-System an, das die Telefone zu Bankkarten für die Nutzer macht. Durch den Erwerb der Zahlungslizenz soll Huawei nun in der Lage sein, flexiblere Dienste anbieten zu können. niw
Zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren wird die Verleihung der Oscars Ende April nicht in Hongkong zu sehen sein. TVB, der größte Fernsehsender in Hongkong, wird die Oscar-Gala “aus rein kommerziellen Gründen” nicht ausstrahlen, sagte ein Sprecher des Senders. Der Schritt kommt, nachdem “Do not split” des Norwegers Anders Hammer in der Kategorie “Bester Dokumentar-Kurzfilm” nominiert wurde. Der Film zeigt die Gewalt gegenüber Demonstranten, die in Hongkong vor zwei Jahren für mehr Demokratie und gegen das Auslieferungsgesetz Chinas auf die Straße gingen.
Chinas Zensurbehörde soll laut Bloomberg und der Hongkonger Tageszeitung Apple Daily angeordnet haben, dass die Oscar-Gala nicht live übertragen und das Thema so weit wie möglich ignoriert werden soll. Neben der Nominierung für “Do not split” wird auch “Nomadland” der Chinesin Chloé Zhao (im China.Table) als Grund für Pekings Entscheidung angesehen, die Oscar zu blockieren. Zhaos Film über eine Nomadin am Rande der US-Gesellschaft zählt zu den Favoriten der Oscar-Jury. Zhao hatte Anfang des Monats zwei Golden Globes für Nomadland gewonnen (China.Table berichtete) Doch in China ist sie aufgrund einer kritischen Äußerung Persona non grata. Peking missfällt Zhaos Aussage aus dem Jahr 2013, in China gebe es “überall Lügen”. Entsprechend ist auch nicht klar, ob ihr Film Nomadland in der Volksrepublik überhaupt in den Kinos gezeigt werden wird.
Nach dem Aus für Hongkong bleibt die Frage, ob die Oscar-Verleihung auf dem Festland live übertragen wird. Bisher hat sich der staatliche Sender CCTV dazu nicht geäußert. Die Entscheidung sei laut dem Magazin “Hollywood Reporter” noch offen. niw
Die chinesischen Entwicklungsbanken und staatlich kontrollierten Banken haben 2019 sieben Milliarden US-Dollar an Krediten an afrikanische Staaten vergeben, wie neue Zahlen der China Africa Research Initiative zeigen. Das ist ein Rückgang von 30 Prozent im Vergleich zum Jahr 2018 – und die niedrigste Summe seit 2010. Fünf der sieben Milliarden Dollar flossen in Projekte im Transport- und Energiebereich. Die fünf größten Kreditnehmer waren Ghana, Südafrika, Ägypten – mit jeweils etwas mehr als 1,2 Milliarden Dollar – sowie die Elfenbeinküste und Nigeria mit jeweils mehr als 550 Millionen Dollar. Auffallend ist: Viele der afrikanischen Kreditnehmer, die in den Vorjahren Umschuldungen mit China ausgehandelt hatten, erhielten keine neuen Kredite, darunter die Republik Kongo, Mosambik, Äthiopien und Dschibuti. Andere, darunter Angola, Sambia, Kenia und Kamerun, erhielten relativ kleine Kredite.
Trotz des Rückgangs werden “chinesische Finanzierungen weiterhin eine wichtige Quelle für die Infrastrukturfinanzierung afrikanischer Länder sein“, schreiben Deborah Brautigam und Kevin Acker von der China Africa Research Initiative. Die staatliche Export-Import-Bank Chinas habe ihre Kreditvergabe in Afrika in den vergangenen zehn Jahren reduziert, während Geschäftsbanken ihr Engagement vor Ort erhöht hätten, so die Wissenschaftler:innen. nib
Ferdinand Rudolph-Bartels könnte seine Freizeit mit Golf oder Tennis verbringen. Doch stattdessen hat der 55-Jährige ein anderes Hobby gefunden. Zusammen mit Non-Profit-Unternehmen hilft er Start-Ups aus Deutschland dabei, auf dem chinesischen Markt Fuß zu fassen. “Ich selber habe meine Erfahrung in der westdeutschen Großindustrie gesammelt, die viel in China investiert hat. In den Nullerjahren habe ich sehr viele Investitionen in China betreut – ganz klassische Exportindustrie und Geschäftsaufbau dort”, erinnert er sich. “Ich bin nach Berlin in das Start-Up- und Gründerumfeld gekommen und habe festgestellt, dass viele Technologie-Start-Ups gar keine Vorstellung davon haben, was es bedeutet, international zu expandieren.”
Deshalb hat er die InnoEU Tech Bridge gegründet, mit der er vornehmlich jungen Unternehmen hilft, die schon ein Produkt am Markt haben und nun die Möglichkeiten im asiatischen Raum ausloten wollen. Mit seinem guten Bekannten Volker Hofmann, der für die Humboldt-Universität tätig ist, ist die Idee entstanden, sich auch um Gründerinnen und Gründer in der Frühphase zu kümmern. “Wir haben vor eineinhalb Jahren gesagt: Das Thema ist so komplex. Man muss da früher anfangen. Man muss die Unternehmer dann für das Thema China sensibilisieren, wenn sie in der Gründung oder sogar noch vor der Gründung sind“, erzählt Rudolph-Bartels.
So ist die Humboldt-Tech Bridge entstanden, die sich allerdings nicht nur um Ausgründungen aus der Humboldt-Universität kümmert, sondern mit Start-Ups in ganz Deutschland zusammenarbeitet. “Mit der Humboldt Tech-Bridge sprechen wir ganz dezidiert universitäre Ausgründungen an, die so technologielastig sind, dass es für sie wichtig ist, sich mit Forschung, Entwicklung und Inkubation in China auseinanderzusetzen“, erklärt der studierte Materialwissenschaftler.
Die Vielfalt der betreuten Gründungen und Expansionen auf den chinesischen Markt ist dabei immens. Viele faszinieren Rudolph-Bartels auch persönlich. Er nennt das Beispiel des Unternehmens GrOwnValve. “Es handelt sich um eine Ausgründung aus der Charité mit einem Team an jungen Wissenschaftlern, die von überall herkommen. Sie haben ein Verfahren entwickelt, mit dem man Herzklappen für Kinder und Babys aus dem eigenen Gewebe erzeugen kann”, sagt er. So viel Zeit und Energie er zusammen mit dem Team der Humboldt Tech-Bridge auch investiert, am Ende bleibt es ein Hobby für Rudolph-Bartels. Im normalen Leben ist er selbst Unternehmer und leitet in Berlin die Firma Specs Surface Nano Analysis. Erstmals intensiven Kontakt mit China hatte er vor knapp 21 Jahren, als er für den Technologiekonzern Heraeus tätig war. “Ich hatte damals die Möglichkeit, ein deutsch-chinesisches Joint Venture aufzubauen. Das hat mich von Anfang 2000 bis 2016 mehr oder weniger monatlich nach China gebracht. Ich habe aber nie dort gelebt”, berichtet er. Für touristische Ausflüge sei auch nur selten Zeit geblieben. “Wie sagt man so schön: Ich war einer der Sherpas der deutschen Exportindustrie. Überall in der Welt in den Hotels findet man diese Leute, die halt dort sind, um Produktionsstätten aufzubauen.” Heute hilft er der nächsten Generation dabei, ebenso in China Fuß zu fassen. Constantin Eckner
Ein Blick auf die China Fashon Week in Beijing zeigt: Masken aller Art – wie hier aus der Kollektion der Designerin Janet Chen – schützen nicht nur vor Corona-Viren. Sie entwickeln sich offenbar zu einem prominenten Mode-Accessoire.