die Hoffnungen waren groß. Trotz steigender Zahlen war die Führung in Peking bereit, die strengen Covid-Maßnahmen zumindest ein Stück zu lockern. Doch mit dem ersten Todesfall seit einem halben Jahr – und auch noch in Peking – ist es mit den Lockerungen schon wieder vorbei. Schulen, Geschäfte, Restaurants und Büros müssen in der Hauptstadt bis auf Weiteres schließen.
Aber vielleicht werden es gerade die exponentiell steigenden und damit nicht mehr einzudämmenden Zahlen sein, die die Regierung in den nächsten Wochen dazu bringen werden, ihre Null-Covid-Strategie zu überdenken, schreibt unser Autorenteam aus Peking mit Verweis auf Hongkong. Dort gab die Stadtverwaltung Zero-Covid auf, nachdem die Lage Anfang des Jahres außer Kontrolle geraten war. Stattdessen wird dort seitdem mit dem Virus gelebt – und vor allem eifrig geimpft.
Auf der COP27, die am Wochenende im ägyptischen Sharm el-Sheikh zu Ende ging, überlagerte die Geopolitik die Klima-Gespräche. Doch nicht der russische Angriffskrieg in der Ukraine erschwerte eine Einigung, sondern der Streit, ob sich China als Supermacht weiter wie ein Entwicklungsland aus Verpflichtungen zur Finanzierung von Klimahilfen heraushalten kann, berichten unsere Kollegen von Climate.Table vor Ort. Vorerst hat sich China durchgesetzt.
Beim asiatisch-pazifischen Wirtschaftsgipfel Apec in Bangkok war das Ergebnis zugunsten Chinas weniger eindeutig. Zwar kam der Ukraine-Krieg auf Wunsch der USA auf die Tagesordnung, während China und Russland das Thema lieber ignoriert hätten. Am Ende reichte es dort sogar für eine Verurteilung der russischen Aggression. Doch China konnte sich dennoch mit seiner Sicht der Dinge durchsetzen. Wie genau, erfahren Sie in der Analyse von Frank Sieren.
Einen schönen Start in die Woche!
Nach dem ersten tödlichen Corona-Fall seit Monaten reagieren die chinesischen Behörden mit verschärften Auflagen in der Hauptstadt. In Peking blieben viele Geschäfte und Restaurants am Wochenende geschlossen. Die Schulen kündigten an, dass der Unterricht in der neuen Woche ausfallen werde. Auch die Deutsche Botschaftsschule in Peking muss ihre Pforten bis auf Weiteres schließen.
Wie die Gesundheitskommission am Sonntag mitteilte, ist der 87-jährige männliche Patient aus Peking das erste Pandemie-Opfer seit der großen Frühjahrs-Welle in Shanghai. Wie damals liegen auch derzeit die Infektionszahlen wieder bei landesweit über 24.000 Fällen pro Tag. Sollte sich der Anstieg ungebremst fortsetzen, würde sich eine große Zahl von Toten nicht vermeiden lassen. Das wollen die Behörden weiterhin um jeden Preis verhindern.
Vergangene Woche legte die Führung zwar eine Liste mit 20 Anpassungen der Corona-Maßnahmen vor, die die Bestimmungen tendenziell abmildern. Laut den neuen Regeln ist es nun etwa untersagt, Sekundär-Kontakte, also Personen, die mit direkten Kontakten von Infizierten Kontakt hatten, in Quarantäne zu stecken. Nur noch die direkten Kontaktpersonen und Infizierte selbst müssen sich jetzt noch isolieren. Zudem dürfen Städte eine Einteilung in Risikogebiete und Nicht-Risikogebiete vornehmen.
Die Ausweisung von Gebieten mit mittlerem Risiko fällt dagegen weg. Das wird bewirken, dass etwas weniger Menschen in Lockdowns festsitzen werden als bisher. Expats profitieren zudem davon, dass sie nach der Einreise nach China nur noch acht Tage statt wie bisher zehn Tage in Quarantäne müssen. Von einer erheblichen Lockerung konnte jedoch auch bei diesen Maßnahmen keine Rede sein.
Die derzeit besonders schwer betroffene südchinesische Metropole Guangzhou kündigte vergangene Woche an, ihre Quarantäne-Kapazitäten um mehr als 240.000 Plätze erhöhen zu wollen. Dass nun auch in Peking Geschäfte, Restaurants und Schulen flächendeckend schließen müssen, ist Zero-Covid-Politik nach dem alten Muster.
Doch zumindest teilweise deuten die neuen Corona-Regeln darauf hin, dass sich der Kurs ändern soll. Bisher sind zu viele medizinische Ressourcen in Massentests und die Durchsetzung strikter Lockdowns geflossen. Das scheint die Führung verstanden zu haben. Ein Anzeichen dafür ist, dass ein größerer Vorrat mit Corona-Medikamenten aufgebaut werden soll.
Die neuen Maßnahmen sehen aber vor allem vor, endlich die Impfkampagne aktiver voranzutreiben. Wie lange es bis zu einer richtigen Öffnung noch dauern wird, dürfte also vor allem von einer Zahl abhängen: der Impfquote unter den ältesten Menschen. Im August waren lediglich 67,8 Prozent aller über 80-Jährigen dreifach geimpft. Erschreckend: Auch laut der jüngsten Zahlen hat sich an dieser Quote nicht viel geändert. Vergangene Woche lag sie noch immer bei 68,2 Prozent.
Peking wird sich daran messen lassen müssen, wie schnell sich die Impfquote bei den Alten in den kommenden Wochen und Monaten nach oben bewegt. Tut sie das nicht, würden im Falle einer Öffnung zu viele Menschen sterben, wie auch chinesische Ärzte am Freitag in der Financial Times warnten.
China, so ihre Schlussfolgerung, sei unter den derzeitigen Bedingungen noch nicht bereit für eine Öffnung. Die verheerenden Folgen einer unkontrollierten Corona-Welle konnten Anfang des Jahres in Hongkong beobachtet werden, wo ebenfalls ausgerechnet die Alten nicht ausreichend geimpft waren. Viele Menschen kamen ums Leben.
Doch das chinesische Festland kann aus den Hongkonger Erfahrungen auch etwas lernen: Laut einer dort durchgeführten Studie ist es ein Irrglaube, dass China nur mit einem ausländischen Impfstoff die Pandemie in den Griff bekommen kann. In Hongkong können sich die Menschen aussuchen, ob sie sich Biontech oder den chinesischen Präparat Coronavac spritzen lassen. Die in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichte Untersuchung hat ergeben, dass dreifach Geimpfte mit beiden Impfstoffen einen ähnlich guten Schutz vor schweren Verläufen oder Tod haben. Biontech-Geimpfte waren zu 97,1 Prozent geschützt, Coronavac-Geimpfte zu 97,3 Prozent. Auf die ähnlich gute Wirkung des Boosters mit den chinesischen Produkten hat im Frühjahr bereits der Virologe Hendrik Streeck im Interview mit China.Table hingewiesen.
Die kommenden Monate werden aber auf jeden Fall noch einmal schwer. Über den Winter werden die Infektionszahlen in China weiter ansteigen. Damit werden weiterhin viele Ressourcen in Nachverfolgung, Tests und Isolation fließen. Nur wenn es den Behörden gleichzeitig gelingt, eine groß angelegte Impfkampagne voranzubringen, wird man ab dem Frühling eine Öffnung näher rücken können.
Möglich wäre auch ein anderes Szenario: Ähnlich wie in Hongkong im Frühjahr könnte die Lage außer Kontrolle geraten. Auch ein solches Chaos mit wahrscheinlich vielen Toten würde die Behörden zwingen, ihre derzeitige Strategie zu überdenken und letztendlich mit dem Virus zu leben. Jörn Petring
Es ist ein alter Streit in den internationalen Klimaverhandlungen. Bis das Pariser Abkommen geschlossen wurde, verweigerte sich China jeder Verpflichtung (China.Table berichtete), Emissionen im eigenen Land zu senken. Stattdessen verwies es gemeinsam mit anderen Schwellenländern auf die historisch gewachsene Pflicht der Industriestaaten.
Durch den Pariser Klimavertrag von 2015 wurde die Front zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zwar aufgebrochen. Auf der COP27 trat sie jedoch wieder klar zutage: China – inzwischen eine Großmacht und der größte Emittent der Welt – beharrte auf seinem Status als Entwicklungsland im Rahmen des UNFCCC-Prozesses.
Nach jahrzehntelangen Debatten einigte sich die Teilnehmerstaaten zwar erstmals auf einen gemeinsamen Geldtopf zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren Ländern (Loss & Damage). Der neue Ausgleichsfonds soll unabwendbare Folgen der Erderhitzung abfedern – etwa immer häufigere Dürren, Überschwemmungen und Stürme, aber auch der steigende Meeresspiegel und Wüstenbildung. Begünstigt werden sollen Entwicklungsländer, die besonders gefährdet sind. Im kommenden Jahr schon soll er in Kraft treten.
Es ist eine historische Entscheidung, denn Entwicklungsländer fordern seit 30 Jahren ein Finanzinstrument, das bei Verlusten und Schäden in Folge des Klimawandels greift. Ein “wichtiger Durchbruch”, sagt auch Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von der Umweltorganisation Germanwatch.
Die Verhandlungen waren dennoch extrem schwierig. Umstritten war vor allem die Frage, wer die Gelder bereitstellen sollte. Die EU und später auch einige Inselstaaten pochten darauf, dass neue Finanzquellen aufgetan werden müssten. Die ursprüngliche EU-Forderung sah vor, dass die Gruppe der Geberländer erweitert wird. Somit hätten die mittlerweile wohlhabenden Schwellenländer wie China, Indien, Südkorea, Indonesien, Mexiko und die ölreichen Staaten ebenfalls in den Fonds zahlen müssen.
Vor allem China weigerte sich jedoch, in den Fonds einzuzahlen. Stattdessen wollte das Land gar selbst die Chance erhalten, künftig einmal Ausgleichszahlungen zu erhalten. “Die EU wollte China und die Golfstaaten zu Beitragszahlern machen – aber sie hatte am Schluss nicht den Mut für die notwendige Konfrontation”, analysiert David Ryfisch, Leiter des Teams Internationale Klimapolitik bei Germanwatch.
Die Entwicklungsorganisation Care bemängelte denn auch, dass wesentliche Fragen erst 2023 ausgearbeitet und keine Summen genannt wurden. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) schrieb: “Dazu gehören vor allem die größten Emittenten USA, China und natürlich auch die EU.”
In der Nacht zum Sonntag wurde noch gerungen, ob nur “besonders gefährdete” Entwicklungsländer oder alle Entwicklungsländer als Empfänger für Gelder aus den “Loss & Damage”-Finanzinstrumenten infrage kommen sollten. Eine Formulierung, die alle Entwicklungsländer vom Stand 1992 als Nehmerländer einstufte, wurde kurz vor dem Abschlussplenum der COP gestrichen.
Mit öffentlichen Auftritten hielt sich China während der COP zurück. In den Sitzungen achtete das Land mit seinen Alliierten stattdessen sorgfältig darauf, dass die COP nicht zu viel Ehrgeiz entwickelte. “Hier stand nichts auf der Tagesordnung, was chinesische Interessen wirklich betroffen hätte”, sagte Greenpeace-Experte Li Shuo. Zu laut waren die Chinesen aber auch nicht: Immerhin leitet China Anfang Dezember selbst eine COP – die Biodiversitäts-Konferenz in Montreal.
EU-Verhandler berichten, viele kleine Länder fühlten sich von China wirtschaftlich und politisch erpresst und trauten dem Westen nicht über den Weg – wagten aber deshalb nicht den Ausstieg aus der G77. Bisher hält die seltsame Allianz, obwohl die Interessengegensätze in ihr wachsen.
Die neue Formulierung im Abschlusspapier schließt die Erweiterung der Beitragszahler zwar nicht aus, ist aber auch nicht besonders eindeutig. Es ist nun Aufgabe des Übergangsausschusses, neue Finanzierungsquellen für Loss & Damage vorzuschlagen. Bedeutet: Die Debatte, ob China als historisch zweitgrößter Emittent auch Verantwortung für den Schaden am Klima übernehmen muss, ist keineswegs beendet, sondern lediglich auf die COP28 verschoben. Lukas Scheid/Bernhard Pötter/Alexandra Endres
Die Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft Apec hat den Ukraine-Krieg mehrheitlich “scharf verurteilt”. Russland und wohl auch China waren der Meinung, dass das Thema gar nicht auf die Tagesordnung gehörte. Dennoch schaffte das Thema es auf dem Apec-Gipfel am Wochenende in die Abschlusserklärung.
Die Apec stellen darin mit Sorge fest, dass der Krieg die Weltwirtschaft “negativ beeinflusst”. Der Krieg “würgt das Wachstum ab, lässt die Inflation ansteigen, sprengt die Lieferketten, lässt die Energiekosten steigen und beeinträchtigt die Nahrungsmittelversorgung und erhöht die Finanzrisiken”.
Es ist auch die Forderung nach einem “völligen und bedingungslosen Rückzug” Russlands aus der Ukraine erwähnt, wenn auch als Zitat aus dem entsprechenden Votum der UN-Vollversammlung vom März. Weitgehende Einigkeit gab es über das “immense menschliche Leid”, das der Krieg verursacht.
Zu den 21 Teilnehmerländern gehöre jedoch neben den USA auch China und Russland. Vize-Ministerpräsident Andrei Beloussow war in Vertretung Wladimir Putins bei dem Gipfel dabei. In dem Abschnitt zur Ukraine stehen daher die Zusätze: “Es gab Diskussionen über diese Frage.” Und: “Es gibt abweichende Meinungen und Einschätzungen der Situation”.
Auch Peking war mit dem Apec-Ergebnis zur Ukraine offensichtlich nicht zufrieden. Denn in der Zusammenfassung der Entwicklung des Apec-Gipfels durch die staatliche Zeitung China Daily geht es nur um wirtschaftliche Themen. Die Position zur Ukraine wird nicht einmal erwähnt.
Die Abschlusserklärung entspricht damit ganz offenbar nicht vollständig den Wünschen Pekings. Doch auch die USA haben sich in der Apec-Runde nicht mit ihrer Wunschformulierung zur Ukraine durchgesetzt. Sie wollten eine eindeutige Schuldzuweisung an Russland in der Abschlusserklärung unterbringen. Es sollte die Rede von “Russlands brutalem und provoziertem Aggressionskrieg gegen die Ukraine” sein, die Ukraine ausdrücklich als “friedliches und demokratisches Land” genannt werden. Diese Formulierungen fehlten in der Schlussfassung.
Beschlüsse der Apec sind nicht bindend. Dennoch hat die Haltung der Apec Gewicht in der Welt. Sie vertritt 2,9 Milliarden Menschen, die über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Welt erwirtschaften und etwa die Hälfte des Welthandels ausmachen. Die Apec steht vor allem für die Liberalisierung von Handel und Investitionen. Sie will die wirtschaftliche und technisch-innovative Kooperation erleichtern, mit dem Ziel des nachhaltigen Wachstums in der Region.
Die Apec wurde zwar 1989 von den USA mit Japan und Australien gegründet, um Asien und Amerika enger zusammenrücken zu lassen. Doch für die USA wird es immer schwieriger, mit ihrer Position in Asien zu überzeugen. Sie hat zunehmend Schwierigkeiten, Mehrheiten zu finden. Die Apec-Formulierung zu der Ukraine ähnelt daher viel mehr der Position der G20-Länder als dem US-Standpunkt (China.Table berichtete).
Sowohl der Wortlaut der G20-Erklärung als auch der Apec-Erklärung haben letztlich eine größere Schnittmenge mit der Haltung Pekings als mit der Haltung Washingtons – hier zeigt sich dann doch der Einfluss von Xi Jinping auf dem Gipfel. Die Apec erhielt denn auch Lob von Xi. Sie sei geleitet von “offenem Regionalismus, dem Prinzip der Vielfältigkeit und Nicht- Diskriminierung”.
Damit verstärkt sich ein Trend, den sich in diesem Jahr nicht nur bei G20, sondern auch bei anderen Gipfeln beobachten ließ. Die US-Haltung wird mehr und mehr zu einer globalen Minderheitsposition, die von den Ländern Asiens nicht mehr einfach so übernommen wird. Belege dafür gab es unter anderem auf:
Das gilt nicht nur für die Politik, sondern auch für die Wirtschaft. Die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP), die größte Freihandelszone der Welt, ist bereits seit 2020 aktiv. In RCEP hat sich China mit Asien zusammengeschlossen, zwar noch nicht mit Indien, aber durchaus mit Südkorea, Australien und Japan, dem engsten wirtschaftlichen und politischen Partner der USA in Asien.
Die geplante Free Trade Area of the Asia-Pacific (FTAAP), das Freihandels-Gegenstück der USA mit Asien, ist auf dem Apec-Gipfel in Bangkok hingegen kaum vorangekommen. Für den Apec-Gastgeber und -Vorsitzenden, den thailändischen Premierminister Prayuth Chan-ocha, bestand der “signifikante Fortschritt” darin, einen “mehrjährigen Arbeitsplan” für FTAAP zu verabschieden.
Damit dürfte es auch im kommenden Jahr keinen Durchbruch für das anspruchsvolle Projekt geben, wenn die USA den Vorsitz von Apec haben. Vizepräsidentin Kamala Harris sprach in Bangkok zwar von einer “nahtlosen Zusammenarbeit” und davon, dass es “keinen besseren wirtschaftlichen Partner für die Region gibt als die Vereinigten Staaten von Amerika”. Das Problem: Die Zugeständnisse, die die USA für FTAAP fordern, finden in Asien nur kaum Akzeptanz.
Die Europäische Kommission hat Anti-Dumping-Zölle auf chinesische und brasilianische Importe von zinnfreiem Stahl festgezurrt. Diese Art von beschichtetem Stahl – auf Englisch “electrolytic chromium coated steel” oder kurz ECCS – wird unter anderem in Getränkedosen und Haushaltsgeräten verwendet. Die Produkte werden innerhalb der EU zu unangemessen niedrigen Preisen verkauft, was den europäischen Herstellern schade, teilte die Brüsseler Behörde mit. Um dem entgegenzuwirken, genehmigte die Kommission nun Zölle in Höhe von 239 Euro bis 607 Euro pro Tonne importierten zinnfreien Stahls.
Der EU-Markt für zinnfreien Stahl wird nach Angaben der Kommission auf fast 500 Millionen Euro geschätzt. Die EU-Kommission hatte im September 2021 mit der Überprüfung der Einfuhren von zinnfreiem Stahl aus China und Brasilien begonnen, nachdem sie eine Beschwerde der European Steel Association erhalten hatte. Die EU hat bereits Schutzzölle gegen eine Reihe ausländischer Metallimporte, einschließlich zinnfreiem Stahl, eingeführt. ari
Die USA fürchten, dass die chinesische Regierung nicht genehmigte “Polizeistationen” in amerikanischen Städten einrichtet, um möglicherweise über sie Einfluss auf US-Bürger chinesischer Herkunft auszuüben. “Wir sind uns der Existenz dieser Stationen bewusst”, sagte FBI-Direktor Christopher Wray bei einer Anhörung des Ausschusses für Innere Sicherheit und Regierungsangelegenheiten des US-Senats. “Für mich ist es ungeheuerlich, dass die chinesische Polizei versucht, sich in New York niederzulassen, sagen wir mal, ohne eine angemessene Koordination. Das verletzt die Souveränität und umgeht die üblichen Verfahren der Zusammenarbeit zwischen Justiz und Strafverfolgungsbehörden.” Auf die Frage, ob solche Stationen gegen US-Recht verstießen, sagte Wray, das FBI prüfe “die rechtlichen Parameter”.
Die Vereinigten Staaten hätten bereits einige Anklagen gegen die chinesische Regierung erhoben, so der FBI-Chef. In denen ginge es um Belästigung, Verfolgung, Überwachung und Erpressung von in den Vereinigten Staaten lebenden Personen, die mit dem chinesischen Führer Xi Jinping nicht einverstanden seien. “Das ist ein echtes Problem und etwas, worüber wir auch mit unseren ausländischen Partnern sprechen, denn wir sind nicht das einzige Land, in dem dies geschehen ist”, sagte er.
Safeguard Defenders, eine in Europa ansässige Menschenrechtsorganisation, veröffentlichte im September einen Bericht, der die Präsenz von Dutzenden chinesischer “Polizeistationen” in Großstädten auf der ganzen Welt aufdeckte (China.Table berichtete). Der Bericht brachte die “Polizeistationen” auch mit den Aktivitäten der Kommunistischen Partei in Verbindung. rtr
“Wenn ich den Job in Hongkong nicht angenommen hätte, dann hätte ich mit Andrej Iwanowitsch deutsche Schulen besucht”, sagt Hannes Farlock, der neue Delegierte der Deutschen Wirtschaft bei der Außenhandelskammer Hongkong. Andrej Iwanowitsch ist ein 96-jähriger ehemaliger KZ-Häftling aus Minsk und gleichzeitig die Hauptperson in Farlocks Film “Ja, Andrei Iwanowitsch”, in dem er dessen Lebensalltag dokumentiert.
Schon seit seinem Zivildienst in Krakau engagierte sich Hannes Farlock für Holocaustüberlebende. Auch während seiner Tätigkeit für ein dänisches IT-Unternehmen in Belarus arbeitete er in seiner Freizeit in der “Geschichtswerkstatt Minsk”, wo er jenen Andrei Iwanowitsch kennenlernte.
Beruflich hat der 40-Jährige viele Jahre Erfahrung in der Entwicklung internationaler Geschäftsbeziehungen vorzuweisen. Neben Belarus arbeitete er auch in der Ukraine und Deutschland, unter anderem in der Geschäftsentwicklung im IT- und Start-up-Sektor sowie im ehemaligen TACIS-Programm der Europäischen Kommission.
Zuletzt war er sechs Jahre lang Head of Business Development und später Managing Director der AHK in Moskau. Dort sorgte der russische Einmarsch in die Ukraine Anfang des Jahres für gewaltige Herausforderungen. Seine Erfahrungen aus Russland resümiert er knapp unter dem Slogan “Krisenzeiten sind auch Kammerzeiten.” Vor Ort modernisierte er in den Jahren zuvor die Strukturen, stellte auf agiles Management um und führte als eine der ersten AHK weltweit Business Intelligence ein.
Ähnliches hat er jetzt in Hongkong vor. “Bodenständige, kleine und mittlere Unternehmen sind die Hauptklientel der Kammer, aber wir müssen auch attraktiv für junge, innovative Unternehmen und Start-ups sein”, sagt der Erlangener. “Das kann nur gelingen, wenn wir das so nach außen präsentieren und nach innen leben.”
Außerdem will er die deutsche Community in Hongkong wieder stärker zusammenbringen. In der Stadt gibt es viele Unternehmen und Personen, die schon lange dort aktiv und hochgradig integriert sind, aber bisher kaum Kontakt zur AHK hatten, so der neue Chief Representative und Nachfolger von Wolfgang Ehmann. Für nicht wenige von ihnen ist mit der Corona-Pandemie ein Großteil ihres Netzwerks weggebrochen, Freunde und Bekannte haben Hongkong den Rücken gekehrt.
Vielen Unternehmen mangelt es an Fachkräften, da sowohl viele Expats als auch qualifizierte Locals die Stadt verlassen haben. In seiner neuen Position möchte Farlock aktiv auf diese Gruppen zugehen und über die AHK neue Anknüpfungspunkte bieten.
Dass dies nicht ganz ohne Eigennutz ist, gibt dabei er offen zu. Nur knapp 30 Prozent der deutschen Unternehmen in Hongkong sind bisher Mitglied bei der AHK, die coronabedingt Mitglieder und Sponsoren verloren hat. Doch Farlock gibt sich kämpferisch. Die Stadt biete immer noch viele Chancen, nicht nur um in China produzieren zu lassen, sondern auch um in der Greater Bay Area Produkte zu entwickeln und auszuprobieren. Solange man die richtigen Leute zusammenbringen kann, mit der richtigen Motivation, kann man alles schaffen, sagt Farlock. So ist sein Film entstanden und gleichzeitig ist das auch “die Quintessenz von einer AHK.” Clemens Ruben
Markus Fischer ist für TRB Logistik von Shanghai nach Hamburg zurückgekehrt. In China war Geschäftsführer der Landestochter. In Deutschland ist Managing Director.
Chris Durack wird neuer CEO für die Asien-Pazifik-Region bei dem Investmenthaus Schroders. Er folgt auf Susan Soh, die das Unternehmen verlässt.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Kennen Sie das: Endloses Kissenwälzen und einfach nicht einschlafen können? Oder flimmern Sie vielleicht des Öfteren eingemummelt unter der Decke als Handy-Glühwürmchen bis weit nach Geisterstunde durch die Nacht? Haben Sie es mal mit einem Schlummerservice probiert?
Im Onlineservice-Mekka China ist ein entsprechendes Rundum-sorglos-Paket nur ein paar Handy-Swipes entfernt. Auf Onlineshoppingportalen wie Taobao (淘宝 Táobǎo), Xianyu (闲鱼 Xiányú) und Co. kann man nämlich neuerdings seinen individuellen Einschlafservice buchen. Das Zauberwort lautet 哄睡 hǒngshuì – “jemanden in den Schlaf wiegen/lullen”. Tippt man diese chinesischen Erkennungszeichen in die Suchmaske ein, poppen prompt zahlreiche Einschlafservices (哄睡服务 hǒngshuì fúwù) auf, bei denen man sich seinen persönlichen Sandmann beziehungsweise seine persönliche Sandfrau – im Fachjargon 哄睡师 hǒngshuìshī “Einschlafmeister” – buchen kann.
Und potentielle Kundschaft gibt es genug. Nach dem nationalen Schlafreport 2022 (中国国民健康睡眠白皮书) der chinesischen Gesellschaft für Schlafforschung (中国睡眠研究会) bleiben in China 44 Prozent der 19- bis 25-Jährigen bis weit nach Mitternacht auf – viele haben Probleme, ins Bett beziehungsweise in den Schlaf zu finden. Und so sind es denn auch vor allem (überwiegend weibliche!) Berufsstätige der Post-90er-Generation oder jünger, die die Online-Einlulldienste ordern.
Und so funktioniert’s: Im Shop den gewünschten Schlafguru auswählen. Wer unschlüssig ist, kann einen kurzen Fragebogen mit Eckdaten zur eigenen Person wie Alter, Geschlecht, Interessen und Hobbys ausfüllen. Dann fischt der Kundenservice passende virtuelle Kissen-Kandidaten aus dem Schlafmeisterpool. Für Einsteiger gibt es eine kostengünstige Überraschungsbox-Variante (盲盒 mánghé “Blindbox”). Da wird einem der Einschlafbegleiter nach dem Zufallsprinzip zugeteilt. Kostenpunkt: schlappe 10 bis 20 Yuan pro Viertelstunde, umgerechnet also rund 1,40 – 1,80 Euro.
Für VIP-Virtuosen unter den Schlummermagiern muss man schon tiefer in die Schlafanzugtasche greifen – hier sind bis zu 500 Yuan pro Stunde zu berappen, gut 70 Euro also. Und wer sich auf einen Lieblingswiegemeister beziehungsweise eine Lieblingswiegemeisterin eingeschossen hat, der bucht am besten gleich eine Monatsflatrate (包月套餐 bāoyuè tàocān). Nicht, dass am Ende des Tages jemand den Wunschkandidaten von der Bettkante wegschnappt.
Und welche Wunderwaffen stecken so im Werkzeugkasten eines professionellen Einschlafbegleiters? Zunächst einmal kann man zwischen Text- und Tonservice wählen (文字 wénzì oder 语音 yǔyīn). Bei ersterem werden nur Chatnachrichten verschickt, bei letzterem Tonnachrichten oder es wird über das Internet telefoniert. Zur Performance gehören – je nach Kunden:innenvorliebe – das Singen oder Vorspielen von Einschlaf- und anderen Liedern (唱歌 chànggē und 放歌 fànggē), Einschlafgeschichten (讲故事 jiǎng gùshi) oder einfach nur aufmerksame Unterhaltungen und geduldiges Zuhören (陪聊 péiliáo). Wer nach Ablauf der Einlullzeit noch immer nicht ins Reich der Träume gefunden hat, kann weiteres Zeitguthaben nachbuchen (续单 xùdān).
Zwar rühmen sich die Schlafservice-Anbieter mit vermeintlich professionell geschulten Schlafbegleitern. Tatsächlich handelt es sich bei den Traumdomteuren aber um Gelegenheitsjobber und Teilzeitkräfte, darunter auch Studenten. Schließlich werden ihre Dienste in der Regel nur in den Abendstunden gebraucht (die Ruf-Rushhour beginnt gegen 21 Uhr). Daher ist das Metier bestens mit gewöhnlichen Tagesjobs vereinbar.
Generell hat sich um das Thema Einschlafhilfe in China in den letzten Jahren ein regelrechter Wirtschaftszweig entsponnen – die sogenannte Schlafwirtschaft (睡眠经济 shuìmián jīngjì). Als Einschlafwunderwaffen (助眠神器 zhùmián shénqì) für Nachteulen wider Willen (夜猫子 yèmāozi “Nachteule”) werden auf beliebten Webportalen wie der Social-Media-Plattform Xiaohongshu (小红书 Xiǎohóngshū) verschiedenste Sleep-Produkte wie Schlafarzneien (助眠药品 zhùmián yàopǐn), Schlafpflaster (睡眠贴 shuìmiántiē) und Schlummeraromatherapien (助眠香薰 zhùmián xiāngxūn) angepriesen. Einen Boom erleben außerdem Schlummer-Apps (助眠 APP zhùmián APP), die so beruhigend-heilsame Namen wie “Schlafschnecke” (蜗牛睡眠 wōniú shuìmián) oder “Sleepy Koala” (考拉睡眠 kǎolā shuìmián) tragen. Sie setzen auf einen Mix aus Meditationsübungen (冥想练习 míngxiǎng liànxí), beruhigenden Background-Geräuschen (白噪音 báizàoyīn), Hörbüchern (听书 tīngshū) und Gutenachtgeschichten (睡前故事 shuìqián gùshi).
Wer bei so viel Wiegen-Wirtschaft dann doch endlich erfolgreich in den Schlaf gelullt wurde, braucht sich im Übrigen keine Sorgen zu machen, am nächsten Morgen nicht aus den Federn zu finden. Denn auch für Morgenmuffel ist in China ein Kraut gewachsen – personalisierte Weckdienste, auf Chinesisch 叫醒服务 jiàoxǐng fúwù. Das Onlineservice-Paradies China macht’s möglich!
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.
die Hoffnungen waren groß. Trotz steigender Zahlen war die Führung in Peking bereit, die strengen Covid-Maßnahmen zumindest ein Stück zu lockern. Doch mit dem ersten Todesfall seit einem halben Jahr – und auch noch in Peking – ist es mit den Lockerungen schon wieder vorbei. Schulen, Geschäfte, Restaurants und Büros müssen in der Hauptstadt bis auf Weiteres schließen.
Aber vielleicht werden es gerade die exponentiell steigenden und damit nicht mehr einzudämmenden Zahlen sein, die die Regierung in den nächsten Wochen dazu bringen werden, ihre Null-Covid-Strategie zu überdenken, schreibt unser Autorenteam aus Peking mit Verweis auf Hongkong. Dort gab die Stadtverwaltung Zero-Covid auf, nachdem die Lage Anfang des Jahres außer Kontrolle geraten war. Stattdessen wird dort seitdem mit dem Virus gelebt – und vor allem eifrig geimpft.
Auf der COP27, die am Wochenende im ägyptischen Sharm el-Sheikh zu Ende ging, überlagerte die Geopolitik die Klima-Gespräche. Doch nicht der russische Angriffskrieg in der Ukraine erschwerte eine Einigung, sondern der Streit, ob sich China als Supermacht weiter wie ein Entwicklungsland aus Verpflichtungen zur Finanzierung von Klimahilfen heraushalten kann, berichten unsere Kollegen von Climate.Table vor Ort. Vorerst hat sich China durchgesetzt.
Beim asiatisch-pazifischen Wirtschaftsgipfel Apec in Bangkok war das Ergebnis zugunsten Chinas weniger eindeutig. Zwar kam der Ukraine-Krieg auf Wunsch der USA auf die Tagesordnung, während China und Russland das Thema lieber ignoriert hätten. Am Ende reichte es dort sogar für eine Verurteilung der russischen Aggression. Doch China konnte sich dennoch mit seiner Sicht der Dinge durchsetzen. Wie genau, erfahren Sie in der Analyse von Frank Sieren.
Einen schönen Start in die Woche!
Nach dem ersten tödlichen Corona-Fall seit Monaten reagieren die chinesischen Behörden mit verschärften Auflagen in der Hauptstadt. In Peking blieben viele Geschäfte und Restaurants am Wochenende geschlossen. Die Schulen kündigten an, dass der Unterricht in der neuen Woche ausfallen werde. Auch die Deutsche Botschaftsschule in Peking muss ihre Pforten bis auf Weiteres schließen.
Wie die Gesundheitskommission am Sonntag mitteilte, ist der 87-jährige männliche Patient aus Peking das erste Pandemie-Opfer seit der großen Frühjahrs-Welle in Shanghai. Wie damals liegen auch derzeit die Infektionszahlen wieder bei landesweit über 24.000 Fällen pro Tag. Sollte sich der Anstieg ungebremst fortsetzen, würde sich eine große Zahl von Toten nicht vermeiden lassen. Das wollen die Behörden weiterhin um jeden Preis verhindern.
Vergangene Woche legte die Führung zwar eine Liste mit 20 Anpassungen der Corona-Maßnahmen vor, die die Bestimmungen tendenziell abmildern. Laut den neuen Regeln ist es nun etwa untersagt, Sekundär-Kontakte, also Personen, die mit direkten Kontakten von Infizierten Kontakt hatten, in Quarantäne zu stecken. Nur noch die direkten Kontaktpersonen und Infizierte selbst müssen sich jetzt noch isolieren. Zudem dürfen Städte eine Einteilung in Risikogebiete und Nicht-Risikogebiete vornehmen.
Die Ausweisung von Gebieten mit mittlerem Risiko fällt dagegen weg. Das wird bewirken, dass etwas weniger Menschen in Lockdowns festsitzen werden als bisher. Expats profitieren zudem davon, dass sie nach der Einreise nach China nur noch acht Tage statt wie bisher zehn Tage in Quarantäne müssen. Von einer erheblichen Lockerung konnte jedoch auch bei diesen Maßnahmen keine Rede sein.
Die derzeit besonders schwer betroffene südchinesische Metropole Guangzhou kündigte vergangene Woche an, ihre Quarantäne-Kapazitäten um mehr als 240.000 Plätze erhöhen zu wollen. Dass nun auch in Peking Geschäfte, Restaurants und Schulen flächendeckend schließen müssen, ist Zero-Covid-Politik nach dem alten Muster.
Doch zumindest teilweise deuten die neuen Corona-Regeln darauf hin, dass sich der Kurs ändern soll. Bisher sind zu viele medizinische Ressourcen in Massentests und die Durchsetzung strikter Lockdowns geflossen. Das scheint die Führung verstanden zu haben. Ein Anzeichen dafür ist, dass ein größerer Vorrat mit Corona-Medikamenten aufgebaut werden soll.
Die neuen Maßnahmen sehen aber vor allem vor, endlich die Impfkampagne aktiver voranzutreiben. Wie lange es bis zu einer richtigen Öffnung noch dauern wird, dürfte also vor allem von einer Zahl abhängen: der Impfquote unter den ältesten Menschen. Im August waren lediglich 67,8 Prozent aller über 80-Jährigen dreifach geimpft. Erschreckend: Auch laut der jüngsten Zahlen hat sich an dieser Quote nicht viel geändert. Vergangene Woche lag sie noch immer bei 68,2 Prozent.
Peking wird sich daran messen lassen müssen, wie schnell sich die Impfquote bei den Alten in den kommenden Wochen und Monaten nach oben bewegt. Tut sie das nicht, würden im Falle einer Öffnung zu viele Menschen sterben, wie auch chinesische Ärzte am Freitag in der Financial Times warnten.
China, so ihre Schlussfolgerung, sei unter den derzeitigen Bedingungen noch nicht bereit für eine Öffnung. Die verheerenden Folgen einer unkontrollierten Corona-Welle konnten Anfang des Jahres in Hongkong beobachtet werden, wo ebenfalls ausgerechnet die Alten nicht ausreichend geimpft waren. Viele Menschen kamen ums Leben.
Doch das chinesische Festland kann aus den Hongkonger Erfahrungen auch etwas lernen: Laut einer dort durchgeführten Studie ist es ein Irrglaube, dass China nur mit einem ausländischen Impfstoff die Pandemie in den Griff bekommen kann. In Hongkong können sich die Menschen aussuchen, ob sie sich Biontech oder den chinesischen Präparat Coronavac spritzen lassen. Die in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichte Untersuchung hat ergeben, dass dreifach Geimpfte mit beiden Impfstoffen einen ähnlich guten Schutz vor schweren Verläufen oder Tod haben. Biontech-Geimpfte waren zu 97,1 Prozent geschützt, Coronavac-Geimpfte zu 97,3 Prozent. Auf die ähnlich gute Wirkung des Boosters mit den chinesischen Produkten hat im Frühjahr bereits der Virologe Hendrik Streeck im Interview mit China.Table hingewiesen.
Die kommenden Monate werden aber auf jeden Fall noch einmal schwer. Über den Winter werden die Infektionszahlen in China weiter ansteigen. Damit werden weiterhin viele Ressourcen in Nachverfolgung, Tests und Isolation fließen. Nur wenn es den Behörden gleichzeitig gelingt, eine groß angelegte Impfkampagne voranzubringen, wird man ab dem Frühling eine Öffnung näher rücken können.
Möglich wäre auch ein anderes Szenario: Ähnlich wie in Hongkong im Frühjahr könnte die Lage außer Kontrolle geraten. Auch ein solches Chaos mit wahrscheinlich vielen Toten würde die Behörden zwingen, ihre derzeitige Strategie zu überdenken und letztendlich mit dem Virus zu leben. Jörn Petring
Es ist ein alter Streit in den internationalen Klimaverhandlungen. Bis das Pariser Abkommen geschlossen wurde, verweigerte sich China jeder Verpflichtung (China.Table berichtete), Emissionen im eigenen Land zu senken. Stattdessen verwies es gemeinsam mit anderen Schwellenländern auf die historisch gewachsene Pflicht der Industriestaaten.
Durch den Pariser Klimavertrag von 2015 wurde die Front zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zwar aufgebrochen. Auf der COP27 trat sie jedoch wieder klar zutage: China – inzwischen eine Großmacht und der größte Emittent der Welt – beharrte auf seinem Status als Entwicklungsland im Rahmen des UNFCCC-Prozesses.
Nach jahrzehntelangen Debatten einigte sich die Teilnehmerstaaten zwar erstmals auf einen gemeinsamen Geldtopf zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren Ländern (Loss & Damage). Der neue Ausgleichsfonds soll unabwendbare Folgen der Erderhitzung abfedern – etwa immer häufigere Dürren, Überschwemmungen und Stürme, aber auch der steigende Meeresspiegel und Wüstenbildung. Begünstigt werden sollen Entwicklungsländer, die besonders gefährdet sind. Im kommenden Jahr schon soll er in Kraft treten.
Es ist eine historische Entscheidung, denn Entwicklungsländer fordern seit 30 Jahren ein Finanzinstrument, das bei Verlusten und Schäden in Folge des Klimawandels greift. Ein “wichtiger Durchbruch”, sagt auch Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von der Umweltorganisation Germanwatch.
Die Verhandlungen waren dennoch extrem schwierig. Umstritten war vor allem die Frage, wer die Gelder bereitstellen sollte. Die EU und später auch einige Inselstaaten pochten darauf, dass neue Finanzquellen aufgetan werden müssten. Die ursprüngliche EU-Forderung sah vor, dass die Gruppe der Geberländer erweitert wird. Somit hätten die mittlerweile wohlhabenden Schwellenländer wie China, Indien, Südkorea, Indonesien, Mexiko und die ölreichen Staaten ebenfalls in den Fonds zahlen müssen.
Vor allem China weigerte sich jedoch, in den Fonds einzuzahlen. Stattdessen wollte das Land gar selbst die Chance erhalten, künftig einmal Ausgleichszahlungen zu erhalten. “Die EU wollte China und die Golfstaaten zu Beitragszahlern machen – aber sie hatte am Schluss nicht den Mut für die notwendige Konfrontation”, analysiert David Ryfisch, Leiter des Teams Internationale Klimapolitik bei Germanwatch.
Die Entwicklungsorganisation Care bemängelte denn auch, dass wesentliche Fragen erst 2023 ausgearbeitet und keine Summen genannt wurden. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) schrieb: “Dazu gehören vor allem die größten Emittenten USA, China und natürlich auch die EU.”
In der Nacht zum Sonntag wurde noch gerungen, ob nur “besonders gefährdete” Entwicklungsländer oder alle Entwicklungsländer als Empfänger für Gelder aus den “Loss & Damage”-Finanzinstrumenten infrage kommen sollten. Eine Formulierung, die alle Entwicklungsländer vom Stand 1992 als Nehmerländer einstufte, wurde kurz vor dem Abschlussplenum der COP gestrichen.
Mit öffentlichen Auftritten hielt sich China während der COP zurück. In den Sitzungen achtete das Land mit seinen Alliierten stattdessen sorgfältig darauf, dass die COP nicht zu viel Ehrgeiz entwickelte. “Hier stand nichts auf der Tagesordnung, was chinesische Interessen wirklich betroffen hätte”, sagte Greenpeace-Experte Li Shuo. Zu laut waren die Chinesen aber auch nicht: Immerhin leitet China Anfang Dezember selbst eine COP – die Biodiversitäts-Konferenz in Montreal.
EU-Verhandler berichten, viele kleine Länder fühlten sich von China wirtschaftlich und politisch erpresst und trauten dem Westen nicht über den Weg – wagten aber deshalb nicht den Ausstieg aus der G77. Bisher hält die seltsame Allianz, obwohl die Interessengegensätze in ihr wachsen.
Die neue Formulierung im Abschlusspapier schließt die Erweiterung der Beitragszahler zwar nicht aus, ist aber auch nicht besonders eindeutig. Es ist nun Aufgabe des Übergangsausschusses, neue Finanzierungsquellen für Loss & Damage vorzuschlagen. Bedeutet: Die Debatte, ob China als historisch zweitgrößter Emittent auch Verantwortung für den Schaden am Klima übernehmen muss, ist keineswegs beendet, sondern lediglich auf die COP28 verschoben. Lukas Scheid/Bernhard Pötter/Alexandra Endres
Die Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft Apec hat den Ukraine-Krieg mehrheitlich “scharf verurteilt”. Russland und wohl auch China waren der Meinung, dass das Thema gar nicht auf die Tagesordnung gehörte. Dennoch schaffte das Thema es auf dem Apec-Gipfel am Wochenende in die Abschlusserklärung.
Die Apec stellen darin mit Sorge fest, dass der Krieg die Weltwirtschaft “negativ beeinflusst”. Der Krieg “würgt das Wachstum ab, lässt die Inflation ansteigen, sprengt die Lieferketten, lässt die Energiekosten steigen und beeinträchtigt die Nahrungsmittelversorgung und erhöht die Finanzrisiken”.
Es ist auch die Forderung nach einem “völligen und bedingungslosen Rückzug” Russlands aus der Ukraine erwähnt, wenn auch als Zitat aus dem entsprechenden Votum der UN-Vollversammlung vom März. Weitgehende Einigkeit gab es über das “immense menschliche Leid”, das der Krieg verursacht.
Zu den 21 Teilnehmerländern gehöre jedoch neben den USA auch China und Russland. Vize-Ministerpräsident Andrei Beloussow war in Vertretung Wladimir Putins bei dem Gipfel dabei. In dem Abschnitt zur Ukraine stehen daher die Zusätze: “Es gab Diskussionen über diese Frage.” Und: “Es gibt abweichende Meinungen und Einschätzungen der Situation”.
Auch Peking war mit dem Apec-Ergebnis zur Ukraine offensichtlich nicht zufrieden. Denn in der Zusammenfassung der Entwicklung des Apec-Gipfels durch die staatliche Zeitung China Daily geht es nur um wirtschaftliche Themen. Die Position zur Ukraine wird nicht einmal erwähnt.
Die Abschlusserklärung entspricht damit ganz offenbar nicht vollständig den Wünschen Pekings. Doch auch die USA haben sich in der Apec-Runde nicht mit ihrer Wunschformulierung zur Ukraine durchgesetzt. Sie wollten eine eindeutige Schuldzuweisung an Russland in der Abschlusserklärung unterbringen. Es sollte die Rede von “Russlands brutalem und provoziertem Aggressionskrieg gegen die Ukraine” sein, die Ukraine ausdrücklich als “friedliches und demokratisches Land” genannt werden. Diese Formulierungen fehlten in der Schlussfassung.
Beschlüsse der Apec sind nicht bindend. Dennoch hat die Haltung der Apec Gewicht in der Welt. Sie vertritt 2,9 Milliarden Menschen, die über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Welt erwirtschaften und etwa die Hälfte des Welthandels ausmachen. Die Apec steht vor allem für die Liberalisierung von Handel und Investitionen. Sie will die wirtschaftliche und technisch-innovative Kooperation erleichtern, mit dem Ziel des nachhaltigen Wachstums in der Region.
Die Apec wurde zwar 1989 von den USA mit Japan und Australien gegründet, um Asien und Amerika enger zusammenrücken zu lassen. Doch für die USA wird es immer schwieriger, mit ihrer Position in Asien zu überzeugen. Sie hat zunehmend Schwierigkeiten, Mehrheiten zu finden. Die Apec-Formulierung zu der Ukraine ähnelt daher viel mehr der Position der G20-Länder als dem US-Standpunkt (China.Table berichtete).
Sowohl der Wortlaut der G20-Erklärung als auch der Apec-Erklärung haben letztlich eine größere Schnittmenge mit der Haltung Pekings als mit der Haltung Washingtons – hier zeigt sich dann doch der Einfluss von Xi Jinping auf dem Gipfel. Die Apec erhielt denn auch Lob von Xi. Sie sei geleitet von “offenem Regionalismus, dem Prinzip der Vielfältigkeit und Nicht- Diskriminierung”.
Damit verstärkt sich ein Trend, den sich in diesem Jahr nicht nur bei G20, sondern auch bei anderen Gipfeln beobachten ließ. Die US-Haltung wird mehr und mehr zu einer globalen Minderheitsposition, die von den Ländern Asiens nicht mehr einfach so übernommen wird. Belege dafür gab es unter anderem auf:
Das gilt nicht nur für die Politik, sondern auch für die Wirtschaft. Die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP), die größte Freihandelszone der Welt, ist bereits seit 2020 aktiv. In RCEP hat sich China mit Asien zusammengeschlossen, zwar noch nicht mit Indien, aber durchaus mit Südkorea, Australien und Japan, dem engsten wirtschaftlichen und politischen Partner der USA in Asien.
Die geplante Free Trade Area of the Asia-Pacific (FTAAP), das Freihandels-Gegenstück der USA mit Asien, ist auf dem Apec-Gipfel in Bangkok hingegen kaum vorangekommen. Für den Apec-Gastgeber und -Vorsitzenden, den thailändischen Premierminister Prayuth Chan-ocha, bestand der “signifikante Fortschritt” darin, einen “mehrjährigen Arbeitsplan” für FTAAP zu verabschieden.
Damit dürfte es auch im kommenden Jahr keinen Durchbruch für das anspruchsvolle Projekt geben, wenn die USA den Vorsitz von Apec haben. Vizepräsidentin Kamala Harris sprach in Bangkok zwar von einer “nahtlosen Zusammenarbeit” und davon, dass es “keinen besseren wirtschaftlichen Partner für die Region gibt als die Vereinigten Staaten von Amerika”. Das Problem: Die Zugeständnisse, die die USA für FTAAP fordern, finden in Asien nur kaum Akzeptanz.
Die Europäische Kommission hat Anti-Dumping-Zölle auf chinesische und brasilianische Importe von zinnfreiem Stahl festgezurrt. Diese Art von beschichtetem Stahl – auf Englisch “electrolytic chromium coated steel” oder kurz ECCS – wird unter anderem in Getränkedosen und Haushaltsgeräten verwendet. Die Produkte werden innerhalb der EU zu unangemessen niedrigen Preisen verkauft, was den europäischen Herstellern schade, teilte die Brüsseler Behörde mit. Um dem entgegenzuwirken, genehmigte die Kommission nun Zölle in Höhe von 239 Euro bis 607 Euro pro Tonne importierten zinnfreien Stahls.
Der EU-Markt für zinnfreien Stahl wird nach Angaben der Kommission auf fast 500 Millionen Euro geschätzt. Die EU-Kommission hatte im September 2021 mit der Überprüfung der Einfuhren von zinnfreiem Stahl aus China und Brasilien begonnen, nachdem sie eine Beschwerde der European Steel Association erhalten hatte. Die EU hat bereits Schutzzölle gegen eine Reihe ausländischer Metallimporte, einschließlich zinnfreiem Stahl, eingeführt. ari
Die USA fürchten, dass die chinesische Regierung nicht genehmigte “Polizeistationen” in amerikanischen Städten einrichtet, um möglicherweise über sie Einfluss auf US-Bürger chinesischer Herkunft auszuüben. “Wir sind uns der Existenz dieser Stationen bewusst”, sagte FBI-Direktor Christopher Wray bei einer Anhörung des Ausschusses für Innere Sicherheit und Regierungsangelegenheiten des US-Senats. “Für mich ist es ungeheuerlich, dass die chinesische Polizei versucht, sich in New York niederzulassen, sagen wir mal, ohne eine angemessene Koordination. Das verletzt die Souveränität und umgeht die üblichen Verfahren der Zusammenarbeit zwischen Justiz und Strafverfolgungsbehörden.” Auf die Frage, ob solche Stationen gegen US-Recht verstießen, sagte Wray, das FBI prüfe “die rechtlichen Parameter”.
Die Vereinigten Staaten hätten bereits einige Anklagen gegen die chinesische Regierung erhoben, so der FBI-Chef. In denen ginge es um Belästigung, Verfolgung, Überwachung und Erpressung von in den Vereinigten Staaten lebenden Personen, die mit dem chinesischen Führer Xi Jinping nicht einverstanden seien. “Das ist ein echtes Problem und etwas, worüber wir auch mit unseren ausländischen Partnern sprechen, denn wir sind nicht das einzige Land, in dem dies geschehen ist”, sagte er.
Safeguard Defenders, eine in Europa ansässige Menschenrechtsorganisation, veröffentlichte im September einen Bericht, der die Präsenz von Dutzenden chinesischer “Polizeistationen” in Großstädten auf der ganzen Welt aufdeckte (China.Table berichtete). Der Bericht brachte die “Polizeistationen” auch mit den Aktivitäten der Kommunistischen Partei in Verbindung. rtr
“Wenn ich den Job in Hongkong nicht angenommen hätte, dann hätte ich mit Andrej Iwanowitsch deutsche Schulen besucht”, sagt Hannes Farlock, der neue Delegierte der Deutschen Wirtschaft bei der Außenhandelskammer Hongkong. Andrej Iwanowitsch ist ein 96-jähriger ehemaliger KZ-Häftling aus Minsk und gleichzeitig die Hauptperson in Farlocks Film “Ja, Andrei Iwanowitsch”, in dem er dessen Lebensalltag dokumentiert.
Schon seit seinem Zivildienst in Krakau engagierte sich Hannes Farlock für Holocaustüberlebende. Auch während seiner Tätigkeit für ein dänisches IT-Unternehmen in Belarus arbeitete er in seiner Freizeit in der “Geschichtswerkstatt Minsk”, wo er jenen Andrei Iwanowitsch kennenlernte.
Beruflich hat der 40-Jährige viele Jahre Erfahrung in der Entwicklung internationaler Geschäftsbeziehungen vorzuweisen. Neben Belarus arbeitete er auch in der Ukraine und Deutschland, unter anderem in der Geschäftsentwicklung im IT- und Start-up-Sektor sowie im ehemaligen TACIS-Programm der Europäischen Kommission.
Zuletzt war er sechs Jahre lang Head of Business Development und später Managing Director der AHK in Moskau. Dort sorgte der russische Einmarsch in die Ukraine Anfang des Jahres für gewaltige Herausforderungen. Seine Erfahrungen aus Russland resümiert er knapp unter dem Slogan “Krisenzeiten sind auch Kammerzeiten.” Vor Ort modernisierte er in den Jahren zuvor die Strukturen, stellte auf agiles Management um und führte als eine der ersten AHK weltweit Business Intelligence ein.
Ähnliches hat er jetzt in Hongkong vor. “Bodenständige, kleine und mittlere Unternehmen sind die Hauptklientel der Kammer, aber wir müssen auch attraktiv für junge, innovative Unternehmen und Start-ups sein”, sagt der Erlangener. “Das kann nur gelingen, wenn wir das so nach außen präsentieren und nach innen leben.”
Außerdem will er die deutsche Community in Hongkong wieder stärker zusammenbringen. In der Stadt gibt es viele Unternehmen und Personen, die schon lange dort aktiv und hochgradig integriert sind, aber bisher kaum Kontakt zur AHK hatten, so der neue Chief Representative und Nachfolger von Wolfgang Ehmann. Für nicht wenige von ihnen ist mit der Corona-Pandemie ein Großteil ihres Netzwerks weggebrochen, Freunde und Bekannte haben Hongkong den Rücken gekehrt.
Vielen Unternehmen mangelt es an Fachkräften, da sowohl viele Expats als auch qualifizierte Locals die Stadt verlassen haben. In seiner neuen Position möchte Farlock aktiv auf diese Gruppen zugehen und über die AHK neue Anknüpfungspunkte bieten.
Dass dies nicht ganz ohne Eigennutz ist, gibt dabei er offen zu. Nur knapp 30 Prozent der deutschen Unternehmen in Hongkong sind bisher Mitglied bei der AHK, die coronabedingt Mitglieder und Sponsoren verloren hat. Doch Farlock gibt sich kämpferisch. Die Stadt biete immer noch viele Chancen, nicht nur um in China produzieren zu lassen, sondern auch um in der Greater Bay Area Produkte zu entwickeln und auszuprobieren. Solange man die richtigen Leute zusammenbringen kann, mit der richtigen Motivation, kann man alles schaffen, sagt Farlock. So ist sein Film entstanden und gleichzeitig ist das auch “die Quintessenz von einer AHK.” Clemens Ruben
Markus Fischer ist für TRB Logistik von Shanghai nach Hamburg zurückgekehrt. In China war Geschäftsführer der Landestochter. In Deutschland ist Managing Director.
Chris Durack wird neuer CEO für die Asien-Pazifik-Region bei dem Investmenthaus Schroders. Er folgt auf Susan Soh, die das Unternehmen verlässt.
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Kennen Sie das: Endloses Kissenwälzen und einfach nicht einschlafen können? Oder flimmern Sie vielleicht des Öfteren eingemummelt unter der Decke als Handy-Glühwürmchen bis weit nach Geisterstunde durch die Nacht? Haben Sie es mal mit einem Schlummerservice probiert?
Im Onlineservice-Mekka China ist ein entsprechendes Rundum-sorglos-Paket nur ein paar Handy-Swipes entfernt. Auf Onlineshoppingportalen wie Taobao (淘宝 Táobǎo), Xianyu (闲鱼 Xiányú) und Co. kann man nämlich neuerdings seinen individuellen Einschlafservice buchen. Das Zauberwort lautet 哄睡 hǒngshuì – “jemanden in den Schlaf wiegen/lullen”. Tippt man diese chinesischen Erkennungszeichen in die Suchmaske ein, poppen prompt zahlreiche Einschlafservices (哄睡服务 hǒngshuì fúwù) auf, bei denen man sich seinen persönlichen Sandmann beziehungsweise seine persönliche Sandfrau – im Fachjargon 哄睡师 hǒngshuìshī “Einschlafmeister” – buchen kann.
Und potentielle Kundschaft gibt es genug. Nach dem nationalen Schlafreport 2022 (中国国民健康睡眠白皮书) der chinesischen Gesellschaft für Schlafforschung (中国睡眠研究会) bleiben in China 44 Prozent der 19- bis 25-Jährigen bis weit nach Mitternacht auf – viele haben Probleme, ins Bett beziehungsweise in den Schlaf zu finden. Und so sind es denn auch vor allem (überwiegend weibliche!) Berufsstätige der Post-90er-Generation oder jünger, die die Online-Einlulldienste ordern.
Und so funktioniert’s: Im Shop den gewünschten Schlafguru auswählen. Wer unschlüssig ist, kann einen kurzen Fragebogen mit Eckdaten zur eigenen Person wie Alter, Geschlecht, Interessen und Hobbys ausfüllen. Dann fischt der Kundenservice passende virtuelle Kissen-Kandidaten aus dem Schlafmeisterpool. Für Einsteiger gibt es eine kostengünstige Überraschungsbox-Variante (盲盒 mánghé “Blindbox”). Da wird einem der Einschlafbegleiter nach dem Zufallsprinzip zugeteilt. Kostenpunkt: schlappe 10 bis 20 Yuan pro Viertelstunde, umgerechnet also rund 1,40 – 1,80 Euro.
Für VIP-Virtuosen unter den Schlummermagiern muss man schon tiefer in die Schlafanzugtasche greifen – hier sind bis zu 500 Yuan pro Stunde zu berappen, gut 70 Euro also. Und wer sich auf einen Lieblingswiegemeister beziehungsweise eine Lieblingswiegemeisterin eingeschossen hat, der bucht am besten gleich eine Monatsflatrate (包月套餐 bāoyuè tàocān). Nicht, dass am Ende des Tages jemand den Wunschkandidaten von der Bettkante wegschnappt.
Und welche Wunderwaffen stecken so im Werkzeugkasten eines professionellen Einschlafbegleiters? Zunächst einmal kann man zwischen Text- und Tonservice wählen (文字 wénzì oder 语音 yǔyīn). Bei ersterem werden nur Chatnachrichten verschickt, bei letzterem Tonnachrichten oder es wird über das Internet telefoniert. Zur Performance gehören – je nach Kunden:innenvorliebe – das Singen oder Vorspielen von Einschlaf- und anderen Liedern (唱歌 chànggē und 放歌 fànggē), Einschlafgeschichten (讲故事 jiǎng gùshi) oder einfach nur aufmerksame Unterhaltungen und geduldiges Zuhören (陪聊 péiliáo). Wer nach Ablauf der Einlullzeit noch immer nicht ins Reich der Träume gefunden hat, kann weiteres Zeitguthaben nachbuchen (续单 xùdān).
Zwar rühmen sich die Schlafservice-Anbieter mit vermeintlich professionell geschulten Schlafbegleitern. Tatsächlich handelt es sich bei den Traumdomteuren aber um Gelegenheitsjobber und Teilzeitkräfte, darunter auch Studenten. Schließlich werden ihre Dienste in der Regel nur in den Abendstunden gebraucht (die Ruf-Rushhour beginnt gegen 21 Uhr). Daher ist das Metier bestens mit gewöhnlichen Tagesjobs vereinbar.
Generell hat sich um das Thema Einschlafhilfe in China in den letzten Jahren ein regelrechter Wirtschaftszweig entsponnen – die sogenannte Schlafwirtschaft (睡眠经济 shuìmián jīngjì). Als Einschlafwunderwaffen (助眠神器 zhùmián shénqì) für Nachteulen wider Willen (夜猫子 yèmāozi “Nachteule”) werden auf beliebten Webportalen wie der Social-Media-Plattform Xiaohongshu (小红书 Xiǎohóngshū) verschiedenste Sleep-Produkte wie Schlafarzneien (助眠药品 zhùmián yàopǐn), Schlafpflaster (睡眠贴 shuìmiántiē) und Schlummeraromatherapien (助眠香薰 zhùmián xiāngxūn) angepriesen. Einen Boom erleben außerdem Schlummer-Apps (助眠 APP zhùmián APP), die so beruhigend-heilsame Namen wie “Schlafschnecke” (蜗牛睡眠 wōniú shuìmián) oder “Sleepy Koala” (考拉睡眠 kǎolā shuìmián) tragen. Sie setzen auf einen Mix aus Meditationsübungen (冥想练习 míngxiǎng liànxí), beruhigenden Background-Geräuschen (白噪音 báizàoyīn), Hörbüchern (听书 tīngshū) und Gutenachtgeschichten (睡前故事 shuìqián gùshi).
Wer bei so viel Wiegen-Wirtschaft dann doch endlich erfolgreich in den Schlaf gelullt wurde, braucht sich im Übrigen keine Sorgen zu machen, am nächsten Morgen nicht aus den Federn zu finden. Denn auch für Morgenmuffel ist in China ein Kraut gewachsen – personalisierte Weckdienste, auf Chinesisch 叫醒服务 jiàoxǐng fúwù. Das Onlineservice-Paradies China macht’s möglich!
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.