Table.Briefing: China

Pelosi im Anflug + Inflation im Vergleich + Mehr Luxus für Autokunden

  • Nancy Pelosi will nach Taiwan
  • China profitiert nicht von geringeren Inflationsraten
  • Mercedes setzt auf Bedürfnis nach Luxus bei chinesischen Kunden
  • USA wollen chinesische Chiphersteller isolieren
  • Beeindruckende Dokumentation über Lockdown in Shanghai
  • Wahlheimat Taipeh: Sascha Pallenberg lebt “am Nabel der IT-Welt”
Liebe Leserin, lieber Leser,

während der Produktion dieses Decision Briefs blickt die Redaktion gebannt auf Taiwan. Die große Frage, ob Nancy Pelosi dem US-Verbündeten tatsächlich einen Besuch abstattet und welche Konsequenzen das nach sich ziehen könnte, schwirrt in diesen Tagen wohl im Kopf eines jeden China-Beobachters. Und es scheiden sich die Geister daran, ob Pelosi mit ihrem Besuch Stärke gegenüber der Volksrepublik demonstriert oder leichtsinnig den Frieden aufs Spiel setzt.

Menschen, die sich mit China hervorragend auskennen, sagen: Das Land respektiere starkes Auftreten, nutze aber Schwächen seiner Widersacher gnadenlos aus. Davon wird vermutlich auch schon Nancy Pelosi gehört haben. Als ranghöchste Politikerin der USA nach Präsident und Vize-Präsidentin liegt die Entscheidung nun bei ihr, ob sie die jüngsten militärischen Drohungen aus dem chinesischen Außenministerium für bare Münze nimmt oder nicht.

Pelosi würde eine Menge Glaubwürdigkeit sinnlos verbraucht haben, sollte sie ihre Meinung jetzt ändern und auf einen Besuch Taiwans verzichten. Kaum vorstellbar, dass diese Frau sich dessen nicht bewusst gewesen sein soll, als sie ihre Reisepläne öffentlich machte. Im Umkehrschluss würde dies bedeuten, dass sie bereit ist, chinesische Drohungen zu ignorieren. Fortsetzung in Kürze.

Bis dahin beschäftigen wir uns aber auch ausführlich mit der Frage, weshalb Chinas geringe Inflation im Vergleich zu Europa oder den USA kein Systemvorteil für Peking darstellt. Eine weitere Analyse befasst sich derweil mit der Bedeutung Chinas für den Autobauer Mercedes. Mehr Luxus für Kunden zwischen Jilin und Shenzhen bilden eine Säule der Zukunftsstrategie.

Ob es der chinesischen Regierung gelingt, die Kauflaune ihrer Bürger hochzuhalten, spielt nicht nur für Mercedes eine wichtige Rolle, sondern für die gesamte Exportwirtschaft. Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, melden Sie sich gerne hier an zu unserer Live-Gesprächsrunde mit Finn Mayer-Kuckuk am Mittwoch um 11.30 Uhr. Die Lage um Taiwan wird ebenfalls Thema sein.

Und nun harren wir der Dinge, die da kommen.

Ihr
Marcel Grzanna
Bild von Marcel  Grzanna

Analyse

Pelosis Spiel mit dem Feuer

Nancy Pelosi (hier am Freitag in Washington) will Taiwan besuchen.
Nancy Pelosi (hier am Freitag in Washington) will Taiwan besuchen.

Nancy Pelosi wird tatsächlich nach Taiwan reisen. Das meldete am Montag zuerst der amerikanische Fernsehsender CNN und berief sich dabei auf ranghohe taiwanische Regierungsbeamte und einen US-Beamten. Wann genau die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses in Taipeh landen werde, ist allerdings weiter unklar. Die New York Times zitiert Offizielle aus der US-Regierung um Präsident Joe Biden, wonach Pelosi ihre Meinung über eine Reise nach Taiwan noch ändern könne, dies inzwischen aber sehr unwahrscheinlich sei.

Konkreter berichten unterdessen taiwanische Medien: Demnach werde die US-Spitzenpolitikerin schon am Dienstag in Taipeh landen und in der Hauptstadt übernachten. Taiwans Ministerpräsident Su Tseng-chang wich am Montag noch aus, als er nach einem eventuellen Pelosi-Besuch gefragt wurde. “Wir begrüßen immer Besuche hochdekorierter ausländischer Gäste in unserem Land”, sagte er in der Hauptstadt Taipeh. Und auch Pelosi selbst hat den Besuch noch immer nicht offiziell bestätigt.

Doch Beamte im US-Verteidigungsministerium arbeiten derzeit mit Hochdruck an einem Plan, um die Sicherheit der Politikerin auf der Reise zu gewährleisten. Dafür würden auch alle chinesischen Bewegungen in der Region genau beobachtet.

Auch die deutsche Politik bezog vorsorglich bereits Stellung. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warnte China von New York aus vor einem Übergriff auf Taiwan. “Wir akzeptieren nicht, wenn das internationale Recht gebrochen wird und ein größerer Nachbar völkerrechtswidrig seinen kleineren Nachbarn überfällt.” Indem Baerbock Taiwan einen “Nachbarn” mit gleichen Rechten wie die Ukraine nennt, macht sie nebenbei klar, dass sie es als Land ansieht. China betrachtet die Insel als Region im eigenen Staatsgebiet.

Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses befindet sich mit einer Delegation des US-Kongresses auf Asien-Reise. Am Montag ist die Gruppe in Singapur gelandet, wo sie Ministerpräsident Lee Hsien Loong trifft. In den Gesprächen soll es um Handel, den Klimawandel und um demokratische Regierungsführung gehen. Weitere Stationen der Reise sind unter anderem Malaysia, Südkorea und Japan. Und eben Taiwan.

China warnt: Militär wird “nicht tatenlos zuschauen”

Bis zuletzt hat China versucht, einen Besuch der US-Spitzenpolitikerin in Taiwan zu verhindern. Auch am Montag warnte abermals ein Sprecher des Außenministeriums in Peking: Eine Visite Pelosis in Taiwan wäre “eine krasse Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten”.

Das Militär der Volksrepublik werde nicht tatenlos zuschauen, sollte die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses in Taiwan eintreffen. “Die chinesische Seite wird sicher energische und entschiedene Maßnahmen ergreifen, um unsere Souveränität und territoriale Integrität zu schützen”, sagte Zhao Lijian bei einer Pressekonferenz in Peking. Ein Besuch werde ungeheuerliche politische Auswirkungen haben.

Zuvor hatten sich chinesische Kommentatoren in sozialen Medien regelrecht überboten mit immer neuen Superlativen für das Maß an Eskalation. Der Kurznachrichtendienst Twitter musste gar eine offene Drohung des früheren Chefredakteurs der staatlichen chinesischen Tageszeitung Global Times wegen Verletzung der Twitter-Richtlinien blockieren. Hu Xijin hatte geschrieben: “Unsere Kampfjets sollten alle obstruktiven Taktiken anwenden. Wenn diese immer noch wirkungslos sind, denke ich, dass es auch in Ordnung ist, Pelosis Flugzeug abzuschießen.”

Und auch Chinas Präsident Xi Jinping nahm in einem Telefonat mit US-Präsident Joe Biden kein Blatt vor den Mund. Unverblümt warnte Xi seinen amerikanischen Amtskollegen: “Wer mit dem Feuer spielt, wird selbst bald in Flammen stehen.” (China.Table berichtete).  

Ranghöchster Besuch in Taipeh seit 1997

Dennoch hat sich Biden dagegen entschieden, Pelosi persönlich zu bitten, ihre Reise abzusagen. Aus Kreisen der US-Regierung heißt es, der US-Präsident habe aus Respekt vor der Unabhängigkeit des Kongresses von einem solchen Schritt abgesehen. Biden saß selbst 36 Jahre lang im Senat.

Pelosi ist als Sprecherin des US-Repräsentantenhauses die dritthöchste Vertreterin der USA – nach Präsident Biden und Vize-Präsidentin Kamala Harris. Es wäre der ranghöchste US-Besuch in Taipeh seit 25 Jahren: 1997 hatte Newt Gingrich, damals ebenfalls als “Sprecher” des Repräsentantenhauses, Taiwan besucht.

Doch die Machtverhältnisse zwischen den USA und China haben sich seither drastisch verändert. Während die USA spätestens seit Donald Trump einen Rückgang ihrer globalen Macht und Glaubwürdigkeit erleben, hat China enorm an Einfluss hinzugewonnen. Unter Präsident Xi Jinping stellt die Volksrepublik schon lange nicht mehr ihr Licht unter den Scheffel – so wie es einst Deng Xiaoping seinen Landsleuten empfohlen hatte. Vielmehr tritt China unter Xi außenpolitisch zunehmend resoluter auf und fordert immer offensiver die USA und den Westen heraus.  

Pelosi als scharfe China-Kritikerin

Pelosi ist seit langem als scharfe Kritikerin Chinas bekannt. Die wohl bekannteste Szene stammt aus dem Jahr 1991: Nur zwei Jahre nach der brutalen Niederschlagung der Proteste rund um den Tian’anmen besuchte sie die chinesische Hauptstadt und entfaltete auf dem Platz des Himmlischen Friedens ein schmales, schwarzes Banner zu Ehren der verstorbenen Demonstranten: “Für diejenigen, die für die Demokratie in China gestorben sind”.

2009 soll sie dem damaligen Präsidenten Hu Jintao einen Brief in die Hand gedrückt haben, in dem sie die Freilassung des inhaftierten Dissidenten Liu Xiaobo forderte. Liu wurde ein Jahr später der Friedensnobelpreis verliehen, sieben Jahre später starb er in chinesischer Gefangenschaft.

Mit ihrem aktuellen Verhalten setzt Pelosi aber nicht nur China unter Druck, sondern alle Beteiligten. Auf der einen Seite steht Joe Biden. Der US-Präsident soll nach dem Telefonat mit Xi Jinping die innenpolitischen und geostrategischen Kosten, den Besuch zu stoppen, genau abgewogen haben – einschließlich des Eindrucks, dass China den USA inzwischen vorschreiben könne, welche US-Beamten eine Demokratie mit 23 Millionen Menschen besuchen dürfen.

Auf der anderen Seite steht Präsident Xi Jinping. Der wird im Herbst auf dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei eine dritte Amtszeit als Präsident beginnen – ein Vorgang, für den er eigens die chinesische Verfassung ändern musste. Hinzukommen eine schwächelnde Wirtschaft und die große Unzufriedenheit der Bevölkerung über seine strikte Null-Covid-Politik samt immer wiederkehrenden Lockdowns. Und in Bezug auch Taiwan hat Xi nie einen Zweifel daran aufkommen lassen, dass die Insel fest zum chinesischen Mutterland gehöre und er keinen Zentimeter zurückweichen werde.

Pelosis Spiel mit dem Feuer

Angesichts der ausgestoßenen Drohungen gegenüber einem Besuch Pelosis muss Peking nun reagieren, wobei mehrere Varianten denkbar wären – vom Eindringen in Taiwans Air-Defense Identification Zone bis hin zu einer “Eskorte” von Pelosis Flugzeug (China.Table berichteten). Zuletzt hieß es von Seiten der chinesischen Luftwaffe, dass Kampfflugzeuge Taiwan umfliegen würden, um die Fähigkeit zur Verteidigung des eigenen Territoriums zu demonstrieren. Genaue Daten für ein solches Manöver wurden nicht genannt – sicherlich auch, um sich die Möglichkeit offenzuhalten, direkt auf die Route von Pelosis Flugzeug reagieren zu können.

Bliebe zum Schluss noch die im Grunde alles entscheidende Frage: Was will Pelosi in Taiwan überhaupt erreichen? Selbst als Sprecherin des Repräsentantenhauses kann sie Taipeh keine weitreichenden Zusagen machen – zumal Präsident Biden in diesem Jahr bereits mehrfach die strategische Ambivalenz Amerikas gegenüber Taiwan ausgeräumt und US-Unterstützung für den Fall eines chinesischen Angriffs zugesagt hat (China.Table berichtete). Taiwan kann sie bei diesem Besuch jedenfalls kaum etwas Handfestes anbieten.

In Anbetracht all dessen ist klar: Pelosis weithin bekannte Unnachgiebigkeit, lange eine hochgeschätzte Eigenschaft, wirkt hier schlicht starrsinnig. Sie spielt tatsächlich mit dem Feuer. Und es bleibt zu hoffen, dass sich dabei keiner ernsthaft verbrennt.

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Weshalb Chinas niedrige Inflation kein Systemvorteil ist

Markt in Hongkong: Der Preis für Schweinefleisch in China ist um 37 Prozent gefallen - die Inflation ist in China überraschend niedrig.
Markt in Hongkong: Der Preis für Schweinefleisch in China ist um 37 Prozent gefallen.

Für chinesische Staatsmedien ist die hohe Inflationsrate im Westen seit Monaten ein gefundenes Fressen. Vor allem auf die USA haben sich die Kommentatoren eingeschossen. Dass die US-Inflationsrate im Juni mit 9,1 Prozent den höchsten Stand seit 40 Jahren erreichte, ist für sie ein Beleg dafür, wie rasant es mit der größten Volkswirtschaft wegen der angeblich miserablen Wirtschaftspolitik Washingtons bergab geht. In Europa sieht es nicht besser aus: Dort lag die Inflation im Juni bei 8,6, im Juli bei 8,9 Prozent.

China ist in der Tat von solch massiven Preisanstiegen bislang verschont geblieben. Im Juni lag der chinesische Konsumentenpreisindex (CPI) zwar 2,5 Prozentpunkte höher als im Vorjahr und damit ebenfalls auf dem höchsten Stand seit zwei Jahren – im Vergleich zum Westen fallen die Preisanstiege aber moderat aus.

Für die Inflation im Westen machen Ökonomen eine ganze Reihe von Gründen aus. Einerseits führen sie die extrem lockere Geldpolitik der Notenbanken an, die durch ihre Maßnahmen die Wirtschaft in vergangenen Krisen stets am Laufen hielt. Zudem sind während der Corona-Pandemie die globalen Frachtkosten massiv in die Höhe geschossen. Sowohl Europa als auch die USA mussten zuletzt vor allem für Importe aus China deutlich mehr bezahlen. Erst fehlte es an Containern, dann herrschte wegen der strengen chinesischen Null-Corona-Politik Chaos in den Häfen von Tianjin bis Shenzhen (China.Table berichtete).  

Zudem zahlen die Amerikaner wegen der gegen China verhängten Strafzölle mehr an der Kasse. US-Präsident Joe Biden hat in den vergangenen Wochen immer wieder offen mit der Idee gespielt, die von Donald Trump verhängten Zölle zumindest teilweise zurückzunehmen, um die Inflation zu senken. In China hört man das gerne. Doch schon hat der Westen wegen des Krieges in der Ukraine mit weiteren Preisanstiegen zu kämpfen, vor allem für Energie und Nahrung. 

Viele Inflationsgründe gelten in China nicht

Auf die chinesische Inflationsrate wirken sich all diese Faktoren kaum oder nur eingeschränkt aus.

  • Chinas Zentralbank ging in den vergangenen Jahren mit größerer Zurückhaltung vor. Es war also weniger Kapital im Wirtschaftskreislauf unterwegs. Damit fehlt eine entscheidende Ursache für den rapiden Anstieg der Inflation in USA und EU.
  • Die extrem hohen Seefrachtkosten fallen natürlich auch nicht an, wenn chinesische Fabriken den Binnenmarkt beliefern. China hat hier den Vorteil, die größte Produktionsbasis weltweit zu sein.
  • Der Krieg in der Ukraine treibt zwar auch in China die Preise für Energie ein wenig hoch. Da sich Peking jedoch weder an einem Öl- noch an einem Gas-Boykott gegen Moskau beteiligt, kann es weiterhin vergleichsweise günstig einkaufen. Im Gegenteil. Russland gibt Energierohstoffe zum Discountpreis an China ab (China.Table berichtete).
  • Noch eine größere Rolle spielt allerdings die wirtschaftliche Schwäche im eigenen Land. Vor allem die harten Corona-Maßnahmen haben dazu geführt, dass die chinesische Wirtschaft im zweiten Quartal kaum noch gewachsen ist (China.Table berichtete). In der Krise ist den Chinesen die Lust am Shoppen vergangen. Der schwache Binnenkonsum bremst somit auch die Preisanstiege. In den USA fällt die Kaufbereitschaft aufgrund der Rezession nun allerdings ebenfalls.

Der Schweinezyklus hilft

Zum Teil hängt die in China geringere Inflation aber auch mit statistischen Unterschieden zusammen. So verwendet China einen anders zusammengesetzten Warenkorb für die Berechnung der Inflationsrate. Während das chinesische Statistikamt Kleidung und Lebensmitteln mehr Gewicht beimisst, legen die USA mehr Gewicht auf Wohnkosten und Transport, die wiederum stark von den Energiepreisen abhängen.

Besonders der Preis für Schweinefleisch spielt bei der Berechnung der chinesischen Inflation traditionell eine große Rolle. Laut Schätzungen macht er allein 2,4 Prozent des chinesischen Warenkorbs aus. Und hier zeigt sich ein Sondereffekt. Kurz bevor im Winter 2020 die Corona-Pandemie begann, gab es in China nur ein Thema: die Schweinepest. Landesweit mussten Millionen Tiere getötet werden, um die Krise in den Griff zu kriegen. 

Die Preise schossen 2020 in die Höhe. Seitdem konnten die Landwirte ihre Bestände wieder füllen – bis es zuletzt wieder ein Überangebot an Schweinen gab. Allein in den ersten fünf Monaten des Jahres sind die Preise für Schweinefleisch nun um 37 Prozent gefallen. Es ist also auch ein zyklischer Effekt, der die Inflation für China in diesem Jahr deutlich dämpft. Jörn Petring/Gregor Koppenburg

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Daimler zwischen E-Mobilität und Luxus

Der neue EQT: Daimler will mehr Fahrzeuge im Luxus-Bereich verkaufen. In China kommt diese Strategie gut an.
Der neue EQT: Daimler will mehr Fahrzeuge im Top-End-Bereich verkaufen. In China kommt diese Strategie gut an.

Mercedes lernt gerade beide Seiten der Krise kennen. Einerseits sanken im ersten Halbjahr die Auslieferungen insgesamt um 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dieses Minus verteilt sich auf einen Rückgang um 25 Prozent in China (auf 163.700 Stück) und zehn Prozent in Europa (auf 154.300 Stück). Hintergrund ist der viel zitierte Chipmangel. Die Lieferketten sind gestört, und die Produktion kann die Nachfrage nicht bedienen. Weder in Europa noch in China. Auf einzelne Modelle wie die eher anachronistische G-Klasse oder das Elektroflaggschiff EQS muss man schon jetzt mehrere Jahre warten.

Das führt aber andererseits dazu, dass Mercedes kräftig an der Preisschraube dreht. Zwar liefert die Marke weniger Fahrzeuge aus, doch die Rendite stimmt. Beispiel erstes Quartal: Dem Rückgang beim Absatz von zehn Prozent steht eine Steigerung des Betriebsgewinns um 20 Prozent gegenüber.

Mit diesem Erfolg ist Mercedes nicht allein. 2021 war das beste Jahr in der Geschichte des Dax. Und 2022 soll – trotz Coronapandemie, Inflation und Ukraine-Krieg – noch besser werden. Insgesamt 132 Milliarden Euro Gewinn sind eingeplant.

Im Durchschnitt 85.000 Euro für ein Auto

Wohl auch deswegen will Mercedes seine Produktpolitik ändern. Die A- und B-Klasse sollen aus dem Programm gestrichen werden. In Zukunft soll die C-Klasse das Einstiegsmodell der Marke werden. Mit dieser Taktik will Mercedes vor allem in China neue Kunden gewinnen. Der Plan von Mercedes-CEO Ola Källenius sieht vor, zukünftig ein Viertel weniger Kompaktwagen zu verkaufen. Dafür aber 60 Prozent mehr Fahrzeuge im Top-End-Bereich, berichtet das Manager Magazin.

So groß wäre diese Veränderung nicht. Im zweiten Quartal brach der Absatz der Kompaktwagen um rund 30 Prozent ein. Dafür verkaufte Mercedes so viele S-Klassen und Maybachs wie nie zuvor. In Zukunft soll ein durchschnittlicher Mercedes 70.000 bis 85.000 Euro kosten. Jeder Fünfte soll die magische Grenze von 100.000 Euro reißen. Auch wenn diese Vorgabe im Konzern nicht unumstritten ist, scheint sie sich zu lohnen. Denn das neue Renditeziel liegt bei zwölf bis 14 Prozent.

Auch einen technischen Hintergrund gibt es: Mercedes setzt verstärkt auf Elektroautos. Weil die Batteriepakete der neuen MMA-Plattform aber recht üppig dimensioniert sind, sind Kompaktmodelle nur noch schwer umzusetzen. Schon vorher haben Mercedes bei A- und B-Klasse die Skaleneffekte der größten Konkurrenten gefehlt.

Preissensible Chinesen

Doch um mehr verlangen zu können, muss die Leistung stimmen. Eine Studie des Wirtschaftsprüfers Deloitte kommt zu dem Ergebnis, dass die Kunden in Deutschland und China durchaus bereit sind, für fortschrittliche Technologie mehr zu bezahlen. Wobei Chinesen dabei sehr viel preissensibler reagieren. Ein Beispiel sind Sicherheitstechnologien. Hier sind 70 Prozent der Deutschen bereit, rund 400 Euro mehr zu bezahlen. Aber nur 48 Prozent der Kunden aus der Volksrepublik. Beim Thema autonomes Fahren sind es 69 Prozent der Deutschen und nur 37 Prozent der Chinesen.

Viel wichtiger dürfte aber das Ergebnis der Deloitte-Studie im Bereich der Elektromobilität sein. Gerade einmal 15 Prozent der Deutschen und 17 Prozent der Chinesen ziehen bei ihrem nächsten Autokauf ein Modell ohne Verbrennungsmotor vor. Der entpuppt sich also weiterhin als Cash Cow. Doch allzu lange wird Mercedes nicht darauf bauen können. Beim Weltklimagipfel COP26 in Glasgow hat das Unternehmen eine Erklärung zum Abschied vom Verbrennungsmotor unterschrieben. Ab dem Jahr 2040 sollen alle Neuwagen lokal emissionsfrei fahren. Mercedes will das Ziel sogar schon 2030 erreichen.

Elektroautos nur im Premiumsegment wirklich beliebt

An dieser Stelle schließt sich der Kreis zur Luxus-Strategie der Marke. Denn im Premiumsegment ist die Begeisterung für Elektroautos sehr viel größer. In Deutschland wollen in den kommenden fünf Jahren 80 Prozent der Fahrer von Premiumautos auf ein Elektroauto umsteigen. In China 64 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Kantar-Umfrage im Auftrag von Mercedes-Benz Mobility.

Sein Mitwirken an der COP26-Erklärung begründet Källenius deswegen so: “Ich habe unterschrieben, weil wir davon ausgehen, dass die Kunden im Premium-Segment schneller einen Zugang zu Ladeinfrastruktur haben. Wenn man einmal losgeschwommen ist, will man auch an das andere Ufer.” Wer ein eigenes Haus mit Garage hat, hat auch eher eine Ladebuchse, so die Überlegung des Mercedes-Chefs.

Um die hohen Preise in Zukunft auch in China zu rechtfertigen, ist Mercedes eine Kooperation mit dem Tech-Riesen Tencent eingegangen. Anfang Juli gab Tencent bekannt, dem Autobauer bei der Weiterentwicklung des autonomen Fahrens zu helfen. So dürfe Mercedes Cloud-Computing-, Big Data- und die KI-Technologien des Konzerns nutzen. Auch ein gemeinsames Versuchslabor werde gerade eingerichtet, erklärte Tencent.

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News

USA wollen Chip-Produktion in China isolieren

Die Vereinigten Staaten erwägen, die Zusammenarbeit mit Speicherchip-Herstellern in China zu begrenzen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters und beruft sich dabei auf vier mit der Angelegenheit vertraute Personen. Es sei der Versuch, die Fortschritte des chinesischen Halbleitersektors zu stoppen und US-Unternehmen zu schützen. Konkret soll der Versand von amerikanischen Geräten zur Herstellung von Chips an Fabriken in China unterbunden werden, in denen fortschrittliche NAND-Chips hergestellt werden, die zwei Bits Daten oder auch mehr pro Zelle speichern können.

Sollte die Regierung von Präsident Joe Biden allerdings tatsächlich die Lieferung amerikanischer Chips-Bauteile einschränken, würde das nicht nur chinesische Firmen wie die Yangtze Memory Technologies Co Lzd (YMTC) betreffen. Auch südkoreanische Unternehmen wie Samsung Electronics Co Ltd oder SK Hynix Inc würden in Mitleidenschaft gezogen. Samsung verfügt über zwei große Fabriken in China, während SK Hynix Inc die Chip-Produktion von Intel in China kauft. rad

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100 Minuten Lockdown-Realität

Ausschnitt aus der Dokumentation Shanghai Spring - die Dokumentation zeigt den Corona-Lockdown in Shanghai im März.
Ausschnitt aus der Dokumentation Shanghai Spring

Die Folgen des Corona-Lockdowns in Shanghai sind weiterhin spürbar. Wo neue Fälle auftauchen, werden einzelne Gebäude oder ganze Nachbarschaften abgeriegelt, die Bewohner müssen sich regelmäßig testen lassen, andernfalls droht ihnen die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit. Ein Ende der strengen Kontrollen ist nicht in Sicht, solange die Zentralregierung in Peking, wie angekündigt, an ihrer Null-Covid-Strategie festhält.

Die Menschen in der 25-Millionen-Metropole am Huangpu hoffen jedoch, dass ihnen ein abermals flächendeckender Lockdown erspart bleibt. Die kompromisslosen und teils unverständlichen Maßnahmen im vergangenen Frühjahr brachten die Bewohner Shanghais an die Grenzen ihrer psychischen Belastungsfähigkeit.

Eine beeindruckende Darstellung der Zustände in Shanghai zwischen dem 10. April und dem 10. Mai dieses Jahres bietet die Dokumentation Shanghai Spring (上海之春) (Revised). Die Non-Profit-Organisation China Change hat auf ihrem Youtube-Kanal einzelne private Videosequenzen, die während dieser Zeit entstanden, zu einer 100-minütige Zusammenfassung in zehn Episoden samt englischer Untertitel zusammengetragen.

Die Szenen sind unkommentiert, nach Sinnabschnitten aneinandergefügt und dokumentieren das Geschehen aus vielen unterschiedlichen Perspektiven. Shanghai Spring ist eine editierte Version der im April erschienenen Dokumentation Lockdown Shanghai 2022. Youtube hatte die erste Fassung wenige Tage nach ihrer Veröffentlichung gesperrt, weil sie mehrere Szenen von Suiziden enthielt. In der Neuauflage sind diese Bilder nicht mehr zu sehen. grz

  • Coronavirus
  • Gesundheit

Presseschau

Spannungen mit China: Baerbock sagt Taiwan Unterstützung bei möglichem Überfall zu SPIEGEL
China droht mit militärischer Antwort: Medien melden Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi für Dienstag TAGESSPIEGEL
A Pelosi Trip to Taiwan Would Test China’s Appetite for Confrontation NYTIMES
Deutsche Politiker warnen vor Eskalation im Taiwan-Konflikt FAZ
‘Win hearts and minds’ in Taiwan and Hong Kong, Chinese leader Xi urges Communist Party CNN
Serbischer Außenminister lobt “hervoragende Beziehungen” zu China EURACTIV
Wie Serbien mit China, Russland und der NATO kooperiert FAZ
Algerien will in BRICS-Gruppe und sucht Nähe zu Russland und China EURONEWS
US seeks to expand ties with New Zealand amid China worries APNEWS
Schweiz würde sich möglichen EU-Sanktionen gegen China anschließen EURACTIV
Gazprom fördert weniger Gas – China kann Europa nicht ersetzen HANDELSBLATT
Lockdown und Immobilienmarkt: Sorge um Chinas Wirtschaft wächst TAGESSCHAU
New China Derivatives Law Is Latest Attempt to Open Market BLOOMBERG
Kein Schaden durch Reste chinesischer Rakete DEUTSCHLANDFUNK

Heads

Sascha Pallenberg – IT-Vorreiter in Taipeh

Sascha Pallenberg ist Blogger und Digital-Experte. Seit 13 Jahren lebt er in Taiwan.
Sascha Pallenberg ist Blogger und Digital-Experte. Seit 13 Jahren lebt er in Taiwan.

Am Abend seines 30. Geburtstags sitzt Sascha Pallenberg mit seinem besten Freund zusammen und bekommt einen emotionalen Anfall. Er wohnt in einer WG, hat drei Rechner unter dem Schreibtisch und lebt in den Tag hinein. Er hat keine Vision und beschließt: Ich muss etwas ändern. Fünf Tage später nimmt er seine Ersparnisse und gründet eine Firma, die Computer aus Taiwan importiert. Er wird in das Land eingeladen, hält Reden, er bloggt und schreibt über nachhaltige Technik-Gadgets. Jetzt hat er eine Vision.

Seit 13 Jahren lebt Pallenberg in Taipeh. Taiwan, sagt Pallenberg, ist der Nabel der IT-Welt, vor allem, wenn es um Unterhaltungselektronik geht. Hier hat Pallenberg eine Firma gegründet, hier zahlt er geringere Steuern als in Deutschland und hat seinen Lebensmittelpunkt. “Die Stadt ist extrem dynamisch, die Menschen haben keine Vorurteile und sind liebenswürdig”, sagt er.

Taiwaner vermissen internationale Aufmerksamkeit

Der Konflikt zwischen Taiwan und China, das die demokratisch regierte Insel als Bestandteil seines Territoriums sieht und eine zunehmend große militärische Bedrohung aufbaut, begleitet Pallenberg seitdem. Wie nimmt er die Situation im Land wahr? “Taiwan trägt einen extrem positiv aufgeladenen Patriotismus in sich und das Verlangen danach, anerkannt zu werden”, sagt er.

In seiner Anfangszeit im Land sei er gefragt worden: Kennt man im Ausland die Situation in Taiwan überhaupt? Wisst ihr nicht, in welcher geopolitischen Zwickmühle wir uns befinden und was wir erreicht haben? “Das tut Taiwanern durchaus auch weh.” Das Land habe sich von einem klassischen Arbeiter- und Bauernstaat in den 1970er-Jahren zu einer IT-Metropole entwickelt.

Was Pallenberg als seine größte Stärke sieht? “Ich knie mich rein. Und ich habe eine große Leidenschaft für Veränderung.” Das beweist ein Blick in seine Biografie. 2017, nach vielen Jahren als Blogger, geht Pallenberg zu Daimler-Benz, arbeitet dort vier Jahre lang als “Head of Digital Transformation”. Er ist zuständig für transformative Prozesse und kümmert sich mit um die Unternehmenskommunikation. Sein Ziel: Den Konzern und dessen Kernprodukte CO₂-neutral aufstellen.

Greenwashing verhindern

Pallenberg liebt seinen Job, verdient gutes Geld und hat eine langfristige Festanstellung. Doch er will Veränderung. “Ich wollte kürzere Entscheidungswege und mich dem Thema Umweltschutz breiter widmen”, sagt Pallenberg. Ende 2020 kündigt er bei Daimler und heuert wenige Monate später beim Berliner Start-up Aware an.

Dort ist er jetzt “Chief Awareness Officer” aus der Ferne. “Wir versuchen unseren Beitrag zu leisten, dass die Klimakrise nicht zu einer Klimakatastrophe wird”, sagt Pallenberg. “Unsere Industrie hat einen sehr großen CO₂-Fußabdruck.” Pallenberg und seine Kollegen schulen Unternehmen, halten Vorträge und geben Workshops zu Themen der Nachhaltigkeit. Wie funktioniert nachhaltige Kommunikation? Wie kann ich verhindern, dass aus Green-Claiming Greenwashing wird? Zu den Kunden von Aware zählen unter anderem Porsche, BMW oder Fujitsu.

Vielleicht hat es auch mit seiner Wahlheimat Taipeh zu tun, dass Pallenberg sich für mehr Klimaschutz einsetzt. In den vergangenen Monaten wurde die Stadt von mehreren schweren Erdbeben getroffen. Pallenberg sagt: “In Taipeh merke ich, welche Kraft die Natur hat. Das kann Angst machen. Mich macht es vor allem demütig.” David Holzapfel

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Personalien

Markus Schultz geht als Regionalleiter Asien der Firma Viscotec von Shanghai nach Hongkong. Dort eröffnet der Maschinenbauer aus Töging am Inn seine sechste Niederlassung. Zuvor war Schultz Geschäftsführer von Viscotec Shanghai. Schon von 2002 bis 2007 hat er in Hongkong gelebt und gearbeitet. Seitdem war er in Festlandchina tätig.

Xu Jie wird Botschafter der Volksrepublik in dem afrikanischen Inselstaat Kap Verde. Er hat sich bereits bei Präsident José Maria Neves vorgestellt. Xu ersetzt Du Xiaocong, der sieben Jahre lang dort stationiert war. Kap Verde hat weniger als eine halbe Million Einwohner, unterhält enge Beziehungen zu China und gilt als treuer Seidenstraßen-Partner.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Geburtstagsüberraschung für Ding Ding in Moskau: Das Riesenpanda-Weibchen durfte sich wie ihr männlicher Gefährte Ru Yi am Sonntag über Bambustorte mit Früchtedeko hermachen. Während Ding Ding bereits am Samstag fünf Jahre alt wurde, feierte Ru Yi einen Tag später schon seinen sechsten Geburtstag. Die beiden Tiere waren 2019 von China an den Zoo der russischen Hauptstadt verliehen worden.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Nancy Pelosi will nach Taiwan
    • China profitiert nicht von geringeren Inflationsraten
    • Mercedes setzt auf Bedürfnis nach Luxus bei chinesischen Kunden
    • USA wollen chinesische Chiphersteller isolieren
    • Beeindruckende Dokumentation über Lockdown in Shanghai
    • Wahlheimat Taipeh: Sascha Pallenberg lebt “am Nabel der IT-Welt”
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    während der Produktion dieses Decision Briefs blickt die Redaktion gebannt auf Taiwan. Die große Frage, ob Nancy Pelosi dem US-Verbündeten tatsächlich einen Besuch abstattet und welche Konsequenzen das nach sich ziehen könnte, schwirrt in diesen Tagen wohl im Kopf eines jeden China-Beobachters. Und es scheiden sich die Geister daran, ob Pelosi mit ihrem Besuch Stärke gegenüber der Volksrepublik demonstriert oder leichtsinnig den Frieden aufs Spiel setzt.

    Menschen, die sich mit China hervorragend auskennen, sagen: Das Land respektiere starkes Auftreten, nutze aber Schwächen seiner Widersacher gnadenlos aus. Davon wird vermutlich auch schon Nancy Pelosi gehört haben. Als ranghöchste Politikerin der USA nach Präsident und Vize-Präsidentin liegt die Entscheidung nun bei ihr, ob sie die jüngsten militärischen Drohungen aus dem chinesischen Außenministerium für bare Münze nimmt oder nicht.

    Pelosi würde eine Menge Glaubwürdigkeit sinnlos verbraucht haben, sollte sie ihre Meinung jetzt ändern und auf einen Besuch Taiwans verzichten. Kaum vorstellbar, dass diese Frau sich dessen nicht bewusst gewesen sein soll, als sie ihre Reisepläne öffentlich machte. Im Umkehrschluss würde dies bedeuten, dass sie bereit ist, chinesische Drohungen zu ignorieren. Fortsetzung in Kürze.

    Bis dahin beschäftigen wir uns aber auch ausführlich mit der Frage, weshalb Chinas geringe Inflation im Vergleich zu Europa oder den USA kein Systemvorteil für Peking darstellt. Eine weitere Analyse befasst sich derweil mit der Bedeutung Chinas für den Autobauer Mercedes. Mehr Luxus für Kunden zwischen Jilin und Shenzhen bilden eine Säule der Zukunftsstrategie.

    Ob es der chinesischen Regierung gelingt, die Kauflaune ihrer Bürger hochzuhalten, spielt nicht nur für Mercedes eine wichtige Rolle, sondern für die gesamte Exportwirtschaft. Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, melden Sie sich gerne hier an zu unserer Live-Gesprächsrunde mit Finn Mayer-Kuckuk am Mittwoch um 11.30 Uhr. Die Lage um Taiwan wird ebenfalls Thema sein.

    Und nun harren wir der Dinge, die da kommen.

    Ihr
    Marcel Grzanna
    Bild von Marcel  Grzanna

    Analyse

    Pelosis Spiel mit dem Feuer

    Nancy Pelosi (hier am Freitag in Washington) will Taiwan besuchen.
    Nancy Pelosi (hier am Freitag in Washington) will Taiwan besuchen.

    Nancy Pelosi wird tatsächlich nach Taiwan reisen. Das meldete am Montag zuerst der amerikanische Fernsehsender CNN und berief sich dabei auf ranghohe taiwanische Regierungsbeamte und einen US-Beamten. Wann genau die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses in Taipeh landen werde, ist allerdings weiter unklar. Die New York Times zitiert Offizielle aus der US-Regierung um Präsident Joe Biden, wonach Pelosi ihre Meinung über eine Reise nach Taiwan noch ändern könne, dies inzwischen aber sehr unwahrscheinlich sei.

    Konkreter berichten unterdessen taiwanische Medien: Demnach werde die US-Spitzenpolitikerin schon am Dienstag in Taipeh landen und in der Hauptstadt übernachten. Taiwans Ministerpräsident Su Tseng-chang wich am Montag noch aus, als er nach einem eventuellen Pelosi-Besuch gefragt wurde. “Wir begrüßen immer Besuche hochdekorierter ausländischer Gäste in unserem Land”, sagte er in der Hauptstadt Taipeh. Und auch Pelosi selbst hat den Besuch noch immer nicht offiziell bestätigt.

    Doch Beamte im US-Verteidigungsministerium arbeiten derzeit mit Hochdruck an einem Plan, um die Sicherheit der Politikerin auf der Reise zu gewährleisten. Dafür würden auch alle chinesischen Bewegungen in der Region genau beobachtet.

    Auch die deutsche Politik bezog vorsorglich bereits Stellung. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warnte China von New York aus vor einem Übergriff auf Taiwan. “Wir akzeptieren nicht, wenn das internationale Recht gebrochen wird und ein größerer Nachbar völkerrechtswidrig seinen kleineren Nachbarn überfällt.” Indem Baerbock Taiwan einen “Nachbarn” mit gleichen Rechten wie die Ukraine nennt, macht sie nebenbei klar, dass sie es als Land ansieht. China betrachtet die Insel als Region im eigenen Staatsgebiet.

    Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses befindet sich mit einer Delegation des US-Kongresses auf Asien-Reise. Am Montag ist die Gruppe in Singapur gelandet, wo sie Ministerpräsident Lee Hsien Loong trifft. In den Gesprächen soll es um Handel, den Klimawandel und um demokratische Regierungsführung gehen. Weitere Stationen der Reise sind unter anderem Malaysia, Südkorea und Japan. Und eben Taiwan.

    China warnt: Militär wird “nicht tatenlos zuschauen”

    Bis zuletzt hat China versucht, einen Besuch der US-Spitzenpolitikerin in Taiwan zu verhindern. Auch am Montag warnte abermals ein Sprecher des Außenministeriums in Peking: Eine Visite Pelosis in Taiwan wäre “eine krasse Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten”.

    Das Militär der Volksrepublik werde nicht tatenlos zuschauen, sollte die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses in Taiwan eintreffen. “Die chinesische Seite wird sicher energische und entschiedene Maßnahmen ergreifen, um unsere Souveränität und territoriale Integrität zu schützen”, sagte Zhao Lijian bei einer Pressekonferenz in Peking. Ein Besuch werde ungeheuerliche politische Auswirkungen haben.

    Zuvor hatten sich chinesische Kommentatoren in sozialen Medien regelrecht überboten mit immer neuen Superlativen für das Maß an Eskalation. Der Kurznachrichtendienst Twitter musste gar eine offene Drohung des früheren Chefredakteurs der staatlichen chinesischen Tageszeitung Global Times wegen Verletzung der Twitter-Richtlinien blockieren. Hu Xijin hatte geschrieben: “Unsere Kampfjets sollten alle obstruktiven Taktiken anwenden. Wenn diese immer noch wirkungslos sind, denke ich, dass es auch in Ordnung ist, Pelosis Flugzeug abzuschießen.”

    Und auch Chinas Präsident Xi Jinping nahm in einem Telefonat mit US-Präsident Joe Biden kein Blatt vor den Mund. Unverblümt warnte Xi seinen amerikanischen Amtskollegen: “Wer mit dem Feuer spielt, wird selbst bald in Flammen stehen.” (China.Table berichtete).  

    Ranghöchster Besuch in Taipeh seit 1997

    Dennoch hat sich Biden dagegen entschieden, Pelosi persönlich zu bitten, ihre Reise abzusagen. Aus Kreisen der US-Regierung heißt es, der US-Präsident habe aus Respekt vor der Unabhängigkeit des Kongresses von einem solchen Schritt abgesehen. Biden saß selbst 36 Jahre lang im Senat.

    Pelosi ist als Sprecherin des US-Repräsentantenhauses die dritthöchste Vertreterin der USA – nach Präsident Biden und Vize-Präsidentin Kamala Harris. Es wäre der ranghöchste US-Besuch in Taipeh seit 25 Jahren: 1997 hatte Newt Gingrich, damals ebenfalls als “Sprecher” des Repräsentantenhauses, Taiwan besucht.

    Doch die Machtverhältnisse zwischen den USA und China haben sich seither drastisch verändert. Während die USA spätestens seit Donald Trump einen Rückgang ihrer globalen Macht und Glaubwürdigkeit erleben, hat China enorm an Einfluss hinzugewonnen. Unter Präsident Xi Jinping stellt die Volksrepublik schon lange nicht mehr ihr Licht unter den Scheffel – so wie es einst Deng Xiaoping seinen Landsleuten empfohlen hatte. Vielmehr tritt China unter Xi außenpolitisch zunehmend resoluter auf und fordert immer offensiver die USA und den Westen heraus.  

    Pelosi als scharfe China-Kritikerin

    Pelosi ist seit langem als scharfe Kritikerin Chinas bekannt. Die wohl bekannteste Szene stammt aus dem Jahr 1991: Nur zwei Jahre nach der brutalen Niederschlagung der Proteste rund um den Tian’anmen besuchte sie die chinesische Hauptstadt und entfaltete auf dem Platz des Himmlischen Friedens ein schmales, schwarzes Banner zu Ehren der verstorbenen Demonstranten: “Für diejenigen, die für die Demokratie in China gestorben sind”.

    2009 soll sie dem damaligen Präsidenten Hu Jintao einen Brief in die Hand gedrückt haben, in dem sie die Freilassung des inhaftierten Dissidenten Liu Xiaobo forderte. Liu wurde ein Jahr später der Friedensnobelpreis verliehen, sieben Jahre später starb er in chinesischer Gefangenschaft.

    Mit ihrem aktuellen Verhalten setzt Pelosi aber nicht nur China unter Druck, sondern alle Beteiligten. Auf der einen Seite steht Joe Biden. Der US-Präsident soll nach dem Telefonat mit Xi Jinping die innenpolitischen und geostrategischen Kosten, den Besuch zu stoppen, genau abgewogen haben – einschließlich des Eindrucks, dass China den USA inzwischen vorschreiben könne, welche US-Beamten eine Demokratie mit 23 Millionen Menschen besuchen dürfen.

    Auf der anderen Seite steht Präsident Xi Jinping. Der wird im Herbst auf dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei eine dritte Amtszeit als Präsident beginnen – ein Vorgang, für den er eigens die chinesische Verfassung ändern musste. Hinzukommen eine schwächelnde Wirtschaft und die große Unzufriedenheit der Bevölkerung über seine strikte Null-Covid-Politik samt immer wiederkehrenden Lockdowns. Und in Bezug auch Taiwan hat Xi nie einen Zweifel daran aufkommen lassen, dass die Insel fest zum chinesischen Mutterland gehöre und er keinen Zentimeter zurückweichen werde.

    Pelosis Spiel mit dem Feuer

    Angesichts der ausgestoßenen Drohungen gegenüber einem Besuch Pelosis muss Peking nun reagieren, wobei mehrere Varianten denkbar wären – vom Eindringen in Taiwans Air-Defense Identification Zone bis hin zu einer “Eskorte” von Pelosis Flugzeug (China.Table berichteten). Zuletzt hieß es von Seiten der chinesischen Luftwaffe, dass Kampfflugzeuge Taiwan umfliegen würden, um die Fähigkeit zur Verteidigung des eigenen Territoriums zu demonstrieren. Genaue Daten für ein solches Manöver wurden nicht genannt – sicherlich auch, um sich die Möglichkeit offenzuhalten, direkt auf die Route von Pelosis Flugzeug reagieren zu können.

    Bliebe zum Schluss noch die im Grunde alles entscheidende Frage: Was will Pelosi in Taiwan überhaupt erreichen? Selbst als Sprecherin des Repräsentantenhauses kann sie Taipeh keine weitreichenden Zusagen machen – zumal Präsident Biden in diesem Jahr bereits mehrfach die strategische Ambivalenz Amerikas gegenüber Taiwan ausgeräumt und US-Unterstützung für den Fall eines chinesischen Angriffs zugesagt hat (China.Table berichtete). Taiwan kann sie bei diesem Besuch jedenfalls kaum etwas Handfestes anbieten.

    In Anbetracht all dessen ist klar: Pelosis weithin bekannte Unnachgiebigkeit, lange eine hochgeschätzte Eigenschaft, wirkt hier schlicht starrsinnig. Sie spielt tatsächlich mit dem Feuer. Und es bleibt zu hoffen, dass sich dabei keiner ernsthaft verbrennt.

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    Weshalb Chinas niedrige Inflation kein Systemvorteil ist

    Markt in Hongkong: Der Preis für Schweinefleisch in China ist um 37 Prozent gefallen - die Inflation ist in China überraschend niedrig.
    Markt in Hongkong: Der Preis für Schweinefleisch in China ist um 37 Prozent gefallen.

    Für chinesische Staatsmedien ist die hohe Inflationsrate im Westen seit Monaten ein gefundenes Fressen. Vor allem auf die USA haben sich die Kommentatoren eingeschossen. Dass die US-Inflationsrate im Juni mit 9,1 Prozent den höchsten Stand seit 40 Jahren erreichte, ist für sie ein Beleg dafür, wie rasant es mit der größten Volkswirtschaft wegen der angeblich miserablen Wirtschaftspolitik Washingtons bergab geht. In Europa sieht es nicht besser aus: Dort lag die Inflation im Juni bei 8,6, im Juli bei 8,9 Prozent.

    China ist in der Tat von solch massiven Preisanstiegen bislang verschont geblieben. Im Juni lag der chinesische Konsumentenpreisindex (CPI) zwar 2,5 Prozentpunkte höher als im Vorjahr und damit ebenfalls auf dem höchsten Stand seit zwei Jahren – im Vergleich zum Westen fallen die Preisanstiege aber moderat aus.

    Für die Inflation im Westen machen Ökonomen eine ganze Reihe von Gründen aus. Einerseits führen sie die extrem lockere Geldpolitik der Notenbanken an, die durch ihre Maßnahmen die Wirtschaft in vergangenen Krisen stets am Laufen hielt. Zudem sind während der Corona-Pandemie die globalen Frachtkosten massiv in die Höhe geschossen. Sowohl Europa als auch die USA mussten zuletzt vor allem für Importe aus China deutlich mehr bezahlen. Erst fehlte es an Containern, dann herrschte wegen der strengen chinesischen Null-Corona-Politik Chaos in den Häfen von Tianjin bis Shenzhen (China.Table berichtete).  

    Zudem zahlen die Amerikaner wegen der gegen China verhängten Strafzölle mehr an der Kasse. US-Präsident Joe Biden hat in den vergangenen Wochen immer wieder offen mit der Idee gespielt, die von Donald Trump verhängten Zölle zumindest teilweise zurückzunehmen, um die Inflation zu senken. In China hört man das gerne. Doch schon hat der Westen wegen des Krieges in der Ukraine mit weiteren Preisanstiegen zu kämpfen, vor allem für Energie und Nahrung. 

    Viele Inflationsgründe gelten in China nicht

    Auf die chinesische Inflationsrate wirken sich all diese Faktoren kaum oder nur eingeschränkt aus.

    • Chinas Zentralbank ging in den vergangenen Jahren mit größerer Zurückhaltung vor. Es war also weniger Kapital im Wirtschaftskreislauf unterwegs. Damit fehlt eine entscheidende Ursache für den rapiden Anstieg der Inflation in USA und EU.
    • Die extrem hohen Seefrachtkosten fallen natürlich auch nicht an, wenn chinesische Fabriken den Binnenmarkt beliefern. China hat hier den Vorteil, die größte Produktionsbasis weltweit zu sein.
    • Der Krieg in der Ukraine treibt zwar auch in China die Preise für Energie ein wenig hoch. Da sich Peking jedoch weder an einem Öl- noch an einem Gas-Boykott gegen Moskau beteiligt, kann es weiterhin vergleichsweise günstig einkaufen. Im Gegenteil. Russland gibt Energierohstoffe zum Discountpreis an China ab (China.Table berichtete).
    • Noch eine größere Rolle spielt allerdings die wirtschaftliche Schwäche im eigenen Land. Vor allem die harten Corona-Maßnahmen haben dazu geführt, dass die chinesische Wirtschaft im zweiten Quartal kaum noch gewachsen ist (China.Table berichtete). In der Krise ist den Chinesen die Lust am Shoppen vergangen. Der schwache Binnenkonsum bremst somit auch die Preisanstiege. In den USA fällt die Kaufbereitschaft aufgrund der Rezession nun allerdings ebenfalls.

    Der Schweinezyklus hilft

    Zum Teil hängt die in China geringere Inflation aber auch mit statistischen Unterschieden zusammen. So verwendet China einen anders zusammengesetzten Warenkorb für die Berechnung der Inflationsrate. Während das chinesische Statistikamt Kleidung und Lebensmitteln mehr Gewicht beimisst, legen die USA mehr Gewicht auf Wohnkosten und Transport, die wiederum stark von den Energiepreisen abhängen.

    Besonders der Preis für Schweinefleisch spielt bei der Berechnung der chinesischen Inflation traditionell eine große Rolle. Laut Schätzungen macht er allein 2,4 Prozent des chinesischen Warenkorbs aus. Und hier zeigt sich ein Sondereffekt. Kurz bevor im Winter 2020 die Corona-Pandemie begann, gab es in China nur ein Thema: die Schweinepest. Landesweit mussten Millionen Tiere getötet werden, um die Krise in den Griff zu kriegen. 

    Die Preise schossen 2020 in die Höhe. Seitdem konnten die Landwirte ihre Bestände wieder füllen – bis es zuletzt wieder ein Überangebot an Schweinen gab. Allein in den ersten fünf Monaten des Jahres sind die Preise für Schweinefleisch nun um 37 Prozent gefallen. Es ist also auch ein zyklischer Effekt, der die Inflation für China in diesem Jahr deutlich dämpft. Jörn Petring/Gregor Koppenburg

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    Daimler zwischen E-Mobilität und Luxus

    Der neue EQT: Daimler will mehr Fahrzeuge im Luxus-Bereich verkaufen. In China kommt diese Strategie gut an.
    Der neue EQT: Daimler will mehr Fahrzeuge im Top-End-Bereich verkaufen. In China kommt diese Strategie gut an.

    Mercedes lernt gerade beide Seiten der Krise kennen. Einerseits sanken im ersten Halbjahr die Auslieferungen insgesamt um 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dieses Minus verteilt sich auf einen Rückgang um 25 Prozent in China (auf 163.700 Stück) und zehn Prozent in Europa (auf 154.300 Stück). Hintergrund ist der viel zitierte Chipmangel. Die Lieferketten sind gestört, und die Produktion kann die Nachfrage nicht bedienen. Weder in Europa noch in China. Auf einzelne Modelle wie die eher anachronistische G-Klasse oder das Elektroflaggschiff EQS muss man schon jetzt mehrere Jahre warten.

    Das führt aber andererseits dazu, dass Mercedes kräftig an der Preisschraube dreht. Zwar liefert die Marke weniger Fahrzeuge aus, doch die Rendite stimmt. Beispiel erstes Quartal: Dem Rückgang beim Absatz von zehn Prozent steht eine Steigerung des Betriebsgewinns um 20 Prozent gegenüber.

    Mit diesem Erfolg ist Mercedes nicht allein. 2021 war das beste Jahr in der Geschichte des Dax. Und 2022 soll – trotz Coronapandemie, Inflation und Ukraine-Krieg – noch besser werden. Insgesamt 132 Milliarden Euro Gewinn sind eingeplant.

    Im Durchschnitt 85.000 Euro für ein Auto

    Wohl auch deswegen will Mercedes seine Produktpolitik ändern. Die A- und B-Klasse sollen aus dem Programm gestrichen werden. In Zukunft soll die C-Klasse das Einstiegsmodell der Marke werden. Mit dieser Taktik will Mercedes vor allem in China neue Kunden gewinnen. Der Plan von Mercedes-CEO Ola Källenius sieht vor, zukünftig ein Viertel weniger Kompaktwagen zu verkaufen. Dafür aber 60 Prozent mehr Fahrzeuge im Top-End-Bereich, berichtet das Manager Magazin.

    So groß wäre diese Veränderung nicht. Im zweiten Quartal brach der Absatz der Kompaktwagen um rund 30 Prozent ein. Dafür verkaufte Mercedes so viele S-Klassen und Maybachs wie nie zuvor. In Zukunft soll ein durchschnittlicher Mercedes 70.000 bis 85.000 Euro kosten. Jeder Fünfte soll die magische Grenze von 100.000 Euro reißen. Auch wenn diese Vorgabe im Konzern nicht unumstritten ist, scheint sie sich zu lohnen. Denn das neue Renditeziel liegt bei zwölf bis 14 Prozent.

    Auch einen technischen Hintergrund gibt es: Mercedes setzt verstärkt auf Elektroautos. Weil die Batteriepakete der neuen MMA-Plattform aber recht üppig dimensioniert sind, sind Kompaktmodelle nur noch schwer umzusetzen. Schon vorher haben Mercedes bei A- und B-Klasse die Skaleneffekte der größten Konkurrenten gefehlt.

    Preissensible Chinesen

    Doch um mehr verlangen zu können, muss die Leistung stimmen. Eine Studie des Wirtschaftsprüfers Deloitte kommt zu dem Ergebnis, dass die Kunden in Deutschland und China durchaus bereit sind, für fortschrittliche Technologie mehr zu bezahlen. Wobei Chinesen dabei sehr viel preissensibler reagieren. Ein Beispiel sind Sicherheitstechnologien. Hier sind 70 Prozent der Deutschen bereit, rund 400 Euro mehr zu bezahlen. Aber nur 48 Prozent der Kunden aus der Volksrepublik. Beim Thema autonomes Fahren sind es 69 Prozent der Deutschen und nur 37 Prozent der Chinesen.

    Viel wichtiger dürfte aber das Ergebnis der Deloitte-Studie im Bereich der Elektromobilität sein. Gerade einmal 15 Prozent der Deutschen und 17 Prozent der Chinesen ziehen bei ihrem nächsten Autokauf ein Modell ohne Verbrennungsmotor vor. Der entpuppt sich also weiterhin als Cash Cow. Doch allzu lange wird Mercedes nicht darauf bauen können. Beim Weltklimagipfel COP26 in Glasgow hat das Unternehmen eine Erklärung zum Abschied vom Verbrennungsmotor unterschrieben. Ab dem Jahr 2040 sollen alle Neuwagen lokal emissionsfrei fahren. Mercedes will das Ziel sogar schon 2030 erreichen.

    Elektroautos nur im Premiumsegment wirklich beliebt

    An dieser Stelle schließt sich der Kreis zur Luxus-Strategie der Marke. Denn im Premiumsegment ist die Begeisterung für Elektroautos sehr viel größer. In Deutschland wollen in den kommenden fünf Jahren 80 Prozent der Fahrer von Premiumautos auf ein Elektroauto umsteigen. In China 64 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Kantar-Umfrage im Auftrag von Mercedes-Benz Mobility.

    Sein Mitwirken an der COP26-Erklärung begründet Källenius deswegen so: “Ich habe unterschrieben, weil wir davon ausgehen, dass die Kunden im Premium-Segment schneller einen Zugang zu Ladeinfrastruktur haben. Wenn man einmal losgeschwommen ist, will man auch an das andere Ufer.” Wer ein eigenes Haus mit Garage hat, hat auch eher eine Ladebuchse, so die Überlegung des Mercedes-Chefs.

    Um die hohen Preise in Zukunft auch in China zu rechtfertigen, ist Mercedes eine Kooperation mit dem Tech-Riesen Tencent eingegangen. Anfang Juli gab Tencent bekannt, dem Autobauer bei der Weiterentwicklung des autonomen Fahrens zu helfen. So dürfe Mercedes Cloud-Computing-, Big Data- und die KI-Technologien des Konzerns nutzen. Auch ein gemeinsames Versuchslabor werde gerade eingerichtet, erklärte Tencent.

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    News

    USA wollen Chip-Produktion in China isolieren

    Die Vereinigten Staaten erwägen, die Zusammenarbeit mit Speicherchip-Herstellern in China zu begrenzen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters und beruft sich dabei auf vier mit der Angelegenheit vertraute Personen. Es sei der Versuch, die Fortschritte des chinesischen Halbleitersektors zu stoppen und US-Unternehmen zu schützen. Konkret soll der Versand von amerikanischen Geräten zur Herstellung von Chips an Fabriken in China unterbunden werden, in denen fortschrittliche NAND-Chips hergestellt werden, die zwei Bits Daten oder auch mehr pro Zelle speichern können.

    Sollte die Regierung von Präsident Joe Biden allerdings tatsächlich die Lieferung amerikanischer Chips-Bauteile einschränken, würde das nicht nur chinesische Firmen wie die Yangtze Memory Technologies Co Lzd (YMTC) betreffen. Auch südkoreanische Unternehmen wie Samsung Electronics Co Ltd oder SK Hynix Inc würden in Mitleidenschaft gezogen. Samsung verfügt über zwei große Fabriken in China, während SK Hynix Inc die Chip-Produktion von Intel in China kauft. rad

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    100 Minuten Lockdown-Realität

    Ausschnitt aus der Dokumentation Shanghai Spring - die Dokumentation zeigt den Corona-Lockdown in Shanghai im März.
    Ausschnitt aus der Dokumentation Shanghai Spring

    Die Folgen des Corona-Lockdowns in Shanghai sind weiterhin spürbar. Wo neue Fälle auftauchen, werden einzelne Gebäude oder ganze Nachbarschaften abgeriegelt, die Bewohner müssen sich regelmäßig testen lassen, andernfalls droht ihnen die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit. Ein Ende der strengen Kontrollen ist nicht in Sicht, solange die Zentralregierung in Peking, wie angekündigt, an ihrer Null-Covid-Strategie festhält.

    Die Menschen in der 25-Millionen-Metropole am Huangpu hoffen jedoch, dass ihnen ein abermals flächendeckender Lockdown erspart bleibt. Die kompromisslosen und teils unverständlichen Maßnahmen im vergangenen Frühjahr brachten die Bewohner Shanghais an die Grenzen ihrer psychischen Belastungsfähigkeit.

    Eine beeindruckende Darstellung der Zustände in Shanghai zwischen dem 10. April und dem 10. Mai dieses Jahres bietet die Dokumentation Shanghai Spring (上海之春) (Revised). Die Non-Profit-Organisation China Change hat auf ihrem Youtube-Kanal einzelne private Videosequenzen, die während dieser Zeit entstanden, zu einer 100-minütige Zusammenfassung in zehn Episoden samt englischer Untertitel zusammengetragen.

    Die Szenen sind unkommentiert, nach Sinnabschnitten aneinandergefügt und dokumentieren das Geschehen aus vielen unterschiedlichen Perspektiven. Shanghai Spring ist eine editierte Version der im April erschienenen Dokumentation Lockdown Shanghai 2022. Youtube hatte die erste Fassung wenige Tage nach ihrer Veröffentlichung gesperrt, weil sie mehrere Szenen von Suiziden enthielt. In der Neuauflage sind diese Bilder nicht mehr zu sehen. grz

    • Coronavirus
    • Gesundheit

    Presseschau

    Spannungen mit China: Baerbock sagt Taiwan Unterstützung bei möglichem Überfall zu SPIEGEL
    China droht mit militärischer Antwort: Medien melden Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi für Dienstag TAGESSPIEGEL
    A Pelosi Trip to Taiwan Would Test China’s Appetite for Confrontation NYTIMES
    Deutsche Politiker warnen vor Eskalation im Taiwan-Konflikt FAZ
    ‘Win hearts and minds’ in Taiwan and Hong Kong, Chinese leader Xi urges Communist Party CNN
    Serbischer Außenminister lobt “hervoragende Beziehungen” zu China EURACTIV
    Wie Serbien mit China, Russland und der NATO kooperiert FAZ
    Algerien will in BRICS-Gruppe und sucht Nähe zu Russland und China EURONEWS
    US seeks to expand ties with New Zealand amid China worries APNEWS
    Schweiz würde sich möglichen EU-Sanktionen gegen China anschließen EURACTIV
    Gazprom fördert weniger Gas – China kann Europa nicht ersetzen HANDELSBLATT
    Lockdown und Immobilienmarkt: Sorge um Chinas Wirtschaft wächst TAGESSCHAU
    New China Derivatives Law Is Latest Attempt to Open Market BLOOMBERG
    Kein Schaden durch Reste chinesischer Rakete DEUTSCHLANDFUNK

    Heads

    Sascha Pallenberg – IT-Vorreiter in Taipeh

    Sascha Pallenberg ist Blogger und Digital-Experte. Seit 13 Jahren lebt er in Taiwan.
    Sascha Pallenberg ist Blogger und Digital-Experte. Seit 13 Jahren lebt er in Taiwan.

    Am Abend seines 30. Geburtstags sitzt Sascha Pallenberg mit seinem besten Freund zusammen und bekommt einen emotionalen Anfall. Er wohnt in einer WG, hat drei Rechner unter dem Schreibtisch und lebt in den Tag hinein. Er hat keine Vision und beschließt: Ich muss etwas ändern. Fünf Tage später nimmt er seine Ersparnisse und gründet eine Firma, die Computer aus Taiwan importiert. Er wird in das Land eingeladen, hält Reden, er bloggt und schreibt über nachhaltige Technik-Gadgets. Jetzt hat er eine Vision.

    Seit 13 Jahren lebt Pallenberg in Taipeh. Taiwan, sagt Pallenberg, ist der Nabel der IT-Welt, vor allem, wenn es um Unterhaltungselektronik geht. Hier hat Pallenberg eine Firma gegründet, hier zahlt er geringere Steuern als in Deutschland und hat seinen Lebensmittelpunkt. “Die Stadt ist extrem dynamisch, die Menschen haben keine Vorurteile und sind liebenswürdig”, sagt er.

    Taiwaner vermissen internationale Aufmerksamkeit

    Der Konflikt zwischen Taiwan und China, das die demokratisch regierte Insel als Bestandteil seines Territoriums sieht und eine zunehmend große militärische Bedrohung aufbaut, begleitet Pallenberg seitdem. Wie nimmt er die Situation im Land wahr? “Taiwan trägt einen extrem positiv aufgeladenen Patriotismus in sich und das Verlangen danach, anerkannt zu werden”, sagt er.

    In seiner Anfangszeit im Land sei er gefragt worden: Kennt man im Ausland die Situation in Taiwan überhaupt? Wisst ihr nicht, in welcher geopolitischen Zwickmühle wir uns befinden und was wir erreicht haben? “Das tut Taiwanern durchaus auch weh.” Das Land habe sich von einem klassischen Arbeiter- und Bauernstaat in den 1970er-Jahren zu einer IT-Metropole entwickelt.

    Was Pallenberg als seine größte Stärke sieht? “Ich knie mich rein. Und ich habe eine große Leidenschaft für Veränderung.” Das beweist ein Blick in seine Biografie. 2017, nach vielen Jahren als Blogger, geht Pallenberg zu Daimler-Benz, arbeitet dort vier Jahre lang als “Head of Digital Transformation”. Er ist zuständig für transformative Prozesse und kümmert sich mit um die Unternehmenskommunikation. Sein Ziel: Den Konzern und dessen Kernprodukte CO₂-neutral aufstellen.

    Greenwashing verhindern

    Pallenberg liebt seinen Job, verdient gutes Geld und hat eine langfristige Festanstellung. Doch er will Veränderung. “Ich wollte kürzere Entscheidungswege und mich dem Thema Umweltschutz breiter widmen”, sagt Pallenberg. Ende 2020 kündigt er bei Daimler und heuert wenige Monate später beim Berliner Start-up Aware an.

    Dort ist er jetzt “Chief Awareness Officer” aus der Ferne. “Wir versuchen unseren Beitrag zu leisten, dass die Klimakrise nicht zu einer Klimakatastrophe wird”, sagt Pallenberg. “Unsere Industrie hat einen sehr großen CO₂-Fußabdruck.” Pallenberg und seine Kollegen schulen Unternehmen, halten Vorträge und geben Workshops zu Themen der Nachhaltigkeit. Wie funktioniert nachhaltige Kommunikation? Wie kann ich verhindern, dass aus Green-Claiming Greenwashing wird? Zu den Kunden von Aware zählen unter anderem Porsche, BMW oder Fujitsu.

    Vielleicht hat es auch mit seiner Wahlheimat Taipeh zu tun, dass Pallenberg sich für mehr Klimaschutz einsetzt. In den vergangenen Monaten wurde die Stadt von mehreren schweren Erdbeben getroffen. Pallenberg sagt: “In Taipeh merke ich, welche Kraft die Natur hat. Das kann Angst machen. Mich macht es vor allem demütig.” David Holzapfel

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    Personalien

    Markus Schultz geht als Regionalleiter Asien der Firma Viscotec von Shanghai nach Hongkong. Dort eröffnet der Maschinenbauer aus Töging am Inn seine sechste Niederlassung. Zuvor war Schultz Geschäftsführer von Viscotec Shanghai. Schon von 2002 bis 2007 hat er in Hongkong gelebt und gearbeitet. Seitdem war er in Festlandchina tätig.

    Xu Jie wird Botschafter der Volksrepublik in dem afrikanischen Inselstaat Kap Verde. Er hat sich bereits bei Präsident José Maria Neves vorgestellt. Xu ersetzt Du Xiaocong, der sieben Jahre lang dort stationiert war. Kap Verde hat weniger als eine halbe Million Einwohner, unterhält enge Beziehungen zu China und gilt als treuer Seidenstraßen-Partner.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Geburtstagsüberraschung für Ding Ding in Moskau: Das Riesenpanda-Weibchen durfte sich wie ihr männlicher Gefährte Ru Yi am Sonntag über Bambustorte mit Früchtedeko hermachen. Während Ding Ding bereits am Samstag fünf Jahre alt wurde, feierte Ru Yi einen Tag später schon seinen sechsten Geburtstag. Die beiden Tiere waren 2019 von China an den Zoo der russischen Hauptstadt verliehen worden.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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