Chinas Bemühen, seine Menschenrechtsbilanz zu verbessern, führt weit über seine Landesgrenzen hinaus. Statt vor der eigenen Haustür zu kehren, nimmt die Volksrepublik lieber den Menschenrechtsrat in Genf ins Visier und manipuliert in allen Winkeln. Die Taktik geht seit Jahren blendend auf.
Wo immer im Rahmen des Menschenrechtsrats in Genf Kritik an China geübt wird, sind Diplomaten der Volksrepublik in unmittelbarer Nähe. Sie kapern Podiumsdiskussionen mit minutenlangen Stellungnahmen und notieren plakativ die Namen aller Gegensprecher. Über seinen Einfluss auf andere UN-Gremien verweigert das Land nicht genehmen Teilnehmern die Akkreditierungen zu den Vereinten Nationen. Stattdessen beanspruchen chinesische Organisationen unter dem Deckmantel der Unabhängigkeit zunehmend mehr Redezeit.
China gelingt es zunehmend, die Handlungsfähigkeit der liberal-demokratischen Wertgemeinschaft der Welt zu lähmen. Wenn wir einer solchen Fehlentwicklung nicht mit aller Ernsthaftigkeit entgegenwirken, werden es in einigen Jahren die Menschen- und Bürgerrechte hierzulande sein, die von China missachtet werden. Das klingt wie ein dystopisches Zukunftsszenario, wäre aber nur die logische Fortsetzung von Pekings wachsender Einflussnahme auf die hiesige Gesellschaft.
Dass die chinesische Regierung sehr konsequent ihre Ziele verfolgt, zeigt das Beispiel Hongkong. Die rechtswidrige De-Autonomisierung der Stadt hat nicht vor wenigen Jahren erst begonnen, sondern vor 25. Das Aushöhlen des Rechtsstaates, die schrittweise Einschränkung der Medienfreiheit und die Beschneidung von bürgerlichen Freiheiten kamen schleichend, aber stetig, auch weil von außen zu lange beschwichtigt und zugeschaut wurde. Jetzt ist die Metropole an einem Punkt, dass sich Ausländer lieber selbst zensieren oder gleich die Beine in die Hand nehmen.
Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Zeit, aufzuwachen!
Der Moderator des Panels wurde nach zwei Minuten ungeduldig. Die Mitarbeiterin der chinesischen Vertretung in Genf hatte sich in erster Reihe positioniert und verlas nun eine ellenlange Stellungnahme, statt wie vorgesehen eine simple Frage zu stellen. Die Dame wurde schließlich aufgefordert, sie möge bitte zum Punkt kommen. Doch sie ließ sich nicht beirren, sondern trug stoisch bis zum Ende ihr Manuskript vor.
Höflich, aber sichtlich genervt, ließen die Gastgeber die Frau gewähren. Human Rights Watch und International Service for Human Rights hatten am Rande der 51. Session des Menschenrechtsrats in Genf geladen, um die systematischen Menschenrechtsverbrechen der chinesischen Regierung in Xinjiang zu thematisieren. Die beiden Nichtregierungsorganisationen wollten die weltweit gestiegene Aufmerksamkeit für Folter, Zwangsarbeit und Internierung von Uiguren nutzen, um der Weltgemeinschaft die Dringlichkeit für gesteigerten Handlungsbedarf zu vermitteln.
Doch wann immer im offiziellen Programm der Session oder bei Begleitveranstaltungen Themen zur Sprache kommen, die Peking in schlechtes Licht rücken, sind Vertreter des Regimes verlässlich zur Stelle. “Chinesische Diplomaten tauchen überall auf und besetzen den öffentlichen Raum, um anderen das Wort zu nehmen und ihre eigenen Darstellungen lautstark zu verbreiten”, sagt Zumretay Arkin. Die Kanadierin mit uigurischen Wurzeln ist als Sprecherin und Lobbyistin für den Weltkongress der Uiguren (WUC) nach Genf gereist und saß ebenfalls auf dem Podium.
“Es geht dabei um Einschüchterung”, sagt Kai Müller von der International Campaign for Tibet (ICT). Der Geschäftsführer sprach Anfang der Woche persönlich im Menschenrechtsrat vor und registrierte dabei, wie ein chinesischer Diplomat plakativ seinen Namen und den einer weiteren anwesenden ICT-Mitarbeiterin notierte. Dabei ist Müller wahrlich kein Unbekannter für die Chinesen. Seit 15 Jahren arbeitet er für die ICT und leiht der Organisation Stimme und Gesicht. Seinen Namen kennt man in Genf, vor allem kennen ihn die chinesischen Diplomaten. “Die Absicht war es, dass wir unbedingt sehen sollten, dass man unsere Namen aufschreibt”, glaubt Müller.
Die Botschaft kann man getrost als subtile Drohung verstehen, auch an alle anderen Delegierten im Saal. Die Volksrepublik will Kritiker in Genf aber nicht nur einschüchtern, sondern versucht auch, sie zu isolieren und zu marginalisieren. Dazu nutzt das Land seinen Einfluss auf den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (Ecosog). Das Gremium ist für die Akkreditierung von Nichtregierungsorganisationen für die Teilnahme an Sitzungen des Menschenrechtsrats und anderen UN-Gremien verantwortlich.
Systematisch verhindern die chinesischen Vertreter dort die Erteilung der Zulassungen an nicht genehme Organisationen wie den WUC oder die ITC. Anträge werden über Jahre in die Länge gezogen, indem immer wieder neue, teils absurde Rückfragen aufgeworfen werden, die von den Organisationen bearbeitet werden müssen. Die Interessen von WUC oder ITC finden dennoch den Weg ins Plenum, weil andere Organisationen sie dazu einladen. Beispielsweise sind Uiguren-Vertreterinnen wie Zumretay Arkin über die Gesellschaft für bedrohte Völker aus Göttingen zugelassen. Das ICT kommt über die polnische Helsinki Foundation zu Wort.
Die Zahl der akkreditierten Organisationen für Sitzungen der UN-Gremien steigt dennoch kontinuierlich an. Von 1.400 wuchs ihre Zahl in den vergangenen 25 Jahren auf rund 5.000. Wer genau hinschaut, erkennt jedoch, dass viele dieser vermeintlichen Nichtregierungsorganisationen mitnichten unabhängig sind. Ganz im Gegenteil sind sie sogenannte Gongos (Governmental Organized Non-Governmental Organisations) – also vom Staat finanzierte, unterstützte oder sogar gegründete Organisationen, die im Mantel der Unabhängigkeit auftreten, in Wahrheit aber staatliche Interessen vertreten.
Die Volksrepublik China hat allein für den Menschenrechtsrat in Genf 40 Organisationen akkreditiert, obwohl chinesische Nichtregierungsorganisationen mit globaler Reichweite praktisch nicht mehr existieren. Beispiel: Die Chinesische Vereinigung für die Erhaltung und Entwicklung der tibetischen Kultur. Nach eigenen Angaben ist sie eine unabhängige Organisation, deren Grundsatz es sei, “die Verfassung, die Gesetze, die Vorschriften und die staatliche Politik der Volksrepublik China zu befolgen (…), die Menschenrechte zu schützen und die Einheit, die Harmonie und den gemeinsamen Wohlstand der verschiedenen Nationalitäten in Tibet zu fördern.”
Mit solchen und anderen Gongos ringen alle anderen Nichtregierungsorganisationen um die spärlich zur Verfügung stehende Redezeit während der Sitzungen. Wer sprechen will, muss sich wochenlang vor den Sitzungen bewerben und darauf hoffen, einen per Zufallsverfahren verteilten Slot zu ergattern. Je mehr chinesische Gongos sich um Sprechzeit bemühen, desto kleiner wird die statistische Wahrscheinlichkeit, dass WUC, ICT oder andere kritische Stimmen zu Wort kommen.
Chinas selbstbewusstes Auftreten auf den Fluren des Menschenrechtsrats und im Organ selbst ist das Resultat jahrelanger Einflussnahme auf das Gremium und andere Staaten. Die Kräfteverhältnisse im Rat stehen in der kommenden Woche auf dem Prüfstand, wenn eine mögliche Resolution gegen die Volksrepublik eingebracht wird, die eine Einrichtung eines unabhängigen Mechanismus zu China beschließen würde. Im Klartext: Der Rat würde einem Sonderberichterstatter das Mandat erteilen, dauerhaft die Volksrepublik zu beobachten.
Deutlich wurde Chinas Einfluss auch Wochen vor Beginn der 51. Session. Die damals noch amtierende Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hatte in einem Xinjiang-Bericht in beispielloser Deutlichkeit die Verantwortlichen in Peking angeklagt. Das Papier sah erst am letzten Tag von Bachelets Amtszeit das Licht der Öffentlichkeit. Aber offenbar nur, weil Bachelets Mitarbeiterstab vehement auf die Veröffentlichung drängte, wie die Financial Times zuerst berichtete und wie eine Person aus dem nahen Umfeld des Hochkommissariats gegenüber China.Table bestätigt.
Bachelets selbst hätte dem Vernehmen nach lieber auf den Bericht verzichtet. Sie war in ihrer Amtszeit offenbar zu dem Entschluss gekommen, dass es besser sei, China nicht mit öffentlichen Vorwürfen zu konfrontieren. Eine solche Sicht der Dinge ist auch in Deutschland durchaus verbreitet. Manche Politiker, Unternehmer oder Wissenschaftler glauben, man könne hinter verschlossenen Türen die Dinge ins Lot bringen. Diese Strategie erweist sich jedoch seit Jahren als fruchtlos. Statt einer Verbesserung der Menschenrechtslage hat sich die Bilanz der Volksrepublik nachweislich eklatant verschlechtert.
Hongkongs neuer Regierungschef John Lee ist seit drei Monaten im Amt, aber es ist erstaunlich ruhig um ihn. Das ist womöglich so gewollt. Wo es bei seiner Vorgängerin Carrie Lam klare Ankündigungen, Handlungen und damit auch öffentlich diskutierte Kontroversen gab, herrschen unter Lee Schweigen und Unvorhersehbarkeit. Das wirft Fragen auf: Wohin geht die Reise Hongkongs? Wo sind die roten Linien? Die Unklarheit legt sich wie ein schwerer Mantel über die Metropole und macht auch den Expats der Stadt zu schaffen.
“Die Menschen halten sich mit politischen Äußerungen immer mehr zurück”, sagt eine Deutsche, die seit über 15 Jahren in Hongkong lebt und sich gegenüber China.Table nur anonym äußern möchte. “Auch ich bin sehr vorsichtig geworden”, sagt sie. In den sozialen Medien hält sie sich mit Posts zurück, die vielleicht negativ ausgelegt werden könnten. Für eine anstehende Kunstausstellung, an deren Organisation sie beteiligt war, wählte sie für die Beteiligten nicht schwarz bedruckte T-Shirts, sondern grüne, um bloß eine Assoziation zu den Protestbewegungen 2019 zu vermeiden. Es verbreitet sich ein vorauseilender Gehorsam, der in Festlandchina schon länger bekannt ist.
Wachsende Sorge erfassen nun auch zunehmend multinationale Unternehmen, Verbände und andere Institutionen. Für sie stellt sich immer öfter die Frage, ob Hongkong als Standort noch Sinn ergibt. Diese Zweifel wurden kürzlich auch beim Belt and Road Summit Ende August deutlich. Eine Teilnehmerin, die ebenfalls anonym bleiben möchte, schätzt im Gespräch mit China.Table, dass sich die Zahl der westlichen Expats im Saal “an zwei Händen abzählen” ließ – unter mehr als 1.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Die Entfremdung wurde auch anders spürbar. Die Veranstaltung, die eigentlich die globale Integration der Neuen Seidenstraße vorantreiben soll, wurde nur auf Hochchinesisch abgehalten – und nicht wie vorab angekündigt auch in englischer Sprache. Auch Kantonesisch, das in den Jahren zuvor üblich war, wurde als offizielle Sprache der Veranstaltung gestrichen.
So glich der Summit des Hong Kong Trade Development Council, einer halbstaatlichen Non-Profit-Organisation zur Förderung der internationalen Handels– und Wirtschaftsbeziehungen, eher einer inszenierten politischen Kampagne, resümierte die Teilnehmerin. Ihr schien es eher darum zu gehen, dass die Teilnehmer das Motto “From chaos to governance and from governance to prosperity” (“Vom Chaos zur Regierungsführung zum Wohlstand”) als Mantra von der Regierung vorgebetet bekommen sollten.
Die Zuversicht ausländischer Firmen in den Standort Hongkong fördern solche Veranstaltung nicht, sondern dürften eher deren wachsende Skepsis bestärken. Schon im Frühjahr hatte die Außenwirtschaftsförderung der Bundesrepublik, GTAI festgestellt, dass viele Unternehmen ihre Niederlassungen außerhalb Hongkongs ausbauen. Singapur sei eine beliebte Alternative.
Auch der Exodus ausländischer Arbeitnehmer internationaler Unternehmen hält an: Lars Kuepper, Inhaber und Geschäftsführer der Umzugsfirma Relosmart schildert, dass er im vergangenen Jahr für 250 Umzüge pro Monat aus der Stadt hinaus beauftragt worden sei – und im Gegensatz dazu nur für 17 Zuzüge. Viele Ausländer verlassen die Sonderverwaltungszone, seitdem klar ist, dass auch internationale Schulen künftig Staatsbürgerkunde nach Pekings Definition unterrichten sollen (China.Table berichtete).
Für Firmen, die in der Stadt Waren produzieren – und nicht nur ein Büro in Hongkong haben – werden Länder wie Vietnam immer interessanter. So verfolgen viele ausländische Unternehmen seit einiger Zeit eine sogenannte China-plus-1-Strategie: Sie suchen sich neben China in der Region noch andere Standorte. Einige asiatische Länder wie Thailand, Vietnam oder Malaysia locken mit gewerblichen und steuerlichen Vorteilen, um ausländische Investitionen anzuziehen, berichtet The Diplomat.
Für die gebürtige Hongkongerin Louisa Lim, deren Buch: Hongkong – “Indelible City: Dispossession and Defiance in Hong Kong” kürzlich erschien, sind die aktuellen Unklarheit Teil einer Taktik der chinesischen Regierung, um auch den letzten verbliebenen Widerstand der Hongkonger Zivilgesellschaft zu brechen: Die Ungewissheit lähmt, Sorgen diktieren den Alltag. “Im Moment gibt es ein weniger vorhersehbares Umfeld als in Festlandchina, insbesondere im Hinblick darauf, wo die politischen roten Linien verlaufen”, sagte Lim zur Situation in Hongkong dem Fachportal The Wire China.
Auch bleibt unklar, wie Hongkong mit dem derzeitigen Kurs an Attraktivität für multinationale Firmen gewinnen soll, statt sie zu verlieren. Der “Brain Drain”, also der Verlust von klugen Köpfe und Talenten, ist längst im Gange und mündet in einem Mangel an Fachkräften. Beispiel Versicherungen: So erklärte der Hongkonger Verband der Versicherer, dass rund jede dritte Versicherung dazu gezwungen sei, ihren Personalbestand vor Ort zu verkleinern.
Die Stadt setzt jedoch auf ihre Rolle als Finanzzentrum in der “Greater Bay Area” des Perlflussdelta, wonach Hongkong stärker mit wichtigen Städten der Küstenprovinz Guangdong vernetzt werden soll. Nach den Plänen gewinnt dieser Wirtschaftsraum bis 2035 durch die Integration international an Bedeutung. Sein Beitrag zum chinesischen Bruttoinlandsprodukt ist schon jetzt so groß wie die Wirtschaftsleistung Südkoreas.
Doch ungewiss ist, ob Hongkong dann nicht nur eine von vielen Städten ist, die sich einreihen soll, anstatt selbst im Zentrum zu stehen. Peking hatte zuletzt immer mehr Shenzhen und Shanghai als Finanzhandelsplätze im Fokus – und zum Beispiel vor zwei Jahren eigens die Technologiebörse Star-Market in Shanghai ins Leben gerufen.
Chinas Regierungsdaten zeigen, dass die Auslandsinvestitionen in die Wirtschaft in diesem Jahr um fast ein Fünftel gestiegen sind. Das sieht die Regierung laut Staatsmedien als Beweis dafür, dass globale Unternehmen den Aufrufen von US- und europäischen Politikern widerstehen, sich vom Land unabhängiger zu machen.
Doch ein genauer Blick auf die Investitionen zeichnet ein anderes Bild. Ein Großteil dieser Investitionen in Festlandchina kommt tatsächlich aus Hongkong. Laut Experten liegt es daran, dass dort ansässige Festlandunternehmen Gelder in einem als “Round-Tripping” bezeichneten Kreislaufsystem durch die Stadt leiten. Forscher der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften und der Nankai-Universität schätzen, dass fast 37 Prozent der nach China eingehenden ausländischen Direktinvestitionen in diesem System “hin und her” wandern, berichtete der Finanzdienstleister Bloomberg. Ist das die künftig wichtigste Rolle der einstigen britischen Kronkolonie?
Laut Raymong Yeung sind zudem vor allem chinesische Unternehmen mit Sitz in Offshore-Finanzierungszentren für den Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen verantwortlich. “Das macht den Ausdruck ‘ausländische’ Investitionen zu einer etwas irreführenden Bezeichnung”, schrieb Yeung, Chefökonom der Great
Chinas ehemaliger Justizminister, Fu Zhenghua, ist wegen Korruption zum Tode verurteilt worden. Die Strafe, die ein Gericht in Changchun verhängte, soll aber nicht vollstreckt, sondern in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt werden. Es gibt keine Möglichkeit auf Bewährung.
Fu Zhenghua hatte zuvor mehrere hochrangige Positionen inne, unter anderem als Polizeichef von Peking und Vizeminister für öffentliche Sicherheit. Über einen Zeitraum von 16 Jahren soll er Bestechungsgelder in Höhe von insgesamt 117 Millionen Yuan (16,7 Millionen Euro) angenommen haben. Vor ein paar Monaten wurde Fu zudem vorgeworfen, Teil einer politischen Clique um Sun Lijun zu sein. Gegen Sun, ehemaliger Vizeminister für öffentliche Sicherheit, laufen ebenfalls Korruptionsermittlungen. Ihm wird zudem vorgeworfen, die Autorität von Xi Jinping nicht anzuerkennen.
Erst am Mittwoch war der ehemalige Polizeichef aus Shanghai, Gong Daoan, zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden. Die früheren Polizeichefs von Chongqing, Deng Huilin, und von Shanxi, Liu Xinyun erhielten Haftstrafen von 15 beziehungsweise 14 Jahren.
Für Xi Jinping sind Anti-Korruptions-Kampagnen ein wichtiges politisches Instrument, um den eigenen Machterhalt zu sichern. Im Jahr 2020 begann die Kampagne zur Reinigung des Justizsystems, in deren Zuge in den letzten zwei Jahren mehr als 170.000 Offizielle und Polizeibeamte verurteilt wurden. jul
Chinas Präsident Xi Jinping hat auf dem Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) zur gemeinsamen Abwehr von sogenannten Farb-Revolutionen aufgerufen. Die Mitgliedsstaaten sollten Versuche ausländischer Mächte verhindern, sich in die internen Angelegenheiten der SCO-Mitglieder einzumischen. Als Farb-Revolutionen werden Proteste gegen autoritäre Regierungen bezeichnet, die zu Regimewechsel in Serbien, Georgien, der Ukraine, dem Libanon und Kirgisien führten. Die Volksrepublik beschuldigt die USA seit längerem, weltweit Farb-Revolutionen zu unterstützen, um ihre Vormachtstellung zu sichern. Xi lud die SCO-Länder ein, sich Chinas globaler Sicherheits-Initiative anzuschließen.
Die bisherigen Mitglieder wollen zudem das wirtschafts- und sicherheitspolitische Bündnis vergrößern, um eine Gegenmacht gegen westliche Bündnisse zu schaffen. Iran will im Jahr 2023 als vollwertiges Mitglied am SCO-Gipfel teilnehmen. Belarus hat den Beitrittsprozess gestartet und die Türkei hat Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet. Ägypten, Saudi-Arabien und Katar sind als Dialogpartner neu dazugestoßen. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Myanmar, Bahrain und die Malediven sollen in Kürze einen Prozess beginnen, um Dialogpartner der SCO zu werden. Allerdings gilt die SCO anders als beispielsweise die NATO nicht als einheitlicher Block. Es gibt Konflikte zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten, wie die Grenzkonflikte zwischen Indien und China. Zudem sind die SCO-Abkommen nicht rechtsverbindlich. nib
Der Unfalltod von 27 Menschen hat Kritik an der chinesischen Null-Covid-Politik ausgelöst. Die Opfer waren Insassen in einem Bus, der am Sonntagmorgen auf dem Weg in eine Quarantäne-Einrichtung in der Provinz Guizhou verunglückt war. Weitere 20 Menschen wurden verletzt. In Sozialmedien beklagten sich daraufhin Menschen über die Internierung von positiv Getesteten und deren Kontaktpersonen in den Isolationseinrichtungen – bis die kritischen Kommentare von der Zensur gelöscht wurden.
Die Nutzer stellten die Sinnhaftigkeit der Quarantänezentren infrage, obwohl Menschen sich auch wochenlang zu Hause isolieren könnten. Infizierte und solche mit vermeintlich erhöhtem Infektionsrisiko werden von den Behörden vieler chinesischer Städte oft wochenlang und auch nach mehrmaligen Negativtests in den Einrichtungen festgehalten (China.Table berichtete).
Das von Landwirtschaft geprägte Guizhou hatte am Wochenende einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen verzeichnet. 712 Ansteckungen waren am Samstag diagnostiziert worden. Zwei von drei Coronavirus-Fällen am Samstag stammten damit aus der südchinesischen Provinz. Der Bus mit 47 Insassen war in der Nacht zum Sonntag um 02:40 Uhr auf einer Autobahn verunglückt. Normalerweise ist es besetzten Passagierbussen zwischen 02:00 und 05:00 Uhr morgens nicht erlaubt, die Autobahnen zu befahren. grz
Der Chef-Epidemiologe des chinesischen Zentrums für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC), Wu Zunyou, empfiehlt wegen der Ausbreitung der Affenpocken die Vermeidung von Körperkontakt mit Ausländern. Auch mit Chinesen, die nach einer internationalen Reise in die Volksrepublik zurückkehren, sowie grundsätzlich mit Fremden sollte drei Wochen lang jede Berührung umgangen werden, so Wu. Mit diesen Verhaltenstipps will der Mediziner die Infektionsverbreitung verhindern, nachdem am vergangenen Freitag der erste Fall der Krankheit in China in der westlichen Metropole Chongqing diagnostiziert worden war.
Die Gesundheitsbehörden vermuten, dass der Fall aus Deutschland eingeschleppt worden ist. Es seien deutliche Übereinstimmungen mit einem Virusstrang gefunden worden, der Ende Juni in Deutschland aufgetaucht war, heißt es in einer Mitteilung des CDC. Demnach habe sich der Patient zwischen dem 2. und 8. September in der Bundesrepublik aufgehalten und in dieser Zeit Sex gehabt, was die Behörden als Übertragungsgrund ansehen. grz
Chinas bekanntester Livestreaming-Influencer, Li Jiaqi, ist nach einer offenbar unfreiwilligen Auszeit auf die Bildschirme zurückgekehrt. Am Dienstag moderierte der 25-Jährige ohne Vorankündigung zwei Stunden lang eine Verkaufsshow auf Taobao, Chinas größter E-Commerce-Plattform. Li war zuvor für drei Monate von allen Online-Plattformen verschwunden.
Li, der in China aufgrund seines Verkaufstalents für kosmetische Produkte auch unter dem Namen “Lippenstift-Bruder” bekannt ist, hatte dieses Jahr am Vorabend des Jahrestages des Tiananmen-Massakers einen Eiskuchen in Form eines Panzers in die Kamera gehalten (China.Table berichtete). Der Stream seiner Sendung brach kurz darauf ab. Li entschuldigte sich später auf seinen Social-Media-Kanälen dafür, dass es technische Probleme gegeben habe. Ob er absichtlich auf die Geschehnisse vom 4. Juni 1989 verwiesen hatte, ist bis heute nicht geklärt. Einen Kommentar zu seinem dreimonatigen Verschwinden machte Li am Dienstag ebenfalls nicht.
Li war bis zu seinem Verschwinden Chinas wirtschaftlich erfolgreichster Live-Streamer, insbesondere nachdem seine größte Konkurrentin Viya im Dezember wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 1,34 Milliarden Yuan (190 Millionen Euro) verurteilt worden war. Letztes Jahr verkaufte Li allein in einer Sendung auf seinem Kanal Waren im Wert von 1,9 Milliarden Dollar. Auch ausländische Firmen wie Apple oder Shiseido nutzten seine Popularität, um ihre Produkte in China zu vermarkten. fpe
“Wenn ich heute von meiner chinesischen Identität spreche, dann heißt das leider nicht, dass ich einen Zugang zur chinesischen Kultur oder einer gepflegten Familientradition hätte”, sagt Maike Siu-Wuan Storf. “Ich bin durchweg deutsch sozialisiert und habe mir den Zugang zu meinem Chinesisch sein lange Zeit durch deutsche Leitkultur verbaut.” Siu-Wuan Storf ist Halbchinesin, ihre Mutter ist die Tochter chinesischer Einwanderer in Peru. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung als Damenschneiderin, um anschließend Bühnenbild an der Universität der Künste in Berlin zu studieren.
Maike Siu-Wuan Storf hat als Bühnen- und Kostümbildnerin vorwiegend im Sprechtheater gearbeitet und sich in Schiller, Goethe, Büchner und Lessing vertieft – deutsche Leitkultur par excellence. “Ich glaube, dass ich einfach nicht wusste, wie ich Chinesisch sein kann, deshalb wollte ich so deutsch sein, wie nur möglich.”
Ihrer Mutter war es immer wichtig, dass sie und ihre Schwester mit Stolz auf ihre chinesischen Wurzeln blicken. “Ich habe diese Wurzeln allerdings nie nach außen thematisiert”, sagt sie. “Das ändert sich gerade.” In persönlichen Artikeln, unter anderem für das ZhongDe Magazin, schreibt Maike Siu-Wuan Storf beispielsweise über chinesische Einwanderer in Peru oder über den Versuch, erstmals mit ihrem kleinen Sohn das chinesische Neujahrsfest zu feiern. “Ich versuche, mir meine chinesische Identität zu erschreiben – auch, weil meine Mutter dement wird und immer mehr den Bezug zum Hier und Jetzt verliert.” Indem sie ihrem eigenen Chinesisch sein nachspürt, hält sie eine Verbindung zu etwas, das ihrer Mutter immer wichtig gewesen ist.
Aber auf ihrer Spurensuche geht es auch um ihren Sohn. “Es ist eine Tür, die ich ihm wieder öffnen möchte”, sagt sie. Und schreibt im ZhongDe Magazin über das Neujahrsfest: “Wer wäre ich, ihm ein Fest mit Teigtaschen vorzuenthalten? Ein Fest, in dem Drachen und Löwen tanzen und die Ankunft eines Tigers gefeiert wird?”
Vom Theater, ihrer einstigen Leidenschaft, hat sich Maike Siu-Wuan Storf zunehmend entfernt. “Wer bin ich, wenn ich kein Theater mache?”, fragt sie sich und ist mutig genug, mit 40 Jahren noch einmal neu zu starten. “Das ist eine Findungsphase, die die meisten Menschen mit Anfang 20 durchleben.” Klar jedoch ist, dass sie weiterhin schreiben will und ihren Weg nach China geht – auf ihre eigene Art. “Das China meiner Großeltern und Urgroßeltern gibt es natürlich nicht mehr”, sagt sie. “Um mich meinen Wurzeln zu nähern, suche ich deshalb Orte der chinesischen Diaspora in Deutschland auf. Orte von chinesischem Leben in der Fremde, sozusagen.” Svenja Napp
Party on: Nach drei Monaten Covid-Pause erlaubten die Pekinger Behörden am vergangenen Wochenende wieder Clubnächte an einem ausgewählten Standort. Im iWork Science and Innovation Park kamen Hunderte junge Leute zusammen, um zu feiern – Zigarettenpausen vor dem Eingang inklusive.
Chinas Bemühen, seine Menschenrechtsbilanz zu verbessern, führt weit über seine Landesgrenzen hinaus. Statt vor der eigenen Haustür zu kehren, nimmt die Volksrepublik lieber den Menschenrechtsrat in Genf ins Visier und manipuliert in allen Winkeln. Die Taktik geht seit Jahren blendend auf.
Wo immer im Rahmen des Menschenrechtsrats in Genf Kritik an China geübt wird, sind Diplomaten der Volksrepublik in unmittelbarer Nähe. Sie kapern Podiumsdiskussionen mit minutenlangen Stellungnahmen und notieren plakativ die Namen aller Gegensprecher. Über seinen Einfluss auf andere UN-Gremien verweigert das Land nicht genehmen Teilnehmern die Akkreditierungen zu den Vereinten Nationen. Stattdessen beanspruchen chinesische Organisationen unter dem Deckmantel der Unabhängigkeit zunehmend mehr Redezeit.
China gelingt es zunehmend, die Handlungsfähigkeit der liberal-demokratischen Wertgemeinschaft der Welt zu lähmen. Wenn wir einer solchen Fehlentwicklung nicht mit aller Ernsthaftigkeit entgegenwirken, werden es in einigen Jahren die Menschen- und Bürgerrechte hierzulande sein, die von China missachtet werden. Das klingt wie ein dystopisches Zukunftsszenario, wäre aber nur die logische Fortsetzung von Pekings wachsender Einflussnahme auf die hiesige Gesellschaft.
Dass die chinesische Regierung sehr konsequent ihre Ziele verfolgt, zeigt das Beispiel Hongkong. Die rechtswidrige De-Autonomisierung der Stadt hat nicht vor wenigen Jahren erst begonnen, sondern vor 25. Das Aushöhlen des Rechtsstaates, die schrittweise Einschränkung der Medienfreiheit und die Beschneidung von bürgerlichen Freiheiten kamen schleichend, aber stetig, auch weil von außen zu lange beschwichtigt und zugeschaut wurde. Jetzt ist die Metropole an einem Punkt, dass sich Ausländer lieber selbst zensieren oder gleich die Beine in die Hand nehmen.
Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Zeit, aufzuwachen!
Der Moderator des Panels wurde nach zwei Minuten ungeduldig. Die Mitarbeiterin der chinesischen Vertretung in Genf hatte sich in erster Reihe positioniert und verlas nun eine ellenlange Stellungnahme, statt wie vorgesehen eine simple Frage zu stellen. Die Dame wurde schließlich aufgefordert, sie möge bitte zum Punkt kommen. Doch sie ließ sich nicht beirren, sondern trug stoisch bis zum Ende ihr Manuskript vor.
Höflich, aber sichtlich genervt, ließen die Gastgeber die Frau gewähren. Human Rights Watch und International Service for Human Rights hatten am Rande der 51. Session des Menschenrechtsrats in Genf geladen, um die systematischen Menschenrechtsverbrechen der chinesischen Regierung in Xinjiang zu thematisieren. Die beiden Nichtregierungsorganisationen wollten die weltweit gestiegene Aufmerksamkeit für Folter, Zwangsarbeit und Internierung von Uiguren nutzen, um der Weltgemeinschaft die Dringlichkeit für gesteigerten Handlungsbedarf zu vermitteln.
Doch wann immer im offiziellen Programm der Session oder bei Begleitveranstaltungen Themen zur Sprache kommen, die Peking in schlechtes Licht rücken, sind Vertreter des Regimes verlässlich zur Stelle. “Chinesische Diplomaten tauchen überall auf und besetzen den öffentlichen Raum, um anderen das Wort zu nehmen und ihre eigenen Darstellungen lautstark zu verbreiten”, sagt Zumretay Arkin. Die Kanadierin mit uigurischen Wurzeln ist als Sprecherin und Lobbyistin für den Weltkongress der Uiguren (WUC) nach Genf gereist und saß ebenfalls auf dem Podium.
“Es geht dabei um Einschüchterung”, sagt Kai Müller von der International Campaign for Tibet (ICT). Der Geschäftsführer sprach Anfang der Woche persönlich im Menschenrechtsrat vor und registrierte dabei, wie ein chinesischer Diplomat plakativ seinen Namen und den einer weiteren anwesenden ICT-Mitarbeiterin notierte. Dabei ist Müller wahrlich kein Unbekannter für die Chinesen. Seit 15 Jahren arbeitet er für die ICT und leiht der Organisation Stimme und Gesicht. Seinen Namen kennt man in Genf, vor allem kennen ihn die chinesischen Diplomaten. “Die Absicht war es, dass wir unbedingt sehen sollten, dass man unsere Namen aufschreibt”, glaubt Müller.
Die Botschaft kann man getrost als subtile Drohung verstehen, auch an alle anderen Delegierten im Saal. Die Volksrepublik will Kritiker in Genf aber nicht nur einschüchtern, sondern versucht auch, sie zu isolieren und zu marginalisieren. Dazu nutzt das Land seinen Einfluss auf den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (Ecosog). Das Gremium ist für die Akkreditierung von Nichtregierungsorganisationen für die Teilnahme an Sitzungen des Menschenrechtsrats und anderen UN-Gremien verantwortlich.
Systematisch verhindern die chinesischen Vertreter dort die Erteilung der Zulassungen an nicht genehme Organisationen wie den WUC oder die ITC. Anträge werden über Jahre in die Länge gezogen, indem immer wieder neue, teils absurde Rückfragen aufgeworfen werden, die von den Organisationen bearbeitet werden müssen. Die Interessen von WUC oder ITC finden dennoch den Weg ins Plenum, weil andere Organisationen sie dazu einladen. Beispielsweise sind Uiguren-Vertreterinnen wie Zumretay Arkin über die Gesellschaft für bedrohte Völker aus Göttingen zugelassen. Das ICT kommt über die polnische Helsinki Foundation zu Wort.
Die Zahl der akkreditierten Organisationen für Sitzungen der UN-Gremien steigt dennoch kontinuierlich an. Von 1.400 wuchs ihre Zahl in den vergangenen 25 Jahren auf rund 5.000. Wer genau hinschaut, erkennt jedoch, dass viele dieser vermeintlichen Nichtregierungsorganisationen mitnichten unabhängig sind. Ganz im Gegenteil sind sie sogenannte Gongos (Governmental Organized Non-Governmental Organisations) – also vom Staat finanzierte, unterstützte oder sogar gegründete Organisationen, die im Mantel der Unabhängigkeit auftreten, in Wahrheit aber staatliche Interessen vertreten.
Die Volksrepublik China hat allein für den Menschenrechtsrat in Genf 40 Organisationen akkreditiert, obwohl chinesische Nichtregierungsorganisationen mit globaler Reichweite praktisch nicht mehr existieren. Beispiel: Die Chinesische Vereinigung für die Erhaltung und Entwicklung der tibetischen Kultur. Nach eigenen Angaben ist sie eine unabhängige Organisation, deren Grundsatz es sei, “die Verfassung, die Gesetze, die Vorschriften und die staatliche Politik der Volksrepublik China zu befolgen (…), die Menschenrechte zu schützen und die Einheit, die Harmonie und den gemeinsamen Wohlstand der verschiedenen Nationalitäten in Tibet zu fördern.”
Mit solchen und anderen Gongos ringen alle anderen Nichtregierungsorganisationen um die spärlich zur Verfügung stehende Redezeit während der Sitzungen. Wer sprechen will, muss sich wochenlang vor den Sitzungen bewerben und darauf hoffen, einen per Zufallsverfahren verteilten Slot zu ergattern. Je mehr chinesische Gongos sich um Sprechzeit bemühen, desto kleiner wird die statistische Wahrscheinlichkeit, dass WUC, ICT oder andere kritische Stimmen zu Wort kommen.
Chinas selbstbewusstes Auftreten auf den Fluren des Menschenrechtsrats und im Organ selbst ist das Resultat jahrelanger Einflussnahme auf das Gremium und andere Staaten. Die Kräfteverhältnisse im Rat stehen in der kommenden Woche auf dem Prüfstand, wenn eine mögliche Resolution gegen die Volksrepublik eingebracht wird, die eine Einrichtung eines unabhängigen Mechanismus zu China beschließen würde. Im Klartext: Der Rat würde einem Sonderberichterstatter das Mandat erteilen, dauerhaft die Volksrepublik zu beobachten.
Deutlich wurde Chinas Einfluss auch Wochen vor Beginn der 51. Session. Die damals noch amtierende Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hatte in einem Xinjiang-Bericht in beispielloser Deutlichkeit die Verantwortlichen in Peking angeklagt. Das Papier sah erst am letzten Tag von Bachelets Amtszeit das Licht der Öffentlichkeit. Aber offenbar nur, weil Bachelets Mitarbeiterstab vehement auf die Veröffentlichung drängte, wie die Financial Times zuerst berichtete und wie eine Person aus dem nahen Umfeld des Hochkommissariats gegenüber China.Table bestätigt.
Bachelets selbst hätte dem Vernehmen nach lieber auf den Bericht verzichtet. Sie war in ihrer Amtszeit offenbar zu dem Entschluss gekommen, dass es besser sei, China nicht mit öffentlichen Vorwürfen zu konfrontieren. Eine solche Sicht der Dinge ist auch in Deutschland durchaus verbreitet. Manche Politiker, Unternehmer oder Wissenschaftler glauben, man könne hinter verschlossenen Türen die Dinge ins Lot bringen. Diese Strategie erweist sich jedoch seit Jahren als fruchtlos. Statt einer Verbesserung der Menschenrechtslage hat sich die Bilanz der Volksrepublik nachweislich eklatant verschlechtert.
Hongkongs neuer Regierungschef John Lee ist seit drei Monaten im Amt, aber es ist erstaunlich ruhig um ihn. Das ist womöglich so gewollt. Wo es bei seiner Vorgängerin Carrie Lam klare Ankündigungen, Handlungen und damit auch öffentlich diskutierte Kontroversen gab, herrschen unter Lee Schweigen und Unvorhersehbarkeit. Das wirft Fragen auf: Wohin geht die Reise Hongkongs? Wo sind die roten Linien? Die Unklarheit legt sich wie ein schwerer Mantel über die Metropole und macht auch den Expats der Stadt zu schaffen.
“Die Menschen halten sich mit politischen Äußerungen immer mehr zurück”, sagt eine Deutsche, die seit über 15 Jahren in Hongkong lebt und sich gegenüber China.Table nur anonym äußern möchte. “Auch ich bin sehr vorsichtig geworden”, sagt sie. In den sozialen Medien hält sie sich mit Posts zurück, die vielleicht negativ ausgelegt werden könnten. Für eine anstehende Kunstausstellung, an deren Organisation sie beteiligt war, wählte sie für die Beteiligten nicht schwarz bedruckte T-Shirts, sondern grüne, um bloß eine Assoziation zu den Protestbewegungen 2019 zu vermeiden. Es verbreitet sich ein vorauseilender Gehorsam, der in Festlandchina schon länger bekannt ist.
Wachsende Sorge erfassen nun auch zunehmend multinationale Unternehmen, Verbände und andere Institutionen. Für sie stellt sich immer öfter die Frage, ob Hongkong als Standort noch Sinn ergibt. Diese Zweifel wurden kürzlich auch beim Belt and Road Summit Ende August deutlich. Eine Teilnehmerin, die ebenfalls anonym bleiben möchte, schätzt im Gespräch mit China.Table, dass sich die Zahl der westlichen Expats im Saal “an zwei Händen abzählen” ließ – unter mehr als 1.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Die Entfremdung wurde auch anders spürbar. Die Veranstaltung, die eigentlich die globale Integration der Neuen Seidenstraße vorantreiben soll, wurde nur auf Hochchinesisch abgehalten – und nicht wie vorab angekündigt auch in englischer Sprache. Auch Kantonesisch, das in den Jahren zuvor üblich war, wurde als offizielle Sprache der Veranstaltung gestrichen.
So glich der Summit des Hong Kong Trade Development Council, einer halbstaatlichen Non-Profit-Organisation zur Förderung der internationalen Handels– und Wirtschaftsbeziehungen, eher einer inszenierten politischen Kampagne, resümierte die Teilnehmerin. Ihr schien es eher darum zu gehen, dass die Teilnehmer das Motto “From chaos to governance and from governance to prosperity” (“Vom Chaos zur Regierungsführung zum Wohlstand”) als Mantra von der Regierung vorgebetet bekommen sollten.
Die Zuversicht ausländischer Firmen in den Standort Hongkong fördern solche Veranstaltung nicht, sondern dürften eher deren wachsende Skepsis bestärken. Schon im Frühjahr hatte die Außenwirtschaftsförderung der Bundesrepublik, GTAI festgestellt, dass viele Unternehmen ihre Niederlassungen außerhalb Hongkongs ausbauen. Singapur sei eine beliebte Alternative.
Auch der Exodus ausländischer Arbeitnehmer internationaler Unternehmen hält an: Lars Kuepper, Inhaber und Geschäftsführer der Umzugsfirma Relosmart schildert, dass er im vergangenen Jahr für 250 Umzüge pro Monat aus der Stadt hinaus beauftragt worden sei – und im Gegensatz dazu nur für 17 Zuzüge. Viele Ausländer verlassen die Sonderverwaltungszone, seitdem klar ist, dass auch internationale Schulen künftig Staatsbürgerkunde nach Pekings Definition unterrichten sollen (China.Table berichtete).
Für Firmen, die in der Stadt Waren produzieren – und nicht nur ein Büro in Hongkong haben – werden Länder wie Vietnam immer interessanter. So verfolgen viele ausländische Unternehmen seit einiger Zeit eine sogenannte China-plus-1-Strategie: Sie suchen sich neben China in der Region noch andere Standorte. Einige asiatische Länder wie Thailand, Vietnam oder Malaysia locken mit gewerblichen und steuerlichen Vorteilen, um ausländische Investitionen anzuziehen, berichtet The Diplomat.
Für die gebürtige Hongkongerin Louisa Lim, deren Buch: Hongkong – “Indelible City: Dispossession and Defiance in Hong Kong” kürzlich erschien, sind die aktuellen Unklarheit Teil einer Taktik der chinesischen Regierung, um auch den letzten verbliebenen Widerstand der Hongkonger Zivilgesellschaft zu brechen: Die Ungewissheit lähmt, Sorgen diktieren den Alltag. “Im Moment gibt es ein weniger vorhersehbares Umfeld als in Festlandchina, insbesondere im Hinblick darauf, wo die politischen roten Linien verlaufen”, sagte Lim zur Situation in Hongkong dem Fachportal The Wire China.
Auch bleibt unklar, wie Hongkong mit dem derzeitigen Kurs an Attraktivität für multinationale Firmen gewinnen soll, statt sie zu verlieren. Der “Brain Drain”, also der Verlust von klugen Köpfe und Talenten, ist längst im Gange und mündet in einem Mangel an Fachkräften. Beispiel Versicherungen: So erklärte der Hongkonger Verband der Versicherer, dass rund jede dritte Versicherung dazu gezwungen sei, ihren Personalbestand vor Ort zu verkleinern.
Die Stadt setzt jedoch auf ihre Rolle als Finanzzentrum in der “Greater Bay Area” des Perlflussdelta, wonach Hongkong stärker mit wichtigen Städten der Küstenprovinz Guangdong vernetzt werden soll. Nach den Plänen gewinnt dieser Wirtschaftsraum bis 2035 durch die Integration international an Bedeutung. Sein Beitrag zum chinesischen Bruttoinlandsprodukt ist schon jetzt so groß wie die Wirtschaftsleistung Südkoreas.
Doch ungewiss ist, ob Hongkong dann nicht nur eine von vielen Städten ist, die sich einreihen soll, anstatt selbst im Zentrum zu stehen. Peking hatte zuletzt immer mehr Shenzhen und Shanghai als Finanzhandelsplätze im Fokus – und zum Beispiel vor zwei Jahren eigens die Technologiebörse Star-Market in Shanghai ins Leben gerufen.
Chinas Regierungsdaten zeigen, dass die Auslandsinvestitionen in die Wirtschaft in diesem Jahr um fast ein Fünftel gestiegen sind. Das sieht die Regierung laut Staatsmedien als Beweis dafür, dass globale Unternehmen den Aufrufen von US- und europäischen Politikern widerstehen, sich vom Land unabhängiger zu machen.
Doch ein genauer Blick auf die Investitionen zeichnet ein anderes Bild. Ein Großteil dieser Investitionen in Festlandchina kommt tatsächlich aus Hongkong. Laut Experten liegt es daran, dass dort ansässige Festlandunternehmen Gelder in einem als “Round-Tripping” bezeichneten Kreislaufsystem durch die Stadt leiten. Forscher der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften und der Nankai-Universität schätzen, dass fast 37 Prozent der nach China eingehenden ausländischen Direktinvestitionen in diesem System “hin und her” wandern, berichtete der Finanzdienstleister Bloomberg. Ist das die künftig wichtigste Rolle der einstigen britischen Kronkolonie?
Laut Raymong Yeung sind zudem vor allem chinesische Unternehmen mit Sitz in Offshore-Finanzierungszentren für den Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen verantwortlich. “Das macht den Ausdruck ‘ausländische’ Investitionen zu einer etwas irreführenden Bezeichnung”, schrieb Yeung, Chefökonom der Great
Chinas ehemaliger Justizminister, Fu Zhenghua, ist wegen Korruption zum Tode verurteilt worden. Die Strafe, die ein Gericht in Changchun verhängte, soll aber nicht vollstreckt, sondern in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt werden. Es gibt keine Möglichkeit auf Bewährung.
Fu Zhenghua hatte zuvor mehrere hochrangige Positionen inne, unter anderem als Polizeichef von Peking und Vizeminister für öffentliche Sicherheit. Über einen Zeitraum von 16 Jahren soll er Bestechungsgelder in Höhe von insgesamt 117 Millionen Yuan (16,7 Millionen Euro) angenommen haben. Vor ein paar Monaten wurde Fu zudem vorgeworfen, Teil einer politischen Clique um Sun Lijun zu sein. Gegen Sun, ehemaliger Vizeminister für öffentliche Sicherheit, laufen ebenfalls Korruptionsermittlungen. Ihm wird zudem vorgeworfen, die Autorität von Xi Jinping nicht anzuerkennen.
Erst am Mittwoch war der ehemalige Polizeichef aus Shanghai, Gong Daoan, zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden. Die früheren Polizeichefs von Chongqing, Deng Huilin, und von Shanxi, Liu Xinyun erhielten Haftstrafen von 15 beziehungsweise 14 Jahren.
Für Xi Jinping sind Anti-Korruptions-Kampagnen ein wichtiges politisches Instrument, um den eigenen Machterhalt zu sichern. Im Jahr 2020 begann die Kampagne zur Reinigung des Justizsystems, in deren Zuge in den letzten zwei Jahren mehr als 170.000 Offizielle und Polizeibeamte verurteilt wurden. jul
Chinas Präsident Xi Jinping hat auf dem Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) zur gemeinsamen Abwehr von sogenannten Farb-Revolutionen aufgerufen. Die Mitgliedsstaaten sollten Versuche ausländischer Mächte verhindern, sich in die internen Angelegenheiten der SCO-Mitglieder einzumischen. Als Farb-Revolutionen werden Proteste gegen autoritäre Regierungen bezeichnet, die zu Regimewechsel in Serbien, Georgien, der Ukraine, dem Libanon und Kirgisien führten. Die Volksrepublik beschuldigt die USA seit längerem, weltweit Farb-Revolutionen zu unterstützen, um ihre Vormachtstellung zu sichern. Xi lud die SCO-Länder ein, sich Chinas globaler Sicherheits-Initiative anzuschließen.
Die bisherigen Mitglieder wollen zudem das wirtschafts- und sicherheitspolitische Bündnis vergrößern, um eine Gegenmacht gegen westliche Bündnisse zu schaffen. Iran will im Jahr 2023 als vollwertiges Mitglied am SCO-Gipfel teilnehmen. Belarus hat den Beitrittsprozess gestartet und die Türkei hat Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet. Ägypten, Saudi-Arabien und Katar sind als Dialogpartner neu dazugestoßen. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Myanmar, Bahrain und die Malediven sollen in Kürze einen Prozess beginnen, um Dialogpartner der SCO zu werden. Allerdings gilt die SCO anders als beispielsweise die NATO nicht als einheitlicher Block. Es gibt Konflikte zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten, wie die Grenzkonflikte zwischen Indien und China. Zudem sind die SCO-Abkommen nicht rechtsverbindlich. nib
Der Unfalltod von 27 Menschen hat Kritik an der chinesischen Null-Covid-Politik ausgelöst. Die Opfer waren Insassen in einem Bus, der am Sonntagmorgen auf dem Weg in eine Quarantäne-Einrichtung in der Provinz Guizhou verunglückt war. Weitere 20 Menschen wurden verletzt. In Sozialmedien beklagten sich daraufhin Menschen über die Internierung von positiv Getesteten und deren Kontaktpersonen in den Isolationseinrichtungen – bis die kritischen Kommentare von der Zensur gelöscht wurden.
Die Nutzer stellten die Sinnhaftigkeit der Quarantänezentren infrage, obwohl Menschen sich auch wochenlang zu Hause isolieren könnten. Infizierte und solche mit vermeintlich erhöhtem Infektionsrisiko werden von den Behörden vieler chinesischer Städte oft wochenlang und auch nach mehrmaligen Negativtests in den Einrichtungen festgehalten (China.Table berichtete).
Das von Landwirtschaft geprägte Guizhou hatte am Wochenende einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen verzeichnet. 712 Ansteckungen waren am Samstag diagnostiziert worden. Zwei von drei Coronavirus-Fällen am Samstag stammten damit aus der südchinesischen Provinz. Der Bus mit 47 Insassen war in der Nacht zum Sonntag um 02:40 Uhr auf einer Autobahn verunglückt. Normalerweise ist es besetzten Passagierbussen zwischen 02:00 und 05:00 Uhr morgens nicht erlaubt, die Autobahnen zu befahren. grz
Der Chef-Epidemiologe des chinesischen Zentrums für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC), Wu Zunyou, empfiehlt wegen der Ausbreitung der Affenpocken die Vermeidung von Körperkontakt mit Ausländern. Auch mit Chinesen, die nach einer internationalen Reise in die Volksrepublik zurückkehren, sowie grundsätzlich mit Fremden sollte drei Wochen lang jede Berührung umgangen werden, so Wu. Mit diesen Verhaltenstipps will der Mediziner die Infektionsverbreitung verhindern, nachdem am vergangenen Freitag der erste Fall der Krankheit in China in der westlichen Metropole Chongqing diagnostiziert worden war.
Die Gesundheitsbehörden vermuten, dass der Fall aus Deutschland eingeschleppt worden ist. Es seien deutliche Übereinstimmungen mit einem Virusstrang gefunden worden, der Ende Juni in Deutschland aufgetaucht war, heißt es in einer Mitteilung des CDC. Demnach habe sich der Patient zwischen dem 2. und 8. September in der Bundesrepublik aufgehalten und in dieser Zeit Sex gehabt, was die Behörden als Übertragungsgrund ansehen. grz
Chinas bekanntester Livestreaming-Influencer, Li Jiaqi, ist nach einer offenbar unfreiwilligen Auszeit auf die Bildschirme zurückgekehrt. Am Dienstag moderierte der 25-Jährige ohne Vorankündigung zwei Stunden lang eine Verkaufsshow auf Taobao, Chinas größter E-Commerce-Plattform. Li war zuvor für drei Monate von allen Online-Plattformen verschwunden.
Li, der in China aufgrund seines Verkaufstalents für kosmetische Produkte auch unter dem Namen “Lippenstift-Bruder” bekannt ist, hatte dieses Jahr am Vorabend des Jahrestages des Tiananmen-Massakers einen Eiskuchen in Form eines Panzers in die Kamera gehalten (China.Table berichtete). Der Stream seiner Sendung brach kurz darauf ab. Li entschuldigte sich später auf seinen Social-Media-Kanälen dafür, dass es technische Probleme gegeben habe. Ob er absichtlich auf die Geschehnisse vom 4. Juni 1989 verwiesen hatte, ist bis heute nicht geklärt. Einen Kommentar zu seinem dreimonatigen Verschwinden machte Li am Dienstag ebenfalls nicht.
Li war bis zu seinem Verschwinden Chinas wirtschaftlich erfolgreichster Live-Streamer, insbesondere nachdem seine größte Konkurrentin Viya im Dezember wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 1,34 Milliarden Yuan (190 Millionen Euro) verurteilt worden war. Letztes Jahr verkaufte Li allein in einer Sendung auf seinem Kanal Waren im Wert von 1,9 Milliarden Dollar. Auch ausländische Firmen wie Apple oder Shiseido nutzten seine Popularität, um ihre Produkte in China zu vermarkten. fpe
“Wenn ich heute von meiner chinesischen Identität spreche, dann heißt das leider nicht, dass ich einen Zugang zur chinesischen Kultur oder einer gepflegten Familientradition hätte”, sagt Maike Siu-Wuan Storf. “Ich bin durchweg deutsch sozialisiert und habe mir den Zugang zu meinem Chinesisch sein lange Zeit durch deutsche Leitkultur verbaut.” Siu-Wuan Storf ist Halbchinesin, ihre Mutter ist die Tochter chinesischer Einwanderer in Peru. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung als Damenschneiderin, um anschließend Bühnenbild an der Universität der Künste in Berlin zu studieren.
Maike Siu-Wuan Storf hat als Bühnen- und Kostümbildnerin vorwiegend im Sprechtheater gearbeitet und sich in Schiller, Goethe, Büchner und Lessing vertieft – deutsche Leitkultur par excellence. “Ich glaube, dass ich einfach nicht wusste, wie ich Chinesisch sein kann, deshalb wollte ich so deutsch sein, wie nur möglich.”
Ihrer Mutter war es immer wichtig, dass sie und ihre Schwester mit Stolz auf ihre chinesischen Wurzeln blicken. “Ich habe diese Wurzeln allerdings nie nach außen thematisiert”, sagt sie. “Das ändert sich gerade.” In persönlichen Artikeln, unter anderem für das ZhongDe Magazin, schreibt Maike Siu-Wuan Storf beispielsweise über chinesische Einwanderer in Peru oder über den Versuch, erstmals mit ihrem kleinen Sohn das chinesische Neujahrsfest zu feiern. “Ich versuche, mir meine chinesische Identität zu erschreiben – auch, weil meine Mutter dement wird und immer mehr den Bezug zum Hier und Jetzt verliert.” Indem sie ihrem eigenen Chinesisch sein nachspürt, hält sie eine Verbindung zu etwas, das ihrer Mutter immer wichtig gewesen ist.
Aber auf ihrer Spurensuche geht es auch um ihren Sohn. “Es ist eine Tür, die ich ihm wieder öffnen möchte”, sagt sie. Und schreibt im ZhongDe Magazin über das Neujahrsfest: “Wer wäre ich, ihm ein Fest mit Teigtaschen vorzuenthalten? Ein Fest, in dem Drachen und Löwen tanzen und die Ankunft eines Tigers gefeiert wird?”
Vom Theater, ihrer einstigen Leidenschaft, hat sich Maike Siu-Wuan Storf zunehmend entfernt. “Wer bin ich, wenn ich kein Theater mache?”, fragt sie sich und ist mutig genug, mit 40 Jahren noch einmal neu zu starten. “Das ist eine Findungsphase, die die meisten Menschen mit Anfang 20 durchleben.” Klar jedoch ist, dass sie weiterhin schreiben will und ihren Weg nach China geht – auf ihre eigene Art. “Das China meiner Großeltern und Urgroßeltern gibt es natürlich nicht mehr”, sagt sie. “Um mich meinen Wurzeln zu nähern, suche ich deshalb Orte der chinesischen Diaspora in Deutschland auf. Orte von chinesischem Leben in der Fremde, sozusagen.” Svenja Napp
Party on: Nach drei Monaten Covid-Pause erlaubten die Pekinger Behörden am vergangenen Wochenende wieder Clubnächte an einem ausgewählten Standort. Im iWork Science and Innovation Park kamen Hunderte junge Leute zusammen, um zu feiern – Zigarettenpausen vor dem Eingang inklusive.