für viele, die in China leben, ist es morgens das Allererste: Nicht der frisch gebrühte Kaffee oder Grüntee, sondern der Blick auf die Luftwerte. Sie zeigen, wie viel Mikrogramm Feinstaubpartikel sich aktuell in einem Kubikmeter Luft befinden – und sie bestimmen den Tag: Gilt für mein Auto ein Fahrverbot? Kann das Kind wirklich raus auf den Spielplatz? Oder sollte ich besser sofort den Luftfilter hochschalten? Bei Werten von 200-250 schränkte unser Kindergarten in Peking die Aktivitäten auf dem Spielplatz ein.
Am gestrigen Montag musste in Peking niemand seine Luft-App öffnen, ein Blick aus dem Fenster genügte, um zu sehen – oder eben nicht zu sehen – wie schlecht die Luftwerte waren. 1960 µg/m³ hieß es in der Schweizer IQAir-App. Grund war ein Sandsturm, der über Peking hinwegfegte. So sieht eine ökologische Krise aus, twitterte Li Shuo von Greenpeace China. Aber überzeugen Sie sich selbst: in unserem heutigen Dessert. Und zur gesundheitlichen Einordnung: Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sind Werte über 25 µg/m³ gesundheitsschädlich.
Dabei China setzt durchaus auf Umweltschutz. Gregor Koppenburg und Jörn Petring analysieren, wie stark Peking zukünftig in Wasserkraft investieren und deshalb den größten Staudamm der Welt bauen will. Er soll den berühmten Drei-Schluchten-Staudamm um das Dreifache übertreffen! Doch vor allem in Indien stößt das Projekt auf scharfe Kritik.
Deutliche Kritik übt auch Felix Lee an den Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten in China. Verfolgen, ausspionieren und einschüchtern – all das ist alltäglich geworden. Die Lage sei so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr, urteilt Lee. Bei der Führung in Peking erkennt er eine klare Verhaltensänderung.
Eine Verhaltensänderung der Nato fordert unterdessen Thomas de Maizière. Das strategische Konzept sei überholt. China werde darin mit keinem Wort erwähnt, kritisiert der ehemalige Verteidigungsminister. Dabei lägen Bedrohungen auf der Hand: Terrorismus, Cyberattacken und Chinas Anspruch auf Führung in der Welt.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Der ehemalige Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière drängt auf eine schnelle Reaktion der Nato angesichts eines erstarkenden Chinas. “Eine Bestandsaufnahme der Bereiche, in denen China bereits Fakten geschaffen hat, die die Nato sicherheitspolitisch tangieren, ist überfällig”, sagte de Maizière im Gespräch mit China.Table. Der CDU-Politiker kritisiert mangelnden Überblick: Derzeit gebe es keinen strategischen Austausch zwischen den Nato-Mitgliedern darüber, welche sicherheitspolitisch wichtige Infrastruktur oder Unternehmen China in einzelnen Staaten gekauft habe. Auch Wertschöpfungsketten und weitere mögliche Abhängigkeiten müssten genau betrachtet und unter den Nato-Mitgliedern ausgetauscht und debattiert werden, so der ehemalige Minister.
De Maizière sitzt gemeinsam mit US-Diplomat Wess Mitchell der Nato-Reflexionsgruppe 2030 vor, die das Verteidigungsbündnis für die kommenden zehn Jahre fit machen soll. Die Nato will damit die Einheit und politische Rolle des Bündnisses und die Koordination zwischen den Alliierten stärken. Die Reflexionsgruppe hat Ende vergangenen Jahres einen Bericht mit Strategie-Empfehlungen vorgelegt.
De Maizière betont, dass bei konkreten Schritten bezüglich China keine Zeit verloren gehen dürfe: “Das ist sehr eilig, es muss sofort losgehen. China schafft Fakten. China sagt: ‘Ich will eine globale Führungsrolle in der Welt.’ Früher wurde das etwas verschämt geäußert, jetzt wird das offen gesagt. Und zwar nicht in Bezug auf den Indopazifik, sondern auf die Welt.” Die Nato haben in den vergangenen zehn Jahren eine “Diskussionsvermeidungspolitik gehabt, wenn es ein Problem mit China gab”, um Spannungen zu vermeiden, kritisiert de Maizière. “Das ist falsch. Die Nato muss lernen, wieder streitig zu diskutieren.”
Bestimmte Empfehlungen wie ein China-Gremium (consultativ special body) könnten sofort eingesetzt werden – “dafür braucht man kein Strategiekonzept” , so de Maizière. Er empfiehlt zudem verstärkte Zusammenarbeit zwischen der Nato und der Europäischen Union. Auch bei dem Versuch, Rüstungskontrollgespräche mit China zu beginnen, dürfe nicht locker gelassen werden.
Mit Sorge blickt de Maizière auf die aktuellen Entwicklungen in Hongkong und Taiwan: “Peking ist auf starkem Konfrontationskurs.” Das Vorgehen in Hongkong komme einer schrittweisen Annexion gleich. Auch die Sprache gegenüber Taiwan werde härter – China kaufe zudem Gerätschaften, die eine mögliche Invasion der Insel andeuteten. “Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass Peking sich darauf vorbereitet, was aber nicht heißt, dass sie es tun.” Aber auch die Vorbereitung könne als politisches Instrument gesehen werden, so der CDU-Politiker. Er warnt: “In Asien geht eine offene Demokratie-Gefährdung von China aus, und zwar mit offenem Visier.”
Die Entsendung einer Fregatte der Bundeswehr in den Indo-Pazifik befürwortet der ehemalige Verteidigungsminister – die Kommunikation des Bundesverteidigungsministeriums sieht er jedoch kritisch. “Wir treten für offene Seewege ein”, so de Maizière. “Ich würde etwas zurückhaltender kommunizieren.” Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte vergangene Woche auf Twitter nahegelegt, dass Einsätze der Bundeswehr in der Region vor allem mit der Eindämmung Chinas zu tun haben. Amelie Richter
Che Dalha will so schnell wie möglich mit dem Bau des größten Staudamms der Welt beginnen. “Noch in diesem Jahr” müssten die Arbeiten am Mega-Projekt beginnen, forderte der Vizechef der Kommunistischen Partei in Tibet bei der Jahrestagung des Volkskongresses in Peking. Der Damm ist Teil des 14. Fünfjahresplans, der vergangene Woche von Chinas Führung beschlossen wurde.
Erste Entwürfe wurden im vergangenen November vorgestellt. Damals berichteten chinesische Medien, dass die neue Talsperre bis zu 60 Gigawatt Strom erzeugen könnte. Sie wäre damit fast dreimal leistungsfähiger als der berühmte Drei-Schluchten-Staudamm (22,5 Gigawatt). Zum Vergleich: Die größten Atomkraftwerke der Welt kommen derzeit auf eine Leistung von 7 bis 8 Gigawatt.
Dass China den Bau neuer Talsperren zur Stromerzeugung vorantreibt, ist verständlich. Der Energiehunger der Volksrepublik nimmt immer weiter zu; gleichzeitig hat die Führung der KP Chinas in Peking versprochen, das Land werde bis 2060 klimaneutral. Wasserkraft macht heute bereits rund 20 Prozent am chinesischen Strommix aus – und ist damit die zweitwichtigste Energiequelle direkt hinter Kohle.
Allein am Yarlung-Fluss, der im Hochland von Tibet entspringt, sind im vergangenen Jahrzehnt ein gutes Dutzend neuer Wasserkraftwerke genehmigt oder gebaut worden.
Die Wasser-Energie mag Millionen Chinesen helfen, ein produktives Leben zu führen. Weniger begeistert von Chinas massivem Ausbau der Hydro-Energie sind dagegen seine Nachbarn.
Besonders in Indien macht man sich Sorgen angesichts der Baupläne des neuen Mega-Damms am unteren Flusslauf des Yarlung. Denn der Yarlung fließt über die chinesische Grenze hinweg nach Indien, wo er Brahmaputra heißt und dort eine der wichtigsten Wasserquellen des Landes ist. In Indien fürchtet man jedoch nicht nur drohenden Wassermangel, sondern auch blitzartige Fluten – je nachdem, welche Einstellungen Peking am Staudamm auswählen wird.
Ähnliche Vorwürfe muss sich China bereits seit Jahren von anderen Nachbarstaaten anhören. Denn auch der Mekong, der durch Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam fließt, entspringt in Tibet, wo China den Fluss mit etlichen Wasserkraftwerken angezapft hat. Nicht nur der Wasserstand werde beeinflusst, auch das empfindliche Öko-System des Mekongs drohe wegen der Dämme zu kippen, beklagen Umweltorganisationen. Grund dafür sei, dass immer weniger nährstoffreiche Sedimente in die untere Mekong-Region gelangen würden.
In Indien ist das Misstrauen gegenüber der neuen Talsperre besonders groß, da die Beziehungen der beiden Milliardenvölker derzeit ohnehin sehr angespannt sind: Bei einer blutigen Auseinandersetzung im Grenzgebiet Ladakh sind im vergangenen Sommer mindestens 20 indische und vier chinesische Soldaten ums Leben gekommen.
In Indien wird befürchtet, die Volksrepublik könnte seine Talsperren auch für militärische Zwecke nutzen. Es bestehe die Gefahr, dass China “die Durchflussrate in Krisenzeiten erheblich ändert”, warnte im Januar die indische Zeitung The Hindu. Das Blatt erinnerte daran, dass Indien und China eigentlich ein Abkommen geschlossen haben, wonach während der Monsunzeit zwischen Mai und Oktober hydrologische Daten des Flusses ausgetauscht werden sollten. Doch schon vor drei Jahren, als es mal wieder Streit in der Grenzregion gab, habe China über Monate hinweg keine Daten geliefert.
Im indischen Wasserministerium kursiert nun folgende Idee: Nach der Logik, Wasser am besten mit Wasser zu bekämpfen, wird über den Bau eines eigenen “großen Staudammes” am Brahmaputra nachgedacht. Ziel sei es, so “die negativen Auswirkungen der chinesischen Staudammprojekte zu mildern”. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
Immer wieder hat Chinas Führung ausländische Journalisten beschatten lassen. Zudem versuchen die Behörden, indirekt Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen, wenn etwa Mitarbeiter des chinesischen Außenministeriums bei der jährlichen Visa-Verlängerung die ausländischen Korrespondenten zu “Tee-Gesprächen” einluden und sie höflich aber bestimmt darauf hinwiesen, doch stärker über die positiven Entwicklungen im Land zu berichten, “damit man voneinander lernen” könne.
Grundsätzlich aber fühlte sich China lange Zeit der eigenen Zusage verpflichtet, Korrespondenten ausländischer Medien frei über das Land berichten zu lassen. 2008, im Zuge der Olympischen Sommerspiele in Peking, hatte die KP Chinas sogar explizit ein Gesetz verabschiedet, das es Journalisten seitdem erlaubt, auch ohne Sondergenehmigungen frei im Land recherchieren zu dürfen. Offenbar dachte man: Besser kritische Berichterstattung als gar keine. Denn nur so werde der Rest der Welt mehr über China erfahren. Von der Abschottung wie unter Mao Tsetung hatte man schon in den frühen 1980er-Jahre Abstand genommen. China wollte sich öffnen.
Doch in den vergangenen zwei Jahren hat sich die Arbeitssituation für ausländische Journalisten in China zunehmend verschlechtert. Bei Recherchereisen wurden sie von Polizisten durchsucht, Datenträger gelöscht. Es kam auch vor, dass die Beamten Laptops, Tablets und Kameras beschlagnahmten oder sie zerstörten. In der jüngsten Befragung des Clubs der Auslandskorrespondenten in China (FCCC) haben 150 der 220 befragten Korrespondenten angegeben, dass die chinesischen Behörden ihre Bemühungen, die Arbeit ausländischer Reporter zu vereiteln, “dramatisch verstärkt” haben. Alle zur Verfügung stehenden Mittel seien genutzt worden, um Journalisten einzuschüchtern und zu belästigen, heißt es in dem Bericht.
Journalisten aus Staaten mit angespannten Beziehungen zu China haben den Druck der Behörden besonders stark zu spüren bekommen. Mindestens 18 Journalisten von drei US-Medien mussten im vergangenen Jahr das Land verlassen – so viele wie seit mehr als drei Jahrzehnten nicht. Zwei australische Korrespondenten reisten aus, nachdem sie erfahren hatten, dass die Staatssicherheit hinter ihnen her war. Australien hat damit überhaupt keinen Korrespondenten in China mehr. Washington, Canberra aber auch London haben im vergangenen Jahr im Zuge von Handelskonflikten aber auch wegen ihrer Kritik an der Menschenrechtslage in Xinjiang und Hongkong heftige Auseinandersetzungen mit der Führung in Peking gehabt.
Doch auch die meisten Journalisten anderer Länder und ihre örtlichen Helfer sind Schikanen ausgesetzt. “Während Chinas Propagandamaschine bemüht war, die Kontrolle über die Berichterstattung über die Gesundheitskatastrophe wiederzuerlangen, wurden ausländische Nachrichtenorganisationen wiederholt daran gehindert, über die Pandemie zu berichten”, heißt es im Jahresbericht des FCCC. Corona-Kontrollpunkte hätten der Regierung zusätzliche Möglichkeiten gegeben, an Daten von ausländischen Journalisten und ihren Quellen zu gelangen. Und auch für viele chinesische Mitarbeiter ist die Situation belastend. Assistenten der Korrespondenten werden zu Hause besucht. Wenn man ins Büro kommt und den Rechner hochgefahren hat, fällt auf, dass persönliche Mails gelesen wurden.
Was noch schwerer wiegt: Die chinesische Führung nutzt die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus, um ausländische Journalisten, die einmal das Land verlassen, nicht mehr hinein zu lassen. Wenn ein Korrespondent etwa für einen Familienbesuch mal in sein Heimatland will, hängt es vom guten Willen der zuständigen Beamten ab, ob sie danach wieder einreisen dürfen. Neue Korrespondenten erhalten gar kein Visum mehr. Aus Deutschland sind es die ARD und die Tageszeitung “Die Welt”, die seit einem Jahr auf eine Einreisegenehmigung für ihre Korrespondenten warten.
Das Außenministerium in Peking weist die Vorwürfe jedoch zurück. Der Bericht sei “anmaßend, alarmistisch und hat keine faktische Grundlage”. China habe Journalisten und Medien aller Länder stets begrüßt, “in Übereinstimmung mit Gesetzen und Vorschriften” Interviews zu führen und zu berichten, sagte ein Ministeriumssprecher. “Was wir ablehnen, ist ideologische Voreingenommenheit gegen China und ‘Fake News’ im Namen der Pressefreiheit”. Zugleich verwies der chinesische Außenministeriumssprecher darauf, dass der Presse-Club FCCC in China gar nicht offiziell anerkannt sei.
Das chinesische Außenministerium verschärfte zuletzt gar seine Tonart – und zwar gegen die britische Botschafterin in Peking Caroline Wilson. Sie hatte über die soziale Plattform WeChat versucht zu erklären, warum Kritik westlicher Medien an der chinesischen Regierung nicht bedeutete, dass die verantwortlichen Journalisten China nicht mochten, sondern in “gutem Glauben” handelten und eine aktive Rolle bei der Überwachung von Regierungsmaßnahmen spielten. Der gesamte Artikel sei “voller Arroganz und ideologischer Vorurteile” und widerspreche “ernsthaft dem Status von Diplomaten”, heißt es in einer Erklärung des chinesischen Außenministeriums.
Auch deutsche Medienhäuser sehen die Hemmnisse für faire Recherche mit großer Sorge. “Insgesamt ist die Berichterstattung für alle erheblich schwieriger geworden”, sagt Andreas Cichowicz, Chefredakteur von NDR Fernsehen. Der 59-Jährige nimmt seit vielen Jahren am deutsch-chinesischen Mediendialog teil, an dem Chefredakteure deutscher und chinesischer Medien regelmäßig zusammenkommen und sich über aktuelle Konflikte austauschen. “In den chinesischen Medienhäusern marschieren wieder die Komitees durch die Redaktionen und trimmen sie aufs kommunistische Manifest”, sagt Cichowicz.
Bei den Sitzungen des Mediendialogs habe es dennoch eine große Offenheit gegeben, sagt der NDR-Chefredakteur, der mit dem chinesischen Staatssender CGTN schon gemeinsame Diskussionsendungen produziert hat und dafür in Deutschland auch Kritik einstecken musste.
Gehe es um Themen wie die Demokratiebewegung in Hongkong oder die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang, gebe es sicher keine Einigung, sagt Chichwocz. Immerhin würden die unterschiedlichen Einschätzungen aber offen ausgetragen. Und auch beim letzten Gespräch im Spätsommer, das virtuell stattfand, sei es weniger restriktiv gewesen als er erwartet hatte. “Das gegenseitige Vertrauen, das wir aufgebaut hatten, trug also noch.“
Zugleich sei ihm jedoch aufgefallen, wie stark die chinesischen Gesprächspartner “auf die nationalistische Linie getrimmt” würden. Unter der derzeitigen chinesischen Corona-Bedingungen mache es ihm persönlich natürlich keinen Spaß, irgendeinen persönlichen Austausch zu haben. Dennoch hält er ihn für wichtiger denn je. “Ich würde es für falsch halten, gerade in so einer Situation von unserer Seite aus die Schotten dicht zu machen.“
Man sei “sehr enttäuscht darüber”, dass sich die Medienfreiheiten in China 2020 erheblich verschlechtert habe, teilte der FCCC mit. Auch mit Blick auf die bevorstehenden Olympischen Winterspiele, die kommendes Jahr in Peking stattfinden, fordert der Verband die chinesische Regierung auf, ausländische Journalisten ohne Einschränkungen ihre Arbeit machen zu lassen.
Doch die Olympischen Winterspiele scheinen unter anderen Vorzeichen zu stehen als 2008 die Olympischen Sommerspiele: Damals war die Volksrepublik um ein positives Außenbild bemüht, die Führung wollte sich weltoffen zeigen und ihre wirtschaftlichen Errungenschaften zur Schau stellen.
Zwar heißt es offiziell auch weiterhin: China ist ein freundliches Land und hat gern gute Beziehungen. “Aber es sind gute Beziehungen nach chinesischen Regeln”, beobachtet Cichowicz. “Spielt man sie nicht mit, wird das einem auch sofort mitgeteilt.” Forderungen aus Europa und Nordamerika, wegen der Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und Hongkong die Spiele zu boykottieren, scheint China egal zu sein, glaubt Cichowicz. Das Credo, das dort inzwischen vorherrsche: “Dann bleibt halt weg.”
Die Preise für Häuser und Wohnung in China haben im Februar den stärksten Anstieg seit sechs Monaten verzeichnet. Das berichtete das chinesische Statistikamt am Montag in Peking. Demnach haben die Immobilienpreise in den 70 größten Städten Chinas im Vergleich zum Januar um 0,36 Prozent zugelegt. Schon zu Jahresbeginn waren sie um 0,28 Prozent gestiegen.
Vor allem im Vergleich zum Vorjahr wird die Teuerung deutlich: Laut der Nachrichtenagentur Reuters handelt es sich bei den aktuellen Februarzahlen um einen Zuwachs von 4,3 Prozent im Vergleich zu Februar 2020. Daten der China Real Estate Information Corporation zufolge wurden im Februar drei Mal mehr Käufe getätigt als noch vor einem Jahr, als die Corona-Pandemie die Wirtschaft fest im Griff hatte. Doch inzwischen läuft Chinas Produktion wieder auf Hochtouren. Für Yan Yuejin vom Immobilienanalysten “E-House China Research and Development Institution” ist die gesamtwirtschaftliche Erholung Chinas denn auch der Hauptgrund für den rapiden Preisanstieg. Experten erwarten für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von rund 8 Prozent.
Der starke Anstieg der Wohnungspreise setzt Chinas Machthaber allerdings unter Druck. “Viele Menschen haben Häuser gekauft, nicht um darin zu wohnen, sondern um zu investieren oder zu spekulieren, was sehr gefährlich ist”, sagte Guo Shuqing (Leiter der Aufsichtsbehörde für Banken und Versicherungen) Anfang des Monats. Unter der politischen Marschroute “Wohnungen sind keine Spekulationsobjekte” versucht man in Peking, den überhitzen Immobilienmarkt in den Griff zu bekommen. “Wir werden die Preise für Land und Wohnungen wie auch die Erwartungen der Märkte stabil halten”, hatte Chinas Ministerpräsident Li Keqiang erst vergangene Woche auf dem Nationalen Volkskongress versprochen. Hierfür hatte man einige neue Vorgaben erlassen: So wurden den staatlichen Banken beispielsweise neue Regeln für Immobilienkredite auferlegt. Auch soll der Verkauf von Bauland reformiert werden. Bei den meisten neuen Regeln handele es sich allerdings eher um “Verfeinerungen”, denn um einschneidende Reformen, welche die Nachfrage beruhigen könnten, urteil James Macdonald vom Immobilienanalysten Savills in Shanghai gegenüber der South China Morning Post. rad
Megvii, einer der führenden chinesischen Hersteller für Gesichtserkennungssoftware, will in Shanghai an die Börse gehen. Wie die Shanghai Stock Exchange bekannt gab, will Megvii durch eine Börsennotierung an der Technologiebörse STAR-Board mehr als sechs Milliarden Yuan (umgerechnet 924 Millionen US-Dollar) an frischem Kapital einsammeln. Damit solle der Bau eines neuen Forschungszentrums in Peking finanziert werden. Megvii selbst verkündete, es plane, das eingenommene Geld auch in die Forschung und Entwicklung von Produkten der Künstlichen Intelligenz (KI) sowie in den Bereichen Internet der Dinge, Logistikrobotik und Sensoren zu investieren.
Megvii gehört zu einer Gruppe chinesischer Startups wie Yitu Internet Technology Co. Ltd., SenseTime Group Ltd. und Guangzhou CloudWalk Information Technology Co. Ltd., die alle im Bereich Künstliche Intelligenz tätig sind und von der chinesischen Regierung unterstützt werden, um Technologien für Gesichtserkennung zu entwickeln.
“Das Quartett genießt eine günstige regulatorische Politik und die Aussicht, inländische Investoren willkommen zu heißen, um seine hoch priorisierten Technologien zu finanzieren”, so das Wirtschaftsmagazin Caixin.
Ursprünglich hatte Megvii ein IPO an der Technologiebörse Nasdaq in den USA geplant, doch wegen des sich verschärfenden Tons im Handelskonflikt beider Länder, verwarf das Start-up aus Peking seine Amerika-Pläne wieder.
Zudem plagen Geldsorgen das Technologie-Unternehmen. So hat Megvii in den vergangenen Jahren erhebliche Forschungskosten für seine Verluste verantwortlich gemacht. Die Forschungs- und Entwicklungskosten machten demnach fast 71 Prozent und 83 Prozent des Gesamtjahresumsatzes aus, der in den Jahren 2018 und 2019 erzielt wurde.
Das STAR-Board wurde im Juni 2019 von der Shanghai Stock Exchange gegründet, um Technologie-Start-ups die Möglichkeit zu geben an Kapital zu kommen, aber auch, um Technologiefirmen und Anleger an den heimischen Markt zu binden. niw
Die KP Chinas soll die Alibaba Group aufgefordert haben, ihre Beteiligungen im Medienbereich zu verkaufen. Das Wall Street Journal (WSJ) berichtete am Montag, dass Peking besorgt sei über den Einfluss von Alibaba auf die Meinung im Land. Auch wären die Regierungsbeamten schockiert darüber gewesen, wie weitreichend die Medienbeteiligungen von Alibaba bereits sind. Das E-Commerce-Unternehmen, dessen Hauptgeschäft der Online-Einzelhandel ist, ist an der Twitter-ähnlichen Weibo-Plattform und mehreren Nachrichtenagenturen beteiligt, darunter etwa die in Hongkong erscheinende Tageszeitung South China Morning Post. Ein solcher Einfluss wird als ernsthafte Herausforderung für die Kommunistische Partei Chinas und ihren eigenen mächtigen Propagandaapparat angesehen, so die Quellen des »WSJ«. Alibaba sei daher aufgefordert worden, seine Medienbeteiligungen deutlich zu reduzieren.
Auch Alibabas Handelsgeschäft droht dem »WSJ« zufolge eine Strafe. So wollen Chinas Kartellbehörden gegen den Konzern eine Rekordstrafe von mehr als 975 Millionen US-Dollar verhängen. Sie werfen Alibaba vor, wettbewerbswidrig auf seinen Handelsplattformen gegen andere Anbieter vorzugehen.
Alibaba-Gründer Jack Ma war zuletzt bei Chinas Führung in Ungnade gefallen, nachdem er sich im Oktober vergangenen Jahres abfällig über die Finanzaufsicht geäußert hatte. Danach war Ma zunächst für 87 Tage aus der Öffentlichkeit verschwunden – und trat erst wieder in Erscheinung, um die chinesische Regierung für den Erfolg zur Bekämpfung der Armut zu loben. niw
In Stefan Kahls Brust schlagen zwei Herzen: eins für die Chemie, eins für China. Beide Leidenschaften zusammenzubringen ist nicht einfach. Umso mehr schätzt er die Nische, die er bei Tribotecc gefunden hat. Das österreichische Unternehmen vertreibt weltweit Metallsulfide, die unter anderem für Bremsbeläge und -scheiben genutzt werden. 2016 fing er dort als Business Manager an. Seither ist er verantwortlich für die Geschäftsbeziehungen zu China, Korea und Japan. “In China muss man sich den Markt sehr genau anschauen, um flexibel auf Entwicklungen reagieren zu können.” Mit chinesischen Eigenheiten kennt Kahl sich aus. Seit 20 Jahren beschäftigt er sich mit dem Land, zwölf Jahre hat er insgesamt in den verschiedensten Ecken des Landes gelebt.
Angefangen hat alles mit seinem Zivildienst als Sprachlehrer in Qiqihar, eine Stadt in der nördlichsten Provinz Chinas. Zeitdruck und Mangel an Alternativen brachten ihn nach seinem Studium der Technischen Chemie in Wien das erste Mal nach China. Das war im Jahr 2000. “Wir sind damals wie auf dem Mars gelandet. Wir haben uns gewundert, worauf wir uns eingelassen haben.” Ein Chinesisch-Kurs habe ihm und seinen drei österreichischen Kolleg:innen quasi das Leben gerettet. Und in Kahl die Begeisterung für China geweckt.
“Die Autokratie ist sicher kein Grund, China zu lieben“, sagt der 45-jährige, “es gibt andere Bereiche, die China attraktiv machen. Es ist ein exotisches Land, in dem die Uhren oft anders ticken als bei uns.” In puncto Arbeitszeiten gern mal etwas länger. Für seinen Doktor in Pharmakognosie forschte er von 2002 bis 2005 in Kunming an der chinesischen Akademie der Wissenschaft zu Pflanzen der chinesischen Medizin und ihrer Wirksamkeit gegen Tumore. Nicht selten tüftelten er und seine chinesischen Kolleg:innen bis 24 Uhr im Labor. “Die Arbeitsethik am Institut ist ein Wahnsinn.”
Auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes sei beeindruckend. Fünf Jahre hat Kahl als Vizekonsul des AußenwirtschaftsCenter der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) in Shanghai österreichischen Firmen Kontakte zur chinesischen Technologie- und Wissenschaftsszene verschafft. Europa und China seien extrem voneinander abhängig. “Der europäische Wohlstand wird teilweise in China generiert. China ist auf europäische Technologien angewiesen.” Doch die Zusammenarbeit sei oft ein Spannungsfeld: “Ziel Chinas ist es, sich das Know-how zu eigen zu machen.” Wichtig sei es daher, die eigenen Ideen zu schützen.
Das China-Thema begleitet Kahl auch privat. Seine 9-jährige Tochter lernt samstags an einer der chinesischen Schulen Wiens die Sprache. Mit zwei Kollegen gründete er den Kulturverein GuanXI. “Am 08.08.2018, weil acht eine glücksverheißende Zahl in China ist.” Ein familiäres Auffangbecken für all diejenigen, die sich über ihre Erfahrungen und Eindrücke aus China mit Gleichgesinnten austauschen wollen. Ohne Pandemie kommen die etwa 50 Mitglieder zu den verschiedensten Veranstaltungen zusammen. Mit gemeinsamen Essen, Ausflügen, Kunst und Kultur wollen sie einen Beitrag zur Völkerverständigung Chinas und Österreichs leisten. Lisa Winter
Der schlimmste Sandsturm seit einem Jahrzehnt hat in Peking dazu geführt, dass die Feinstaubwerte für Partikel mit einem Durchmesser von zehn Mikrometer, also zehn Millionstel Meter, zeitweise bei über 1800-2000 Mikrogramm pro Kubikmeter in der Luft lagen. Die WHO sieht PM10-Werte von 25 Mikrogramm als gesundheitsschädigend an. Umweltaktivisten von Greenpeace China sehen in dem Sandsturm eine “ökologische Krise”.
für viele, die in China leben, ist es morgens das Allererste: Nicht der frisch gebrühte Kaffee oder Grüntee, sondern der Blick auf die Luftwerte. Sie zeigen, wie viel Mikrogramm Feinstaubpartikel sich aktuell in einem Kubikmeter Luft befinden – und sie bestimmen den Tag: Gilt für mein Auto ein Fahrverbot? Kann das Kind wirklich raus auf den Spielplatz? Oder sollte ich besser sofort den Luftfilter hochschalten? Bei Werten von 200-250 schränkte unser Kindergarten in Peking die Aktivitäten auf dem Spielplatz ein.
Am gestrigen Montag musste in Peking niemand seine Luft-App öffnen, ein Blick aus dem Fenster genügte, um zu sehen – oder eben nicht zu sehen – wie schlecht die Luftwerte waren. 1960 µg/m³ hieß es in der Schweizer IQAir-App. Grund war ein Sandsturm, der über Peking hinwegfegte. So sieht eine ökologische Krise aus, twitterte Li Shuo von Greenpeace China. Aber überzeugen Sie sich selbst: in unserem heutigen Dessert. Und zur gesundheitlichen Einordnung: Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sind Werte über 25 µg/m³ gesundheitsschädlich.
Dabei China setzt durchaus auf Umweltschutz. Gregor Koppenburg und Jörn Petring analysieren, wie stark Peking zukünftig in Wasserkraft investieren und deshalb den größten Staudamm der Welt bauen will. Er soll den berühmten Drei-Schluchten-Staudamm um das Dreifache übertreffen! Doch vor allem in Indien stößt das Projekt auf scharfe Kritik.
Deutliche Kritik übt auch Felix Lee an den Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten in China. Verfolgen, ausspionieren und einschüchtern – all das ist alltäglich geworden. Die Lage sei so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr, urteilt Lee. Bei der Führung in Peking erkennt er eine klare Verhaltensänderung.
Eine Verhaltensänderung der Nato fordert unterdessen Thomas de Maizière. Das strategische Konzept sei überholt. China werde darin mit keinem Wort erwähnt, kritisiert der ehemalige Verteidigungsminister. Dabei lägen Bedrohungen auf der Hand: Terrorismus, Cyberattacken und Chinas Anspruch auf Führung in der Welt.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Der ehemalige Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière drängt auf eine schnelle Reaktion der Nato angesichts eines erstarkenden Chinas. “Eine Bestandsaufnahme der Bereiche, in denen China bereits Fakten geschaffen hat, die die Nato sicherheitspolitisch tangieren, ist überfällig”, sagte de Maizière im Gespräch mit China.Table. Der CDU-Politiker kritisiert mangelnden Überblick: Derzeit gebe es keinen strategischen Austausch zwischen den Nato-Mitgliedern darüber, welche sicherheitspolitisch wichtige Infrastruktur oder Unternehmen China in einzelnen Staaten gekauft habe. Auch Wertschöpfungsketten und weitere mögliche Abhängigkeiten müssten genau betrachtet und unter den Nato-Mitgliedern ausgetauscht und debattiert werden, so der ehemalige Minister.
De Maizière sitzt gemeinsam mit US-Diplomat Wess Mitchell der Nato-Reflexionsgruppe 2030 vor, die das Verteidigungsbündnis für die kommenden zehn Jahre fit machen soll. Die Nato will damit die Einheit und politische Rolle des Bündnisses und die Koordination zwischen den Alliierten stärken. Die Reflexionsgruppe hat Ende vergangenen Jahres einen Bericht mit Strategie-Empfehlungen vorgelegt.
De Maizière betont, dass bei konkreten Schritten bezüglich China keine Zeit verloren gehen dürfe: “Das ist sehr eilig, es muss sofort losgehen. China schafft Fakten. China sagt: ‘Ich will eine globale Führungsrolle in der Welt.’ Früher wurde das etwas verschämt geäußert, jetzt wird das offen gesagt. Und zwar nicht in Bezug auf den Indopazifik, sondern auf die Welt.” Die Nato haben in den vergangenen zehn Jahren eine “Diskussionsvermeidungspolitik gehabt, wenn es ein Problem mit China gab”, um Spannungen zu vermeiden, kritisiert de Maizière. “Das ist falsch. Die Nato muss lernen, wieder streitig zu diskutieren.”
Bestimmte Empfehlungen wie ein China-Gremium (consultativ special body) könnten sofort eingesetzt werden – “dafür braucht man kein Strategiekonzept” , so de Maizière. Er empfiehlt zudem verstärkte Zusammenarbeit zwischen der Nato und der Europäischen Union. Auch bei dem Versuch, Rüstungskontrollgespräche mit China zu beginnen, dürfe nicht locker gelassen werden.
Mit Sorge blickt de Maizière auf die aktuellen Entwicklungen in Hongkong und Taiwan: “Peking ist auf starkem Konfrontationskurs.” Das Vorgehen in Hongkong komme einer schrittweisen Annexion gleich. Auch die Sprache gegenüber Taiwan werde härter – China kaufe zudem Gerätschaften, die eine mögliche Invasion der Insel andeuteten. “Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass Peking sich darauf vorbereitet, was aber nicht heißt, dass sie es tun.” Aber auch die Vorbereitung könne als politisches Instrument gesehen werden, so der CDU-Politiker. Er warnt: “In Asien geht eine offene Demokratie-Gefährdung von China aus, und zwar mit offenem Visier.”
Die Entsendung einer Fregatte der Bundeswehr in den Indo-Pazifik befürwortet der ehemalige Verteidigungsminister – die Kommunikation des Bundesverteidigungsministeriums sieht er jedoch kritisch. “Wir treten für offene Seewege ein”, so de Maizière. “Ich würde etwas zurückhaltender kommunizieren.” Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte vergangene Woche auf Twitter nahegelegt, dass Einsätze der Bundeswehr in der Region vor allem mit der Eindämmung Chinas zu tun haben. Amelie Richter
Che Dalha will so schnell wie möglich mit dem Bau des größten Staudamms der Welt beginnen. “Noch in diesem Jahr” müssten die Arbeiten am Mega-Projekt beginnen, forderte der Vizechef der Kommunistischen Partei in Tibet bei der Jahrestagung des Volkskongresses in Peking. Der Damm ist Teil des 14. Fünfjahresplans, der vergangene Woche von Chinas Führung beschlossen wurde.
Erste Entwürfe wurden im vergangenen November vorgestellt. Damals berichteten chinesische Medien, dass die neue Talsperre bis zu 60 Gigawatt Strom erzeugen könnte. Sie wäre damit fast dreimal leistungsfähiger als der berühmte Drei-Schluchten-Staudamm (22,5 Gigawatt). Zum Vergleich: Die größten Atomkraftwerke der Welt kommen derzeit auf eine Leistung von 7 bis 8 Gigawatt.
Dass China den Bau neuer Talsperren zur Stromerzeugung vorantreibt, ist verständlich. Der Energiehunger der Volksrepublik nimmt immer weiter zu; gleichzeitig hat die Führung der KP Chinas in Peking versprochen, das Land werde bis 2060 klimaneutral. Wasserkraft macht heute bereits rund 20 Prozent am chinesischen Strommix aus – und ist damit die zweitwichtigste Energiequelle direkt hinter Kohle.
Allein am Yarlung-Fluss, der im Hochland von Tibet entspringt, sind im vergangenen Jahrzehnt ein gutes Dutzend neuer Wasserkraftwerke genehmigt oder gebaut worden.
Die Wasser-Energie mag Millionen Chinesen helfen, ein produktives Leben zu führen. Weniger begeistert von Chinas massivem Ausbau der Hydro-Energie sind dagegen seine Nachbarn.
Besonders in Indien macht man sich Sorgen angesichts der Baupläne des neuen Mega-Damms am unteren Flusslauf des Yarlung. Denn der Yarlung fließt über die chinesische Grenze hinweg nach Indien, wo er Brahmaputra heißt und dort eine der wichtigsten Wasserquellen des Landes ist. In Indien fürchtet man jedoch nicht nur drohenden Wassermangel, sondern auch blitzartige Fluten – je nachdem, welche Einstellungen Peking am Staudamm auswählen wird.
Ähnliche Vorwürfe muss sich China bereits seit Jahren von anderen Nachbarstaaten anhören. Denn auch der Mekong, der durch Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam fließt, entspringt in Tibet, wo China den Fluss mit etlichen Wasserkraftwerken angezapft hat. Nicht nur der Wasserstand werde beeinflusst, auch das empfindliche Öko-System des Mekongs drohe wegen der Dämme zu kippen, beklagen Umweltorganisationen. Grund dafür sei, dass immer weniger nährstoffreiche Sedimente in die untere Mekong-Region gelangen würden.
In Indien ist das Misstrauen gegenüber der neuen Talsperre besonders groß, da die Beziehungen der beiden Milliardenvölker derzeit ohnehin sehr angespannt sind: Bei einer blutigen Auseinandersetzung im Grenzgebiet Ladakh sind im vergangenen Sommer mindestens 20 indische und vier chinesische Soldaten ums Leben gekommen.
In Indien wird befürchtet, die Volksrepublik könnte seine Talsperren auch für militärische Zwecke nutzen. Es bestehe die Gefahr, dass China “die Durchflussrate in Krisenzeiten erheblich ändert”, warnte im Januar die indische Zeitung The Hindu. Das Blatt erinnerte daran, dass Indien und China eigentlich ein Abkommen geschlossen haben, wonach während der Monsunzeit zwischen Mai und Oktober hydrologische Daten des Flusses ausgetauscht werden sollten. Doch schon vor drei Jahren, als es mal wieder Streit in der Grenzregion gab, habe China über Monate hinweg keine Daten geliefert.
Im indischen Wasserministerium kursiert nun folgende Idee: Nach der Logik, Wasser am besten mit Wasser zu bekämpfen, wird über den Bau eines eigenen “großen Staudammes” am Brahmaputra nachgedacht. Ziel sei es, so “die negativen Auswirkungen der chinesischen Staudammprojekte zu mildern”. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
Immer wieder hat Chinas Führung ausländische Journalisten beschatten lassen. Zudem versuchen die Behörden, indirekt Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen, wenn etwa Mitarbeiter des chinesischen Außenministeriums bei der jährlichen Visa-Verlängerung die ausländischen Korrespondenten zu “Tee-Gesprächen” einluden und sie höflich aber bestimmt darauf hinwiesen, doch stärker über die positiven Entwicklungen im Land zu berichten, “damit man voneinander lernen” könne.
Grundsätzlich aber fühlte sich China lange Zeit der eigenen Zusage verpflichtet, Korrespondenten ausländischer Medien frei über das Land berichten zu lassen. 2008, im Zuge der Olympischen Sommerspiele in Peking, hatte die KP Chinas sogar explizit ein Gesetz verabschiedet, das es Journalisten seitdem erlaubt, auch ohne Sondergenehmigungen frei im Land recherchieren zu dürfen. Offenbar dachte man: Besser kritische Berichterstattung als gar keine. Denn nur so werde der Rest der Welt mehr über China erfahren. Von der Abschottung wie unter Mao Tsetung hatte man schon in den frühen 1980er-Jahre Abstand genommen. China wollte sich öffnen.
Doch in den vergangenen zwei Jahren hat sich die Arbeitssituation für ausländische Journalisten in China zunehmend verschlechtert. Bei Recherchereisen wurden sie von Polizisten durchsucht, Datenträger gelöscht. Es kam auch vor, dass die Beamten Laptops, Tablets und Kameras beschlagnahmten oder sie zerstörten. In der jüngsten Befragung des Clubs der Auslandskorrespondenten in China (FCCC) haben 150 der 220 befragten Korrespondenten angegeben, dass die chinesischen Behörden ihre Bemühungen, die Arbeit ausländischer Reporter zu vereiteln, “dramatisch verstärkt” haben. Alle zur Verfügung stehenden Mittel seien genutzt worden, um Journalisten einzuschüchtern und zu belästigen, heißt es in dem Bericht.
Journalisten aus Staaten mit angespannten Beziehungen zu China haben den Druck der Behörden besonders stark zu spüren bekommen. Mindestens 18 Journalisten von drei US-Medien mussten im vergangenen Jahr das Land verlassen – so viele wie seit mehr als drei Jahrzehnten nicht. Zwei australische Korrespondenten reisten aus, nachdem sie erfahren hatten, dass die Staatssicherheit hinter ihnen her war. Australien hat damit überhaupt keinen Korrespondenten in China mehr. Washington, Canberra aber auch London haben im vergangenen Jahr im Zuge von Handelskonflikten aber auch wegen ihrer Kritik an der Menschenrechtslage in Xinjiang und Hongkong heftige Auseinandersetzungen mit der Führung in Peking gehabt.
Doch auch die meisten Journalisten anderer Länder und ihre örtlichen Helfer sind Schikanen ausgesetzt. “Während Chinas Propagandamaschine bemüht war, die Kontrolle über die Berichterstattung über die Gesundheitskatastrophe wiederzuerlangen, wurden ausländische Nachrichtenorganisationen wiederholt daran gehindert, über die Pandemie zu berichten”, heißt es im Jahresbericht des FCCC. Corona-Kontrollpunkte hätten der Regierung zusätzliche Möglichkeiten gegeben, an Daten von ausländischen Journalisten und ihren Quellen zu gelangen. Und auch für viele chinesische Mitarbeiter ist die Situation belastend. Assistenten der Korrespondenten werden zu Hause besucht. Wenn man ins Büro kommt und den Rechner hochgefahren hat, fällt auf, dass persönliche Mails gelesen wurden.
Was noch schwerer wiegt: Die chinesische Führung nutzt die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus, um ausländische Journalisten, die einmal das Land verlassen, nicht mehr hinein zu lassen. Wenn ein Korrespondent etwa für einen Familienbesuch mal in sein Heimatland will, hängt es vom guten Willen der zuständigen Beamten ab, ob sie danach wieder einreisen dürfen. Neue Korrespondenten erhalten gar kein Visum mehr. Aus Deutschland sind es die ARD und die Tageszeitung “Die Welt”, die seit einem Jahr auf eine Einreisegenehmigung für ihre Korrespondenten warten.
Das Außenministerium in Peking weist die Vorwürfe jedoch zurück. Der Bericht sei “anmaßend, alarmistisch und hat keine faktische Grundlage”. China habe Journalisten und Medien aller Länder stets begrüßt, “in Übereinstimmung mit Gesetzen und Vorschriften” Interviews zu führen und zu berichten, sagte ein Ministeriumssprecher. “Was wir ablehnen, ist ideologische Voreingenommenheit gegen China und ‘Fake News’ im Namen der Pressefreiheit”. Zugleich verwies der chinesische Außenministeriumssprecher darauf, dass der Presse-Club FCCC in China gar nicht offiziell anerkannt sei.
Das chinesische Außenministerium verschärfte zuletzt gar seine Tonart – und zwar gegen die britische Botschafterin in Peking Caroline Wilson. Sie hatte über die soziale Plattform WeChat versucht zu erklären, warum Kritik westlicher Medien an der chinesischen Regierung nicht bedeutete, dass die verantwortlichen Journalisten China nicht mochten, sondern in “gutem Glauben” handelten und eine aktive Rolle bei der Überwachung von Regierungsmaßnahmen spielten. Der gesamte Artikel sei “voller Arroganz und ideologischer Vorurteile” und widerspreche “ernsthaft dem Status von Diplomaten”, heißt es in einer Erklärung des chinesischen Außenministeriums.
Auch deutsche Medienhäuser sehen die Hemmnisse für faire Recherche mit großer Sorge. “Insgesamt ist die Berichterstattung für alle erheblich schwieriger geworden”, sagt Andreas Cichowicz, Chefredakteur von NDR Fernsehen. Der 59-Jährige nimmt seit vielen Jahren am deutsch-chinesischen Mediendialog teil, an dem Chefredakteure deutscher und chinesischer Medien regelmäßig zusammenkommen und sich über aktuelle Konflikte austauschen. “In den chinesischen Medienhäusern marschieren wieder die Komitees durch die Redaktionen und trimmen sie aufs kommunistische Manifest”, sagt Cichowicz.
Bei den Sitzungen des Mediendialogs habe es dennoch eine große Offenheit gegeben, sagt der NDR-Chefredakteur, der mit dem chinesischen Staatssender CGTN schon gemeinsame Diskussionsendungen produziert hat und dafür in Deutschland auch Kritik einstecken musste.
Gehe es um Themen wie die Demokratiebewegung in Hongkong oder die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang, gebe es sicher keine Einigung, sagt Chichwocz. Immerhin würden die unterschiedlichen Einschätzungen aber offen ausgetragen. Und auch beim letzten Gespräch im Spätsommer, das virtuell stattfand, sei es weniger restriktiv gewesen als er erwartet hatte. “Das gegenseitige Vertrauen, das wir aufgebaut hatten, trug also noch.“
Zugleich sei ihm jedoch aufgefallen, wie stark die chinesischen Gesprächspartner “auf die nationalistische Linie getrimmt” würden. Unter der derzeitigen chinesischen Corona-Bedingungen mache es ihm persönlich natürlich keinen Spaß, irgendeinen persönlichen Austausch zu haben. Dennoch hält er ihn für wichtiger denn je. “Ich würde es für falsch halten, gerade in so einer Situation von unserer Seite aus die Schotten dicht zu machen.“
Man sei “sehr enttäuscht darüber”, dass sich die Medienfreiheiten in China 2020 erheblich verschlechtert habe, teilte der FCCC mit. Auch mit Blick auf die bevorstehenden Olympischen Winterspiele, die kommendes Jahr in Peking stattfinden, fordert der Verband die chinesische Regierung auf, ausländische Journalisten ohne Einschränkungen ihre Arbeit machen zu lassen.
Doch die Olympischen Winterspiele scheinen unter anderen Vorzeichen zu stehen als 2008 die Olympischen Sommerspiele: Damals war die Volksrepublik um ein positives Außenbild bemüht, die Führung wollte sich weltoffen zeigen und ihre wirtschaftlichen Errungenschaften zur Schau stellen.
Zwar heißt es offiziell auch weiterhin: China ist ein freundliches Land und hat gern gute Beziehungen. “Aber es sind gute Beziehungen nach chinesischen Regeln”, beobachtet Cichowicz. “Spielt man sie nicht mit, wird das einem auch sofort mitgeteilt.” Forderungen aus Europa und Nordamerika, wegen der Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und Hongkong die Spiele zu boykottieren, scheint China egal zu sein, glaubt Cichowicz. Das Credo, das dort inzwischen vorherrsche: “Dann bleibt halt weg.”
Die Preise für Häuser und Wohnung in China haben im Februar den stärksten Anstieg seit sechs Monaten verzeichnet. Das berichtete das chinesische Statistikamt am Montag in Peking. Demnach haben die Immobilienpreise in den 70 größten Städten Chinas im Vergleich zum Januar um 0,36 Prozent zugelegt. Schon zu Jahresbeginn waren sie um 0,28 Prozent gestiegen.
Vor allem im Vergleich zum Vorjahr wird die Teuerung deutlich: Laut der Nachrichtenagentur Reuters handelt es sich bei den aktuellen Februarzahlen um einen Zuwachs von 4,3 Prozent im Vergleich zu Februar 2020. Daten der China Real Estate Information Corporation zufolge wurden im Februar drei Mal mehr Käufe getätigt als noch vor einem Jahr, als die Corona-Pandemie die Wirtschaft fest im Griff hatte. Doch inzwischen läuft Chinas Produktion wieder auf Hochtouren. Für Yan Yuejin vom Immobilienanalysten “E-House China Research and Development Institution” ist die gesamtwirtschaftliche Erholung Chinas denn auch der Hauptgrund für den rapiden Preisanstieg. Experten erwarten für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von rund 8 Prozent.
Der starke Anstieg der Wohnungspreise setzt Chinas Machthaber allerdings unter Druck. “Viele Menschen haben Häuser gekauft, nicht um darin zu wohnen, sondern um zu investieren oder zu spekulieren, was sehr gefährlich ist”, sagte Guo Shuqing (Leiter der Aufsichtsbehörde für Banken und Versicherungen) Anfang des Monats. Unter der politischen Marschroute “Wohnungen sind keine Spekulationsobjekte” versucht man in Peking, den überhitzen Immobilienmarkt in den Griff zu bekommen. “Wir werden die Preise für Land und Wohnungen wie auch die Erwartungen der Märkte stabil halten”, hatte Chinas Ministerpräsident Li Keqiang erst vergangene Woche auf dem Nationalen Volkskongress versprochen. Hierfür hatte man einige neue Vorgaben erlassen: So wurden den staatlichen Banken beispielsweise neue Regeln für Immobilienkredite auferlegt. Auch soll der Verkauf von Bauland reformiert werden. Bei den meisten neuen Regeln handele es sich allerdings eher um “Verfeinerungen”, denn um einschneidende Reformen, welche die Nachfrage beruhigen könnten, urteil James Macdonald vom Immobilienanalysten Savills in Shanghai gegenüber der South China Morning Post. rad
Megvii, einer der führenden chinesischen Hersteller für Gesichtserkennungssoftware, will in Shanghai an die Börse gehen. Wie die Shanghai Stock Exchange bekannt gab, will Megvii durch eine Börsennotierung an der Technologiebörse STAR-Board mehr als sechs Milliarden Yuan (umgerechnet 924 Millionen US-Dollar) an frischem Kapital einsammeln. Damit solle der Bau eines neuen Forschungszentrums in Peking finanziert werden. Megvii selbst verkündete, es plane, das eingenommene Geld auch in die Forschung und Entwicklung von Produkten der Künstlichen Intelligenz (KI) sowie in den Bereichen Internet der Dinge, Logistikrobotik und Sensoren zu investieren.
Megvii gehört zu einer Gruppe chinesischer Startups wie Yitu Internet Technology Co. Ltd., SenseTime Group Ltd. und Guangzhou CloudWalk Information Technology Co. Ltd., die alle im Bereich Künstliche Intelligenz tätig sind und von der chinesischen Regierung unterstützt werden, um Technologien für Gesichtserkennung zu entwickeln.
“Das Quartett genießt eine günstige regulatorische Politik und die Aussicht, inländische Investoren willkommen zu heißen, um seine hoch priorisierten Technologien zu finanzieren”, so das Wirtschaftsmagazin Caixin.
Ursprünglich hatte Megvii ein IPO an der Technologiebörse Nasdaq in den USA geplant, doch wegen des sich verschärfenden Tons im Handelskonflikt beider Länder, verwarf das Start-up aus Peking seine Amerika-Pläne wieder.
Zudem plagen Geldsorgen das Technologie-Unternehmen. So hat Megvii in den vergangenen Jahren erhebliche Forschungskosten für seine Verluste verantwortlich gemacht. Die Forschungs- und Entwicklungskosten machten demnach fast 71 Prozent und 83 Prozent des Gesamtjahresumsatzes aus, der in den Jahren 2018 und 2019 erzielt wurde.
Das STAR-Board wurde im Juni 2019 von der Shanghai Stock Exchange gegründet, um Technologie-Start-ups die Möglichkeit zu geben an Kapital zu kommen, aber auch, um Technologiefirmen und Anleger an den heimischen Markt zu binden. niw
Die KP Chinas soll die Alibaba Group aufgefordert haben, ihre Beteiligungen im Medienbereich zu verkaufen. Das Wall Street Journal (WSJ) berichtete am Montag, dass Peking besorgt sei über den Einfluss von Alibaba auf die Meinung im Land. Auch wären die Regierungsbeamten schockiert darüber gewesen, wie weitreichend die Medienbeteiligungen von Alibaba bereits sind. Das E-Commerce-Unternehmen, dessen Hauptgeschäft der Online-Einzelhandel ist, ist an der Twitter-ähnlichen Weibo-Plattform und mehreren Nachrichtenagenturen beteiligt, darunter etwa die in Hongkong erscheinende Tageszeitung South China Morning Post. Ein solcher Einfluss wird als ernsthafte Herausforderung für die Kommunistische Partei Chinas und ihren eigenen mächtigen Propagandaapparat angesehen, so die Quellen des »WSJ«. Alibaba sei daher aufgefordert worden, seine Medienbeteiligungen deutlich zu reduzieren.
Auch Alibabas Handelsgeschäft droht dem »WSJ« zufolge eine Strafe. So wollen Chinas Kartellbehörden gegen den Konzern eine Rekordstrafe von mehr als 975 Millionen US-Dollar verhängen. Sie werfen Alibaba vor, wettbewerbswidrig auf seinen Handelsplattformen gegen andere Anbieter vorzugehen.
Alibaba-Gründer Jack Ma war zuletzt bei Chinas Führung in Ungnade gefallen, nachdem er sich im Oktober vergangenen Jahres abfällig über die Finanzaufsicht geäußert hatte. Danach war Ma zunächst für 87 Tage aus der Öffentlichkeit verschwunden – und trat erst wieder in Erscheinung, um die chinesische Regierung für den Erfolg zur Bekämpfung der Armut zu loben. niw
In Stefan Kahls Brust schlagen zwei Herzen: eins für die Chemie, eins für China. Beide Leidenschaften zusammenzubringen ist nicht einfach. Umso mehr schätzt er die Nische, die er bei Tribotecc gefunden hat. Das österreichische Unternehmen vertreibt weltweit Metallsulfide, die unter anderem für Bremsbeläge und -scheiben genutzt werden. 2016 fing er dort als Business Manager an. Seither ist er verantwortlich für die Geschäftsbeziehungen zu China, Korea und Japan. “In China muss man sich den Markt sehr genau anschauen, um flexibel auf Entwicklungen reagieren zu können.” Mit chinesischen Eigenheiten kennt Kahl sich aus. Seit 20 Jahren beschäftigt er sich mit dem Land, zwölf Jahre hat er insgesamt in den verschiedensten Ecken des Landes gelebt.
Angefangen hat alles mit seinem Zivildienst als Sprachlehrer in Qiqihar, eine Stadt in der nördlichsten Provinz Chinas. Zeitdruck und Mangel an Alternativen brachten ihn nach seinem Studium der Technischen Chemie in Wien das erste Mal nach China. Das war im Jahr 2000. “Wir sind damals wie auf dem Mars gelandet. Wir haben uns gewundert, worauf wir uns eingelassen haben.” Ein Chinesisch-Kurs habe ihm und seinen drei österreichischen Kolleg:innen quasi das Leben gerettet. Und in Kahl die Begeisterung für China geweckt.
“Die Autokratie ist sicher kein Grund, China zu lieben“, sagt der 45-jährige, “es gibt andere Bereiche, die China attraktiv machen. Es ist ein exotisches Land, in dem die Uhren oft anders ticken als bei uns.” In puncto Arbeitszeiten gern mal etwas länger. Für seinen Doktor in Pharmakognosie forschte er von 2002 bis 2005 in Kunming an der chinesischen Akademie der Wissenschaft zu Pflanzen der chinesischen Medizin und ihrer Wirksamkeit gegen Tumore. Nicht selten tüftelten er und seine chinesischen Kolleg:innen bis 24 Uhr im Labor. “Die Arbeitsethik am Institut ist ein Wahnsinn.”
Auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes sei beeindruckend. Fünf Jahre hat Kahl als Vizekonsul des AußenwirtschaftsCenter der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) in Shanghai österreichischen Firmen Kontakte zur chinesischen Technologie- und Wissenschaftsszene verschafft. Europa und China seien extrem voneinander abhängig. “Der europäische Wohlstand wird teilweise in China generiert. China ist auf europäische Technologien angewiesen.” Doch die Zusammenarbeit sei oft ein Spannungsfeld: “Ziel Chinas ist es, sich das Know-how zu eigen zu machen.” Wichtig sei es daher, die eigenen Ideen zu schützen.
Das China-Thema begleitet Kahl auch privat. Seine 9-jährige Tochter lernt samstags an einer der chinesischen Schulen Wiens die Sprache. Mit zwei Kollegen gründete er den Kulturverein GuanXI. “Am 08.08.2018, weil acht eine glücksverheißende Zahl in China ist.” Ein familiäres Auffangbecken für all diejenigen, die sich über ihre Erfahrungen und Eindrücke aus China mit Gleichgesinnten austauschen wollen. Ohne Pandemie kommen die etwa 50 Mitglieder zu den verschiedensten Veranstaltungen zusammen. Mit gemeinsamen Essen, Ausflügen, Kunst und Kultur wollen sie einen Beitrag zur Völkerverständigung Chinas und Österreichs leisten. Lisa Winter
Der schlimmste Sandsturm seit einem Jahrzehnt hat in Peking dazu geführt, dass die Feinstaubwerte für Partikel mit einem Durchmesser von zehn Mikrometer, also zehn Millionstel Meter, zeitweise bei über 1800-2000 Mikrogramm pro Kubikmeter in der Luft lagen. Die WHO sieht PM10-Werte von 25 Mikrogramm als gesundheitsschädigend an. Umweltaktivisten von Greenpeace China sehen in dem Sandsturm eine “ökologische Krise”.