unser heutiges Briefing steht ganz im Zeichen der Herausforderungen der Energiewende in China und Europa. Die neue Bundesregierung will die Solarenergie massiv ausbauen und Solaranlagen auf möglichst viele Dächer bringen. Doch China dominiert alle Schritte der Solar-Lieferkette. Beim Ausgangsstoff für Solarmodule gibt es Vorwürfe der Zwangsarbeit in Xinjiang. Wie kann es gelingen, eine Xinjiang-freie Lieferkette zu garantieren? Und wie effektiv wären Handelssanktionen für Produkte aus der Region, wie sie die neue Außenministerin Annalena Baerbock schon ins Gespräch gebracht hat? Diese Frage stehen im Zentrum unserer heutigen Analyse.
Um seine Abhängigkeit von Kohlestrom zu verringern, setzt China auf die erneuerbaren Energien und Atomkraft. Kürzlich feierte die Volksrepublik eine Premiere: Das erste Mal ging ein Atomreaktor der vierten Generation ans Netz. Schon der Bau war schwierig und die Fertigstellung verzögerte sich. Doch wirklich herausfordernd wird der Betrieb des Reaktors, sind sich Experten einig.
Neue Zahlen der nationalen Statistikbehörde zeigen: China konnte im vergangenen Jahr viel mehr Strom aus Wind- und Sonnenkraft gewinnen. Doch auch die Stromgewinnung aus Kohle und Gas stieg stark an. Die Klimabilanz bleibt also durchwachsen.
Wir wünschen viele neue Erkenntnisse und eine frohe Weihnachtszeit. Kommen Sie gut ins neue Jahr!
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien hat die neue Bundesregierung einiges vor. Sie will “alle geeigneten Dachflächen” für die Solarenergie nutzen. Bis 2030 sollen “circa 200 Gigawatt” an Fotovoltaik-Kapazität erreicht werden. Das bedeutet eine Vervierfachung der aktuell installierten Leistung. Dafür will die Ampel-Koalition viele “Hürden für den Ausbau” aus dem Weg räumen. So steht es im Koalitionsvertrag.
Eine große Hürde, die dort nicht genannt wird, ist die Lieferkette der Solarindustrie. Ein großer Teil des Grundstoffs von Solarzellen, Polysilizium, stammt aus der Autonomen Region Xinjiang. Es stehen jedoch Vorwürfe im Raum, dass dieses Polysilizium durch Zwangsarbeit der Volksgruppe der Uiguren hergestellt wird. Damit drohen erhebliche Probleme, wenn künftig ethische Maßstäbe für diese Lieferkette gelten sollen.
Jüngst hat Außenministerin Annalena Baerbock eine eindeutigere Politik gegen Menschenrechtsverletzungen in China angekündigt. “Wenn es keinen Zugang mehr gibt für Produkte, die aus Regionen wie Xinjiang stammen, wo Zwangsarbeit gängige Praxis ist, ist das für ein Exportland wie China ein großes Problem”, sagte sie in einem Interview mit taz und China.Table.
Doch nicht nur China stände dann vor einem Problem. Auch der Ausbau der Solarenergie in Deutschland könnte ins Stocken geraten. Viel des Polysiliziums wird direkt in China weiterverarbeitet. Die Volksrepublik ist Weltmarktführer im Solarbereich und dominiert alle Produktionsschritte. Weltweit stammen drei von vier Solarmodulen und 83 Prozent der Solarzellen aus China. Beim Ausgangsstoff Polysilizium dominiert China 77 Prozent des Weltmarktes. Xinjiang spielt hier wiederum eine besondere Rolle. Geschätzt 50 Prozent der weltweiten Produktion von Polysilizium stammen aus der westchinesischen Region.
Für die Herstellung von Polysilizium und dem Vorprodukt Siliziummetall sind große Mengen Energie nötig. In Xinjiang gibt es sie im Überfluss. In kaum einem anderen Landesteil sind Strom und Prozesshitze zur Herstellung von Polysilizium derart günstig. Vier der größten Hersteller der Welt haben Fabriken in Xinjiang, wie Recherchen des Nachrichtenportals Bloomberg zeigen. Gegen drei Produzenten wurden Vorwürfe laut, dass es in ihren Fabriken zu Zwangsarbeit komme.
Die Vorwürfe beruhen auf Analysen der Beratungsfirmen Horizon Advisory und S&P Global Market Intelligence sowie auf Recherchen des Xinjiang-Forschers Adrian Zenz. Sie kommen unabhängig voneinander zu dem Schluss, dass bei der Herstellung von Polysilizium hunderte Zwangsarbeiter eingesetzt werden. Einem Recherche-Team von Bloomberg wurde der Zutritt in die Fabriken verwehrt. Die Journalisten haben keinen Einblick in die Produktion erhalten und deuten das als Zeichen, dass die Hersteller etwas zu verbergen haben.
Andere Experten geben jedoch zum Teil Entwarnung. Zwar sieht der chinesische Weltmarktanteil auf dem Papier sehr hoch aus. Doch ein großer Teil davon bleibt im Inland. Kein anderes Land installiert so viele Solarmodule wie China. Ein großer Teil der heimischen Produktion geht also gar nicht in den Export.
Außerdem stammt die andere Hälfte der chinesischen Produktion aus Regionen außerhalb Xinjiangs. Zusammen mit der Herstellung in anderen Weltgegenden kommen genug Solarmodule zusammen, um den Bedarf zu decken. “Die USA und Europa zusammen hatten 2020 einen Anteil an den weltweiten PV-Neuinstallationen von rund 30 Prozent”, sagt Marktbeobachter Johannes Bernreuter von der Beratungsfirma Bernreuter Research. “Rechnerisch ist also momentan genügend Polysilizium für die USA und Europa vorhanden, das nicht von Xinjiang tangiert ist.”
Überraschend ist, dass weder die Statistikbehörde der EU (Eurostat) noch das Statistische Bundesamt über aufgeschlüsselte Daten verfügen, wie viele Solarzellen und -module Deutschland aus China importiert.
Doch wenn westliche Käufer Solarzellen und -module aus China kaufen, standen sie bisher vor einem Problem: Bei der Herstellung wird Polysilizium aus verschiedenen Quellen gemischt. Es könnte gut sein, dass auch Ausgangsstoff aus Xinjiang dabei ist, der mit Zwangsarbeit hergestellt wurde. Allerdings stellen sich die chinesischen Hersteller auf die Bedürfnisse des Westens ein. Einige Firmen produzieren vermutlich Xinjiang-freie Segmente und verwenden sie in ihren Solarmodulen für den Export in die USA und Europa, erläutert Bernreuter. “Sie können auch plausibel dokumentieren, dass die Solarmodule und -zellen keine Vorprodukte aus Xinjiang enthalten.”
Demnach könnten sich die Stoffströme einfach aufteilen: Xinjiang-freie Produkte werden für den Export hergestellt. Solarmodule, deren Ausgangsstoff mit Zwangsarbeit hergestellt wird, werden aufgrund der hohen inländischen Nachfrage weiterhin in China verbaut. Westliche Sanktionen und Boykotte von Polysilizium aus Xinjiang hätten somit kaum Effekte. Bernreuter kritisiert: “Zugespitzt formuliert: Der Westen erleichtert sein Gewissen, aber den Uiguren geht es nicht besser.” Allerdings sollte man Sanktionen als politisches Signal nicht unterschätzen, fügt Bernreuter hinzu.
Ein weiteres Problem in der Solar-Lieferkette ist der Ausgangsstoff für Polysilizium: das sogenannte metallurgische Silizium. Die chinesischen Hersteller dieses hochreinen Siliziums haben kein Interesse an Transparenz. Importeure können also kaum sicherzustellen, dass keine Zwangsarbeit bei der Herstellung von metallurgischem Silizium verwendet wird. Einige westliche und asiatische Hersteller von Polysilizium haben ihre Geschäftsbeziehungen zum größten Produzenten von metallurgischem Silizium, Hoshine Silicon aus Xinjiang, deswegen schon beendet. Zudem hat die US-Zollbehörde Maßnahmen gegen Hoshine ergriffen. Es gebe Informationen, dass das Unternehmen Zwangsarbeit einsetzt, so die Behörde. Produkte von Hoshine werden durch den Zoll in US-Häfen konfisziert.
Doch damit ist die Lage mitnichten geklärt. Die USA beraten derzeit über weitere Maßnahmen, um Zwangsarbeit in Xinjiang in importierten Produkten auszuschließen. Da diese noch deutlich weiter reichen, verringert sie das Volumen von legal importierbaren Ausgangsstoffen weiter. Jüngst haben sich das US-Repräsentantenhaus und der Senat auf einen Gesetzesvorschlag geeinigt, der Produkte aus Xinjiang generell unter den Verdacht der Zwangsarbeit stellt (China.Table berichtete).
Die Beweislast wird dadurch umgekehrt. Der Import würde verboten, solange der US-Regierung keine belastbaren Beweise vorgelegt werden, dass bei der Herstellung keine Zwangsarbeit genutzt wurde. US-Präsident Biden muss dem Gesetz noch zustimmen. Die Republikaner werfen Biden eine Verzögerungstaktik vor, da das Gesetz den Ausbau der erneuerbaren Energien erschwere. Bidens Pläne zum Ausbau der Solarenergie sind ähnlich ambitioniert wie die der neuen Bundesregierung. Bis 2050 soll gut die Hälfte des US-Stroms durch Sonnenenergie hergestellt werden. Derzeit sind es lediglich vier Prozent.
Doch laut Experten könnte das US-Gesetz für die Solar-Lieferkette wirkungslos bleiben. Sollte der US-Gesetzesentwurf im kommenden Jahr in Kraft treten, seien die chinesischen Hersteller schon vorbereitet. “Wir gehen davon aus, dass die Hersteller von Solar-Wafern – die sich alle in China befinden – dann in der Lage sein werden, die Lieferketten für verschiedene Märkte zu trennen“, sagt Jenny Chase von Bloomberg NEF und bestätigt damit die Vermutung des Polysilizium-Experten Bernreuter. Eine weitere Frage wird sein, ob die Abnehmerländer den Anbietern die Herkunftsangaben einfach so glauben.
Solar-Lieferketten sind derzeit noch so komplex, dass es schwer möglich ist, wirklich komplett Xinjiang-freie Solarmodule und -zellen herzustellen. Industrieexperte Bernreuter rät der Branche daher, auf Sicherheit zu spielen und sich von China unabhängiger zu machen. “Es führt kein Weg daran vorbei, neue Solarlieferketten außerhalb Chinas aufzubauen.” Das könnte den Preis der Module um circa zehn Prozent erhöhen. “Wenn Umwelt-, Sozial- und Corporate-Governance-Kriterien (ESG) für sie kein Lippenbekenntnis sind, müssen Anleger und Verbraucher bereit sein, diesen Preis zu zahlen”, so Bernreuter.
Auch die neue Bundesregierung deutet gegenüber China.Table Handlungswillen an. Das Auswärtige Amt teilt mit, die Regierung wolle “ein mögliches Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit auf europäischer Ebene unterstützen”. Ebenso soll das europäische Lieferkettengesetz “unterstützt” werden. Klare Kante gegen Zwangsarbeit in Xinjiang klingt jedoch anders.
China hat das erste Mal einen Atomreaktor der vierten Generation an das Stromnetz angeschlossen. Damit ist der gasgekühlte Hochtemperaturreaktor (HTGR) im Kernkraftwerk Shidaowan in der Provinz Shandong aktuell weltweit der einzige seiner Art im kommerziellen Betrieb. Der Reaktor wurde von den staatlichen Stromriesen China Huaneng Group und China National Nuclear Corporation (CNNC) gemeinsam mit der Pekinger Tsinghua-Universität entwickelt und gebaut. Er besteht aus zwei kleinen Turbinenblöcken mit einer Gesamtkapazität von 200 Megawatt (MW). Die zweite Einheit ist im Bau und soll nach Angaben der China Huaneng Group Mitte 2022 ans Netz gehen.
Der neue HTGR basiert nach Angaben von Huaneng auf deutscher Technologie, wurde aber komplett in China entwickelt. Der Lokalisierungsgrad liege bei 93,4 Prozent. Schon 2012 begann der Bau der beiden Turbinen. Die Fertigstellung verzögerte sich jedoch. HTGR-Reaktoren galten lange als sicherste Form der Atomkraft. Doch die einzigen vier jemals kommerziell genutzten Reaktoren dieser Art in den USA und Deutschland wurden aufgrund von Problemen beim Betrieb aufgegeben.
Als emissionsfreie Energieform spielt die Kernenergie bei Chinas Energiewende eine weit größere Rolle als in vielen westlichen Ländern. Daher arbeitet China mit Hochdruck an der Entwicklung eigener Reaktoren. Es ist erst gut ein Jahr her, dass im Kernkraftwerk Fuqing der erste Reaktor der dritten Generation ans Netz ging: ein Druckwasserreaktor namens Hualong One HPR-1000 mit 1.150 Megawatt Leistung (China.Table berichtete). Mehrere weitere Reaktoren dieser Art wurden seither installiert oder sind noch im Bau. Auch mit der Kernfusion experimentiert das Land.
China ist mit 51 Gigawatt (GW) installierter Leistung (Ende 2020) nach den USA und Frankreich der drittgrößte Produzent von Atomstrom. 18,5 weitere GW sind im Bau. In seinem Fünfjahresplan für 2021 bis 2025 sieht Peking die Förderung und Installation von Reaktoren der dritten Generation vor. Insgesamt soll die Kapazität bis Ende 2025 auf 70 GW steigen. Bislang trägt Atomkraft aber nur rund fünf Prozent zum Strommix bei. ck
China hat in den ersten elf Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 14 Prozent mehr Strom aus Solarenergie und 29 Prozent mehr Strom aus Windenergie gewonnen. Allerdings stieg auch die Stromproduktion aus Kohle und Gas um gut 10 Prozent. Der Anstieg bei Atomenergie lag bei gut 12 Prozent. Die Stromproduktion aus Wasserkraft nahm um zwei Prozent ab, wie Zahlen der nationalen Statistikbehörde zeigen. Ein Teil des Anstiegs bei Kohlestrom und den Erneuerbaren ist jedoch statistischen Effekten zuzuordnen. Im Vorjahreszeitraum war die Stromnachfrage aufgrund der Corona-Pandemie gedrosselt.
Zugleich verdichten sich die Anzeichen, dass die Volksrepublik ihr Ziel für den Ausbau für Solarenergie in diesem Jahr verfehlen wird (China.Table berichtete). Der chinesische Verband der Photovoltaik-Industrie gab bekannt, dass die Kapazität zur Erzeugung von Solarenergie in diesem Jahr um 45 bis 55 Gigawatt steigen wird. 10 Gigawatt weniger als zunächst angestrebt. Die Ursachen dafür seien steigende Rohstoffpreise. Für das nächste Jahr wird eine Zunahme der Solar-Kapazität um 75 Gigawatt angestrebt, wie das Wirtschaftsportal Caixin berichtet. nib
Die EU wird ab sofort bei der Einfuhr von Stahltürmen für Windkraftanlagen aus China Ausgleichs-Zölle erheben. Eine Untersuchung hatte nach Angaben der EU-Kommission ergeben, dass chinesische Anbieter die Türme zu Dumping-Preisen importierten. Die Zölle belaufen sich je nach Hersteller der Stahltürme auf 7,4 bis 19,2 Prozent. Sie werden zunächst für eine Dauer von fünf Jahren erhoben. Ziel sei es, die wirtschaftlichen Schäden zu beseitigen, die europäische Hersteller von Stahltürmen durch die Dumping-Preise erlitten haben, teilte die Brüsseler Behörde mit.
Laut der EU-Untersuchung war der Marktanteil chinesischer Fabrikanten im Sommer 2019 auf 34 Prozent gestiegen, während er im Jahr 2017 lediglich 25 Prozent betrug. Die chinesischen Hersteller hatten ihre Stahltürme demnach mit einem Preisnachlass verkauft. Der chinesische Anteil an den EU-Importen von Stahltürmen für Windkraftanlagen liegt bei etwa 80 Prozent. nib
Wie schon länger erwartet, haben Bundeskanzler Olaf Scholz und Chinas Präsident Xi Jinping miteinander telefoniert. Nach offiziellen Verlautbarungen plädierten beide bei dem Gespräch am Dienstag für eine Vertiefung der Zusammenarbeit. Xi sprach sich zudem laut einem Bericht des staatlichen chinesischen Senders CCTV dafür aus, dass regionale Probleme im Dialog gelöst und eine “Kalter-Krieg-Mentalität” entschieden abgelehnt werden sollten. Es ist der übliche Tenor, mit dem China um eine kooperative Haltung der EU und auch Deutschlands wirbt. Schon unmittelbar nach Amtsantritt der neuen Regierung hatte Peking für stabile Beziehungen geworben – gerade angesichts der kritischeren Haltung etwa der neuen Außenministerin Annalena Baerbock.
Die Bundesregierung gab nur eine sehr kurze Erklärung zu dem Telefonat ab. Regierungssprecher Steffen Hebestreit listete eine Auswahl der Themen auf: Neben der Vertiefung der bilateralen Partnerschaft und der Wirtschaftsbeziehungen sei es um die Entwicklung der EU-China-Beziehungen sowie “internationale Themen” gegangen. Das ist erst einmal nicht besonders vielsagend.
Xi plädierte derweil laut CCTV für Kooperationen bei neuen Energien und in der Digitalwirtschaft. Deutsche Firmen seien willkommen, die Möglichkeiten zu ergreifen, die sich aus der Öffnung Chinas ergäben. Umgekehrt äußerte Xi die Hoffnung, dass Deutschland ein faires Geschäftsumfeld für chinesische Unternehmen bieten werde, die in Deutschland investieren wollten. rtr/ck
unser heutiges Briefing steht ganz im Zeichen der Herausforderungen der Energiewende in China und Europa. Die neue Bundesregierung will die Solarenergie massiv ausbauen und Solaranlagen auf möglichst viele Dächer bringen. Doch China dominiert alle Schritte der Solar-Lieferkette. Beim Ausgangsstoff für Solarmodule gibt es Vorwürfe der Zwangsarbeit in Xinjiang. Wie kann es gelingen, eine Xinjiang-freie Lieferkette zu garantieren? Und wie effektiv wären Handelssanktionen für Produkte aus der Region, wie sie die neue Außenministerin Annalena Baerbock schon ins Gespräch gebracht hat? Diese Frage stehen im Zentrum unserer heutigen Analyse.
Um seine Abhängigkeit von Kohlestrom zu verringern, setzt China auf die erneuerbaren Energien und Atomkraft. Kürzlich feierte die Volksrepublik eine Premiere: Das erste Mal ging ein Atomreaktor der vierten Generation ans Netz. Schon der Bau war schwierig und die Fertigstellung verzögerte sich. Doch wirklich herausfordernd wird der Betrieb des Reaktors, sind sich Experten einig.
Neue Zahlen der nationalen Statistikbehörde zeigen: China konnte im vergangenen Jahr viel mehr Strom aus Wind- und Sonnenkraft gewinnen. Doch auch die Stromgewinnung aus Kohle und Gas stieg stark an. Die Klimabilanz bleibt also durchwachsen.
Wir wünschen viele neue Erkenntnisse und eine frohe Weihnachtszeit. Kommen Sie gut ins neue Jahr!
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien hat die neue Bundesregierung einiges vor. Sie will “alle geeigneten Dachflächen” für die Solarenergie nutzen. Bis 2030 sollen “circa 200 Gigawatt” an Fotovoltaik-Kapazität erreicht werden. Das bedeutet eine Vervierfachung der aktuell installierten Leistung. Dafür will die Ampel-Koalition viele “Hürden für den Ausbau” aus dem Weg räumen. So steht es im Koalitionsvertrag.
Eine große Hürde, die dort nicht genannt wird, ist die Lieferkette der Solarindustrie. Ein großer Teil des Grundstoffs von Solarzellen, Polysilizium, stammt aus der Autonomen Region Xinjiang. Es stehen jedoch Vorwürfe im Raum, dass dieses Polysilizium durch Zwangsarbeit der Volksgruppe der Uiguren hergestellt wird. Damit drohen erhebliche Probleme, wenn künftig ethische Maßstäbe für diese Lieferkette gelten sollen.
Jüngst hat Außenministerin Annalena Baerbock eine eindeutigere Politik gegen Menschenrechtsverletzungen in China angekündigt. “Wenn es keinen Zugang mehr gibt für Produkte, die aus Regionen wie Xinjiang stammen, wo Zwangsarbeit gängige Praxis ist, ist das für ein Exportland wie China ein großes Problem”, sagte sie in einem Interview mit taz und China.Table.
Doch nicht nur China stände dann vor einem Problem. Auch der Ausbau der Solarenergie in Deutschland könnte ins Stocken geraten. Viel des Polysiliziums wird direkt in China weiterverarbeitet. Die Volksrepublik ist Weltmarktführer im Solarbereich und dominiert alle Produktionsschritte. Weltweit stammen drei von vier Solarmodulen und 83 Prozent der Solarzellen aus China. Beim Ausgangsstoff Polysilizium dominiert China 77 Prozent des Weltmarktes. Xinjiang spielt hier wiederum eine besondere Rolle. Geschätzt 50 Prozent der weltweiten Produktion von Polysilizium stammen aus der westchinesischen Region.
Für die Herstellung von Polysilizium und dem Vorprodukt Siliziummetall sind große Mengen Energie nötig. In Xinjiang gibt es sie im Überfluss. In kaum einem anderen Landesteil sind Strom und Prozesshitze zur Herstellung von Polysilizium derart günstig. Vier der größten Hersteller der Welt haben Fabriken in Xinjiang, wie Recherchen des Nachrichtenportals Bloomberg zeigen. Gegen drei Produzenten wurden Vorwürfe laut, dass es in ihren Fabriken zu Zwangsarbeit komme.
Die Vorwürfe beruhen auf Analysen der Beratungsfirmen Horizon Advisory und S&P Global Market Intelligence sowie auf Recherchen des Xinjiang-Forschers Adrian Zenz. Sie kommen unabhängig voneinander zu dem Schluss, dass bei der Herstellung von Polysilizium hunderte Zwangsarbeiter eingesetzt werden. Einem Recherche-Team von Bloomberg wurde der Zutritt in die Fabriken verwehrt. Die Journalisten haben keinen Einblick in die Produktion erhalten und deuten das als Zeichen, dass die Hersteller etwas zu verbergen haben.
Andere Experten geben jedoch zum Teil Entwarnung. Zwar sieht der chinesische Weltmarktanteil auf dem Papier sehr hoch aus. Doch ein großer Teil davon bleibt im Inland. Kein anderes Land installiert so viele Solarmodule wie China. Ein großer Teil der heimischen Produktion geht also gar nicht in den Export.
Außerdem stammt die andere Hälfte der chinesischen Produktion aus Regionen außerhalb Xinjiangs. Zusammen mit der Herstellung in anderen Weltgegenden kommen genug Solarmodule zusammen, um den Bedarf zu decken. “Die USA und Europa zusammen hatten 2020 einen Anteil an den weltweiten PV-Neuinstallationen von rund 30 Prozent”, sagt Marktbeobachter Johannes Bernreuter von der Beratungsfirma Bernreuter Research. “Rechnerisch ist also momentan genügend Polysilizium für die USA und Europa vorhanden, das nicht von Xinjiang tangiert ist.”
Überraschend ist, dass weder die Statistikbehörde der EU (Eurostat) noch das Statistische Bundesamt über aufgeschlüsselte Daten verfügen, wie viele Solarzellen und -module Deutschland aus China importiert.
Doch wenn westliche Käufer Solarzellen und -module aus China kaufen, standen sie bisher vor einem Problem: Bei der Herstellung wird Polysilizium aus verschiedenen Quellen gemischt. Es könnte gut sein, dass auch Ausgangsstoff aus Xinjiang dabei ist, der mit Zwangsarbeit hergestellt wurde. Allerdings stellen sich die chinesischen Hersteller auf die Bedürfnisse des Westens ein. Einige Firmen produzieren vermutlich Xinjiang-freie Segmente und verwenden sie in ihren Solarmodulen für den Export in die USA und Europa, erläutert Bernreuter. “Sie können auch plausibel dokumentieren, dass die Solarmodule und -zellen keine Vorprodukte aus Xinjiang enthalten.”
Demnach könnten sich die Stoffströme einfach aufteilen: Xinjiang-freie Produkte werden für den Export hergestellt. Solarmodule, deren Ausgangsstoff mit Zwangsarbeit hergestellt wird, werden aufgrund der hohen inländischen Nachfrage weiterhin in China verbaut. Westliche Sanktionen und Boykotte von Polysilizium aus Xinjiang hätten somit kaum Effekte. Bernreuter kritisiert: “Zugespitzt formuliert: Der Westen erleichtert sein Gewissen, aber den Uiguren geht es nicht besser.” Allerdings sollte man Sanktionen als politisches Signal nicht unterschätzen, fügt Bernreuter hinzu.
Ein weiteres Problem in der Solar-Lieferkette ist der Ausgangsstoff für Polysilizium: das sogenannte metallurgische Silizium. Die chinesischen Hersteller dieses hochreinen Siliziums haben kein Interesse an Transparenz. Importeure können also kaum sicherzustellen, dass keine Zwangsarbeit bei der Herstellung von metallurgischem Silizium verwendet wird. Einige westliche und asiatische Hersteller von Polysilizium haben ihre Geschäftsbeziehungen zum größten Produzenten von metallurgischem Silizium, Hoshine Silicon aus Xinjiang, deswegen schon beendet. Zudem hat die US-Zollbehörde Maßnahmen gegen Hoshine ergriffen. Es gebe Informationen, dass das Unternehmen Zwangsarbeit einsetzt, so die Behörde. Produkte von Hoshine werden durch den Zoll in US-Häfen konfisziert.
Doch damit ist die Lage mitnichten geklärt. Die USA beraten derzeit über weitere Maßnahmen, um Zwangsarbeit in Xinjiang in importierten Produkten auszuschließen. Da diese noch deutlich weiter reichen, verringert sie das Volumen von legal importierbaren Ausgangsstoffen weiter. Jüngst haben sich das US-Repräsentantenhaus und der Senat auf einen Gesetzesvorschlag geeinigt, der Produkte aus Xinjiang generell unter den Verdacht der Zwangsarbeit stellt (China.Table berichtete).
Die Beweislast wird dadurch umgekehrt. Der Import würde verboten, solange der US-Regierung keine belastbaren Beweise vorgelegt werden, dass bei der Herstellung keine Zwangsarbeit genutzt wurde. US-Präsident Biden muss dem Gesetz noch zustimmen. Die Republikaner werfen Biden eine Verzögerungstaktik vor, da das Gesetz den Ausbau der erneuerbaren Energien erschwere. Bidens Pläne zum Ausbau der Solarenergie sind ähnlich ambitioniert wie die der neuen Bundesregierung. Bis 2050 soll gut die Hälfte des US-Stroms durch Sonnenenergie hergestellt werden. Derzeit sind es lediglich vier Prozent.
Doch laut Experten könnte das US-Gesetz für die Solar-Lieferkette wirkungslos bleiben. Sollte der US-Gesetzesentwurf im kommenden Jahr in Kraft treten, seien die chinesischen Hersteller schon vorbereitet. “Wir gehen davon aus, dass die Hersteller von Solar-Wafern – die sich alle in China befinden – dann in der Lage sein werden, die Lieferketten für verschiedene Märkte zu trennen“, sagt Jenny Chase von Bloomberg NEF und bestätigt damit die Vermutung des Polysilizium-Experten Bernreuter. Eine weitere Frage wird sein, ob die Abnehmerländer den Anbietern die Herkunftsangaben einfach so glauben.
Solar-Lieferketten sind derzeit noch so komplex, dass es schwer möglich ist, wirklich komplett Xinjiang-freie Solarmodule und -zellen herzustellen. Industrieexperte Bernreuter rät der Branche daher, auf Sicherheit zu spielen und sich von China unabhängiger zu machen. “Es führt kein Weg daran vorbei, neue Solarlieferketten außerhalb Chinas aufzubauen.” Das könnte den Preis der Module um circa zehn Prozent erhöhen. “Wenn Umwelt-, Sozial- und Corporate-Governance-Kriterien (ESG) für sie kein Lippenbekenntnis sind, müssen Anleger und Verbraucher bereit sein, diesen Preis zu zahlen”, so Bernreuter.
Auch die neue Bundesregierung deutet gegenüber China.Table Handlungswillen an. Das Auswärtige Amt teilt mit, die Regierung wolle “ein mögliches Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit auf europäischer Ebene unterstützen”. Ebenso soll das europäische Lieferkettengesetz “unterstützt” werden. Klare Kante gegen Zwangsarbeit in Xinjiang klingt jedoch anders.
China hat das erste Mal einen Atomreaktor der vierten Generation an das Stromnetz angeschlossen. Damit ist der gasgekühlte Hochtemperaturreaktor (HTGR) im Kernkraftwerk Shidaowan in der Provinz Shandong aktuell weltweit der einzige seiner Art im kommerziellen Betrieb. Der Reaktor wurde von den staatlichen Stromriesen China Huaneng Group und China National Nuclear Corporation (CNNC) gemeinsam mit der Pekinger Tsinghua-Universität entwickelt und gebaut. Er besteht aus zwei kleinen Turbinenblöcken mit einer Gesamtkapazität von 200 Megawatt (MW). Die zweite Einheit ist im Bau und soll nach Angaben der China Huaneng Group Mitte 2022 ans Netz gehen.
Der neue HTGR basiert nach Angaben von Huaneng auf deutscher Technologie, wurde aber komplett in China entwickelt. Der Lokalisierungsgrad liege bei 93,4 Prozent. Schon 2012 begann der Bau der beiden Turbinen. Die Fertigstellung verzögerte sich jedoch. HTGR-Reaktoren galten lange als sicherste Form der Atomkraft. Doch die einzigen vier jemals kommerziell genutzten Reaktoren dieser Art in den USA und Deutschland wurden aufgrund von Problemen beim Betrieb aufgegeben.
Als emissionsfreie Energieform spielt die Kernenergie bei Chinas Energiewende eine weit größere Rolle als in vielen westlichen Ländern. Daher arbeitet China mit Hochdruck an der Entwicklung eigener Reaktoren. Es ist erst gut ein Jahr her, dass im Kernkraftwerk Fuqing der erste Reaktor der dritten Generation ans Netz ging: ein Druckwasserreaktor namens Hualong One HPR-1000 mit 1.150 Megawatt Leistung (China.Table berichtete). Mehrere weitere Reaktoren dieser Art wurden seither installiert oder sind noch im Bau. Auch mit der Kernfusion experimentiert das Land.
China ist mit 51 Gigawatt (GW) installierter Leistung (Ende 2020) nach den USA und Frankreich der drittgrößte Produzent von Atomstrom. 18,5 weitere GW sind im Bau. In seinem Fünfjahresplan für 2021 bis 2025 sieht Peking die Förderung und Installation von Reaktoren der dritten Generation vor. Insgesamt soll die Kapazität bis Ende 2025 auf 70 GW steigen. Bislang trägt Atomkraft aber nur rund fünf Prozent zum Strommix bei. ck
China hat in den ersten elf Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 14 Prozent mehr Strom aus Solarenergie und 29 Prozent mehr Strom aus Windenergie gewonnen. Allerdings stieg auch die Stromproduktion aus Kohle und Gas um gut 10 Prozent. Der Anstieg bei Atomenergie lag bei gut 12 Prozent. Die Stromproduktion aus Wasserkraft nahm um zwei Prozent ab, wie Zahlen der nationalen Statistikbehörde zeigen. Ein Teil des Anstiegs bei Kohlestrom und den Erneuerbaren ist jedoch statistischen Effekten zuzuordnen. Im Vorjahreszeitraum war die Stromnachfrage aufgrund der Corona-Pandemie gedrosselt.
Zugleich verdichten sich die Anzeichen, dass die Volksrepublik ihr Ziel für den Ausbau für Solarenergie in diesem Jahr verfehlen wird (China.Table berichtete). Der chinesische Verband der Photovoltaik-Industrie gab bekannt, dass die Kapazität zur Erzeugung von Solarenergie in diesem Jahr um 45 bis 55 Gigawatt steigen wird. 10 Gigawatt weniger als zunächst angestrebt. Die Ursachen dafür seien steigende Rohstoffpreise. Für das nächste Jahr wird eine Zunahme der Solar-Kapazität um 75 Gigawatt angestrebt, wie das Wirtschaftsportal Caixin berichtet. nib
Die EU wird ab sofort bei der Einfuhr von Stahltürmen für Windkraftanlagen aus China Ausgleichs-Zölle erheben. Eine Untersuchung hatte nach Angaben der EU-Kommission ergeben, dass chinesische Anbieter die Türme zu Dumping-Preisen importierten. Die Zölle belaufen sich je nach Hersteller der Stahltürme auf 7,4 bis 19,2 Prozent. Sie werden zunächst für eine Dauer von fünf Jahren erhoben. Ziel sei es, die wirtschaftlichen Schäden zu beseitigen, die europäische Hersteller von Stahltürmen durch die Dumping-Preise erlitten haben, teilte die Brüsseler Behörde mit.
Laut der EU-Untersuchung war der Marktanteil chinesischer Fabrikanten im Sommer 2019 auf 34 Prozent gestiegen, während er im Jahr 2017 lediglich 25 Prozent betrug. Die chinesischen Hersteller hatten ihre Stahltürme demnach mit einem Preisnachlass verkauft. Der chinesische Anteil an den EU-Importen von Stahltürmen für Windkraftanlagen liegt bei etwa 80 Prozent. nib
Wie schon länger erwartet, haben Bundeskanzler Olaf Scholz und Chinas Präsident Xi Jinping miteinander telefoniert. Nach offiziellen Verlautbarungen plädierten beide bei dem Gespräch am Dienstag für eine Vertiefung der Zusammenarbeit. Xi sprach sich zudem laut einem Bericht des staatlichen chinesischen Senders CCTV dafür aus, dass regionale Probleme im Dialog gelöst und eine “Kalter-Krieg-Mentalität” entschieden abgelehnt werden sollten. Es ist der übliche Tenor, mit dem China um eine kooperative Haltung der EU und auch Deutschlands wirbt. Schon unmittelbar nach Amtsantritt der neuen Regierung hatte Peking für stabile Beziehungen geworben – gerade angesichts der kritischeren Haltung etwa der neuen Außenministerin Annalena Baerbock.
Die Bundesregierung gab nur eine sehr kurze Erklärung zu dem Telefonat ab. Regierungssprecher Steffen Hebestreit listete eine Auswahl der Themen auf: Neben der Vertiefung der bilateralen Partnerschaft und der Wirtschaftsbeziehungen sei es um die Entwicklung der EU-China-Beziehungen sowie “internationale Themen” gegangen. Das ist erst einmal nicht besonders vielsagend.
Xi plädierte derweil laut CCTV für Kooperationen bei neuen Energien und in der Digitalwirtschaft. Deutsche Firmen seien willkommen, die Möglichkeiten zu ergreifen, die sich aus der Öffnung Chinas ergäben. Umgekehrt äußerte Xi die Hoffnung, dass Deutschland ein faires Geschäftsumfeld für chinesische Unternehmen bieten werde, die in Deutschland investieren wollten. rtr/ck