vor gut sieben Jahren stellte die kommunistische Staatsführung ihre Vorlage für ein weitreichendes soziales Kreditsystem vor. Die Bürger- und Unternehmensbewertung basiert auf dem aus der Finanzwirtschaft bekannten Scoring-System zur Prüfung der Kreditwürdigkeit. Peking wollte damit nach eigenen Angaben mehr Verlässlichkeit im wirtschaftlichen Austausch schaffen. Kritiker:innen sehen in dem System aber eine “Schufa auf Anabolika” – denn die potenziell eingetragenen Daten umfassen mehr als die bloße Bonität von Individuen und Firmen.
Bisher hat sich beim Ausbau des Kreditsystems jedoch bei Weitem nicht so viel getan wie geplant, berichtet Frank Sieren aus China. Bisher gibt es lediglich verstreute Feldversuche. Doch die Vernetzung ist im Gange. Offen ist daher bisher auch noch: Was macht ein allmächtiger Staat am Ende aus dem Social-Scoring-System? Etwas überraschend ist daher eine andere Erkenntnis. Aus der Bevölkerung gibt es generell Zustimmung für die Sozialpunkte.
Unseren wirtschaftlichen Fokus legen wir heute auf einen “Hidden Champion” par excellence. Wissen Sie, wer der größte Smartphone-Hersteller der Welt ist? Was ist Ihr Tipp? Samsung, Apple, Huawei? Alles falsch. BBK Electronics ist Verbrauchern zwar praktisch unbekannt, produziert aber weltweit jedes vierte Handy. Wir stellen Ihnen das Unternehmen aus Guangzhou vor.
Eigentlich wollte Peking sein vor allem im Westen kontrovers diskutiertes “Social-Credit-System” bereits Ende 2020 landesweit einführen (China.Table berichtete). Das vor sieben Jahren offiziell angekündigte digitale Bürger- und Unternehmensranking beschränkt sich bislang jedoch auf eine Reihe von Pilotprojekten in verschiedenen Städten und Regionen. Die Plattform China Law Translate hat insgesamt siebzig Kleinprojekte gezählt. Über die meisten ist jedoch wenig bekannt.
Größere Projekte gab es in Suining (drei Millionen Einwohner), in Rongcheng (eine Million Einwohner) und innerhalb des Sesame-Credit-Systems des Onlinekonzerns Alibaba. In dem System, das noch am ehesten mit der deutschen Schufa vergleichbar ist, wird die Kreditwürdigkeit anhand des Konsumverhaltens innerhalb verschiedener Alibaba-Apps berechnet, zum Beispiel über den Finanzdienstleister Ant Financial oder die E-Commerce-Plattform Taobao. Je höher der Punktestand, umso mehr Rabatte und Sonderangebote werden dem Nutzer angeboten. Kunden und Anbieter werden wie bei Ebay bewertet, wobei jedoch auch Informationen aus der Schuldnerdatenbank mit einfließen.
Eine Blaupause für das staatliche Social-Scoring-System wird Sesame Credit jedoch kaum. Obwohl der chinesische Staat bei dem Thema eng mit den großen Tech-Konzernen zusammenarbeitet, verweigerte die Zentralbank der von Jack Ma geführten Ant Financial die Lizenz für die Teilnahme an einem nationalen sozialen Kreditsystem bereits 2018. Der Staat will die Hoheit über das Projekt behalten.
Ein Report des internationalen Thinktanks Trivium China hat herausgefunden, dass bei diesem System die “Datenvollständigkeit der verschiedenen Behörden zwischen 10 und 90 Prozent schwankt.” Daraus lasse sich schließen, dass es “noch riesige Lücken im Datenaustausch zwischen den Behörden gibt.”
Immerhin haben die verschiedenen Feldversuche dazu geführt, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen nun zügig Gestalt annehmen. Seit Dezember 2020 zirkuliert der erste Gesetzesentwurf für das Social-Credit-Gesetz zur Evaluierung – ohne große Überraschungen. Im Januar dann hat die Entwicklungs- und Reformkommission NDRC einen nationalen Standard für Kreditinformationen veröffentlicht.
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei wiederum hat einen Fahrplan bis 2025 für den Aufbau von “Regeln einer Gesetzesgesellschaft”, in der das Social-Credit-System eine zentrale Rolle spielen sollte. Damit rückt China einem einheitlichen System einen großen Schritt näher. Denn bisher gibt es nur eine Reihe von dezentralen Datenbanken auf verschiedenen staatlichen Ebenen. Oft werden die Einträge dort jedoch nicht einmal digital übermittelt, sondern von den Aufsichtsbehörden manuell in Papierform erstellt. Lückenlos vernetzte Digital-Überwachung sieht anders aus.
Da so ein System jedoch technisch machbar ist, wird es wohl nur eine Frage der Zeit und weiterer Testläufe sein, bis es Realität wird. Momentan wird die National Credit Information Sharing Platform (NCISP), die schon seit 2003 existiert, weiter ausgebaut. Hierbei handelt es sich vor allem um einen Datenpool, auf den die Behörden, Lokalregierungen, Industrieverbände, Banken und zum Teil auch die Öffentlichkeit zugreifen können. Unternehmen können schon jetzt bei Creditchina einsehen, ob sie Einträge haben, etwa wegen Rechtsstreitigkeiten oder Finanzproblemen. Bei Creditchina handelt es sich um eine Datenbank der NDRC und der State Administration of Market Regulation (SAMR).
Eine Studie des Berliner China Thinktanks Merics hat gezeigt, dass es zwischen 2003 und 2020 bei 73,3 Prozent der in offiziellen Dokumenten erwähnten Fälle es um Firmen ging und in wenigen Fällen um Individuen. Dabei wird deutlich, dass das Scoring-System auch für ausländische Unternehmen gilt. Sie sollen ebenfalls nach Kriterien wie Umweltschutz, Qualitätsmanagement oder Arbeitsschutz bewertet werden. In diesem Bereich ist die Verunsicherung groß. Problematisch wäre das System, wenn ausländische Unternehmen in bestimmten Situationen besonders streng beurteilt oder verstärkt an den Pranger gestellt würden. Das ist aber bisher noch nicht der Fall, sondern nur eine Befürchtung.
Eine repräsentative Umfrage des Instituts für Chinastudien der FU Berlin in 2018 hat derweil ergeben, dass 80 Prozent von 2000 überregional befragten Chinesen das Vorhaben des Kreditsystems befürworten, während nur ein Prozent es explizit ablehnte. Einige Teilnehmer bezeichneten ein solches System gar als wichtig, um “institutionelle und regulatorische Lücken zu schließen”. Interessant ist, dass sich vor allem Chinesen aus der gebildeten Mittelschicht für das System ausgesprochen haben. Sie geben ihre privaten Daten preis, damit das soziale und wirtschaftliche Leben stabiler, verlässlicher und risikoärmer wird.
Denn ob es um Lebensmittelqualität geht, um Geschäftspartner, um Krankenhäuser oder Verkehrsteilnehmer: In China fehlt es in vielen Bereichen noch immer an einem gut entwickelten Rechtssystem und regulierenden Mechanismen. Auch deswegen sind viele Chinesen überzeugt, dass ihr Alltag durch das soziale Kreditsystem reibungsloser abläuft und sicherer wird. Die reale Möglichkeit der politischen Überwachung spielt in der gegenwärtigen Wahrnehmung nur eine nachrangige Rolle.
Das kann sich natürlich ändern, je nachdem, was ein allmächtiger Staat am Ende aus dem Social-Scoring-System macht. Viele Fragen sind noch offen: Wie zentral wird das System am Ende sein? Fließen alle Daten von Arbeitgebern, Vermietern und vielleicht sogar Bekannten mit ein? Bekommt man bei kleineren Vergehen wie dem Überqueren einer roten Ampel bereits Minuspunkte? Werden politisch unliebsame Äußerungen geahndet? Lassen sich Fehler wieder rückgängig machen?
Bis Mitte 2019 haben chinesische Gerichte bereits 27 Millionen Bürger auf eine “No Fly”-Liste gesetzt. Die dürfen keine Flugtickets buchen. 14 Millionen wurde die Bonität abgesprochen. Betroffen waren vor allem Bürger, die andere betrogen, Schulden nicht zurückbezahlt oder mit gefälschten Zertifikaten Geschäfte gemacht haben. Also Straftäter.
Die vergleichsweise hohe Akzeptanz eines Social-Scoring-Systems heißt aber nicht, dass den Chinesen Datenschutz egal wäre. Wie einst beim Umweltschutz wächst auch hier langsam ein Bewusstsein für die Gefahren. Peking steht vor einem Balanceakt: Die Regierung muss die Gesellschaft und die Wirtschaft verlässlicher machen und gleichzeitig den Datenmissbrauch verhindern. Im Oktober 2020 wurde vorsorglich der erste Entwurf eines Datenschutzgesetzes vorgelegt, das seitdem konstant weiterentwickelt wird. Das Personal Information Protection Law (PIPL) gibt den Chinesen einen weit größeren Spielraum als zuvor, um ihre Daten vor Diebstahl und Missbrauch zu schützen und im Ernstfall Rechtsmittel einzulegen. Es gleicht bis ins Detail der Europäischen Datenschutzverordnung. Zentral ist der Grundsatz, dass die eigenen Daten einem selbst gehören. Im chinesischen Gesetz behält der Staat sich jedoch vor, Daten zu erheben, die ihm für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit wichtig erscheinen. Diese Lücke ist vor allem auch für das Social-Scoring-System wichtig.
Die jüngste Studie zu diesem Thema kommt von der New Yorker Kommunikationsberatung Burson Cohn & Wolfe (BCW Global), die diese mit über 4.000 Mitarbeitern für ihre Kunden erstellt hat. In den kommenden fünf Jahren und wahrscheinlich auch darüber hinaus, erläutert Jessica Reilly, eine der Direktoren des Unternehmens, werde das Kreditsystem benutzt “um die wirtschaftliche Regierungsführung zu verbessern.” Dabei gehe es vor allem um “fairen Wettbewerb, Marktüberwachung und Gesetzesbefolgung.” Langfristig sei es “klar, dass das Social Credit System in den großen Plan der KP passt, mittels datenbasierten Regierungsführung alle Sphären der Gesellschaft zu umfassen.” Es sei allerdings noch unklar “wie umfassend, weitreichend und effizient das System in der Praxis sein wird und wie schnell es Realität wird.”
Es ist erst ein Jahr her, dass Huawei zumindest kurzzeitig als erstes chinesisches Unternehmen alle anderen Smartphone-Hersteller bei den Verkaufszahlen hinter sich lassen konnte. Mit einem globalen Marktanteil von 20 Prozent hatte sich der Konzern aus dem südchinesischen Shenzhen im zweiten Quartal 2020 erstmals den Spitzenplatz gesichert – noch vor Samsung. Was danach passierte, ist bekannt: Die US-Sanktionen schlugen ein und das Smartphone-Geschäft von Huawei fiel unerbittlich in sich zusammen.
Gerade mal vier Prozent Marktanteil waren Ende des ersten Quartals 2021 noch übrig. Was viele nicht wissen: Obwohl Huawei abgestürzt ist, führt mit BBK Electronics nach wie vor ein chinesisches Unternehmen das Ranking der weltweit größten Smartphone-Hersteller an.
Die Firma ist Verbrauchern so gut wie nicht bekannt, da sie ihre Geräte unter mehreren Markennamen anbietet: Oppo, Vivo und Realme sind die bekanntesten von ihnen. Gemeinsam kamen sie in den ersten drei Monaten 2021 auf einen weltweiten Marktanteil von 25 Prozent – mindestens jedes vierte auf dem Planten verkaufte Handy wurde demnach von BBK produziert.
Hinter dem Unternehmen steht der heimliche Smartphone-König Chinas, Duan Yongping. Er gibt keine Interviews und generell ist wenig über ihn bekannt. Das einzige Mal, dass Duan überhaupt international für Schlagzeilen gesorgt hat, liegt schon 15 Jahre zurück. Im Jahr 2006 hat er für damals 620.000 Dollar bei Ebay ein Mittagessen mit der Investoren-Legende Warren Buffett ersteigert.
Die zurückgezogene Art des chinesischen Milliardärs schmälert seinen Erfolg jedoch nicht. Vor allem mit den Marken Oppo und Vivo hat Duan unter dem Dach von BBK zwei Smartphone-Giganten geschaffen, die zuerst China erobert haben und sich nun im Rest der Welt breit machen. Während Oppo zuletzt auf einen globalen Marktanteil von 11 Prozent kam, schaffte Vivo 10 Prozent (China.Table berichtete).
Dabei hatte Duan mit seinen Handys ursprünglich spöttische Bemerkungen geerntet. Sie galten als billige iPhone-Kopien für die Masse. Doch längst sind Chinas Verbraucher darauf aufmerksam geworden, dass die Geräte trotz kleinem Preis gute Leistung erbringen.
Der 1961 geborene Duan hat eine Ausbildung als Elektroingenieur absolviert. Seinen Master schloss er an der Pekinger Volksuniversität ab. Seine Unternehmerkarriere begann er im Alter von 28 Jahren in der südchinesischen Provinz Guangdong. Innerhalb eines Jahrzehnts baute er zwei Unternehmen auf: Den Spielekonsolen-Hersteller Subor sowie BBK Electronics. Damals war BKK vor allem für DVD-Player bekannt.
Chinesische Verbraucher haben jahrelang auf einheimische Marken gewartet, auf die sie stolz sein können, und Firmen wie Huawei, Xiaomi, Vivo und Oppo haben ihnen diesen Wunsch erfüllt. Duan ist so erfolgreich, weil er die Expansionsstrategie der ausländischen Hersteller in China auf den Kopf gestellt hat. Während sich Apple und Samsung zunächst auf die Top-Metropolen Peking und Shanghai konzentrierten, und erst dann damit begannen, den Rest des Landes zu erobern, mischte Duan das Feld von den Provinzen her auf.
Mit einem massiven Werbebudget startete er in den zahlreichen aber weniger bekannten Millionenstädten der chinesischen Provinz. Dort warteten hunderte Millionen Menschen nur darauf, endlich ein Smartphone zu besitzen, das technisch den Marken aus dem Ausland in nichts nachsteht, dafür aber erschwinglicher ist.
Ganze Straßenzüge ließ Duan quer durchs Land mit den typischen grünen Werbe-Schildern von Oppo und Vivo zupflastern. Zudem setzte er auf Verträge mit chinesischen Stars, die seine Smartphones bekannter machen sollten. Auch verzichtete Duan weitestgehend auf eigene Läden, und gewann dafür das ohnehin dichte Netz an freien Smartphone-Geschäften für sich, in dem er Händler mit Bonus-Zahlungen und anderen Vergünstigungen dazu animierte, ihre Läden mit Oppo- und Vivo-Werbung zu schmücken.
Seit auch Chinas Smartphone-Markt seit einigen Jahren erste Anzeichen der Sättigung erkennen lässt, wiederholt Duan nun das gleiche Manöver in Indien und Südostasien, wo chinesische Hersteller vielerorts schon präsenter sind als Samsung und erst recht Apple. Die wichtigsten Märkte von Oppo und Vivo liegen daher weiterhin im Globalen Süden. Joern Petring/ Gregor Koppenburg
Die Zeitung “Apple Daily” in Hongkong steht möglicherweise kurz vor der Schließung. Es sei sogar eine Einstellung der Produktion am Freitag im Gespräch, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Da die Finanzmittel der Zeitung eingefroren seien, könnten keine Gehälter mehr bezahlt werden, sagte ein Verlagsmitarbeiter. Die Zeitung hat die Behörden ersucht, die Konten wieder freizugeben. Bisher gibt es aber noch keine Signale, die auf ein Einlenken hindeuten.
Die Apple Daily hatte sich in den vergangenen Jahren klar auf die Seite der Demokratiebewegung geschlagen. Die Regierung hat in der vergangenen Woche nun ihre Befugnisse aus dem neuen Sicherheitsgesetz genutzt, um Schlüsselfiguren wie den Chefredakteur zu verhaften (China.Table berichtete). Am Wochenende fand der erste Gerichtstermin für die Verhafteten statt. Das Gericht hat dabei einen Antrag auf Freilassung auf Kaution abgewiesen.
Mit dem Angriff auf die Finanzen des Verlags kann die Regierung das Blatt nun auch auf ganz praktischer Ebene in die Knie zwingen. Selbst wenn die Zeitung vorerst überlebt: Mit der Einschüchterung der Apple Daily verliert die Meinungsfreiheit in Hongkong weiter an Boden. fin
Der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet spricht sich für einen fortgesetzten Dialog mit China aus. Der britischen Zeitung Financial Times sagte er: “Die Frage ist: Wenn wir von der Eingrenzung Chinas sprechen, führt das nicht zu neuen Konflikten?” Viele Europäer:innen seien misstrauisch gegenüber der harten Haltung von US-Präsident Joe Biden beim Umgang mit China. Diese könne in einen neuen Kalten Krieg führen. “China ist ein Wettbewerber und systemischer Rivale und hat ein abweichendes Gesellschaftsmodell, aber ist auch ein Partner.”
Laschet bewegt sich damit inhaltlich und rhetorisch im Kielwasser von Angela Merkel, die ebenfalls eine partnerschaftliche Grundhaltung gegenüber China gepflegt hat, bei der Kritik eher vorsichtig vorgebracht wurde. International finden die außenpolitischen Positionen von Laschet und seiner Herausforderin Annalena Baerbock von den Grünen derzeit viel Beachtung. Gerade beim Umgang mit China macht das Wahlergebnis nach allgemeinen Einschätzung den Unterschied zwischen Kontinuität oder einer Neuausrichtung auf Menschenrechtsfragen aus. fin
Die Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, möchte zeitnah nach China und auch in die Provinz Xinjiang reisen. Sie führe Gespräche mit den zuständigen Stellen und hoffe, dass ein Besuch noch in diesem Jahr möglich werden könnte, sagte Bachelet am Montag bei einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrates. Demnach werde über die Modalitäten eines “sinnvollen Zugangs” (“meaningful access”) zu Xinjiang verhandelt. Bachelet sprach damit erstmals öffentlich über eine Reise in die Region, ihr Büro verhandelt laut einem Bericht von Reuters bereits seit 2018 mit den chinesischen Behörden darüber.
Bachelet äußerte sich zudem zum Nationalen Sicherheitsgesetz in Hongkong. Dieses habe eine “abschreckende Wirkung” auf die Demokratie und Medien. Im Rahmen des Gesetzes seien 107 Personen festgenommen und darunter 57 formell angeklagt worden, so die Menschenrechtsbeauftragte. Die Verfahren, die Ende dieser Woche beginnen, seien nun ein wichtiger “Unabhängigkeitstest für Hongkongs Justiz”, sagte Bachelet.
Voraussichtlich am Dienstag werden mehrere Länder, angeführt von Kanada, eine gemeinsame Erklärung vor dem UN-Rat abgeben, in der Besorgnis über die Menschenrechtslage in Xinjiang geäußert und China aufgefordert wird, Bachelet und anderen unabhängigen Beobachtern uneingeschränkten Zugang zu gewähren. ari
China macht bei seinem angekündigten Schlag gegen Bitcoin-Minen ernst. In der Provinz Sichuan kappen die Versorger auf staatliches Geheiß die Stromzufuhr zu 25 Standorten. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Berichte in sozialen Netzwerken in der Volksrepublik. Zuvor hatte die Regierung in Peking dem Krypto-Mining auf heimischem Boden den Kampf angesagt (China.Table berichtete). Die Minen schaffen neue Einheiten von Digitalwährungen und wenden dafür sehr viel Energie auf. fin
China ist einer Studie zufolge der größte Exporteur von in Kinderarbeit gefertigten Waren, die in der EU landen. Allein im Jahr 2019 seien Elektroartikel, die durch Kinderarbeit gefertigt wurden, im Wert von rund 35 Milliarden Euro in die Europäische Union importiert worden, hieß es in einer Studie, die die Fraktion der Grünen/EFA im Europaparlament in Auftrag gegeben hatte. Die Elektroartikel machten dabei den höchsten Anteil aus. Spielzeug, das mit Kinderarbeit entstanden ist, wurde der Studie zufolge im Wert von gut einer Milliarde Euro importiert.
Textilien aus Fertigung mit Kinderarbeit wurden demnach im Wert von rund 800 Millionen Euro importiert. Auch Baumwolle, die aus Kinderarbeit stammt, wurde der Untersuchung zufolge aus China im Wert von gut 100 Millionen Euro in die EU eingeführt. Zudem fanden Feuerwerk und Baumaterialien ihren Weg in den EU-Binnenmarkt. Den zweitgrößten Anteil an in die EU eingeführten Waren aus Kinderarbeit machten der Studie zufolge Güter aus Vietnam aus. ari
Es hat sich schon einige Zeit abgezeichnet, aber spätestens mit dem jüngsten G7-Gipfel in Cornwall riecht es in der internationalen Politik sehr stark nach einer Neuauflage des Kalten Krieges aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen den USA und der Sowjetunion. China ist nicht mehr nur Konkurrent und Rivale, sondern die “systemische Alternative” zum Westen. Erneut scheint es um sich gegenseitig ausschließende “Systeme” zu gehen, um eine Konfrontation von Werten und Macht- und globalen Führungsansprüchen, die eine große militärische Konfrontation oder zumindest einen neuen Rüstungswettlauf zwischen den beiden Weltmächten des 21. Jahrhunderts nicht ausschließen.
Bei näherer Betrachtung scheint der Vergleich mit dem Kalten Krieg im 20. Jahrhundert und der sich abzeichnenden Konfrontation zwischen dem Westen und China aber mehr in die Irre zu führen als zur Klärung beizutragen.
Der vergangene Kalte Krieg entstand auf den erstarrten Fronten des 2. Weltkriegs nach der Niederlage von Deutschland und Japan. Ihm war damals der wahrscheinlich brutalste und katastrophalste heiße Krieg vorausgegangen. Die Hauptsiegermächte, USA und Sowjetunion, waren schon vor dem 2. Weltkrieg ideologische Todfeinde gewesen, ein Ergebnis der Revolutions- und Industrialisierungsgeschichte Europas im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Der Kommunismus verstand sich seit seinen Anfängen als die gewaltsame Absage an die bürgerliche Welt und ihre Eigentumsordnung. Zusammengezwungen wurde diese Allianz nur durch Hitler und das kaiserliche Japan, die beide mittels eines totalen Angriffskrieges nach der Weltherrschaft griffen. Die Brutalität dieser Systemalternative zwischen Sowjetkommunismus und westlich-demokratischem Kapitalismus wurde durch die Erfahrungen der Zwangssowjetisierung Osteuropas für die Zeitgenossen nachdrücklich unterstrichen.
Hinzu kam eine alle bisherige Machtpolitik umstürzende technologische Revolution: die Entwicklung und der Einsatz der Atomwaffe, die spätestens mit der Zündung der ersten russischen Atombombe im August 1949 einen weiteren Weltkrieg um die globale Vorherrschaft nur noch mit dem Risiko einer drohenden Selbstvernichtung als möglich erscheinen ließ. In der Konsequenz blieb diese Konfrontation zwischen Ost und West eine kalte, gipfelte in der drohenden Selbstvernichtung der gesamten Menschheit durch ein beispielloses atomares Wettrüsten und endete nach vier Jahrzehnten mit dem Kollaps der Sowjetunion und des Warschauer Paktes.
Ganz anders hingegen ist die Lage zwischen dem Westen und China heute. China bezeichnet sich nach wie vor als “sozialistisch”, aber dies ist nur noch ein abgeschmackter Witz zur Rechtfertigung der fortdauernden Herrschaft der KP Chinas. China stellt nicht die Eigentumsfrage ins Zentrum seiner Differenz mit dem Westen, sondern es geht allein um die Einparteienherrschaft. China hat durch die Reformen Deng Xiaopings ein wirtschaftliches Hybridmodell bestehend aus Markt und Plan, Staat und Privateigentum, eingeführt, das man auch als Marktwirtschaft unter leninistischen Vorzeichen bezeichnen könnte. Die Partei steht allein an der Spitze des chinesischen Modells, dann folgt der Staat und dann der Markt. Der hybride Charakter dieses Modells macht gerade seine Erfolgsgeschichte aus.
China ist technologisch und wirtschaftlich dabei, die westliche Führungsmacht USA etwa um das Jahr 2030 zu überholen. Diese Chance hatte die Sowjetunion in den siebzig Jahren ihres Bestehens niemals. Der chinesische “Sozialismus der Milliardäre” erweist sich als sehr viel konkurrenzfähiger mit dem Westen als es die alte Sowjetunion jemals gewesen war.
Worum also sollte ein Kalter Krieg 2.0 tatsächlich gehen? China zwangsweise zu verwestlichen und zu demokratisieren? Es in seiner Machtentfaltung einzudämmen und technologisch zu isolieren, es zurückzudrängen? Oder, ein begrenzteres Ziel, seinen Aufstieg nur zu verlangsamen? Und dann? All diese Ziele sind illusionär und werden niemals zu vertretbaren Kosten für alle Beteiligten erreichbar sein. Allein die Tatsache, dass es sich bei China um einen Binnenmarkt von 1,5 Milliarden Menschen handelt, die ihre Chance für Aufstieg und Anerkennung gekommen sehen, schafft wirtschaftliche Abhängigkeiten, die jede Illusion von der Isolierung des Riesenreiches absurd erscheinen lassen.
Geht es also vor allem um die Frage der Macht? Wer wird die Nummer 1 der Welt im 21. Jahrhundert sein? China oder die USA und mit ihr der gesamte Westen? Könnte dies die historische Grundrichtung, dass China in unserem Jahrhundert auf- und der Westen absteigt, tatsächlich ändern? Ich glaube, mitnichten.
Dass der Westen aus seinen illusionären Träumen über Chinas Aufstieg erwacht ist, war dringend nötig und kommt vielleicht schon zu spät. Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas führte, anders als im Westen jahrelang gerne geglaubt, keineswegs zur Demokratisierung! Die ökonomische Gier hat hier im Westen zweifellos zu lange den Verstand und nüchternes Kalkül blockiert.
Zudem sei die Voraussage gewagt: Das 21. Jahrhundert wird nicht mehr vor allem durch eine Wiederkehr globaler Großmachtpolitik bestimmt werden, auch wenn es gegenwärtig den gegenteiligen Anschein hat. Spätestens die Erfahrung der Pandemie sollte uns aber den Blick weiten. Die Pandemie und nach ihr die drohende Klimakrise werden in diesem Jahrhundert gerade die großen Mächte vorneweg zur Zusammenarbeit zwingen, oder die Menschheit insgesamt wird verlieren, egal wer dann die Nummer 1 auf der Welt sein wird.
Die Pandemie hat zum ersten Mal die Kategorie der “Menschheit” zu mehr als einem essayistischen oder philosophischen Begriff gemacht, nämlich zu einer operativen Handlungsebene. Mehr als acht Milliarden Impfdosen werden notwendig sein, um die Pandemie weltweit wirksam bekämpfen zu können! Wenn die Erderwärmung und die Überforderung regionaler und globaler Ökosysteme so weitergehen, wofür vieles spricht, dann wird diese globale Handlungsebene zur dominanten im 21. Jahrhundert werden und nicht die herkömmliche Großmachtpolitik. Der Zwang zur Zusammenarbeit gerade der Großmächte, aber auch der vielen kleineren und mittleren Mächte, ist in unserem Jahrhundert unabweisbar, und die Frage nach der globalen Nummer 1 wird in der Führungsfähigkeit bei der Abwehr solcher globaler Krisen und Bedrohungen entschieden werden und nicht in einem neuen sinnlosen Kalten Krieg, der keinen Sieger mehr kennen wird, sondern nur noch Verlierer.
Joschka Fischer war von 1998 bis 2005 deutscher Außenminister und Vizekanzler. In den beinahe 20 Jahren seiner Führungstätigkeit bei den Grünen trug er dazu bei, aus der ehemaligen Protestpartei eine Regierungspartei zu machen.
Copyright: Project Syndicate, 2021
www.project-syndicate.org
Alexander Tan wird zum 1. Juli Finanzchef des bayerischen Roboterherstellers Kuka. Der 50 Jahre alte Niederländer hatte in den vergangenen Jahren Spitzenpositionen im Finanzressort von Midea in Ostasien inne. Tan tritt die Nachfolge des bisherigen Finanzvorstands Andreas Pabst an, der im Juli als CFO zur Midea Division Robotics and Automation wechselt.
Martin Stegelmeier ist seit Beginn des Monats neuer Product Director Europe für den Elektrofahrzeughersteller XPENG Motors aus Guangzhou. Stegelmeier war zuvor für Porsche in China tätig.
Hitze in Peking: Wie in vielen Gegenden Deutschlands steigt das Thermometer pünktlich zum ersten offiziellen Sommertag auch in der chinesischen Hauptstadt auf 36 Grad. Wer kann, sucht Abkühlung – wie diese Kinder in den Wasserstrahlen eines Brunnens.
vor gut sieben Jahren stellte die kommunistische Staatsführung ihre Vorlage für ein weitreichendes soziales Kreditsystem vor. Die Bürger- und Unternehmensbewertung basiert auf dem aus der Finanzwirtschaft bekannten Scoring-System zur Prüfung der Kreditwürdigkeit. Peking wollte damit nach eigenen Angaben mehr Verlässlichkeit im wirtschaftlichen Austausch schaffen. Kritiker:innen sehen in dem System aber eine “Schufa auf Anabolika” – denn die potenziell eingetragenen Daten umfassen mehr als die bloße Bonität von Individuen und Firmen.
Bisher hat sich beim Ausbau des Kreditsystems jedoch bei Weitem nicht so viel getan wie geplant, berichtet Frank Sieren aus China. Bisher gibt es lediglich verstreute Feldversuche. Doch die Vernetzung ist im Gange. Offen ist daher bisher auch noch: Was macht ein allmächtiger Staat am Ende aus dem Social-Scoring-System? Etwas überraschend ist daher eine andere Erkenntnis. Aus der Bevölkerung gibt es generell Zustimmung für die Sozialpunkte.
Unseren wirtschaftlichen Fokus legen wir heute auf einen “Hidden Champion” par excellence. Wissen Sie, wer der größte Smartphone-Hersteller der Welt ist? Was ist Ihr Tipp? Samsung, Apple, Huawei? Alles falsch. BBK Electronics ist Verbrauchern zwar praktisch unbekannt, produziert aber weltweit jedes vierte Handy. Wir stellen Ihnen das Unternehmen aus Guangzhou vor.
Eigentlich wollte Peking sein vor allem im Westen kontrovers diskutiertes “Social-Credit-System” bereits Ende 2020 landesweit einführen (China.Table berichtete). Das vor sieben Jahren offiziell angekündigte digitale Bürger- und Unternehmensranking beschränkt sich bislang jedoch auf eine Reihe von Pilotprojekten in verschiedenen Städten und Regionen. Die Plattform China Law Translate hat insgesamt siebzig Kleinprojekte gezählt. Über die meisten ist jedoch wenig bekannt.
Größere Projekte gab es in Suining (drei Millionen Einwohner), in Rongcheng (eine Million Einwohner) und innerhalb des Sesame-Credit-Systems des Onlinekonzerns Alibaba. In dem System, das noch am ehesten mit der deutschen Schufa vergleichbar ist, wird die Kreditwürdigkeit anhand des Konsumverhaltens innerhalb verschiedener Alibaba-Apps berechnet, zum Beispiel über den Finanzdienstleister Ant Financial oder die E-Commerce-Plattform Taobao. Je höher der Punktestand, umso mehr Rabatte und Sonderangebote werden dem Nutzer angeboten. Kunden und Anbieter werden wie bei Ebay bewertet, wobei jedoch auch Informationen aus der Schuldnerdatenbank mit einfließen.
Eine Blaupause für das staatliche Social-Scoring-System wird Sesame Credit jedoch kaum. Obwohl der chinesische Staat bei dem Thema eng mit den großen Tech-Konzernen zusammenarbeitet, verweigerte die Zentralbank der von Jack Ma geführten Ant Financial die Lizenz für die Teilnahme an einem nationalen sozialen Kreditsystem bereits 2018. Der Staat will die Hoheit über das Projekt behalten.
Ein Report des internationalen Thinktanks Trivium China hat herausgefunden, dass bei diesem System die “Datenvollständigkeit der verschiedenen Behörden zwischen 10 und 90 Prozent schwankt.” Daraus lasse sich schließen, dass es “noch riesige Lücken im Datenaustausch zwischen den Behörden gibt.”
Immerhin haben die verschiedenen Feldversuche dazu geführt, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen nun zügig Gestalt annehmen. Seit Dezember 2020 zirkuliert der erste Gesetzesentwurf für das Social-Credit-Gesetz zur Evaluierung – ohne große Überraschungen. Im Januar dann hat die Entwicklungs- und Reformkommission NDRC einen nationalen Standard für Kreditinformationen veröffentlicht.
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei wiederum hat einen Fahrplan bis 2025 für den Aufbau von “Regeln einer Gesetzesgesellschaft”, in der das Social-Credit-System eine zentrale Rolle spielen sollte. Damit rückt China einem einheitlichen System einen großen Schritt näher. Denn bisher gibt es nur eine Reihe von dezentralen Datenbanken auf verschiedenen staatlichen Ebenen. Oft werden die Einträge dort jedoch nicht einmal digital übermittelt, sondern von den Aufsichtsbehörden manuell in Papierform erstellt. Lückenlos vernetzte Digital-Überwachung sieht anders aus.
Da so ein System jedoch technisch machbar ist, wird es wohl nur eine Frage der Zeit und weiterer Testläufe sein, bis es Realität wird. Momentan wird die National Credit Information Sharing Platform (NCISP), die schon seit 2003 existiert, weiter ausgebaut. Hierbei handelt es sich vor allem um einen Datenpool, auf den die Behörden, Lokalregierungen, Industrieverbände, Banken und zum Teil auch die Öffentlichkeit zugreifen können. Unternehmen können schon jetzt bei Creditchina einsehen, ob sie Einträge haben, etwa wegen Rechtsstreitigkeiten oder Finanzproblemen. Bei Creditchina handelt es sich um eine Datenbank der NDRC und der State Administration of Market Regulation (SAMR).
Eine Studie des Berliner China Thinktanks Merics hat gezeigt, dass es zwischen 2003 und 2020 bei 73,3 Prozent der in offiziellen Dokumenten erwähnten Fälle es um Firmen ging und in wenigen Fällen um Individuen. Dabei wird deutlich, dass das Scoring-System auch für ausländische Unternehmen gilt. Sie sollen ebenfalls nach Kriterien wie Umweltschutz, Qualitätsmanagement oder Arbeitsschutz bewertet werden. In diesem Bereich ist die Verunsicherung groß. Problematisch wäre das System, wenn ausländische Unternehmen in bestimmten Situationen besonders streng beurteilt oder verstärkt an den Pranger gestellt würden. Das ist aber bisher noch nicht der Fall, sondern nur eine Befürchtung.
Eine repräsentative Umfrage des Instituts für Chinastudien der FU Berlin in 2018 hat derweil ergeben, dass 80 Prozent von 2000 überregional befragten Chinesen das Vorhaben des Kreditsystems befürworten, während nur ein Prozent es explizit ablehnte. Einige Teilnehmer bezeichneten ein solches System gar als wichtig, um “institutionelle und regulatorische Lücken zu schließen”. Interessant ist, dass sich vor allem Chinesen aus der gebildeten Mittelschicht für das System ausgesprochen haben. Sie geben ihre privaten Daten preis, damit das soziale und wirtschaftliche Leben stabiler, verlässlicher und risikoärmer wird.
Denn ob es um Lebensmittelqualität geht, um Geschäftspartner, um Krankenhäuser oder Verkehrsteilnehmer: In China fehlt es in vielen Bereichen noch immer an einem gut entwickelten Rechtssystem und regulierenden Mechanismen. Auch deswegen sind viele Chinesen überzeugt, dass ihr Alltag durch das soziale Kreditsystem reibungsloser abläuft und sicherer wird. Die reale Möglichkeit der politischen Überwachung spielt in der gegenwärtigen Wahrnehmung nur eine nachrangige Rolle.
Das kann sich natürlich ändern, je nachdem, was ein allmächtiger Staat am Ende aus dem Social-Scoring-System macht. Viele Fragen sind noch offen: Wie zentral wird das System am Ende sein? Fließen alle Daten von Arbeitgebern, Vermietern und vielleicht sogar Bekannten mit ein? Bekommt man bei kleineren Vergehen wie dem Überqueren einer roten Ampel bereits Minuspunkte? Werden politisch unliebsame Äußerungen geahndet? Lassen sich Fehler wieder rückgängig machen?
Bis Mitte 2019 haben chinesische Gerichte bereits 27 Millionen Bürger auf eine “No Fly”-Liste gesetzt. Die dürfen keine Flugtickets buchen. 14 Millionen wurde die Bonität abgesprochen. Betroffen waren vor allem Bürger, die andere betrogen, Schulden nicht zurückbezahlt oder mit gefälschten Zertifikaten Geschäfte gemacht haben. Also Straftäter.
Die vergleichsweise hohe Akzeptanz eines Social-Scoring-Systems heißt aber nicht, dass den Chinesen Datenschutz egal wäre. Wie einst beim Umweltschutz wächst auch hier langsam ein Bewusstsein für die Gefahren. Peking steht vor einem Balanceakt: Die Regierung muss die Gesellschaft und die Wirtschaft verlässlicher machen und gleichzeitig den Datenmissbrauch verhindern. Im Oktober 2020 wurde vorsorglich der erste Entwurf eines Datenschutzgesetzes vorgelegt, das seitdem konstant weiterentwickelt wird. Das Personal Information Protection Law (PIPL) gibt den Chinesen einen weit größeren Spielraum als zuvor, um ihre Daten vor Diebstahl und Missbrauch zu schützen und im Ernstfall Rechtsmittel einzulegen. Es gleicht bis ins Detail der Europäischen Datenschutzverordnung. Zentral ist der Grundsatz, dass die eigenen Daten einem selbst gehören. Im chinesischen Gesetz behält der Staat sich jedoch vor, Daten zu erheben, die ihm für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit wichtig erscheinen. Diese Lücke ist vor allem auch für das Social-Scoring-System wichtig.
Die jüngste Studie zu diesem Thema kommt von der New Yorker Kommunikationsberatung Burson Cohn & Wolfe (BCW Global), die diese mit über 4.000 Mitarbeitern für ihre Kunden erstellt hat. In den kommenden fünf Jahren und wahrscheinlich auch darüber hinaus, erläutert Jessica Reilly, eine der Direktoren des Unternehmens, werde das Kreditsystem benutzt “um die wirtschaftliche Regierungsführung zu verbessern.” Dabei gehe es vor allem um “fairen Wettbewerb, Marktüberwachung und Gesetzesbefolgung.” Langfristig sei es “klar, dass das Social Credit System in den großen Plan der KP passt, mittels datenbasierten Regierungsführung alle Sphären der Gesellschaft zu umfassen.” Es sei allerdings noch unklar “wie umfassend, weitreichend und effizient das System in der Praxis sein wird und wie schnell es Realität wird.”
Es ist erst ein Jahr her, dass Huawei zumindest kurzzeitig als erstes chinesisches Unternehmen alle anderen Smartphone-Hersteller bei den Verkaufszahlen hinter sich lassen konnte. Mit einem globalen Marktanteil von 20 Prozent hatte sich der Konzern aus dem südchinesischen Shenzhen im zweiten Quartal 2020 erstmals den Spitzenplatz gesichert – noch vor Samsung. Was danach passierte, ist bekannt: Die US-Sanktionen schlugen ein und das Smartphone-Geschäft von Huawei fiel unerbittlich in sich zusammen.
Gerade mal vier Prozent Marktanteil waren Ende des ersten Quartals 2021 noch übrig. Was viele nicht wissen: Obwohl Huawei abgestürzt ist, führt mit BBK Electronics nach wie vor ein chinesisches Unternehmen das Ranking der weltweit größten Smartphone-Hersteller an.
Die Firma ist Verbrauchern so gut wie nicht bekannt, da sie ihre Geräte unter mehreren Markennamen anbietet: Oppo, Vivo und Realme sind die bekanntesten von ihnen. Gemeinsam kamen sie in den ersten drei Monaten 2021 auf einen weltweiten Marktanteil von 25 Prozent – mindestens jedes vierte auf dem Planten verkaufte Handy wurde demnach von BBK produziert.
Hinter dem Unternehmen steht der heimliche Smartphone-König Chinas, Duan Yongping. Er gibt keine Interviews und generell ist wenig über ihn bekannt. Das einzige Mal, dass Duan überhaupt international für Schlagzeilen gesorgt hat, liegt schon 15 Jahre zurück. Im Jahr 2006 hat er für damals 620.000 Dollar bei Ebay ein Mittagessen mit der Investoren-Legende Warren Buffett ersteigert.
Die zurückgezogene Art des chinesischen Milliardärs schmälert seinen Erfolg jedoch nicht. Vor allem mit den Marken Oppo und Vivo hat Duan unter dem Dach von BBK zwei Smartphone-Giganten geschaffen, die zuerst China erobert haben und sich nun im Rest der Welt breit machen. Während Oppo zuletzt auf einen globalen Marktanteil von 11 Prozent kam, schaffte Vivo 10 Prozent (China.Table berichtete).
Dabei hatte Duan mit seinen Handys ursprünglich spöttische Bemerkungen geerntet. Sie galten als billige iPhone-Kopien für die Masse. Doch längst sind Chinas Verbraucher darauf aufmerksam geworden, dass die Geräte trotz kleinem Preis gute Leistung erbringen.
Der 1961 geborene Duan hat eine Ausbildung als Elektroingenieur absolviert. Seinen Master schloss er an der Pekinger Volksuniversität ab. Seine Unternehmerkarriere begann er im Alter von 28 Jahren in der südchinesischen Provinz Guangdong. Innerhalb eines Jahrzehnts baute er zwei Unternehmen auf: Den Spielekonsolen-Hersteller Subor sowie BBK Electronics. Damals war BKK vor allem für DVD-Player bekannt.
Chinesische Verbraucher haben jahrelang auf einheimische Marken gewartet, auf die sie stolz sein können, und Firmen wie Huawei, Xiaomi, Vivo und Oppo haben ihnen diesen Wunsch erfüllt. Duan ist so erfolgreich, weil er die Expansionsstrategie der ausländischen Hersteller in China auf den Kopf gestellt hat. Während sich Apple und Samsung zunächst auf die Top-Metropolen Peking und Shanghai konzentrierten, und erst dann damit begannen, den Rest des Landes zu erobern, mischte Duan das Feld von den Provinzen her auf.
Mit einem massiven Werbebudget startete er in den zahlreichen aber weniger bekannten Millionenstädten der chinesischen Provinz. Dort warteten hunderte Millionen Menschen nur darauf, endlich ein Smartphone zu besitzen, das technisch den Marken aus dem Ausland in nichts nachsteht, dafür aber erschwinglicher ist.
Ganze Straßenzüge ließ Duan quer durchs Land mit den typischen grünen Werbe-Schildern von Oppo und Vivo zupflastern. Zudem setzte er auf Verträge mit chinesischen Stars, die seine Smartphones bekannter machen sollten. Auch verzichtete Duan weitestgehend auf eigene Läden, und gewann dafür das ohnehin dichte Netz an freien Smartphone-Geschäften für sich, in dem er Händler mit Bonus-Zahlungen und anderen Vergünstigungen dazu animierte, ihre Läden mit Oppo- und Vivo-Werbung zu schmücken.
Seit auch Chinas Smartphone-Markt seit einigen Jahren erste Anzeichen der Sättigung erkennen lässt, wiederholt Duan nun das gleiche Manöver in Indien und Südostasien, wo chinesische Hersteller vielerorts schon präsenter sind als Samsung und erst recht Apple. Die wichtigsten Märkte von Oppo und Vivo liegen daher weiterhin im Globalen Süden. Joern Petring/ Gregor Koppenburg
Die Zeitung “Apple Daily” in Hongkong steht möglicherweise kurz vor der Schließung. Es sei sogar eine Einstellung der Produktion am Freitag im Gespräch, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Da die Finanzmittel der Zeitung eingefroren seien, könnten keine Gehälter mehr bezahlt werden, sagte ein Verlagsmitarbeiter. Die Zeitung hat die Behörden ersucht, die Konten wieder freizugeben. Bisher gibt es aber noch keine Signale, die auf ein Einlenken hindeuten.
Die Apple Daily hatte sich in den vergangenen Jahren klar auf die Seite der Demokratiebewegung geschlagen. Die Regierung hat in der vergangenen Woche nun ihre Befugnisse aus dem neuen Sicherheitsgesetz genutzt, um Schlüsselfiguren wie den Chefredakteur zu verhaften (China.Table berichtete). Am Wochenende fand der erste Gerichtstermin für die Verhafteten statt. Das Gericht hat dabei einen Antrag auf Freilassung auf Kaution abgewiesen.
Mit dem Angriff auf die Finanzen des Verlags kann die Regierung das Blatt nun auch auf ganz praktischer Ebene in die Knie zwingen. Selbst wenn die Zeitung vorerst überlebt: Mit der Einschüchterung der Apple Daily verliert die Meinungsfreiheit in Hongkong weiter an Boden. fin
Der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet spricht sich für einen fortgesetzten Dialog mit China aus. Der britischen Zeitung Financial Times sagte er: “Die Frage ist: Wenn wir von der Eingrenzung Chinas sprechen, führt das nicht zu neuen Konflikten?” Viele Europäer:innen seien misstrauisch gegenüber der harten Haltung von US-Präsident Joe Biden beim Umgang mit China. Diese könne in einen neuen Kalten Krieg führen. “China ist ein Wettbewerber und systemischer Rivale und hat ein abweichendes Gesellschaftsmodell, aber ist auch ein Partner.”
Laschet bewegt sich damit inhaltlich und rhetorisch im Kielwasser von Angela Merkel, die ebenfalls eine partnerschaftliche Grundhaltung gegenüber China gepflegt hat, bei der Kritik eher vorsichtig vorgebracht wurde. International finden die außenpolitischen Positionen von Laschet und seiner Herausforderin Annalena Baerbock von den Grünen derzeit viel Beachtung. Gerade beim Umgang mit China macht das Wahlergebnis nach allgemeinen Einschätzung den Unterschied zwischen Kontinuität oder einer Neuausrichtung auf Menschenrechtsfragen aus. fin
Die Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, möchte zeitnah nach China und auch in die Provinz Xinjiang reisen. Sie führe Gespräche mit den zuständigen Stellen und hoffe, dass ein Besuch noch in diesem Jahr möglich werden könnte, sagte Bachelet am Montag bei einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrates. Demnach werde über die Modalitäten eines “sinnvollen Zugangs” (“meaningful access”) zu Xinjiang verhandelt. Bachelet sprach damit erstmals öffentlich über eine Reise in die Region, ihr Büro verhandelt laut einem Bericht von Reuters bereits seit 2018 mit den chinesischen Behörden darüber.
Bachelet äußerte sich zudem zum Nationalen Sicherheitsgesetz in Hongkong. Dieses habe eine “abschreckende Wirkung” auf die Demokratie und Medien. Im Rahmen des Gesetzes seien 107 Personen festgenommen und darunter 57 formell angeklagt worden, so die Menschenrechtsbeauftragte. Die Verfahren, die Ende dieser Woche beginnen, seien nun ein wichtiger “Unabhängigkeitstest für Hongkongs Justiz”, sagte Bachelet.
Voraussichtlich am Dienstag werden mehrere Länder, angeführt von Kanada, eine gemeinsame Erklärung vor dem UN-Rat abgeben, in der Besorgnis über die Menschenrechtslage in Xinjiang geäußert und China aufgefordert wird, Bachelet und anderen unabhängigen Beobachtern uneingeschränkten Zugang zu gewähren. ari
China macht bei seinem angekündigten Schlag gegen Bitcoin-Minen ernst. In der Provinz Sichuan kappen die Versorger auf staatliches Geheiß die Stromzufuhr zu 25 Standorten. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Berichte in sozialen Netzwerken in der Volksrepublik. Zuvor hatte die Regierung in Peking dem Krypto-Mining auf heimischem Boden den Kampf angesagt (China.Table berichtete). Die Minen schaffen neue Einheiten von Digitalwährungen und wenden dafür sehr viel Energie auf. fin
China ist einer Studie zufolge der größte Exporteur von in Kinderarbeit gefertigten Waren, die in der EU landen. Allein im Jahr 2019 seien Elektroartikel, die durch Kinderarbeit gefertigt wurden, im Wert von rund 35 Milliarden Euro in die Europäische Union importiert worden, hieß es in einer Studie, die die Fraktion der Grünen/EFA im Europaparlament in Auftrag gegeben hatte. Die Elektroartikel machten dabei den höchsten Anteil aus. Spielzeug, das mit Kinderarbeit entstanden ist, wurde der Studie zufolge im Wert von gut einer Milliarde Euro importiert.
Textilien aus Fertigung mit Kinderarbeit wurden demnach im Wert von rund 800 Millionen Euro importiert. Auch Baumwolle, die aus Kinderarbeit stammt, wurde der Untersuchung zufolge aus China im Wert von gut 100 Millionen Euro in die EU eingeführt. Zudem fanden Feuerwerk und Baumaterialien ihren Weg in den EU-Binnenmarkt. Den zweitgrößten Anteil an in die EU eingeführten Waren aus Kinderarbeit machten der Studie zufolge Güter aus Vietnam aus. ari
Es hat sich schon einige Zeit abgezeichnet, aber spätestens mit dem jüngsten G7-Gipfel in Cornwall riecht es in der internationalen Politik sehr stark nach einer Neuauflage des Kalten Krieges aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen den USA und der Sowjetunion. China ist nicht mehr nur Konkurrent und Rivale, sondern die “systemische Alternative” zum Westen. Erneut scheint es um sich gegenseitig ausschließende “Systeme” zu gehen, um eine Konfrontation von Werten und Macht- und globalen Führungsansprüchen, die eine große militärische Konfrontation oder zumindest einen neuen Rüstungswettlauf zwischen den beiden Weltmächten des 21. Jahrhunderts nicht ausschließen.
Bei näherer Betrachtung scheint der Vergleich mit dem Kalten Krieg im 20. Jahrhundert und der sich abzeichnenden Konfrontation zwischen dem Westen und China aber mehr in die Irre zu führen als zur Klärung beizutragen.
Der vergangene Kalte Krieg entstand auf den erstarrten Fronten des 2. Weltkriegs nach der Niederlage von Deutschland und Japan. Ihm war damals der wahrscheinlich brutalste und katastrophalste heiße Krieg vorausgegangen. Die Hauptsiegermächte, USA und Sowjetunion, waren schon vor dem 2. Weltkrieg ideologische Todfeinde gewesen, ein Ergebnis der Revolutions- und Industrialisierungsgeschichte Europas im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Der Kommunismus verstand sich seit seinen Anfängen als die gewaltsame Absage an die bürgerliche Welt und ihre Eigentumsordnung. Zusammengezwungen wurde diese Allianz nur durch Hitler und das kaiserliche Japan, die beide mittels eines totalen Angriffskrieges nach der Weltherrschaft griffen. Die Brutalität dieser Systemalternative zwischen Sowjetkommunismus und westlich-demokratischem Kapitalismus wurde durch die Erfahrungen der Zwangssowjetisierung Osteuropas für die Zeitgenossen nachdrücklich unterstrichen.
Hinzu kam eine alle bisherige Machtpolitik umstürzende technologische Revolution: die Entwicklung und der Einsatz der Atomwaffe, die spätestens mit der Zündung der ersten russischen Atombombe im August 1949 einen weiteren Weltkrieg um die globale Vorherrschaft nur noch mit dem Risiko einer drohenden Selbstvernichtung als möglich erscheinen ließ. In der Konsequenz blieb diese Konfrontation zwischen Ost und West eine kalte, gipfelte in der drohenden Selbstvernichtung der gesamten Menschheit durch ein beispielloses atomares Wettrüsten und endete nach vier Jahrzehnten mit dem Kollaps der Sowjetunion und des Warschauer Paktes.
Ganz anders hingegen ist die Lage zwischen dem Westen und China heute. China bezeichnet sich nach wie vor als “sozialistisch”, aber dies ist nur noch ein abgeschmackter Witz zur Rechtfertigung der fortdauernden Herrschaft der KP Chinas. China stellt nicht die Eigentumsfrage ins Zentrum seiner Differenz mit dem Westen, sondern es geht allein um die Einparteienherrschaft. China hat durch die Reformen Deng Xiaopings ein wirtschaftliches Hybridmodell bestehend aus Markt und Plan, Staat und Privateigentum, eingeführt, das man auch als Marktwirtschaft unter leninistischen Vorzeichen bezeichnen könnte. Die Partei steht allein an der Spitze des chinesischen Modells, dann folgt der Staat und dann der Markt. Der hybride Charakter dieses Modells macht gerade seine Erfolgsgeschichte aus.
China ist technologisch und wirtschaftlich dabei, die westliche Führungsmacht USA etwa um das Jahr 2030 zu überholen. Diese Chance hatte die Sowjetunion in den siebzig Jahren ihres Bestehens niemals. Der chinesische “Sozialismus der Milliardäre” erweist sich als sehr viel konkurrenzfähiger mit dem Westen als es die alte Sowjetunion jemals gewesen war.
Worum also sollte ein Kalter Krieg 2.0 tatsächlich gehen? China zwangsweise zu verwestlichen und zu demokratisieren? Es in seiner Machtentfaltung einzudämmen und technologisch zu isolieren, es zurückzudrängen? Oder, ein begrenzteres Ziel, seinen Aufstieg nur zu verlangsamen? Und dann? All diese Ziele sind illusionär und werden niemals zu vertretbaren Kosten für alle Beteiligten erreichbar sein. Allein die Tatsache, dass es sich bei China um einen Binnenmarkt von 1,5 Milliarden Menschen handelt, die ihre Chance für Aufstieg und Anerkennung gekommen sehen, schafft wirtschaftliche Abhängigkeiten, die jede Illusion von der Isolierung des Riesenreiches absurd erscheinen lassen.
Geht es also vor allem um die Frage der Macht? Wer wird die Nummer 1 der Welt im 21. Jahrhundert sein? China oder die USA und mit ihr der gesamte Westen? Könnte dies die historische Grundrichtung, dass China in unserem Jahrhundert auf- und der Westen absteigt, tatsächlich ändern? Ich glaube, mitnichten.
Dass der Westen aus seinen illusionären Träumen über Chinas Aufstieg erwacht ist, war dringend nötig und kommt vielleicht schon zu spät. Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas führte, anders als im Westen jahrelang gerne geglaubt, keineswegs zur Demokratisierung! Die ökonomische Gier hat hier im Westen zweifellos zu lange den Verstand und nüchternes Kalkül blockiert.
Zudem sei die Voraussage gewagt: Das 21. Jahrhundert wird nicht mehr vor allem durch eine Wiederkehr globaler Großmachtpolitik bestimmt werden, auch wenn es gegenwärtig den gegenteiligen Anschein hat. Spätestens die Erfahrung der Pandemie sollte uns aber den Blick weiten. Die Pandemie und nach ihr die drohende Klimakrise werden in diesem Jahrhundert gerade die großen Mächte vorneweg zur Zusammenarbeit zwingen, oder die Menschheit insgesamt wird verlieren, egal wer dann die Nummer 1 auf der Welt sein wird.
Die Pandemie hat zum ersten Mal die Kategorie der “Menschheit” zu mehr als einem essayistischen oder philosophischen Begriff gemacht, nämlich zu einer operativen Handlungsebene. Mehr als acht Milliarden Impfdosen werden notwendig sein, um die Pandemie weltweit wirksam bekämpfen zu können! Wenn die Erderwärmung und die Überforderung regionaler und globaler Ökosysteme so weitergehen, wofür vieles spricht, dann wird diese globale Handlungsebene zur dominanten im 21. Jahrhundert werden und nicht die herkömmliche Großmachtpolitik. Der Zwang zur Zusammenarbeit gerade der Großmächte, aber auch der vielen kleineren und mittleren Mächte, ist in unserem Jahrhundert unabweisbar, und die Frage nach der globalen Nummer 1 wird in der Führungsfähigkeit bei der Abwehr solcher globaler Krisen und Bedrohungen entschieden werden und nicht in einem neuen sinnlosen Kalten Krieg, der keinen Sieger mehr kennen wird, sondern nur noch Verlierer.
Joschka Fischer war von 1998 bis 2005 deutscher Außenminister und Vizekanzler. In den beinahe 20 Jahren seiner Führungstätigkeit bei den Grünen trug er dazu bei, aus der ehemaligen Protestpartei eine Regierungspartei zu machen.
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Alexander Tan wird zum 1. Juli Finanzchef des bayerischen Roboterherstellers Kuka. Der 50 Jahre alte Niederländer hatte in den vergangenen Jahren Spitzenpositionen im Finanzressort von Midea in Ostasien inne. Tan tritt die Nachfolge des bisherigen Finanzvorstands Andreas Pabst an, der im Juli als CFO zur Midea Division Robotics and Automation wechselt.
Martin Stegelmeier ist seit Beginn des Monats neuer Product Director Europe für den Elektrofahrzeughersteller XPENG Motors aus Guangzhou. Stegelmeier war zuvor für Porsche in China tätig.
Hitze in Peking: Wie in vielen Gegenden Deutschlands steigt das Thermometer pünktlich zum ersten offiziellen Sommertag auch in der chinesischen Hauptstadt auf 36 Grad. Wer kann, sucht Abkühlung – wie diese Kinder in den Wasserstrahlen eines Brunnens.