Table.Briefing: China

Scholz warnt + Fachkräfte gesucht

  • Zeitenwende des Kanzlers mehr Russland als China
  • Komplizierte Suche nach geeigneten Mitarbeitern
  • Grüne wollen Lieferketten mit Taiwan sichern
  • Probleme bei Apple und Tesla
  • Hu Jintao bei Jiangs Einäscherung
  • Solar-Produzent widerspricht US-Zoll
  • Hongkonger plant Formel-1-Team
  • Francis Kremer: Autor, Podcaster, Autoverkäufer
Liebe Leserin, lieber Leser,

wie sich das Auswärtige Amt den zukünftigen Umgang mit China vorstellt, haben wir Ihnen bereits vorgestellt. Auch die Pläne des Wirtschaftsministeriums wurden von uns analysiert. Nun hat Bundeskanzler Olaf Scholz persönlich in die Tasten gehauen und einen rund 13-seitigen Aufsatz veröffentlicht. Der vielversprechende Titel: “Die globale Zeitenwende”.

In der Tat, eine Zeitenwende, wie von Scholz im Bundestag ausgerufen, darf nicht bei Russlands brutalem Angriffskrieg gegen die Ukraine stehen bleiben – so grausam die aktuellen Geschehnisse auch sein mögen. Denn abseits der tagesaktuellen Schreckensmeldungen über den Krieg in der Ukraine stellt sich dem Westen eine wesentlich größere Herausforderung: der Aufstieg Chinas. Entsprechend lesen Sie heute in unserem ersten Stück, wie Bundeskanzler Olaf Scholz den rasanten Aufstieg der Volksrepublik in seine “globalen Zeitenwende” einordnet und welche Konsequenzen er daraus zieht.

In unserer zweiten Analyse geht es um die Situation von Expats und Uni-Absolventen auf dem chinesischen Arbeitsmarkt. Jedes Jahr verlassen allein in China Millionen Studenten die Hochschulen und müssen sich fortan im Kampf um wenige Arbeitsplätze beweisen. Ein klassisches Überangebot, auf dem sich die Personalabteilungen dann nur noch die Rosinen herauspicken müssen – könnte man zumindest meinen.

Doch in der Realität lässt sich überraschend ein völlig anderes Phänomen beobachten: Trotz Millionen von Absolventen gelingt es vielen Unternehmen nicht mehr, ihre freien Stellen zu besetzen. Warum das so ist, war Thema des gestrigen Table.Live-Briefings. Marcel Grzanna hat zugehört und Ihnen die wichtigsten Punkte aufgeschrieben.   

Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht

Ihr
Michael Radunski
Bild von Michael  Radunski

Analyse

China für Scholz mehr Partner denn Rivale

Scholz und Xi im November in Peking

Olaf Scholz hat in einem knapp 13 Seiten langen Gastbeitrag für das renommierte Magazin “Foreign Affairs” seine “globale Zeitenwende” erklärt. Dabei stellt der Bundeskanzler gleich zu Beginn fest: “Die Zeitenwende geht über den Krieg in der Ukraine und das Thema der europäischen Sicherheit hinaus.” Und dennoch handelt der Aufsatz des Kanzlers viel von Russland, vom Krieg in der Ukraine, und damit verbunden von der europäischen Geschichte.

Dieser Ausgangspunkt ist verständlich. Allerdings muss man die Zeitenwende in der Tat global fassen. Denn abseits der tagesaktuellen Schreckensmeldungen über den Krieg in der Ukraine stellt sich dem Westen eine wesentlich größere Herausforderung: der Aufstieg Chinas. Doch Scholz bleibt hinter seiner eigenen Ankündigung zurück: In seinem Aufsatz wird er Russland mehr als 30 Mal erwähnen, China kommt hingegen nur zehn Mal vor.

Scholz warnt vor Chinas Isolierung

“Viele sind der Auffassung, dass wir am Beginn einer neuen Ära der Bipolarität innerhalb der internationalen Ordnung stehen. Sie sehen einen neuen Kalten Krieg heraufziehen, der die Vereinigten Staaten und China als Gegner in Stellung bringt”, schreibt Scholz und resümiert: “Ich teile diese Ansicht nicht.”

Mehr noch, richtet Scholz eine Warnung an den Westen: “Chinas Aufstieg ist weder eine Rechtfertigung für die Isolation Pekings noch für eine Einschränkung der Zusammenarbeit.” Seine Begründung lautet: China habe sich vielmehr selbst zu einem “Global Player” entwickelt – einer Rolle, die das Land bereits früher in der Weltgeschichte innegehabt habe.

Das stimmt. Doch übersieht Scholz an dieser Stelle einen fundamentalen Unterschied zwischen damals und heute: Das kaiserliche China war durchaus einst die führende Weltmacht, die Europa bei Militär, Wirtschaft oder Innovation weit überlegen war. Doch es ruhte in sich, es war sich selbst genug. Was der Ausdruck “Tianxia” (天下) – alles unter dem Himmel – als theoretisches Selbstverständnis impliziert, zeigte sich praktisch unter anderem in der angeordneten Vernichtung der Flotte von Admiral Zheng He. China war der Mittelpunkt der Welt – und die unzivilisierten Barbaren sollten in Peking vorstellig werden.

Chinas Expansionsdrang

Das heutige China unter Xi Jinping hingegen zeigt klare expansionistische Tendenzen – diplomatisch beispielsweise in den UN-Gremien, machtpolitisch im Südchinesischen Meer oder im Auftreten gegenüber Taiwan.

Dass Chinas Aufstieg nicht gänzlich reibungslos und ohne Folgen für die internationale Gemeinschaft bleibt, ist auch Scholz bewusst. Entsprechend fordert er in seinem Aufsatz die Volksrepublik auf, sich an UN-Regeln zu halten. “Die Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten kann niemals eine ‘innere Angelegenheit’ eines einzelnen Staates sein, denn alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben sich dazu bekannt, diese Rechte und Freiheiten zu wahren.”

Auch rechtfertige Chinas wachsende Macht keine Pekinger Hegemonialansprüche, weder in Asien noch darüber hinaus, schreibt Scholz. “In Peking habe ich auch die Besorgnis über die wachsende Unsicherheit im Südchinesischen Meer und in der Straße von Taiwan zum Ausdruck gebracht und Chinas Haltung zu Menschenrechten und individuellen Freiheitsrechten angesprochen.”

Scholz’ Worte und Scholz’ Taten

Im Hinblick auf Deutschland scheint Scholz vor allem ein Problem zu erkennen: ungleiche Wettbewerbsbedingungen. Während Peking seine Unternehmen massiv subventioniert und im Ausland für seine Firmen einen offenen Marktzugang einfordert, müssen ausländische Unternehmen in China immer mehr Einschränkungen hinnehmen. Sie nehmen das hin, denn zu verlockend ist der riesige Markt in China. Doch fair ist das nicht.

Entsprechend schreibt Scholz: “Im Zusammenwirken mit seinen europäischen Partnern wird Deutschland weiterhin gleiche Wettbewerbsbedingungen für europäische und chinesische Unternehmen fordern. China tut in dieser Hinsicht zu wenig und hat erkennbar einen Pfad in Richtung Isolation und weg von Offenheit eingeschlagen.”

Was wie klare Kante daherkommt, entpuppt sich jedoch bei genauerem Hinsehen als Wunschdenken. Vor allem die Ankündigung, sich mit den europäischen Partnern abzustimmen und gemeinsam gegenüber China auftreten zu wollen, wäre der richtige Ansatz.

Nur klaffen die Theorie der Worte und die tatsächliche Wirklichkeit leider auseinander: Es war der französische Präsident Emmanuel Macron, der zusammen mit Olaf Scholz nach Peking reisen wollte – und es war leider der deutsche Bundeskanzler, der lieber einen 13-stündigen Solo-Trip absolvierte, als gemeinsamen mit dem Partner aus Paris zu reisen und europäische Einigkeit gegenüber China zu demonstrieren.

Scholz will den Partner China

Und so bleibt von Scholz’ Aufsatz vor allem Dreierlei: Er sieht keine neue Bipolarität zwischen den USA und China in der internationalen Ordnung anbrechen; vielmehr warnt er vor einer Isolierung Pekings. Bei diesen beiden Punkten mag so mancher zustimmen, manch anderer widersprechen.

Beunruhigend hingegen ist ein dritter Punkt: Scholz scheint China nur im regionalen Raum auch als Gefahr zu sehen, im Südchinesischen Meer oder für Taiwan. Für die internationale Ordnung, geschweige denn Europa und Deutschland scheint Scholz ganz auf die Sanftmütigkeit von Xi Jinping zu bauen. Hier scheinen das Auswärtige Amt, das Wirtschaftsministerium wie auch die Europäische Union weiter zu sein mit ihrem Blick auf China als Partner, Wettbewerber und eben auch Rivale.

  • China Strategie 2022
  • Geopolitik
  • Handel
  • Menschenrechte

Millionen Uni-Absolventen – und dennoch ein Mangel

Absolventen der Huazhong University of Science and Technology bei ihrer Examensfeier im vergangenen Juni.

Fachkräftemangel ist für deutsche Unternehmen in China nicht nur ein Problem fliehender Expats. Zwar entstehen zweifellos zunehmend Vakanzen auf wichtigen Positionen, weil die radikale Covid-Politik und wachsender Nationalismus im Land ausländische Arbeitskräfte in Scharen aus der Volksrepublik treiben. Doch angesichts von jährlich zehn Millionen Universitäts-Absolventen sollten die Lücken rein theoretisch durch das lokale Angebot gefüllt werden können.

Tatsächlich aber schrumpft die Zahl potenzieller chinesischer Kandidaten auf ein Minimum zusammen, wenn sich deutsche Firmen auf die Suche nach neuen Mitarbeitern begeben. Einer der Gründe: In der Berufswelt trifft eine Kombination aus technischen, organisatorischen und kommunikativen Ansprüchen seitens der Arbeitgeber immer häufiger auf Bewerberinnen und Bewerber mit mangelnder persönlicher Reife und wenig ausgeprägtem Vermögen, unabhängig zu handeln.

Eigene Fähigkeiten zu wenig in Betracht gezogen

“Ich stelle fest, dass viele chinesische Studenten völlig unselbständig aus der Uni kommen. Das ist in Deutschland anders”, sagt Andreas Risch, China-Chef des schleswig-holsteinischen Autozulieferers Fette Compacting und Vorsitzender der Europäischen Handelskammer in Nanjing. Risch spüre nach eigenen Angaben in Vorstellungsgesprächen häufig eine Erwartungshaltung seitens der Bewerber, die einen automatischen Aufstieg auf der Karriereleiter in kürzester Zeit beinhalte und die eigenen Fähigkeiten zu wenig in Betracht ziehe.

“Es kommen Leute, die beim Vorstellungsgespräch konkret wissen wollen und mehrfach nachfragen, wann sie in eine Manager-Position gehoben werden”, sagt Risch beim Table.Live-Briefing zum Exodus von Fach- und Führungskräften in der zweitgrößten Volkswirtschaft. Er könne darauf allerdings keine seriöse Antwort geben. Denn der Aufstieg in einem Unternehmen sei kein vorgezeichneter Pfad, sondern das Resultat aus vielen Komponenten, aber vor allem auch der Persönlichkeit des Gegenübers.

Diese auf Anhieb umfassend einzuschätzen, um verlässliche Aussagen treffen zu können, ist unmöglich. Stattdessen müssen neue Mitarbeiter ihre Stärken im täglichen Betrieb unter Beweis stellen. Risch sieht hier auf viele Uni-Absolventen eine große Herausforderung zukommen. “Der Drang zu lernen, besonders auch aus eigenen Fehlern, hat abgenommen. Auch weil ihr Umfeld es den Studenten immer schwieriger möglich macht.”

Ausgeprägtes Phänomen der Helikopter-Eltern

Das Phänomen der sogenannten Helikopter-Eltern sei in China besonders ausgeprägt. Studenten würden teils von ihren Eltern ins Ausland begleitet, damit die ihnen dort bei der Einrichtung des eigenen Lebens unter die Arme greifen können. Die Eltern seien häufig auch diejenigen, die mit den Unternehmen die Gespräche suchten, um mit den Vorgesetzten die Entwicklung ihres erwachsenen Kindes zu besprechen. Unter solchen Umständen können sich Qualitäten, die junge Chinesinnen und Chinesen zu Höherem befähigen, schwer herauskristallisieren.

Für die Unternehmen resultiert daraus ein noch schärferer Wettbewerb um gute Mitarbeiter. Besonders der Mittelstand hat es schwer, dessen Namen weniger Anziehungskraft auf chinesische Talente ausüben als die der Weltkonzerne. Personelle Lücken kurzerhand mit Expats aufzufüllen, wird ebenfalls immer schwieriger. Strenge Visabedingungen, eine geringere Bereitschaft deutscher Arbeitnehmer, ihren Wohnsitz nach China zu verlegen, und höhere Lokalisierungsquoten reduzieren die Zahl der Alternativen.

“Es sind weniger als fünf Prozent der Vakanzen, die überhaupt für Ausländer angeboten werden. 19 von 20 Angeboten richten sich an Chinesen”, sagt Geschäftsführerin Miriam Wickertsheim von DirectHR, einem Rekrutierungsunternehmen in Shanghai. Jungen deutschen Studenten, die an einem Job in China interessiert sind, rät Wickertsheim deshalb, sich besser zunächst einmal anderswo nach einem Engagement im Ausland umzuschauen, da es in der Volksrepublik zu wenig Vakanzen für den Einstieg gebe. Bessere Chancen räumt sie dagegen Arbeitnehmern ein, die bereits in China leben und sich für einen Posten im mittleren Management bewerben wollen.

Wechselwilligkeit der Mitarbeiter hat abgenommen

Für den Mittelstand habe sich die Situation zumindest durch die Erfahrungen der Corona-Zeit etwas verbessert, wenn auch beileibe nicht optimiert, sagt Wickertsheim. Die Mobilität junger Arbeitnehmer habe nachgelassen und ihre Bereitschaft, bei kleineren Unternehmen in den Provinzen anzuheuern, sei dadurch etwas größer geworden. Auch die Wechselwilligkeit der Mitarbeiter in China habe abgenommen, und die durchschnittliche Verweildauer bei den Unternehmen zugelegt.

Dennoch hängen die Zusagen interessanter Kandidatinnen und Kandidaten am Ende nicht selten von den Gehaltszahlungen ab. Ob die Persönlichkeit der Bewerber den Anforderungen des Unternehmens dauerhaft gerecht wird, stellt sich erst nach einer Weile heraus – die Preisspirale bei den Personalkosten lässt sich dann aber nicht mehr zurückdrehen.

  • Gesellschaft
  • Industrie
  • Universitäten

News

EU-Grüne schlagen Taiwan-Vertrag vor

Die Grünen-Fraktion im Europaparlament schlägt einen Vertrag mit Taiwan zur Absicherung der Lieferketten vor. Der Abgeordnete Reinhard Bütikofer hat am Montag in Berlin eine Studie zu diesem Thema vorgestellt. In einem möglichen “Abkommen zu widerstandsfähigen Lieferketten zwischen EU und Taiwan” (EU-Taiwan Resilient Supply Chains Agreement) könnten beide Seiten Wege vereinbaren, den Zugriff auf wichtige Güter auch in Krisenzeiten sicherzustellen.

Für die EU-Wirtschaft betrifft das vor allem Mikrochips aus Taiwan. Ein solches Abkommen könne helfen, strategische Abhängigkeiten zu verringern, sagte Bütikofer auf der Veranstaltung “Taiwan: Opportunities and Challenges in Times of Geopolitical Change” in der EU-Vertretung in Berlin. Die EU verstärkt derzeit ihre Ausrichtung auf Taiwan. Vom 19. bis zum 21. Dezember ist eine Delegationsreise von Europaparlamentariern geplant. Die Delegation führt Iuliu Winkler aus Rumänien an. fin

  • EU
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  • Handel
  • Reinhard Bütikofer
  • Taiwan

Produktion bei Apple und Tesla bleibt eingeschränkt

Der Apple-Zulieferer Foxconn wird offenbar die Produktion in China vor Weihnachten nicht vollständig wieder hochfahren. Das weltweit größte iPhone-Werk im chinesischen Zhengzhou werde erst Ende Dezember bis Anfang Januar die Produktion in vollem Umfang wieder aufnehmen können, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Wegen der erneuten Corona-Ausbrüche in China operiert das Foxconn-Werk seit Wochen in einem sogenannten geschlossenen Kreislauf (China.Table berichtete)

Auch der US-Autobauer Tesla reduziert im Dezember die Produktion des Model Y in der Fabrik Shanghai um 20 Prozent gegenüber dem Vormonat. Das sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen am Montag. Tesla äußerte sich dazu nicht. Was dahinter steckt, blieb zunächst unklar. Im November hatte sich der Absatz der dort produzierten Modelle 3 und Y gegenüber dem Vorjahreszeitraum noch verdoppelt, nachdem Tesla die Preise gesenkt hatte (China.Table berichtete).

Unterdessen könnte China am Mittwoch seine strikten Corona-Maßnahmen weiter lockern. Die Regierung in Peking wolle eine Reihe weiterer Schritte Richtung Entspannung ankündigen, sagten zwei mit den Plänen vertraute Personen. Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Yicai hatte berichtet, mehr als 95 Prozent der Coronafälle in China verliefen inzwischen asymptomatisch und mild, auch die Sterblichkeitsrate sei sehr gering. Deshalb könne die Gefährlichkeit der Pandemie in die Kategorie B oder sogar Kategorie C heruntergestuft werden, zitierte Yicai einen anonymen Experten für Infektionskrankheiten. rtr/rad

Jiang Zemin eingeäschert

Der Leichnam von Jiang Zemin ist am Montag in Beijing eingeäschert worden. Zuvor hatten Chinas führende Politiker im Generalkrankenhaus der chinesischen Volksbefreiungsarmee Abschied vom früheren Staats- und Parteichef genommen. Jiang war am Mittwoch an multiplem Organversagen infolge einer Leukämie-Erkrankung im Alter von 96 Jahren in Shanghai gestorben (China.Table berichtete).

Bei der Abschiedszeremonie im Krankenhaus waren unter anderem sämtliche Mitglieder des Politbüros anwesend: Xi Jinping, Li Keqiang, Li Zhanshu, Wang Yang, Zhao Leji, Wang Huning und Han Zheng.

Bemerkenswert: Auch der ehemalige KP-Generalsekretär Hu Jintao war gekommen. Seit den Vorkommnissen auf dem Parteitag wird heftig über einen tiefen Bruch zwischen Xi und Hu spekuliert (China.Table berichtete). Anschließend eskortierte die aktuelle KP-Spitze den Leichnam zum Revolutionären Friedhof Babaoshan, wo Jiang eingeäschert wurde. Die eigentliche Trauerfeier wird am Dienstag in der Großen Halle des Volkes am Tian’anmen-Platz in Peking stattfinden (China.Table berichtete). rad

  • Jiang Zemin
  • KP Chinas
  • Xi Jinping

Solar-Hersteller Longi weist Vorwürfe aus USA zurück

Der chinesische Solarmodulhersteller Longi hat Vorwürfe zurückgewiesen, man würde US-Zollbestimmungen umgehen. Das Unternehmen erklärte am Montag, es werde Beweise dafür vorlegen, dass alle US-Gesetze eingehalten würden. Das US-Handelsministerium hatte am Freitag die vorläufigen Ergebnisse einer Überprüfung von Solarmodul-Herstellern vorgelegt. Die zeigten, dass Longi und drei weitere Unternehmen US-Zölle umgingen, indem sie ihre Endfertigung in südostasiatischen Staaten durchführen lassen. Das Handelsministerium forderte deshalb zusätzliche Einfuhrabgaben von den betroffenen Firmen. Neben Longi sind das BYD, Trina Solar und Canadian Solar.

Die anderen Firmen äußerten sich zunächst nicht zu den Vorwürfen. Das US-Handelsministerium will seine Untersuchung zu den Panelen im Mai kommenden Jahres abschließen und dann eine Entscheidung fällen. Dies könnte dazu führen, dass die chinesischen Unternehmen zusätzlichen Zöllen unterliegen für Produkte, die sie in Malaysia, Kambodscha, Thailand und Vietnam herstellen. Die Module würden dann teurer auf dem US-Markt.

Diese Zölle würden aber nicht sofort wirksam werden. Im Juni hatte US-Präsident Joe Biden per Dekret bestimmt, dass neue Abgaben auf Importe aus jenen Ländern um zwei Jahre gestundet werden. Zuvor hatte die US-Solarindustrie davor gewarnt, dass der Handelsstreit zwischen den USA und China die Lieferketten des Sektors durcheinanderbringen würde. rtr/ari

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  • Erneuerbare Energien
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Milliardär plant Hongkonger Formel-1-Team

Die berühmteste Motorsport-Serie der Welt könnte bald schon um ein aus Hongkong finanziertes Team reicher werden. Nach einem Bericht des britischen Mirror plant der Versicherungsunternehmer Calvin Lo die Gründung eines eigenen Formel-1-Rennstalls. Der Erwerb einer Lizenz zur Teilnahme würde Lo rund 200 Millionen US-Dollar kosten. Lo ist kanadischer Staatsbürger mit Hongkonger Wurzeln. Sein Vermögen wird auf rund 1,7 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Lo war in der Vergangenheit immer wieder als Gast bei Formel-1-Rennen in aller Welt zu sehen. Gegenüber dem Mirror sprach er von bislang “ungenutzten Chancen”, die sich durch die wachsende Popularität der Serie ergeben würden. Eine neue Generation von Fans wachse heran.

Seit dem vergangenen Jahr sitzt mit Zhou Guanyu erstmals auch ein chinesischer Fahrer in einem Formel-1-Cockpit. Der 23-Jährige fährt für Alfa-Romeo-Ferrari. Die Serie hofft auf eine wachsende Popularität Zhous in seiner chinesischen Heimat, um den dortigen Markt weiter erschließen zu können. Für die Hersteller liefert eine Emotionalisierung der Rennserie ein wertvolles Marketing-Werkzeug in der Volksrepublik, um ihre Absatzzahlen weiter steigern zu können.

Die Formel 1 ist die Prestige-Serie im internationalen Rennsport schlechthin, in der alle renommierten Automobilhersteller entweder aktuell oder in der Vergangenheit ihre Bremsspuren hinterlassen haben – entweder durch eigene Teams oder die Zulieferung von Motoren. Gerade auch in Deutschland hat sie eine besondere Stellung, seitdem Michael Schumacher sieben Mal und Sebastian Vettel vier Mal die WM-Krone in der Fahrerwertung gewannen. grz

  • Autoindustrie
  • Hongkong
  • Sport

Presseschau

“Weg von Offenheit”: Scholz warnt vor Isolierung Chinas in der Welt TAGESSPIEGEL
Außenministerin: Baerbock hofft auf Indien als Gegengewicht zu China STERN
Menschenrechtsorganisation: China betreibt weltweit illegale Polizeistationen T-ONLINE
Peking zeigt sich verärgert über deutsche Chinastrategie SPIEGEL
China beteiligt sich wohl nicht an Ölpreisdeckel gegen Russland FINANZEN
Canada to send more warships through Taiwan Strait IRISHTIMES
China may announce 10 new COVID easing steps on Wednesday REUTERS
Proteste in China: Xi Jinpings fast ausweglose Covid-Politik SWP-BERLIN
Nach den Protesten bleibt die Angst TAGESSCHAU
Apple-Produktion in China bis zum Jahreswechsel eingeschränkt SPIEGEL
Hackers linked to Chinese government stole millions in Covid benefits, Secret Service says NBCNEWS
Der saudische Prinz auf Partnersuche in China DIEPRESSE
Hafenpläne mit China – alles noch größer? NDR
Audi in China abgehängt – BYD wird zur meistgekauften Automarke ECHO24
iPhone-Werk in China: Volle Produktionskapazität wohl erst zum Jahreswechsel HEISE
WM 2023 ohne China: Immer wieder platzen Rennen SPEEDWEEK
Dieser Bremerhavener ist in China als Rapper erfolgreich BUTENUNBINNEN
China Helps With US Tech Firm Scrutiny in Sign of Easing Tension BLOOMBERG

Heads

Francis Kremer – Dem Fernweh gefolgt

Francis Kremer arbeitet für einen chinesischen Automobilzulieferer als Verkaufsleiter. Zudem hat er ein China-Sprachbuch geschrieben.
Francis Kremer arbeitet für einen chinesischen Automobilzulieferer als Verkaufsleiter. Zudem hat er ein China-Sprachbuch geschrieben.

Schon mit 14 Jahren wollte Francis Kremer unbedingt internationaler Geschäftsmann werden. Er interessierte sich für Wirtschaft und für die Ferne. Heute, mit 39 Jahren, ist er am Ziel, als Verkaufs- und Marketingchef von Juli Automotion, einem chinesischen Motorenhersteller und Tier-1-Lieferanten in einer Vorstadt von Shanghai. “Ich konnte mir ein Leben in Deutschland einfach nicht vorstellen”, sagt Kremer. “Ich bin neugierig auf die Welt.”

Kremer wuchs in Gummersbach bei Köln auf, seine Mutter Irin, sein Vater Deutscher. Fürs Studium zog Kremer in den Frankfurter Raum, studierte BWL in Aschaffenburg. “Ich habe nach dem möglichst exotischsten Kontinent gesucht und bin nach Südamerika gereist.” Doch so viel anders als Europa sei Lateinamerika nicht gewesen, woraus der Wunsch entstand, nach China zu ziehen. Für Kremer eher eine rationale Entscheidung als eine emotionale. 2004 besuchte er das Land das erste Mal. In Aschaffenburg lernte er seine spätere Frau kennen, eine Chinesin. 2017 zog er nach China und arbeitete für die österreichische STIWA Group.

Neue Führungskultur etabliert

Seit fast drei Jahren leitet Kremer den Verkauf von Juli Automotion. Außerdem hat er eine zweite Aufgabe: “Ich bin dafür da, damit die Firma ein internationales Gesicht hat”, sagt Kremer. Das Unternehmen beschäftigt 450 Menschen, Kremers Team besteht aus zwölf Personen. Er erzählt, dass er von Anfang an eine Ownership-Kultur etablieren wollte: flache Hierarchien, mehr Freiraum für jede und jeden. Es habe sehr lange gedauert, bis sich das durchgesetzt habe, weil die Chinesen eine härtere Führung gewohnt seien. “Das hat aber unter den Chinesen eine neue Energie entfacht”, erzählt Kremer. “Es kam erst kürzlich vor, dass mein Chef auf mich zukam und mich nach meiner Meinung fragte.”

Seine Erfahrung als “China Dreamer” will Francis Kremer weitergeben – unter anderem mit dem Podcast “China Flexpat”, in dem er sich mit anderen Deutschen in China austauscht. Zudem veröffentlichte er im Oktober das China-Lernbuch “Chinese On Your Terms”, das es einfacher machen soll, die Sprache zu erlernen. Er selbst sieht sich als “China-Influencer”. “Ich möchte Menschen unterstützen, die einen ähnlichen Drang wie ich haben, aber nicht wissen, wie man nach China kommt.”

Im Covid-Lockdown Buch geschrieben

In seinem Urlaub macht Kremer gern Backpack-Fahrrad-Touren durch China. Zuletzt war er drei Wochen im Südwesten unterwegs. Die Art Urlaub zu machen sei nicht typisch chinesisch. Auf der ganzen Tour hat er nur drei weitere Fahrradfahrer getroffen, erzählt er.

Kremer lebt in einer Patchwork-Familie, seine heutige Verlobte hat einen Sohn, sie wohnen in einer anderen Stadt. Seine Familie konnte er im Sommer zwei Monate nicht sehen, weil er durch die Covid-Restriktionen seine Stadt nicht verlassen durfte. Für ihn war das aber nicht so schlimm. “Das ist eine Mindset-Frage”, sagt Kremer. “Ich habe dann einfach ein Buch geschrieben und den Podcast ausgebaut, auch in der Firma läuft es gut.” Kremer ist einer, den nichts so schnell aus der Bahn wirft. Tom Schmidtgen

  • Handel
  • Industrie

Personalien

David Pierson wird neuer China-Korrespondent der New York Times. Pierson war zuvor für die Los Angeles Times tätig und berichtete dort unter anderem über Wirtschaftsthemen aus China und Südostasien. Er ist in Hongkong geboren und aufgewachsen. Derzeit lebt er in Singapur, soll dann aber von Hongkong aus berichten.

Sein Kollege Chris Buckley, der 2020 aus Peking ausgewiesen wurde, wird zum Ende des Jahres von Taiwan berichten. Buckley wohnte seit seiner Ausweisung in Australien.

Ergänzt wird das Team in der Region von Alex Travelli als neuem Wirtschaftskorrespondenten für Südostasien. Travelli war zuvor für den Economist unter anderem in Indien tätig. Er tritt seine neue Stelle am Januar an und wird aus Delhi berichten.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Der Winter nähert sich in voller Pracht – hier im Hengshan-Gebirge in der Provinz Hunan. Die Gebirgskette südlich von Changsha beherbergt einen der Fünf heiligen Berge (五岳, Wǔyuè) des Daoismus in China.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Zeitenwende des Kanzlers mehr Russland als China
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    • Grüne wollen Lieferketten mit Taiwan sichern
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    • Hu Jintao bei Jiangs Einäscherung
    • Solar-Produzent widerspricht US-Zoll
    • Hongkonger plant Formel-1-Team
    • Francis Kremer: Autor, Podcaster, Autoverkäufer
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    wie sich das Auswärtige Amt den zukünftigen Umgang mit China vorstellt, haben wir Ihnen bereits vorgestellt. Auch die Pläne des Wirtschaftsministeriums wurden von uns analysiert. Nun hat Bundeskanzler Olaf Scholz persönlich in die Tasten gehauen und einen rund 13-seitigen Aufsatz veröffentlicht. Der vielversprechende Titel: “Die globale Zeitenwende”.

    In der Tat, eine Zeitenwende, wie von Scholz im Bundestag ausgerufen, darf nicht bei Russlands brutalem Angriffskrieg gegen die Ukraine stehen bleiben – so grausam die aktuellen Geschehnisse auch sein mögen. Denn abseits der tagesaktuellen Schreckensmeldungen über den Krieg in der Ukraine stellt sich dem Westen eine wesentlich größere Herausforderung: der Aufstieg Chinas. Entsprechend lesen Sie heute in unserem ersten Stück, wie Bundeskanzler Olaf Scholz den rasanten Aufstieg der Volksrepublik in seine “globalen Zeitenwende” einordnet und welche Konsequenzen er daraus zieht.

    In unserer zweiten Analyse geht es um die Situation von Expats und Uni-Absolventen auf dem chinesischen Arbeitsmarkt. Jedes Jahr verlassen allein in China Millionen Studenten die Hochschulen und müssen sich fortan im Kampf um wenige Arbeitsplätze beweisen. Ein klassisches Überangebot, auf dem sich die Personalabteilungen dann nur noch die Rosinen herauspicken müssen – könnte man zumindest meinen.

    Doch in der Realität lässt sich überraschend ein völlig anderes Phänomen beobachten: Trotz Millionen von Absolventen gelingt es vielen Unternehmen nicht mehr, ihre freien Stellen zu besetzen. Warum das so ist, war Thema des gestrigen Table.Live-Briefings. Marcel Grzanna hat zugehört und Ihnen die wichtigsten Punkte aufgeschrieben.   

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    Ihr
    Michael Radunski
    Bild von Michael  Radunski

    Analyse

    China für Scholz mehr Partner denn Rivale

    Scholz und Xi im November in Peking

    Olaf Scholz hat in einem knapp 13 Seiten langen Gastbeitrag für das renommierte Magazin “Foreign Affairs” seine “globale Zeitenwende” erklärt. Dabei stellt der Bundeskanzler gleich zu Beginn fest: “Die Zeitenwende geht über den Krieg in der Ukraine und das Thema der europäischen Sicherheit hinaus.” Und dennoch handelt der Aufsatz des Kanzlers viel von Russland, vom Krieg in der Ukraine, und damit verbunden von der europäischen Geschichte.

    Dieser Ausgangspunkt ist verständlich. Allerdings muss man die Zeitenwende in der Tat global fassen. Denn abseits der tagesaktuellen Schreckensmeldungen über den Krieg in der Ukraine stellt sich dem Westen eine wesentlich größere Herausforderung: der Aufstieg Chinas. Doch Scholz bleibt hinter seiner eigenen Ankündigung zurück: In seinem Aufsatz wird er Russland mehr als 30 Mal erwähnen, China kommt hingegen nur zehn Mal vor.

    Scholz warnt vor Chinas Isolierung

    “Viele sind der Auffassung, dass wir am Beginn einer neuen Ära der Bipolarität innerhalb der internationalen Ordnung stehen. Sie sehen einen neuen Kalten Krieg heraufziehen, der die Vereinigten Staaten und China als Gegner in Stellung bringt”, schreibt Scholz und resümiert: “Ich teile diese Ansicht nicht.”

    Mehr noch, richtet Scholz eine Warnung an den Westen: “Chinas Aufstieg ist weder eine Rechtfertigung für die Isolation Pekings noch für eine Einschränkung der Zusammenarbeit.” Seine Begründung lautet: China habe sich vielmehr selbst zu einem “Global Player” entwickelt – einer Rolle, die das Land bereits früher in der Weltgeschichte innegehabt habe.

    Das stimmt. Doch übersieht Scholz an dieser Stelle einen fundamentalen Unterschied zwischen damals und heute: Das kaiserliche China war durchaus einst die führende Weltmacht, die Europa bei Militär, Wirtschaft oder Innovation weit überlegen war. Doch es ruhte in sich, es war sich selbst genug. Was der Ausdruck “Tianxia” (天下) – alles unter dem Himmel – als theoretisches Selbstverständnis impliziert, zeigte sich praktisch unter anderem in der angeordneten Vernichtung der Flotte von Admiral Zheng He. China war der Mittelpunkt der Welt – und die unzivilisierten Barbaren sollten in Peking vorstellig werden.

    Chinas Expansionsdrang

    Das heutige China unter Xi Jinping hingegen zeigt klare expansionistische Tendenzen – diplomatisch beispielsweise in den UN-Gremien, machtpolitisch im Südchinesischen Meer oder im Auftreten gegenüber Taiwan.

    Dass Chinas Aufstieg nicht gänzlich reibungslos und ohne Folgen für die internationale Gemeinschaft bleibt, ist auch Scholz bewusst. Entsprechend fordert er in seinem Aufsatz die Volksrepublik auf, sich an UN-Regeln zu halten. “Die Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten kann niemals eine ‘innere Angelegenheit’ eines einzelnen Staates sein, denn alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben sich dazu bekannt, diese Rechte und Freiheiten zu wahren.”

    Auch rechtfertige Chinas wachsende Macht keine Pekinger Hegemonialansprüche, weder in Asien noch darüber hinaus, schreibt Scholz. “In Peking habe ich auch die Besorgnis über die wachsende Unsicherheit im Südchinesischen Meer und in der Straße von Taiwan zum Ausdruck gebracht und Chinas Haltung zu Menschenrechten und individuellen Freiheitsrechten angesprochen.”

    Scholz’ Worte und Scholz’ Taten

    Im Hinblick auf Deutschland scheint Scholz vor allem ein Problem zu erkennen: ungleiche Wettbewerbsbedingungen. Während Peking seine Unternehmen massiv subventioniert und im Ausland für seine Firmen einen offenen Marktzugang einfordert, müssen ausländische Unternehmen in China immer mehr Einschränkungen hinnehmen. Sie nehmen das hin, denn zu verlockend ist der riesige Markt in China. Doch fair ist das nicht.

    Entsprechend schreibt Scholz: “Im Zusammenwirken mit seinen europäischen Partnern wird Deutschland weiterhin gleiche Wettbewerbsbedingungen für europäische und chinesische Unternehmen fordern. China tut in dieser Hinsicht zu wenig und hat erkennbar einen Pfad in Richtung Isolation und weg von Offenheit eingeschlagen.”

    Was wie klare Kante daherkommt, entpuppt sich jedoch bei genauerem Hinsehen als Wunschdenken. Vor allem die Ankündigung, sich mit den europäischen Partnern abzustimmen und gemeinsam gegenüber China auftreten zu wollen, wäre der richtige Ansatz.

    Nur klaffen die Theorie der Worte und die tatsächliche Wirklichkeit leider auseinander: Es war der französische Präsident Emmanuel Macron, der zusammen mit Olaf Scholz nach Peking reisen wollte – und es war leider der deutsche Bundeskanzler, der lieber einen 13-stündigen Solo-Trip absolvierte, als gemeinsamen mit dem Partner aus Paris zu reisen und europäische Einigkeit gegenüber China zu demonstrieren.

    Scholz will den Partner China

    Und so bleibt von Scholz’ Aufsatz vor allem Dreierlei: Er sieht keine neue Bipolarität zwischen den USA und China in der internationalen Ordnung anbrechen; vielmehr warnt er vor einer Isolierung Pekings. Bei diesen beiden Punkten mag so mancher zustimmen, manch anderer widersprechen.

    Beunruhigend hingegen ist ein dritter Punkt: Scholz scheint China nur im regionalen Raum auch als Gefahr zu sehen, im Südchinesischen Meer oder für Taiwan. Für die internationale Ordnung, geschweige denn Europa und Deutschland scheint Scholz ganz auf die Sanftmütigkeit von Xi Jinping zu bauen. Hier scheinen das Auswärtige Amt, das Wirtschaftsministerium wie auch die Europäische Union weiter zu sein mit ihrem Blick auf China als Partner, Wettbewerber und eben auch Rivale.

    • China Strategie 2022
    • Geopolitik
    • Handel
    • Menschenrechte

    Millionen Uni-Absolventen – und dennoch ein Mangel

    Absolventen der Huazhong University of Science and Technology bei ihrer Examensfeier im vergangenen Juni.

    Fachkräftemangel ist für deutsche Unternehmen in China nicht nur ein Problem fliehender Expats. Zwar entstehen zweifellos zunehmend Vakanzen auf wichtigen Positionen, weil die radikale Covid-Politik und wachsender Nationalismus im Land ausländische Arbeitskräfte in Scharen aus der Volksrepublik treiben. Doch angesichts von jährlich zehn Millionen Universitäts-Absolventen sollten die Lücken rein theoretisch durch das lokale Angebot gefüllt werden können.

    Tatsächlich aber schrumpft die Zahl potenzieller chinesischer Kandidaten auf ein Minimum zusammen, wenn sich deutsche Firmen auf die Suche nach neuen Mitarbeitern begeben. Einer der Gründe: In der Berufswelt trifft eine Kombination aus technischen, organisatorischen und kommunikativen Ansprüchen seitens der Arbeitgeber immer häufiger auf Bewerberinnen und Bewerber mit mangelnder persönlicher Reife und wenig ausgeprägtem Vermögen, unabhängig zu handeln.

    Eigene Fähigkeiten zu wenig in Betracht gezogen

    “Ich stelle fest, dass viele chinesische Studenten völlig unselbständig aus der Uni kommen. Das ist in Deutschland anders”, sagt Andreas Risch, China-Chef des schleswig-holsteinischen Autozulieferers Fette Compacting und Vorsitzender der Europäischen Handelskammer in Nanjing. Risch spüre nach eigenen Angaben in Vorstellungsgesprächen häufig eine Erwartungshaltung seitens der Bewerber, die einen automatischen Aufstieg auf der Karriereleiter in kürzester Zeit beinhalte und die eigenen Fähigkeiten zu wenig in Betracht ziehe.

    “Es kommen Leute, die beim Vorstellungsgespräch konkret wissen wollen und mehrfach nachfragen, wann sie in eine Manager-Position gehoben werden”, sagt Risch beim Table.Live-Briefing zum Exodus von Fach- und Führungskräften in der zweitgrößten Volkswirtschaft. Er könne darauf allerdings keine seriöse Antwort geben. Denn der Aufstieg in einem Unternehmen sei kein vorgezeichneter Pfad, sondern das Resultat aus vielen Komponenten, aber vor allem auch der Persönlichkeit des Gegenübers.

    Diese auf Anhieb umfassend einzuschätzen, um verlässliche Aussagen treffen zu können, ist unmöglich. Stattdessen müssen neue Mitarbeiter ihre Stärken im täglichen Betrieb unter Beweis stellen. Risch sieht hier auf viele Uni-Absolventen eine große Herausforderung zukommen. “Der Drang zu lernen, besonders auch aus eigenen Fehlern, hat abgenommen. Auch weil ihr Umfeld es den Studenten immer schwieriger möglich macht.”

    Ausgeprägtes Phänomen der Helikopter-Eltern

    Das Phänomen der sogenannten Helikopter-Eltern sei in China besonders ausgeprägt. Studenten würden teils von ihren Eltern ins Ausland begleitet, damit die ihnen dort bei der Einrichtung des eigenen Lebens unter die Arme greifen können. Die Eltern seien häufig auch diejenigen, die mit den Unternehmen die Gespräche suchten, um mit den Vorgesetzten die Entwicklung ihres erwachsenen Kindes zu besprechen. Unter solchen Umständen können sich Qualitäten, die junge Chinesinnen und Chinesen zu Höherem befähigen, schwer herauskristallisieren.

    Für die Unternehmen resultiert daraus ein noch schärferer Wettbewerb um gute Mitarbeiter. Besonders der Mittelstand hat es schwer, dessen Namen weniger Anziehungskraft auf chinesische Talente ausüben als die der Weltkonzerne. Personelle Lücken kurzerhand mit Expats aufzufüllen, wird ebenfalls immer schwieriger. Strenge Visabedingungen, eine geringere Bereitschaft deutscher Arbeitnehmer, ihren Wohnsitz nach China zu verlegen, und höhere Lokalisierungsquoten reduzieren die Zahl der Alternativen.

    “Es sind weniger als fünf Prozent der Vakanzen, die überhaupt für Ausländer angeboten werden. 19 von 20 Angeboten richten sich an Chinesen”, sagt Geschäftsführerin Miriam Wickertsheim von DirectHR, einem Rekrutierungsunternehmen in Shanghai. Jungen deutschen Studenten, die an einem Job in China interessiert sind, rät Wickertsheim deshalb, sich besser zunächst einmal anderswo nach einem Engagement im Ausland umzuschauen, da es in der Volksrepublik zu wenig Vakanzen für den Einstieg gebe. Bessere Chancen räumt sie dagegen Arbeitnehmern ein, die bereits in China leben und sich für einen Posten im mittleren Management bewerben wollen.

    Wechselwilligkeit der Mitarbeiter hat abgenommen

    Für den Mittelstand habe sich die Situation zumindest durch die Erfahrungen der Corona-Zeit etwas verbessert, wenn auch beileibe nicht optimiert, sagt Wickertsheim. Die Mobilität junger Arbeitnehmer habe nachgelassen und ihre Bereitschaft, bei kleineren Unternehmen in den Provinzen anzuheuern, sei dadurch etwas größer geworden. Auch die Wechselwilligkeit der Mitarbeiter in China habe abgenommen, und die durchschnittliche Verweildauer bei den Unternehmen zugelegt.

    Dennoch hängen die Zusagen interessanter Kandidatinnen und Kandidaten am Ende nicht selten von den Gehaltszahlungen ab. Ob die Persönlichkeit der Bewerber den Anforderungen des Unternehmens dauerhaft gerecht wird, stellt sich erst nach einer Weile heraus – die Preisspirale bei den Personalkosten lässt sich dann aber nicht mehr zurückdrehen.

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    News

    EU-Grüne schlagen Taiwan-Vertrag vor

    Die Grünen-Fraktion im Europaparlament schlägt einen Vertrag mit Taiwan zur Absicherung der Lieferketten vor. Der Abgeordnete Reinhard Bütikofer hat am Montag in Berlin eine Studie zu diesem Thema vorgestellt. In einem möglichen “Abkommen zu widerstandsfähigen Lieferketten zwischen EU und Taiwan” (EU-Taiwan Resilient Supply Chains Agreement) könnten beide Seiten Wege vereinbaren, den Zugriff auf wichtige Güter auch in Krisenzeiten sicherzustellen.

    Für die EU-Wirtschaft betrifft das vor allem Mikrochips aus Taiwan. Ein solches Abkommen könne helfen, strategische Abhängigkeiten zu verringern, sagte Bütikofer auf der Veranstaltung “Taiwan: Opportunities and Challenges in Times of Geopolitical Change” in der EU-Vertretung in Berlin. Die EU verstärkt derzeit ihre Ausrichtung auf Taiwan. Vom 19. bis zum 21. Dezember ist eine Delegationsreise von Europaparlamentariern geplant. Die Delegation führt Iuliu Winkler aus Rumänien an. fin

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    Produktion bei Apple und Tesla bleibt eingeschränkt

    Der Apple-Zulieferer Foxconn wird offenbar die Produktion in China vor Weihnachten nicht vollständig wieder hochfahren. Das weltweit größte iPhone-Werk im chinesischen Zhengzhou werde erst Ende Dezember bis Anfang Januar die Produktion in vollem Umfang wieder aufnehmen können, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Wegen der erneuten Corona-Ausbrüche in China operiert das Foxconn-Werk seit Wochen in einem sogenannten geschlossenen Kreislauf (China.Table berichtete)

    Auch der US-Autobauer Tesla reduziert im Dezember die Produktion des Model Y in der Fabrik Shanghai um 20 Prozent gegenüber dem Vormonat. Das sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen am Montag. Tesla äußerte sich dazu nicht. Was dahinter steckt, blieb zunächst unklar. Im November hatte sich der Absatz der dort produzierten Modelle 3 und Y gegenüber dem Vorjahreszeitraum noch verdoppelt, nachdem Tesla die Preise gesenkt hatte (China.Table berichtete).

    Unterdessen könnte China am Mittwoch seine strikten Corona-Maßnahmen weiter lockern. Die Regierung in Peking wolle eine Reihe weiterer Schritte Richtung Entspannung ankündigen, sagten zwei mit den Plänen vertraute Personen. Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Yicai hatte berichtet, mehr als 95 Prozent der Coronafälle in China verliefen inzwischen asymptomatisch und mild, auch die Sterblichkeitsrate sei sehr gering. Deshalb könne die Gefährlichkeit der Pandemie in die Kategorie B oder sogar Kategorie C heruntergestuft werden, zitierte Yicai einen anonymen Experten für Infektionskrankheiten. rtr/rad

    Jiang Zemin eingeäschert

    Der Leichnam von Jiang Zemin ist am Montag in Beijing eingeäschert worden. Zuvor hatten Chinas führende Politiker im Generalkrankenhaus der chinesischen Volksbefreiungsarmee Abschied vom früheren Staats- und Parteichef genommen. Jiang war am Mittwoch an multiplem Organversagen infolge einer Leukämie-Erkrankung im Alter von 96 Jahren in Shanghai gestorben (China.Table berichtete).

    Bei der Abschiedszeremonie im Krankenhaus waren unter anderem sämtliche Mitglieder des Politbüros anwesend: Xi Jinping, Li Keqiang, Li Zhanshu, Wang Yang, Zhao Leji, Wang Huning und Han Zheng.

    Bemerkenswert: Auch der ehemalige KP-Generalsekretär Hu Jintao war gekommen. Seit den Vorkommnissen auf dem Parteitag wird heftig über einen tiefen Bruch zwischen Xi und Hu spekuliert (China.Table berichtete). Anschließend eskortierte die aktuelle KP-Spitze den Leichnam zum Revolutionären Friedhof Babaoshan, wo Jiang eingeäschert wurde. Die eigentliche Trauerfeier wird am Dienstag in der Großen Halle des Volkes am Tian’anmen-Platz in Peking stattfinden (China.Table berichtete). rad

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    Solar-Hersteller Longi weist Vorwürfe aus USA zurück

    Der chinesische Solarmodulhersteller Longi hat Vorwürfe zurückgewiesen, man würde US-Zollbestimmungen umgehen. Das Unternehmen erklärte am Montag, es werde Beweise dafür vorlegen, dass alle US-Gesetze eingehalten würden. Das US-Handelsministerium hatte am Freitag die vorläufigen Ergebnisse einer Überprüfung von Solarmodul-Herstellern vorgelegt. Die zeigten, dass Longi und drei weitere Unternehmen US-Zölle umgingen, indem sie ihre Endfertigung in südostasiatischen Staaten durchführen lassen. Das Handelsministerium forderte deshalb zusätzliche Einfuhrabgaben von den betroffenen Firmen. Neben Longi sind das BYD, Trina Solar und Canadian Solar.

    Die anderen Firmen äußerten sich zunächst nicht zu den Vorwürfen. Das US-Handelsministerium will seine Untersuchung zu den Panelen im Mai kommenden Jahres abschließen und dann eine Entscheidung fällen. Dies könnte dazu führen, dass die chinesischen Unternehmen zusätzlichen Zöllen unterliegen für Produkte, die sie in Malaysia, Kambodscha, Thailand und Vietnam herstellen. Die Module würden dann teurer auf dem US-Markt.

    Diese Zölle würden aber nicht sofort wirksam werden. Im Juni hatte US-Präsident Joe Biden per Dekret bestimmt, dass neue Abgaben auf Importe aus jenen Ländern um zwei Jahre gestundet werden. Zuvor hatte die US-Solarindustrie davor gewarnt, dass der Handelsstreit zwischen den USA und China die Lieferketten des Sektors durcheinanderbringen würde. rtr/ari

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    Milliardär plant Hongkonger Formel-1-Team

    Die berühmteste Motorsport-Serie der Welt könnte bald schon um ein aus Hongkong finanziertes Team reicher werden. Nach einem Bericht des britischen Mirror plant der Versicherungsunternehmer Calvin Lo die Gründung eines eigenen Formel-1-Rennstalls. Der Erwerb einer Lizenz zur Teilnahme würde Lo rund 200 Millionen US-Dollar kosten. Lo ist kanadischer Staatsbürger mit Hongkonger Wurzeln. Sein Vermögen wird auf rund 1,7 Milliarden US-Dollar geschätzt.

    Lo war in der Vergangenheit immer wieder als Gast bei Formel-1-Rennen in aller Welt zu sehen. Gegenüber dem Mirror sprach er von bislang “ungenutzten Chancen”, die sich durch die wachsende Popularität der Serie ergeben würden. Eine neue Generation von Fans wachse heran.

    Seit dem vergangenen Jahr sitzt mit Zhou Guanyu erstmals auch ein chinesischer Fahrer in einem Formel-1-Cockpit. Der 23-Jährige fährt für Alfa-Romeo-Ferrari. Die Serie hofft auf eine wachsende Popularität Zhous in seiner chinesischen Heimat, um den dortigen Markt weiter erschließen zu können. Für die Hersteller liefert eine Emotionalisierung der Rennserie ein wertvolles Marketing-Werkzeug in der Volksrepublik, um ihre Absatzzahlen weiter steigern zu können.

    Die Formel 1 ist die Prestige-Serie im internationalen Rennsport schlechthin, in der alle renommierten Automobilhersteller entweder aktuell oder in der Vergangenheit ihre Bremsspuren hinterlassen haben – entweder durch eigene Teams oder die Zulieferung von Motoren. Gerade auch in Deutschland hat sie eine besondere Stellung, seitdem Michael Schumacher sieben Mal und Sebastian Vettel vier Mal die WM-Krone in der Fahrerwertung gewannen. grz

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    Presseschau

    “Weg von Offenheit”: Scholz warnt vor Isolierung Chinas in der Welt TAGESSPIEGEL
    Außenministerin: Baerbock hofft auf Indien als Gegengewicht zu China STERN
    Menschenrechtsorganisation: China betreibt weltweit illegale Polizeistationen T-ONLINE
    Peking zeigt sich verärgert über deutsche Chinastrategie SPIEGEL
    China beteiligt sich wohl nicht an Ölpreisdeckel gegen Russland FINANZEN
    Canada to send more warships through Taiwan Strait IRISHTIMES
    China may announce 10 new COVID easing steps on Wednesday REUTERS
    Proteste in China: Xi Jinpings fast ausweglose Covid-Politik SWP-BERLIN
    Nach den Protesten bleibt die Angst TAGESSCHAU
    Apple-Produktion in China bis zum Jahreswechsel eingeschränkt SPIEGEL
    Hackers linked to Chinese government stole millions in Covid benefits, Secret Service says NBCNEWS
    Der saudische Prinz auf Partnersuche in China DIEPRESSE
    Hafenpläne mit China – alles noch größer? NDR
    Audi in China abgehängt – BYD wird zur meistgekauften Automarke ECHO24
    iPhone-Werk in China: Volle Produktionskapazität wohl erst zum Jahreswechsel HEISE
    WM 2023 ohne China: Immer wieder platzen Rennen SPEEDWEEK
    Dieser Bremerhavener ist in China als Rapper erfolgreich BUTENUNBINNEN
    China Helps With US Tech Firm Scrutiny in Sign of Easing Tension BLOOMBERG

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    Francis Kremer – Dem Fernweh gefolgt

    Francis Kremer arbeitet für einen chinesischen Automobilzulieferer als Verkaufsleiter. Zudem hat er ein China-Sprachbuch geschrieben.
    Francis Kremer arbeitet für einen chinesischen Automobilzulieferer als Verkaufsleiter. Zudem hat er ein China-Sprachbuch geschrieben.

    Schon mit 14 Jahren wollte Francis Kremer unbedingt internationaler Geschäftsmann werden. Er interessierte sich für Wirtschaft und für die Ferne. Heute, mit 39 Jahren, ist er am Ziel, als Verkaufs- und Marketingchef von Juli Automotion, einem chinesischen Motorenhersteller und Tier-1-Lieferanten in einer Vorstadt von Shanghai. “Ich konnte mir ein Leben in Deutschland einfach nicht vorstellen”, sagt Kremer. “Ich bin neugierig auf die Welt.”

    Kremer wuchs in Gummersbach bei Köln auf, seine Mutter Irin, sein Vater Deutscher. Fürs Studium zog Kremer in den Frankfurter Raum, studierte BWL in Aschaffenburg. “Ich habe nach dem möglichst exotischsten Kontinent gesucht und bin nach Südamerika gereist.” Doch so viel anders als Europa sei Lateinamerika nicht gewesen, woraus der Wunsch entstand, nach China zu ziehen. Für Kremer eher eine rationale Entscheidung als eine emotionale. 2004 besuchte er das Land das erste Mal. In Aschaffenburg lernte er seine spätere Frau kennen, eine Chinesin. 2017 zog er nach China und arbeitete für die österreichische STIWA Group.

    Neue Führungskultur etabliert

    Seit fast drei Jahren leitet Kremer den Verkauf von Juli Automotion. Außerdem hat er eine zweite Aufgabe: “Ich bin dafür da, damit die Firma ein internationales Gesicht hat”, sagt Kremer. Das Unternehmen beschäftigt 450 Menschen, Kremers Team besteht aus zwölf Personen. Er erzählt, dass er von Anfang an eine Ownership-Kultur etablieren wollte: flache Hierarchien, mehr Freiraum für jede und jeden. Es habe sehr lange gedauert, bis sich das durchgesetzt habe, weil die Chinesen eine härtere Führung gewohnt seien. “Das hat aber unter den Chinesen eine neue Energie entfacht”, erzählt Kremer. “Es kam erst kürzlich vor, dass mein Chef auf mich zukam und mich nach meiner Meinung fragte.”

    Seine Erfahrung als “China Dreamer” will Francis Kremer weitergeben – unter anderem mit dem Podcast “China Flexpat”, in dem er sich mit anderen Deutschen in China austauscht. Zudem veröffentlichte er im Oktober das China-Lernbuch “Chinese On Your Terms”, das es einfacher machen soll, die Sprache zu erlernen. Er selbst sieht sich als “China-Influencer”. “Ich möchte Menschen unterstützen, die einen ähnlichen Drang wie ich haben, aber nicht wissen, wie man nach China kommt.”

    Im Covid-Lockdown Buch geschrieben

    In seinem Urlaub macht Kremer gern Backpack-Fahrrad-Touren durch China. Zuletzt war er drei Wochen im Südwesten unterwegs. Die Art Urlaub zu machen sei nicht typisch chinesisch. Auf der ganzen Tour hat er nur drei weitere Fahrradfahrer getroffen, erzählt er.

    Kremer lebt in einer Patchwork-Familie, seine heutige Verlobte hat einen Sohn, sie wohnen in einer anderen Stadt. Seine Familie konnte er im Sommer zwei Monate nicht sehen, weil er durch die Covid-Restriktionen seine Stadt nicht verlassen durfte. Für ihn war das aber nicht so schlimm. “Das ist eine Mindset-Frage”, sagt Kremer. “Ich habe dann einfach ein Buch geschrieben und den Podcast ausgebaut, auch in der Firma läuft es gut.” Kremer ist einer, den nichts so schnell aus der Bahn wirft. Tom Schmidtgen

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    Personalien

    David Pierson wird neuer China-Korrespondent der New York Times. Pierson war zuvor für die Los Angeles Times tätig und berichtete dort unter anderem über Wirtschaftsthemen aus China und Südostasien. Er ist in Hongkong geboren und aufgewachsen. Derzeit lebt er in Singapur, soll dann aber von Hongkong aus berichten.

    Sein Kollege Chris Buckley, der 2020 aus Peking ausgewiesen wurde, wird zum Ende des Jahres von Taiwan berichten. Buckley wohnte seit seiner Ausweisung in Australien.

    Ergänzt wird das Team in der Region von Alex Travelli als neuem Wirtschaftskorrespondenten für Südostasien. Travelli war zuvor für den Economist unter anderem in Indien tätig. Er tritt seine neue Stelle am Januar an und wird aus Delhi berichten.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Der Winter nähert sich in voller Pracht – hier im Hengshan-Gebirge in der Provinz Hunan. Die Gebirgskette südlich von Changsha beherbergt einen der Fünf heiligen Berge (五岳, Wǔyuè) des Daoismus in China.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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