Europa bezieht 95 Prozent seines Magnesiums aus China. Christiane Kühl analysiert, wie lange die jetzigen Magnesiumvorräte in Deutschland und Europa noch reichen würden, wenn China infolge der Stromkrise die Produktion stoppt. Eins ist jetzt schon klar, sollten zusätzlich zu den Lieferengpässen auch noch die bisher zugesicherten Lieferungen per Schiff nicht rechtzeitig oder gar nicht ankommen, drohen für große Teile der Industrie härtere Probleme als nur Versorgungsengpässe.
Der Display- und Smartphone-Hersteller Royole aus Shenzhen ist der einzige Hersteller von flexiblen Displays, der die strengen Sicherheitsauflagen für Flugzeugkabinen erfüllt. Woran Royole nun mit Airbus arbeitet, um die Unterhaltung auf Flügen zu revolutionieren, hat sich Frank Sieren für uns genauer angeschaut.
Johnny Erling deckt auf, warum Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping nun das System des Volkskongresses lobt. Dass Xi ausgerechnet den Volkskongress, der im Westen als “Pseudoparlament” bezeichnet wird, darauf einschwören will, was eine “wirkliche Demokratie gegen falsche Demokratie” ist, hat vor allem egoistische Gründe. Er will im kommenden Jahr wiedergewählt werden. Und das mit allen Mitteln. Die Erinnerungsstücke, die Johnny Erling dabei in 22 Jahren als Korrespondent bei den Volkskongressen gesammelt hat, zeigen augenzwinkernd, was ein chinesischer Volksabgeordneter so braucht, um seine parlamentarischen Aufgaben zu erfüllen.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende
Chinas Stromkrise zieht immer weitere Kreise. Nun geht der Welt das Nichteisenmetall Magnesium verloren, da zwei chinesische Provinzen die Produktion bis Jahresende gestoppt oder reduziert haben, um ihre Energiesparziele zu erreichen. Der Sektor ist dafür verlockend, denn die Gewinnung dieses Metalls ist sehr energieintensiv.
Magnesium ist ein wesentlicher Rohstoff der Aluminium-Industrie. Es erhöht als sogenanntes Legierungsmittel die Festigkeit des Aluminiums. Und China hat mit einem Anteil von 87 Prozent an der globalen Magnesiumproduktion heute ein nahezu vollständiges Monopol. Etwa 45 Prozent aller chinesischen Ausfuhren sind für Europa bestimmt. China stillt 95 Prozent des europäischen Bedarfs. Europa ist also besonders schwer getroffen. Die USA haben immerhin noch einen eigenen Produzenten, US Magnesium.
Die Magnesiumproduktion in China ist so stark konzentriert, dass eine einzige Region diese Krise auslösen konnte. Ein Großteil des Metalls stammt aus einer einzigen Stadt namens Yulin in der Provinz Shaanxi. Anfang Oktober ordnete die lokale Regierung die Schließung von 35 ihrer 50 Magnesiumhütten bis Ende des Jahres an. Den Rest forderte sie auf, die Produktion um 50 Prozent zu drosseln. Auch in kleineren Produktionsstandorten der benachbarten Provinz Shanxi gibt es ähnliche Vorgaben.
Dazu muss man wissen, dass zur Herstellung vieler Nichteisenmetalle vor allem Strom benötigt wird – und weniger Brennstoffe. Um eine Tonne Magnesium zu produzieren, fallen satte 35-40 Megawattstunden (MWh) Elektrizität an. Für eine Tonne Primäraluminium sind es zwischen 15 und 20 MWh pro Tonne. Andere Metalle wie Kupfer, Zink oder Blei benötigen viel weniger Strom.
Neben Magnesium-Produktionen wurden daher auch Aluminiumschmelzen zur Drosselung ihrer Produktion aufgefordert, etwa in Yunnan, Guangxi und Xinjiang. Mehr als zwei Millionen Tonnen aktiver Alu-Kapazität waren seit September betroffen, schreibt die Analystin Yao Wenyu von der Bank ING. Yao sieht dies in direkter Verbindung mit den Klimazielen der Regierung – zumal bei Aluminium laut ihrer Studie der Ausstoß von Treibhausgasen pro Tonne wesentlich höher ist als bei allen anderen Metallen.
Bei Magnesium kommt erschwerend hinzu, dass es nicht lange gelagert werden kann: Es beginnt nach drei Monaten zu oxidieren. Die jetzigen Vorräte in Deutschland und Europa seien spätestens Ende November 2021 erschöpft, erwartet die Wirtschaftsvereinigung (WV) Metalle. “Die Lage ist schwer einzuschätzen”, sagt VW Metalle-Hauptgeschäftsführerin Franziska Erdle zu China.Table. “Denn die Unternehmen wissen nicht, ob die noch zugesicherten Lieferungen, die auf dem Schiffsweg nach Europa sein sollen, auch tatsächlich ankommen.”
Die Lieferengpässe gefährden die gesamte globale Aluminium-Wertschöpfungskette. Zumal auch die Preise gewaltig steigen: Importiertes Magnesium kostet in Europa heute rund 9000 US-Dollar pro Tonne, 75 Prozent mehr als vor einem Monat. Hinzu kommen die steigenden Strompreise infolge der globalen Energiekrise. Vom Magnesiummangel sind Branchen wie Auto, Bau, Verpackung oder Maschinenbau betroffen. Abseits vom Aluminium findet Magnesium zudem auch in der Eisen- und Stahlerzeugung sowie im Druckguss Verwendung.
Besonders betroffen ist die bereits vom weltweiten Chipmangel gebeutelte Autoindustrie (China.Table berichtete). 35 Prozent der Nachfrage nach Magnesium sei für Autobleche, zitiert die Financial Times den Barclays-Analysten Amos Fletcher. Bei Alu-Blechen gebe es für das Material keinen Ersatz: “Wenn die Magnesiumversorgung versiegt, wird möglicherweise die gesamte Automobilindustrie zu einem Halt gezwungen.” Alu-Legierungen mit Magnesium kommen neben den Blechen auch in Getrieben, Lenksäulen, Sitzrahmen und Tankdeckeln zum Einsatz.
Die WV Metalle und andere Verbände forderten die Bundesregierung daher auf, “dringend diplomatische Gespräche mit China einzuleiten.” Man erwarte eine Lage ähnlich der Chip-Krise. Magnesium steht seit 2017 auf der Liste der kritischen Rohstoffe der EU. Politisch-strategische Überlegungen und Maßnahmen zur Sicherstellung des Lieferflusses blieben laut WV Metalle bislang jedoch aus.
Parallel forderte der Verband European Aluminium, dem viele Großkonzerne wie Norsk Hydro oder Alcoa angehören, die EU-Kommission auf, mit China zu verhandeln. Magnesium sollte in denselben Foren diskutiert werden wie die Halbleiter. Die aktuelle Krise sei “ein klares Beispiel für das Risiko, das die EU eingeht, indem sie ihre Binnenwirtschaft von chinesischen Importen abhängig macht”, kritisierte der Verband in einem Positionspapier. Die EU sei zum Thema bereits in Kontakt mit China, sagte ein Offizieller dem US-Nachrichtenportal Politico, ohne Details zu nennen.
Magnesium sei nur ein Stoff in einer langen Liste von Produktionsverlusten seit Anfang der 1990er Jahre. so European Aluminium. Die Produktion von Primäraluminium – also neuem, nicht recyceltem Alu – habe seit 2008 mehr als 30 Prozent ihrer Kapazität verloren. “Parallel dazu hat China die Alu-Produktionskapazitäten kontinuierlich erhöht”, so das Positionspapier. Der Anteil Chinas an der weltweiten Magnesiumproduktion sei von 12 Prozent in 2000 auf die heutigen 87 Prozent gestiegen – bei einem Marktvolumen von inzwischen 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr.
2001 hatte Europa die letzte heimische Magnesiumproduktion aus Kostengründen aufgegeben, da sie mit billigen Importen aus China nicht mithalten konnten. Diese Einfuhren bezeichnen WV Metalle und European Aluminium heute als “Dumping”. “Magnesium ist kein seltener Rohstoff. Er kommt weltweit vor”, sagt Erdle. “Die Herstellung in Europa ist jedoch auf wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen angewiesen.” Diese seien in Europa nicht gegeben. Einer Wiederansiedlung der energieintensiven Produktion in der EU stehen nach Ansicht des Verbands die “aktuell drastisch gestiegenen Industriestrompreise und die unabsehbare Entwicklung der Energiekosten” entgegen.
Die Magnesiumkrise ist letztlich ein weiteres Beispiel dafür, wie sich Europa in einer anderen Zeit relativ gedankenlos von Lieferungen aus China abhängig gemacht hat. In den Nullerjahren stand globale Arbeitsteilung hoch im Kurs. Niemand wollte teurere Vorprodukte kaufen, bloß weil sie daheim produziert wurden. Um den Nachschub sorgte man sich nicht – also wurde die heimische Fertigung auch nicht etwa durch EU-Schutzzölle auf chinesische Magnesium-Importe geschützt. Ähnliche Probleme gibt es etwa bei Seltenen Erden, deren schmutzige Gewinnung im Westen wegen der Umweltschäden aufgegeben wurde. Auch das führte zu einer marktbeherrschenden Stellung Chinas bei den eigentlich gar nicht so “seltenen” Mineralien.
Belastbare Informationen über weitere Bezugsquellen für Magnesium außerhalb Chinas liegen WV Metalle nach eigenen Angaben nicht vor. Kurzfristig müssen sich also alle mit der Lage arrangieren. Der Verband fordert aber langfristig “eine industriepolitische Strategie Deutschlands für den gesicherten Zugang zu Industriemetallen.” Gemeinsam mit der EU müssten “mittel- und langfristige wirksame Maßnahmen zur Aufrechterhaltung funktionierender und zukunftsfähiger Wertschöpfungsketten ergriffen werden.” European Aluminium forderte etwas direkter formuliert Maßnahmen zur Verteidigung gegen unfair subventionierte Importe aus China.
Ein weiterer Ausweg könnte eine weitere Stärkung der Kreislaufwirtschaft sein. In Deutschland wird schon heute mehr recyceltes Aluminium produziert als Neualuminium. So werden etwa im Verkehrs- und Bausektor 95 Prozent wiederverwendet. Auch Verpackungen werden zu etwa 90 Prozent recycelt. Die Herstellung dieses sogenannten Sekundäraluminiums benötigt gerade einmal fünf Prozent der Energie wie für Primäraluminium. In den USA durchflöhen Hersteller laut der Financial Times verstärkt Aluschrott nach Magnesium, das extrahiert werden kann. Vielleicht ließe sich als vorübergehende Alternative mehr Aluschrott zum Recyceln aus dem Ausland importieren. Ob das nötig wird, hängt von der weiteren Entwicklung der Lage ab.
Royole, ein chinesisches Start-up von flexiblen Displays will zusammen mit dem europäischen Flugzeugbauer Airbus die Kabinendisplays in Flugzeugen revolutionieren. Ende September präsentierten die beiden Unternehmen einen neuen Prototyp auf der Airshow China. “Indem wir anstelle von herkömmlichen Flüssigkristalldisplays auf flexible Displays setzen, können sowohl Kosten als auch Gewicht reduziert, Treibstoff gespart und die CO2-Emissionen in Flugzeugen gesenkt werden”, erklärt Hong Zhao, COO von Royole. Das Unternehmen ist eins der zehn sogenannten Unicorns im südchinesischen Shenzhen (China.Table berichtete). Diese Start-ups sind mehr als eine Milliarde US-Dollar wert. Gegründet wurde Royole von chinesischen Stanford-Absolventen.
Ein Einsatzgebiet für die ultradünnen und ultraleichten Displays sind digitale In-Flight-Magazine. Statt aus Papier wollen Airbus und Royole diese aus flexiblen OLED-Displays herstellen, die sich wie ein Magazin auseinanderklappen und biegen lassen. Mit dem optisch an ein iPad erinnernden Gerät können Passagiere Essen bestellen, mit Kreditkarte Duty-Free-Produkte bezahlen, digitale Ausgaben von Zeitschriften und Zeitungen lesen, Filme und Musik streamen und je nach Ausstattung des Flugzeugs auch im Internet surfen.
Im Vergleich zu einem gedruckten Magazin lassen sich die Display-Magazine einfacher desinfizieren, erklärt Royole. Derzeit ist das Unternehmen der einzige Hersteller von flexiblen Displays, der die strengen Sicherheitsauflagen für Flugzeugkabinen erfüllt. Und die Displays sind viel leichter als Bildschirme und Zeitschriften aus Papier. Die Bildschirme sollen bald in ausgewählten Flugzeugen von Airbus getestet werden. Seit 2019 hat Airbus ein Innovationszentrum in Shenzhen. Dort ist auch Royoles Produktion ansässig.
Royole ist heute der globale Marktführer auf dem Gebiet flexibler Displays. Die 2012 gegründete Firma hat Niederlassungen in Peking, Hongkong, Japan, Kalifornien und den Niederlanden.
Seit seiner Gründung hat Royole mehrere Meilensteine erreicht, darunter das weltweit erste faltbare Smartphone für den Massenmarkt. Das Flexpai wurde 2018 vorgestellt. Erste Tests fielen aufgrund einer unhandlichen Mittelfalte jedoch enttäuschend aus. Inzwischen haben allerdings die großen Smartphone-Hersteller die Technologie übernommen und verbessert. Bereits 2014 hat das Unternehmen den dünnsten, voll flexiblen Farbbildschirm (FDD) auf den Markt gebracht.
Wohl auch um eigene Entwicklungen zu inspirieren, brachte Royole im Sommer dieses Jahres ein Entwicklerset auf den Markt, mit dem Bastler ein eigenes Android-Gerät mit biegsamen Displays herstellen können. Im sogenannten Rokit-Set, das in einem Werkzeugkoffer aus Aluminium untergebracht ist, befindet sich ein 7,8 Zoll (20 cm) großes OLED-Display mit einer Auflösung von 1920 x 1080 Pixel. Außerdem ein Microcontroller mit 3 GByte RAM und 32 GByte Speicher. Die Bastler bekommen auch Erweiterungsplatinen, Kabel und WLAN-Antennen. Preis: 960 US-Dollar.
Im Mai dieses Jahres stellte Royole außerdem ein serienreifes Micro-LED-Display vor, das sich weit dehnen, auseinanderziehen, zusammenrollen und sogar zur Kugel verformen lässt. Es lässt sich also im Grunde in jede denkbare Form gestalten. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Oberflächen von Gegenständen und Bildschirmen zusammenwachsen, was wiederum Platz spart. Das Mikro LED Demo Panel hat eine Größe von 96 × 60, kann bis auf 130 Prozent gedehnt und um bis zu 40 Grad gebogen werden und hat eine Auflösung von 120 pixels per inch (PPI).
Flexible Displays sind nach wie vor eine Nische. Sie haben jedoch großes Potenzial, die Tech- und Gadget-Welt auf den Kopf zu stellen. Mobile Geräte können so jede Form annehmen, Sonnenbrillen und Windschutzscheiben werden durch die transparente Oberfläche zu Smart Devices, Globen und Karten zu interaktiven Werkzeugen.
Sogar Kleidung kann durch flexible Displays smarte Funktionen erhalten. Etwa in Form von funktionaler Sportswear oder Patches, die man sich auf die Haut klebt und die Körperfunktionen messen. Auf der Cruise 2020 Fashionshow in New York stellten Royole und Louis Vuitton bereits eine gemeinsam entworfene Taschenkollektion vor, die mit voll flexiblem Display und Sensoren ausgestattet ist. Auf den Seiten der Handtaschen erscheinen Bilder und Videos, die über eine Touchscreen-Schnittstelle gesteuert werden können. Die Entwicklung dauerte laut der Hersteller mehr als zwei Jahre. Während des Entwicklungsprozesses hat Royole mehr als 80 weltweite Patente angemeldet.
25.10.2021, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing Time)
Dezan Shira & Associates, Webinar: Intellectual Property: Critical Issues in China Mehr
27.10.2021, 18:30 Uhr (00:30 Uhr Beijing Time)
Harvard Fairbank Center, Vortrag: Critical Issues Confronting China Lecture Series featuring Bill Bikales – From Poverty Eradication to Common Prosperity: Reflections on Recent Poverty Achievements and Implications for the Next Phase of Development Mehr
27.10.2021, 09:00 Uhr (15:00 Uhr Beijing Time)
Rödle & Partner, Webinar: The German Supply Chain Act in Asia Mehr
27.10.2021, 18:00 Uhr
Konfuzius-Institut Düsseldorf, Vortrag (Präsenzveranstaltung): Der Konfuzianismus: Grundlage einer chinesischen Identität – und seine Renaissance im heutigen China Mehr
28.10.2021, 09:30 Uhr (15:30 Uhr Beijing Time)
Dezan Shira & Associates, Webinar: Know Your Chinese Partners: Case Studies for De-Risking and Managing Your Business Mehr
28.10.2021, 11:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing Time)
Asia Scotland Institute, Vortrag: Evergrande and the China Property Bubble – Business and the Politics Mehr
28.10.2021, 13:00 Uhr (19:00 Uhr Beijing Time)
IfW Kiel, Webinar: Global China Conversations #3 Making Chinese Foreign Aid Transparent – What is Hidden in Data and Policy Documents? Mehr
29.10.2021, 16:00 Uhr (22:00 Uhr Beijing Time)
Harvard Fairbank Center, Vortrag: Connecting the World-Island: What will China’s PEACE cable bring to Pakistan and East Africa? Mehr
Die chinesische Regierung hat das vergleichsweise kritische Nachrichtenportal Caixin von der Liste der Medien gestrichen, deren Inhalte von anderen chinesischen Webseiten übernommen werden dürfen. Das schädigt die Reichweite des Nachrichtenportals erheblich. Die Publikation hat einen Schwerpunkt bei Finanz- und Wirtschaftsthemen. Sie hat sich trotz der staatlichen Zensur ein erhebliches Maß an Unabhängigkeit bewahrt und gilt daher als wichtige Quelle zu den Geschehnissen in China. Caixin erscheint auf Chinesisch und auf Englisch. Die Themensetzung ist kreativer als bei den Staatsmedien. Die Redaktion genießt einen exzellenten Ruf.
Die offizielle Liste der zur Weiterveröffentlichung zugelassenen Medien hat erhebliche Bedeutung für Chinas Verlage. Sie gibt an, welche Nachrichtenquellen chinesische Webseiten übernehmen dürfen. Auf Chinas News-Portalen finden sich viele Artikel, die von Zeitungen, Zeitschriften und Online-Medien herübergezogen werden; die Herkunftsangabe findet sich dann samt Link in der Autorenzeile. Das verschafft den Originalseiten sowohl Klicks als auch Glaubwürdigkeit bei Suchmaschinen. Wer jetzt Texte von Caixin lesen will, muss die Webseite direkt ansteuern.
Die Internetaufsicht hat die Löschung von Caixin nun mit inhaltlichen Mängeln begründet. Die Artikel “erreichen nicht mehr die nötigen Standards und es mangelt ihnen an Einfluss”, zitiert die Nachrichtenagentur AP ein Dokument der Cyberspace Administration. Die Behörde müsse die “Glaubwürdigkeit” der Liste schützen, indem sie unzuverlässige Medien aussortiere.
Bevor Xi Jinping die Medien wieder an die kurze Leine genommen hat, konnte sich Caixin einen Namen machen mit Berichten über Missstände und Korruption. Auch heute hat Caixin einen vergleichsweise aufmüpfigen Ansatz. Gründerin Hu Shuli konnte dank guter Vernetzung in der Politik die schlimmsten Eingriffe in die Arbeit ihrer Redaktion verhindern. fin
Das Europaparlament hat sich mit großer Mehrheit für engere Beziehungen zu Taiwan ausgesprochen. 580 Abgeordnete stimmten dafür, lediglich 26 EU-Abgeordnete sprachen sich dagegen aus. Das EU-Parlament legt damit unter anderem eine Grundlage für ein neues bilaterales Investitionsabkommen mit Taipeh. Die wichtigsten Punkte des Beschlusses:
Der Beschluss des EU-Parlaments ist nicht bindend für die EU-Kommission. Die Brüsseler Behörde muss allerdings im Zeitraum von drei Monaten darauf reagieren. EU-Kommissionsvize Margrethe Vestager hatte in dieser Woche bereits betont, dass die EU stärker auf die Bedrohung Taiwans durch China reagieren müsse (China.Table berichtete). ari
Chinas Vizepremier Liu He hat sich erstmals öffentlich zu der Immobilien- und Evergrande-Krise geäußert. Obwohl es einige Probleme auf dem Immobilienmarkt gebe, seien die Risiken im Allgemeinen unter Kontrolle. Der Gesamttrend der gesunden Entwicklung des Immobilienmarktes werde sich nicht ändern, sagte Liu während eine Rede auf einem Finanzforum in Peking.
China werde die Prävention und Kontrolle finanzieller Risiken koordinieren und die Ausfallrisiken einiger großer Unternehmen angemessen handhaben, sagte Liu weiter. Er betonte, dass das Finanzsystem der Realwirtschaft besser dienen sollte und kündigte an, für geldpolitische Anpassungen zu sorgen.
Bereits im August sind die Verkäufe im Immobilienbereich um 20 Prozent zurückgegangen und erstmals seit Anfang 2020 gefallen. Die Rate der gescheiterten Landauktionen stieg auf den höchsten Stand seit mindestens 2018, wie Caixin berichtete. Aufgrund der Schuldenkrise um den Immobilienentwickler Evergrande ist der Umsatz der 100 größten Bauträger im Land im September um 36 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen.
Die Angst vor einer Ausdehnung der von Evergrande ausgehenden Schuldenkrise hat sich nach einem überraschenden Zahlungsausfall der Fantasia Holdings Group und einer Welle von Herabstufungen der Kreditwürdigkeit anderer Entwickler verstärkt (China.Table berichtete).
Trotzdem hatten Beamte, darunter der Gouverneur der Zentralbank, Yi Gang, und Zou Lan, der Leiter der Finanzmarktabteilung der Zentralbank, zuletzt zugesichert, dass die von Evergrande ausgehenden Risiken für das Finanzsystem eingedämmt werden können. niw
Die südchinesische Industriehochburg Guangdong will die staatlich festgelegten Strompreise für industrielle und gewerbliche Nutzer abschaffen, wie Bloomberg berichtet. Industrielle Nutzer, die Hochspannungsstrom benötigen, müssen ihren gesamten Stromverbrauch demnach ab sofort über öffentliche Auktionen zu Marktpreisen beziehen. Die neuen Regeln würden nicht für landwirtschaftliche Stromverbraucher und die Bürger und Bürgerinnen gelten.
Erst vor zwei Wochen hatte der chinesische Staatsrat eine neue Richtlinie erlassen, nach der die Strompreise für besonders energieintensive Industrien keiner Obergrenze mehr unterliegen sollen (China.Table berichtete). Die Reform in Guangdong ist vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise Chinas zu sehen.
Bisher war es Kohlekraftwerken kaum gestattet, hohe Kohlepreise an die Stromverbraucher weiterzugeben. Die Strompreise waren zu großen Teilen staatlich festgelegt und konnten nur minimal schwanken. Dadurch konnten nur noch wenige Kraftwerke profitabel wirtschaften. Sie drosselten die Stromproduktion (China.Table berichtete). nib
Chinas Führung lässt sich auf den erneuten Wettstreit der Systeme ein, nachdem US-Präsident Joe Biden das Motto dafür ausgab: “Demokratie gegen Autoritarismus”. Parteichef Xi Jinping hält mit: “Wirkliche Demokratie gegen falsche Demokratie” heißt seine Antwort. Auf einer Pekinger Klausurkonferenz in der vergangenen Woche gab er den Startschuss dazu. Er lobte Chinas System des Volkskongress (NPC), das im Westen als “Pseudoparlament” bezeichnet wird. Im chinesischen Volksmund hießen die sich einmal jährlich in Pekings “Großen Halle des Volkes” treffenden Abgeordneten einst nur die “Handhochheber”, weil sie zu 100 Prozent durchwinkten, was ihnen die Regierung auftischte.
Inzwischen dürfen sie per elektronischem Knopfdruck abstimmen, müssen das allerdings so offen tun, dass ihr Sitznachbar mitbekommt, wenn sie auf Nein drücken. Xi aber preist das System der Volkskongresse als Kennzeichen für eine lupenreine Demokratie, in die sich Chinas sozialistisches Herrschaftssystem besonders seit seiner Führung verwandelt hat. Er erfand sogar ein eigenes Wort dafür, dahinter steckt Kalkül.
Zwei Tage lang tagten die 300 Mitglieder des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei in verschwiegener Klausur. Von ihrem Treffen – am Mittwoch und Donnerstag vergangener Woche – erfuhr die Öffentlichkeit erst, nachdem es vorbei gewesen war. Erst am Donnerstagabend enthüllten die CCTV-Hauptnachrichten in einer 15 Minuten langen Zusammenfassung, was Xi sagte. Vor Chinas mächtigsten Funktionären, von denen kein einziger frei und demokratisch gewählt ist, nannte er das Volkskongress-System “ein brandneues politisches System der Demokratie, das von großer Bedeutung für die Geschichte der politischen Entwicklung in China und selbst für die Geschichte der weltpolitischen Entwicklung ist.”
Weil mit dem traditionellen Begriff der “Volksdemokratie” allein heute propagandistisch kein Staat mehr zu machen ist, da es an den verhärmten Ostblock-Look erinnert, prägte Xi das neue Wort von einer “allseitig prozeduralen Volksdemokratie” (全过 程人民民主). Danach seien Volkskongresse die “Kette verbundener Einzelglieder einer allumfassenden und alles abdeckenden, am weitesten reichenden, wahrhaftigstem und effektivstem sozialistische Demokratie” (是全链条、全方位、全覆盖的民主,是最广泛、最真实、最管用的社会主义民主).
Über das westliche System höhnte er nur: “Es ist keine wirkliche Demokratie, wenn das Volk nur zur Wahlzeit aufgeweckt, danach aber wieder schlafen gelegt wird; wenn es nur während der Wahlen schönste Parolen zu hören bekommt, danach aber nicht das Geringste zu sagen hat, wenn ihm nur zur Stimmabgabe geschmeichelt wird, es danach aber ins Dunkel fällt.” ( 如果人民只有在投票时被唤醒、投票后就进入休眠期,只有竞选时聆听天花乱坠的口号、竞选后就毫无发言权,只有拉票时受宠、选举后就被冷落,这样的民主不是真正的民主)。
Warum versteigt sich Xi zu solchen ideologischen Klimmzügen und behauptet, dass Chinas Demokratie für eine “geordnete und rechtliche Nachfolge der Führung”, für “wirksame Kontrolle und Überwachung der Macht”, für “breiteste Partizipation der Bevölkerung” sorgt? Nach Ansicht der Hongkonger South China Morning Post (SCMP) reagiert Peking auf die für Dezember angekündigten beiden großen Demokratiegipfel, die US-Präsident Joe Biden gegen China organisieren will. Xi spielte in seiner Rede darauf an: Der Wettbewerb der politischen Systeme sei ein “Schlüsselpunkt” für den Wettbewerb zwischen Nationen und könnte zum “entscheidenden Vorteil” für ein Land werden, um die “strategische Initiative zu gewinnen.”
Xis Kalkül geht darüber hinaus: Mit seiner Konferenz entmündigte er den viel gelobten Volkskongress (NPC). Die Nachrichtenagentur Xinhua enthüllte, es sei “das erste Mal in der Geschichte der KP-China und in der Geschichte der Arbeit des Volkskongresses, dass das Zentralkomitee der Partei eine Arbeitskonferenz zum NPC abhält.” Die Konferenz trug den Titel “ZK-Arbeitskonferenz zum Volkskongress”. (中央人大工作会议). Dahinter versteckt sich Xis Botschaft für den kommenden Wahl-Parteitag 2022, auf dem er seine Alleinherrschaft verlängern lassen will: Chinas Partei braucht keine politischen Reformen, die den Volkskongress ermächtigen könnten, ihre absolute Herrschaft einzuschränken. Schließlich sei der Volkskongress bereits ein perfektes demokratisches System.
In Wahrheit spielt sich im sozialistischen Parlament Chinas jedes Jahr das gleiche Schauspiel ab, wenn seine rund 3.000 stimmberechtigten Abgeordneten sich zur NVK-Tagung versammeln. Chinas Ministerpräsident eröffnet zum festgelegten Termin am 5. März die zehn bis 14 Tage dauernde Mammutsitzung mit einem Rechenschaftsbericht zur Lage der Nation. Zugleich stellt er auch den neuen Jahresplan, Gesetze und Vorhaben der Regierung vor. Akkreditierte Korrespondenten dürfen sich in den Folgetagen anhören, was die Abgeordneten dazu sagen. Unterteilt in Dutzende Kleingruppen lesen sie vorbereitete Lobreden vor. Manchmal ergänzen sie das Gehörte mit konstruktiven Vorschlägen.
Besondere Erinnerungen an Chinas jährliche Parlamentsshow steckten in meinem Umzugsgepäck, als ich Ende 2019 nach 22 Jahren Pekinger Korrespondententätigkeit nach Deutschland zurückkehrte. Ich brachte eine kleine Sammlung mehrfarbiger Bleistifte, Anspitzer, Notizpapier und Radiergummis mit, die aus dem Sitz des Volkskongresses stammten. Auf ihnen stand der Aufdruck “Große Halle des Volkes” ebenso wie auf Kämmen oder Schuhputzzeug. Auf allem, was ein chinesischer Volksabgeordneter so braucht, um seine parlamentarischen Aufgaben zu erfüllen. Staatsbetriebe der Leichtindustrie versorgen damit die Abgeordneten.
Nach außen lässt Peking den Anschein erwecken, dass seine Volksvertreter ernsthaft etwas zu Sagen oder zu Schreiben hätten. Das Handwerkszeug dafür liegt in kleinen Mitnahmeablagen am Eingang ihrer Sitzungsräume aus. Ich packte mir jeweils einige Bleistifte und andere Utensilien nach Ende der Debatten ein. Die Radiergummis hatten es mir besonders angetan. Jedes Jahr schaute ich nach, ob in der viel beschworenen neuen Ära die mit dem IT-Zeitalter nicht kompatiblen Radierer verschwunden waren. Aber nichts änderte sich, Jahr um Jahr, so wie auch beim Volkskongress selbst. Trotz erlaubter “Nein”-Stimmen habe ich nie erlebt, dass Chinas Abgeordnete jemals ein Vorhaben der Regierung abgelehnt haben.
China koppelt sich unter Xi immer stärker von der Welt ab. Er stellt nicht mehr nur seine eigenständige Entwicklung, Geschichte, Kultur, Werte heraus. Nun will es weltweit in Technik und Gesellschaft seine Standards setzen. Und China beschwört neben seiner eigenen Version von Marktwirtschaft und Globalisierung nun auch noch die eigene Demokratie, die allen überlegen ist.
Alexander Ron ist seit Anfang September als IT-Experte bei FAW-Volkswagen in Changchun tätig. Er arbeitete zuvor für die Audi AG in Ingolstadt.
Matthias Dünckelmeyer ist neuer Senior Manager Middle- und Backoffice für das BMW Treasury Center in Peking. Dünckelmeyer war zuvor in verschiedenen Positionen bei BMW in Deutschland tätig.
Die 88-Meter-Superyacht ZEN von Jack Ma, Gründer des Online-Giganten Alibaba, liegt derzeit vor der Bucht von Santa Ponsa in Spanien. Ma selbst soll derzeit dort die spanische Sonne genießen. Und Entspannung hat er wahrscheinlich bitter nötig: Peking hatte Alibabas Geschäftspraktiken als ersten der Techgiganten im Land unter die Lupe genommen und den Börsengang des Finanzarms verhindert. Jack Ma war zuvor bei Chinas Führung in Ungnade gefallen, als er sich im Oktober vergangenen Jahres abfällig über die Finanzaufsicht geäußert hatte. Ma war im Anschluss für 87 Tage aus der Öffentlichkeit verschwunden – und trat erst wieder in Erscheinung, um die chinesische Regierung für den Erfolg zur Bekämpfung der Armut zu loben. Nun ist er zum ersten Mal seitdem außer Landes und erholt sich in Mallorca.
Europa bezieht 95 Prozent seines Magnesiums aus China. Christiane Kühl analysiert, wie lange die jetzigen Magnesiumvorräte in Deutschland und Europa noch reichen würden, wenn China infolge der Stromkrise die Produktion stoppt. Eins ist jetzt schon klar, sollten zusätzlich zu den Lieferengpässen auch noch die bisher zugesicherten Lieferungen per Schiff nicht rechtzeitig oder gar nicht ankommen, drohen für große Teile der Industrie härtere Probleme als nur Versorgungsengpässe.
Der Display- und Smartphone-Hersteller Royole aus Shenzhen ist der einzige Hersteller von flexiblen Displays, der die strengen Sicherheitsauflagen für Flugzeugkabinen erfüllt. Woran Royole nun mit Airbus arbeitet, um die Unterhaltung auf Flügen zu revolutionieren, hat sich Frank Sieren für uns genauer angeschaut.
Johnny Erling deckt auf, warum Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping nun das System des Volkskongresses lobt. Dass Xi ausgerechnet den Volkskongress, der im Westen als “Pseudoparlament” bezeichnet wird, darauf einschwören will, was eine “wirkliche Demokratie gegen falsche Demokratie” ist, hat vor allem egoistische Gründe. Er will im kommenden Jahr wiedergewählt werden. Und das mit allen Mitteln. Die Erinnerungsstücke, die Johnny Erling dabei in 22 Jahren als Korrespondent bei den Volkskongressen gesammelt hat, zeigen augenzwinkernd, was ein chinesischer Volksabgeordneter so braucht, um seine parlamentarischen Aufgaben zu erfüllen.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende
Chinas Stromkrise zieht immer weitere Kreise. Nun geht der Welt das Nichteisenmetall Magnesium verloren, da zwei chinesische Provinzen die Produktion bis Jahresende gestoppt oder reduziert haben, um ihre Energiesparziele zu erreichen. Der Sektor ist dafür verlockend, denn die Gewinnung dieses Metalls ist sehr energieintensiv.
Magnesium ist ein wesentlicher Rohstoff der Aluminium-Industrie. Es erhöht als sogenanntes Legierungsmittel die Festigkeit des Aluminiums. Und China hat mit einem Anteil von 87 Prozent an der globalen Magnesiumproduktion heute ein nahezu vollständiges Monopol. Etwa 45 Prozent aller chinesischen Ausfuhren sind für Europa bestimmt. China stillt 95 Prozent des europäischen Bedarfs. Europa ist also besonders schwer getroffen. Die USA haben immerhin noch einen eigenen Produzenten, US Magnesium.
Die Magnesiumproduktion in China ist so stark konzentriert, dass eine einzige Region diese Krise auslösen konnte. Ein Großteil des Metalls stammt aus einer einzigen Stadt namens Yulin in der Provinz Shaanxi. Anfang Oktober ordnete die lokale Regierung die Schließung von 35 ihrer 50 Magnesiumhütten bis Ende des Jahres an. Den Rest forderte sie auf, die Produktion um 50 Prozent zu drosseln. Auch in kleineren Produktionsstandorten der benachbarten Provinz Shanxi gibt es ähnliche Vorgaben.
Dazu muss man wissen, dass zur Herstellung vieler Nichteisenmetalle vor allem Strom benötigt wird – und weniger Brennstoffe. Um eine Tonne Magnesium zu produzieren, fallen satte 35-40 Megawattstunden (MWh) Elektrizität an. Für eine Tonne Primäraluminium sind es zwischen 15 und 20 MWh pro Tonne. Andere Metalle wie Kupfer, Zink oder Blei benötigen viel weniger Strom.
Neben Magnesium-Produktionen wurden daher auch Aluminiumschmelzen zur Drosselung ihrer Produktion aufgefordert, etwa in Yunnan, Guangxi und Xinjiang. Mehr als zwei Millionen Tonnen aktiver Alu-Kapazität waren seit September betroffen, schreibt die Analystin Yao Wenyu von der Bank ING. Yao sieht dies in direkter Verbindung mit den Klimazielen der Regierung – zumal bei Aluminium laut ihrer Studie der Ausstoß von Treibhausgasen pro Tonne wesentlich höher ist als bei allen anderen Metallen.
Bei Magnesium kommt erschwerend hinzu, dass es nicht lange gelagert werden kann: Es beginnt nach drei Monaten zu oxidieren. Die jetzigen Vorräte in Deutschland und Europa seien spätestens Ende November 2021 erschöpft, erwartet die Wirtschaftsvereinigung (WV) Metalle. “Die Lage ist schwer einzuschätzen”, sagt VW Metalle-Hauptgeschäftsführerin Franziska Erdle zu China.Table. “Denn die Unternehmen wissen nicht, ob die noch zugesicherten Lieferungen, die auf dem Schiffsweg nach Europa sein sollen, auch tatsächlich ankommen.”
Die Lieferengpässe gefährden die gesamte globale Aluminium-Wertschöpfungskette. Zumal auch die Preise gewaltig steigen: Importiertes Magnesium kostet in Europa heute rund 9000 US-Dollar pro Tonne, 75 Prozent mehr als vor einem Monat. Hinzu kommen die steigenden Strompreise infolge der globalen Energiekrise. Vom Magnesiummangel sind Branchen wie Auto, Bau, Verpackung oder Maschinenbau betroffen. Abseits vom Aluminium findet Magnesium zudem auch in der Eisen- und Stahlerzeugung sowie im Druckguss Verwendung.
Besonders betroffen ist die bereits vom weltweiten Chipmangel gebeutelte Autoindustrie (China.Table berichtete). 35 Prozent der Nachfrage nach Magnesium sei für Autobleche, zitiert die Financial Times den Barclays-Analysten Amos Fletcher. Bei Alu-Blechen gebe es für das Material keinen Ersatz: “Wenn die Magnesiumversorgung versiegt, wird möglicherweise die gesamte Automobilindustrie zu einem Halt gezwungen.” Alu-Legierungen mit Magnesium kommen neben den Blechen auch in Getrieben, Lenksäulen, Sitzrahmen und Tankdeckeln zum Einsatz.
Die WV Metalle und andere Verbände forderten die Bundesregierung daher auf, “dringend diplomatische Gespräche mit China einzuleiten.” Man erwarte eine Lage ähnlich der Chip-Krise. Magnesium steht seit 2017 auf der Liste der kritischen Rohstoffe der EU. Politisch-strategische Überlegungen und Maßnahmen zur Sicherstellung des Lieferflusses blieben laut WV Metalle bislang jedoch aus.
Parallel forderte der Verband European Aluminium, dem viele Großkonzerne wie Norsk Hydro oder Alcoa angehören, die EU-Kommission auf, mit China zu verhandeln. Magnesium sollte in denselben Foren diskutiert werden wie die Halbleiter. Die aktuelle Krise sei “ein klares Beispiel für das Risiko, das die EU eingeht, indem sie ihre Binnenwirtschaft von chinesischen Importen abhängig macht”, kritisierte der Verband in einem Positionspapier. Die EU sei zum Thema bereits in Kontakt mit China, sagte ein Offizieller dem US-Nachrichtenportal Politico, ohne Details zu nennen.
Magnesium sei nur ein Stoff in einer langen Liste von Produktionsverlusten seit Anfang der 1990er Jahre. so European Aluminium. Die Produktion von Primäraluminium – also neuem, nicht recyceltem Alu – habe seit 2008 mehr als 30 Prozent ihrer Kapazität verloren. “Parallel dazu hat China die Alu-Produktionskapazitäten kontinuierlich erhöht”, so das Positionspapier. Der Anteil Chinas an der weltweiten Magnesiumproduktion sei von 12 Prozent in 2000 auf die heutigen 87 Prozent gestiegen – bei einem Marktvolumen von inzwischen 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr.
2001 hatte Europa die letzte heimische Magnesiumproduktion aus Kostengründen aufgegeben, da sie mit billigen Importen aus China nicht mithalten konnten. Diese Einfuhren bezeichnen WV Metalle und European Aluminium heute als “Dumping”. “Magnesium ist kein seltener Rohstoff. Er kommt weltweit vor”, sagt Erdle. “Die Herstellung in Europa ist jedoch auf wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen angewiesen.” Diese seien in Europa nicht gegeben. Einer Wiederansiedlung der energieintensiven Produktion in der EU stehen nach Ansicht des Verbands die “aktuell drastisch gestiegenen Industriestrompreise und die unabsehbare Entwicklung der Energiekosten” entgegen.
Die Magnesiumkrise ist letztlich ein weiteres Beispiel dafür, wie sich Europa in einer anderen Zeit relativ gedankenlos von Lieferungen aus China abhängig gemacht hat. In den Nullerjahren stand globale Arbeitsteilung hoch im Kurs. Niemand wollte teurere Vorprodukte kaufen, bloß weil sie daheim produziert wurden. Um den Nachschub sorgte man sich nicht – also wurde die heimische Fertigung auch nicht etwa durch EU-Schutzzölle auf chinesische Magnesium-Importe geschützt. Ähnliche Probleme gibt es etwa bei Seltenen Erden, deren schmutzige Gewinnung im Westen wegen der Umweltschäden aufgegeben wurde. Auch das führte zu einer marktbeherrschenden Stellung Chinas bei den eigentlich gar nicht so “seltenen” Mineralien.
Belastbare Informationen über weitere Bezugsquellen für Magnesium außerhalb Chinas liegen WV Metalle nach eigenen Angaben nicht vor. Kurzfristig müssen sich also alle mit der Lage arrangieren. Der Verband fordert aber langfristig “eine industriepolitische Strategie Deutschlands für den gesicherten Zugang zu Industriemetallen.” Gemeinsam mit der EU müssten “mittel- und langfristige wirksame Maßnahmen zur Aufrechterhaltung funktionierender und zukunftsfähiger Wertschöpfungsketten ergriffen werden.” European Aluminium forderte etwas direkter formuliert Maßnahmen zur Verteidigung gegen unfair subventionierte Importe aus China.
Ein weiterer Ausweg könnte eine weitere Stärkung der Kreislaufwirtschaft sein. In Deutschland wird schon heute mehr recyceltes Aluminium produziert als Neualuminium. So werden etwa im Verkehrs- und Bausektor 95 Prozent wiederverwendet. Auch Verpackungen werden zu etwa 90 Prozent recycelt. Die Herstellung dieses sogenannten Sekundäraluminiums benötigt gerade einmal fünf Prozent der Energie wie für Primäraluminium. In den USA durchflöhen Hersteller laut der Financial Times verstärkt Aluschrott nach Magnesium, das extrahiert werden kann. Vielleicht ließe sich als vorübergehende Alternative mehr Aluschrott zum Recyceln aus dem Ausland importieren. Ob das nötig wird, hängt von der weiteren Entwicklung der Lage ab.
Royole, ein chinesisches Start-up von flexiblen Displays will zusammen mit dem europäischen Flugzeugbauer Airbus die Kabinendisplays in Flugzeugen revolutionieren. Ende September präsentierten die beiden Unternehmen einen neuen Prototyp auf der Airshow China. “Indem wir anstelle von herkömmlichen Flüssigkristalldisplays auf flexible Displays setzen, können sowohl Kosten als auch Gewicht reduziert, Treibstoff gespart und die CO2-Emissionen in Flugzeugen gesenkt werden”, erklärt Hong Zhao, COO von Royole. Das Unternehmen ist eins der zehn sogenannten Unicorns im südchinesischen Shenzhen (China.Table berichtete). Diese Start-ups sind mehr als eine Milliarde US-Dollar wert. Gegründet wurde Royole von chinesischen Stanford-Absolventen.
Ein Einsatzgebiet für die ultradünnen und ultraleichten Displays sind digitale In-Flight-Magazine. Statt aus Papier wollen Airbus und Royole diese aus flexiblen OLED-Displays herstellen, die sich wie ein Magazin auseinanderklappen und biegen lassen. Mit dem optisch an ein iPad erinnernden Gerät können Passagiere Essen bestellen, mit Kreditkarte Duty-Free-Produkte bezahlen, digitale Ausgaben von Zeitschriften und Zeitungen lesen, Filme und Musik streamen und je nach Ausstattung des Flugzeugs auch im Internet surfen.
Im Vergleich zu einem gedruckten Magazin lassen sich die Display-Magazine einfacher desinfizieren, erklärt Royole. Derzeit ist das Unternehmen der einzige Hersteller von flexiblen Displays, der die strengen Sicherheitsauflagen für Flugzeugkabinen erfüllt. Und die Displays sind viel leichter als Bildschirme und Zeitschriften aus Papier. Die Bildschirme sollen bald in ausgewählten Flugzeugen von Airbus getestet werden. Seit 2019 hat Airbus ein Innovationszentrum in Shenzhen. Dort ist auch Royoles Produktion ansässig.
Royole ist heute der globale Marktführer auf dem Gebiet flexibler Displays. Die 2012 gegründete Firma hat Niederlassungen in Peking, Hongkong, Japan, Kalifornien und den Niederlanden.
Seit seiner Gründung hat Royole mehrere Meilensteine erreicht, darunter das weltweit erste faltbare Smartphone für den Massenmarkt. Das Flexpai wurde 2018 vorgestellt. Erste Tests fielen aufgrund einer unhandlichen Mittelfalte jedoch enttäuschend aus. Inzwischen haben allerdings die großen Smartphone-Hersteller die Technologie übernommen und verbessert. Bereits 2014 hat das Unternehmen den dünnsten, voll flexiblen Farbbildschirm (FDD) auf den Markt gebracht.
Wohl auch um eigene Entwicklungen zu inspirieren, brachte Royole im Sommer dieses Jahres ein Entwicklerset auf den Markt, mit dem Bastler ein eigenes Android-Gerät mit biegsamen Displays herstellen können. Im sogenannten Rokit-Set, das in einem Werkzeugkoffer aus Aluminium untergebracht ist, befindet sich ein 7,8 Zoll (20 cm) großes OLED-Display mit einer Auflösung von 1920 x 1080 Pixel. Außerdem ein Microcontroller mit 3 GByte RAM und 32 GByte Speicher. Die Bastler bekommen auch Erweiterungsplatinen, Kabel und WLAN-Antennen. Preis: 960 US-Dollar.
Im Mai dieses Jahres stellte Royole außerdem ein serienreifes Micro-LED-Display vor, das sich weit dehnen, auseinanderziehen, zusammenrollen und sogar zur Kugel verformen lässt. Es lässt sich also im Grunde in jede denkbare Form gestalten. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Oberflächen von Gegenständen und Bildschirmen zusammenwachsen, was wiederum Platz spart. Das Mikro LED Demo Panel hat eine Größe von 96 × 60, kann bis auf 130 Prozent gedehnt und um bis zu 40 Grad gebogen werden und hat eine Auflösung von 120 pixels per inch (PPI).
Flexible Displays sind nach wie vor eine Nische. Sie haben jedoch großes Potenzial, die Tech- und Gadget-Welt auf den Kopf zu stellen. Mobile Geräte können so jede Form annehmen, Sonnenbrillen und Windschutzscheiben werden durch die transparente Oberfläche zu Smart Devices, Globen und Karten zu interaktiven Werkzeugen.
Sogar Kleidung kann durch flexible Displays smarte Funktionen erhalten. Etwa in Form von funktionaler Sportswear oder Patches, die man sich auf die Haut klebt und die Körperfunktionen messen. Auf der Cruise 2020 Fashionshow in New York stellten Royole und Louis Vuitton bereits eine gemeinsam entworfene Taschenkollektion vor, die mit voll flexiblem Display und Sensoren ausgestattet ist. Auf den Seiten der Handtaschen erscheinen Bilder und Videos, die über eine Touchscreen-Schnittstelle gesteuert werden können. Die Entwicklung dauerte laut der Hersteller mehr als zwei Jahre. Während des Entwicklungsprozesses hat Royole mehr als 80 weltweite Patente angemeldet.
25.10.2021, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing Time)
Dezan Shira & Associates, Webinar: Intellectual Property: Critical Issues in China Mehr
27.10.2021, 18:30 Uhr (00:30 Uhr Beijing Time)
Harvard Fairbank Center, Vortrag: Critical Issues Confronting China Lecture Series featuring Bill Bikales – From Poverty Eradication to Common Prosperity: Reflections on Recent Poverty Achievements and Implications for the Next Phase of Development Mehr
27.10.2021, 09:00 Uhr (15:00 Uhr Beijing Time)
Rödle & Partner, Webinar: The German Supply Chain Act in Asia Mehr
27.10.2021, 18:00 Uhr
Konfuzius-Institut Düsseldorf, Vortrag (Präsenzveranstaltung): Der Konfuzianismus: Grundlage einer chinesischen Identität – und seine Renaissance im heutigen China Mehr
28.10.2021, 09:30 Uhr (15:30 Uhr Beijing Time)
Dezan Shira & Associates, Webinar: Know Your Chinese Partners: Case Studies for De-Risking and Managing Your Business Mehr
28.10.2021, 11:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing Time)
Asia Scotland Institute, Vortrag: Evergrande and the China Property Bubble – Business and the Politics Mehr
28.10.2021, 13:00 Uhr (19:00 Uhr Beijing Time)
IfW Kiel, Webinar: Global China Conversations #3 Making Chinese Foreign Aid Transparent – What is Hidden in Data and Policy Documents? Mehr
29.10.2021, 16:00 Uhr (22:00 Uhr Beijing Time)
Harvard Fairbank Center, Vortrag: Connecting the World-Island: What will China’s PEACE cable bring to Pakistan and East Africa? Mehr
Die chinesische Regierung hat das vergleichsweise kritische Nachrichtenportal Caixin von der Liste der Medien gestrichen, deren Inhalte von anderen chinesischen Webseiten übernommen werden dürfen. Das schädigt die Reichweite des Nachrichtenportals erheblich. Die Publikation hat einen Schwerpunkt bei Finanz- und Wirtschaftsthemen. Sie hat sich trotz der staatlichen Zensur ein erhebliches Maß an Unabhängigkeit bewahrt und gilt daher als wichtige Quelle zu den Geschehnissen in China. Caixin erscheint auf Chinesisch und auf Englisch. Die Themensetzung ist kreativer als bei den Staatsmedien. Die Redaktion genießt einen exzellenten Ruf.
Die offizielle Liste der zur Weiterveröffentlichung zugelassenen Medien hat erhebliche Bedeutung für Chinas Verlage. Sie gibt an, welche Nachrichtenquellen chinesische Webseiten übernehmen dürfen. Auf Chinas News-Portalen finden sich viele Artikel, die von Zeitungen, Zeitschriften und Online-Medien herübergezogen werden; die Herkunftsangabe findet sich dann samt Link in der Autorenzeile. Das verschafft den Originalseiten sowohl Klicks als auch Glaubwürdigkeit bei Suchmaschinen. Wer jetzt Texte von Caixin lesen will, muss die Webseite direkt ansteuern.
Die Internetaufsicht hat die Löschung von Caixin nun mit inhaltlichen Mängeln begründet. Die Artikel “erreichen nicht mehr die nötigen Standards und es mangelt ihnen an Einfluss”, zitiert die Nachrichtenagentur AP ein Dokument der Cyberspace Administration. Die Behörde müsse die “Glaubwürdigkeit” der Liste schützen, indem sie unzuverlässige Medien aussortiere.
Bevor Xi Jinping die Medien wieder an die kurze Leine genommen hat, konnte sich Caixin einen Namen machen mit Berichten über Missstände und Korruption. Auch heute hat Caixin einen vergleichsweise aufmüpfigen Ansatz. Gründerin Hu Shuli konnte dank guter Vernetzung in der Politik die schlimmsten Eingriffe in die Arbeit ihrer Redaktion verhindern. fin
Das Europaparlament hat sich mit großer Mehrheit für engere Beziehungen zu Taiwan ausgesprochen. 580 Abgeordnete stimmten dafür, lediglich 26 EU-Abgeordnete sprachen sich dagegen aus. Das EU-Parlament legt damit unter anderem eine Grundlage für ein neues bilaterales Investitionsabkommen mit Taipeh. Die wichtigsten Punkte des Beschlusses:
Der Beschluss des EU-Parlaments ist nicht bindend für die EU-Kommission. Die Brüsseler Behörde muss allerdings im Zeitraum von drei Monaten darauf reagieren. EU-Kommissionsvize Margrethe Vestager hatte in dieser Woche bereits betont, dass die EU stärker auf die Bedrohung Taiwans durch China reagieren müsse (China.Table berichtete). ari
Chinas Vizepremier Liu He hat sich erstmals öffentlich zu der Immobilien- und Evergrande-Krise geäußert. Obwohl es einige Probleme auf dem Immobilienmarkt gebe, seien die Risiken im Allgemeinen unter Kontrolle. Der Gesamttrend der gesunden Entwicklung des Immobilienmarktes werde sich nicht ändern, sagte Liu während eine Rede auf einem Finanzforum in Peking.
China werde die Prävention und Kontrolle finanzieller Risiken koordinieren und die Ausfallrisiken einiger großer Unternehmen angemessen handhaben, sagte Liu weiter. Er betonte, dass das Finanzsystem der Realwirtschaft besser dienen sollte und kündigte an, für geldpolitische Anpassungen zu sorgen.
Bereits im August sind die Verkäufe im Immobilienbereich um 20 Prozent zurückgegangen und erstmals seit Anfang 2020 gefallen. Die Rate der gescheiterten Landauktionen stieg auf den höchsten Stand seit mindestens 2018, wie Caixin berichtete. Aufgrund der Schuldenkrise um den Immobilienentwickler Evergrande ist der Umsatz der 100 größten Bauträger im Land im September um 36 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen.
Die Angst vor einer Ausdehnung der von Evergrande ausgehenden Schuldenkrise hat sich nach einem überraschenden Zahlungsausfall der Fantasia Holdings Group und einer Welle von Herabstufungen der Kreditwürdigkeit anderer Entwickler verstärkt (China.Table berichtete).
Trotzdem hatten Beamte, darunter der Gouverneur der Zentralbank, Yi Gang, und Zou Lan, der Leiter der Finanzmarktabteilung der Zentralbank, zuletzt zugesichert, dass die von Evergrande ausgehenden Risiken für das Finanzsystem eingedämmt werden können. niw
Die südchinesische Industriehochburg Guangdong will die staatlich festgelegten Strompreise für industrielle und gewerbliche Nutzer abschaffen, wie Bloomberg berichtet. Industrielle Nutzer, die Hochspannungsstrom benötigen, müssen ihren gesamten Stromverbrauch demnach ab sofort über öffentliche Auktionen zu Marktpreisen beziehen. Die neuen Regeln würden nicht für landwirtschaftliche Stromverbraucher und die Bürger und Bürgerinnen gelten.
Erst vor zwei Wochen hatte der chinesische Staatsrat eine neue Richtlinie erlassen, nach der die Strompreise für besonders energieintensive Industrien keiner Obergrenze mehr unterliegen sollen (China.Table berichtete). Die Reform in Guangdong ist vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise Chinas zu sehen.
Bisher war es Kohlekraftwerken kaum gestattet, hohe Kohlepreise an die Stromverbraucher weiterzugeben. Die Strompreise waren zu großen Teilen staatlich festgelegt und konnten nur minimal schwanken. Dadurch konnten nur noch wenige Kraftwerke profitabel wirtschaften. Sie drosselten die Stromproduktion (China.Table berichtete). nib
Chinas Führung lässt sich auf den erneuten Wettstreit der Systeme ein, nachdem US-Präsident Joe Biden das Motto dafür ausgab: “Demokratie gegen Autoritarismus”. Parteichef Xi Jinping hält mit: “Wirkliche Demokratie gegen falsche Demokratie” heißt seine Antwort. Auf einer Pekinger Klausurkonferenz in der vergangenen Woche gab er den Startschuss dazu. Er lobte Chinas System des Volkskongress (NPC), das im Westen als “Pseudoparlament” bezeichnet wird. Im chinesischen Volksmund hießen die sich einmal jährlich in Pekings “Großen Halle des Volkes” treffenden Abgeordneten einst nur die “Handhochheber”, weil sie zu 100 Prozent durchwinkten, was ihnen die Regierung auftischte.
Inzwischen dürfen sie per elektronischem Knopfdruck abstimmen, müssen das allerdings so offen tun, dass ihr Sitznachbar mitbekommt, wenn sie auf Nein drücken. Xi aber preist das System der Volkskongresse als Kennzeichen für eine lupenreine Demokratie, in die sich Chinas sozialistisches Herrschaftssystem besonders seit seiner Führung verwandelt hat. Er erfand sogar ein eigenes Wort dafür, dahinter steckt Kalkül.
Zwei Tage lang tagten die 300 Mitglieder des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei in verschwiegener Klausur. Von ihrem Treffen – am Mittwoch und Donnerstag vergangener Woche – erfuhr die Öffentlichkeit erst, nachdem es vorbei gewesen war. Erst am Donnerstagabend enthüllten die CCTV-Hauptnachrichten in einer 15 Minuten langen Zusammenfassung, was Xi sagte. Vor Chinas mächtigsten Funktionären, von denen kein einziger frei und demokratisch gewählt ist, nannte er das Volkskongress-System “ein brandneues politisches System der Demokratie, das von großer Bedeutung für die Geschichte der politischen Entwicklung in China und selbst für die Geschichte der weltpolitischen Entwicklung ist.”
Weil mit dem traditionellen Begriff der “Volksdemokratie” allein heute propagandistisch kein Staat mehr zu machen ist, da es an den verhärmten Ostblock-Look erinnert, prägte Xi das neue Wort von einer “allseitig prozeduralen Volksdemokratie” (全过 程人民民主). Danach seien Volkskongresse die “Kette verbundener Einzelglieder einer allumfassenden und alles abdeckenden, am weitesten reichenden, wahrhaftigstem und effektivstem sozialistische Demokratie” (是全链条、全方位、全覆盖的民主,是最广泛、最真实、最管用的社会主义民主).
Über das westliche System höhnte er nur: “Es ist keine wirkliche Demokratie, wenn das Volk nur zur Wahlzeit aufgeweckt, danach aber wieder schlafen gelegt wird; wenn es nur während der Wahlen schönste Parolen zu hören bekommt, danach aber nicht das Geringste zu sagen hat, wenn ihm nur zur Stimmabgabe geschmeichelt wird, es danach aber ins Dunkel fällt.” ( 如果人民只有在投票时被唤醒、投票后就进入休眠期,只有竞选时聆听天花乱坠的口号、竞选后就毫无发言权,只有拉票时受宠、选举后就被冷落,这样的民主不是真正的民主)。
Warum versteigt sich Xi zu solchen ideologischen Klimmzügen und behauptet, dass Chinas Demokratie für eine “geordnete und rechtliche Nachfolge der Führung”, für “wirksame Kontrolle und Überwachung der Macht”, für “breiteste Partizipation der Bevölkerung” sorgt? Nach Ansicht der Hongkonger South China Morning Post (SCMP) reagiert Peking auf die für Dezember angekündigten beiden großen Demokratiegipfel, die US-Präsident Joe Biden gegen China organisieren will. Xi spielte in seiner Rede darauf an: Der Wettbewerb der politischen Systeme sei ein “Schlüsselpunkt” für den Wettbewerb zwischen Nationen und könnte zum “entscheidenden Vorteil” für ein Land werden, um die “strategische Initiative zu gewinnen.”
Xis Kalkül geht darüber hinaus: Mit seiner Konferenz entmündigte er den viel gelobten Volkskongress (NPC). Die Nachrichtenagentur Xinhua enthüllte, es sei “das erste Mal in der Geschichte der KP-China und in der Geschichte der Arbeit des Volkskongresses, dass das Zentralkomitee der Partei eine Arbeitskonferenz zum NPC abhält.” Die Konferenz trug den Titel “ZK-Arbeitskonferenz zum Volkskongress”. (中央人大工作会议). Dahinter versteckt sich Xis Botschaft für den kommenden Wahl-Parteitag 2022, auf dem er seine Alleinherrschaft verlängern lassen will: Chinas Partei braucht keine politischen Reformen, die den Volkskongress ermächtigen könnten, ihre absolute Herrschaft einzuschränken. Schließlich sei der Volkskongress bereits ein perfektes demokratisches System.
In Wahrheit spielt sich im sozialistischen Parlament Chinas jedes Jahr das gleiche Schauspiel ab, wenn seine rund 3.000 stimmberechtigten Abgeordneten sich zur NVK-Tagung versammeln. Chinas Ministerpräsident eröffnet zum festgelegten Termin am 5. März die zehn bis 14 Tage dauernde Mammutsitzung mit einem Rechenschaftsbericht zur Lage der Nation. Zugleich stellt er auch den neuen Jahresplan, Gesetze und Vorhaben der Regierung vor. Akkreditierte Korrespondenten dürfen sich in den Folgetagen anhören, was die Abgeordneten dazu sagen. Unterteilt in Dutzende Kleingruppen lesen sie vorbereitete Lobreden vor. Manchmal ergänzen sie das Gehörte mit konstruktiven Vorschlägen.
Besondere Erinnerungen an Chinas jährliche Parlamentsshow steckten in meinem Umzugsgepäck, als ich Ende 2019 nach 22 Jahren Pekinger Korrespondententätigkeit nach Deutschland zurückkehrte. Ich brachte eine kleine Sammlung mehrfarbiger Bleistifte, Anspitzer, Notizpapier und Radiergummis mit, die aus dem Sitz des Volkskongresses stammten. Auf ihnen stand der Aufdruck “Große Halle des Volkes” ebenso wie auf Kämmen oder Schuhputzzeug. Auf allem, was ein chinesischer Volksabgeordneter so braucht, um seine parlamentarischen Aufgaben zu erfüllen. Staatsbetriebe der Leichtindustrie versorgen damit die Abgeordneten.
Nach außen lässt Peking den Anschein erwecken, dass seine Volksvertreter ernsthaft etwas zu Sagen oder zu Schreiben hätten. Das Handwerkszeug dafür liegt in kleinen Mitnahmeablagen am Eingang ihrer Sitzungsräume aus. Ich packte mir jeweils einige Bleistifte und andere Utensilien nach Ende der Debatten ein. Die Radiergummis hatten es mir besonders angetan. Jedes Jahr schaute ich nach, ob in der viel beschworenen neuen Ära die mit dem IT-Zeitalter nicht kompatiblen Radierer verschwunden waren. Aber nichts änderte sich, Jahr um Jahr, so wie auch beim Volkskongress selbst. Trotz erlaubter “Nein”-Stimmen habe ich nie erlebt, dass Chinas Abgeordnete jemals ein Vorhaben der Regierung abgelehnt haben.
China koppelt sich unter Xi immer stärker von der Welt ab. Er stellt nicht mehr nur seine eigenständige Entwicklung, Geschichte, Kultur, Werte heraus. Nun will es weltweit in Technik und Gesellschaft seine Standards setzen. Und China beschwört neben seiner eigenen Version von Marktwirtschaft und Globalisierung nun auch noch die eigene Demokratie, die allen überlegen ist.
Alexander Ron ist seit Anfang September als IT-Experte bei FAW-Volkswagen in Changchun tätig. Er arbeitete zuvor für die Audi AG in Ingolstadt.
Matthias Dünckelmeyer ist neuer Senior Manager Middle- und Backoffice für das BMW Treasury Center in Peking. Dünckelmeyer war zuvor in verschiedenen Positionen bei BMW in Deutschland tätig.
Die 88-Meter-Superyacht ZEN von Jack Ma, Gründer des Online-Giganten Alibaba, liegt derzeit vor der Bucht von Santa Ponsa in Spanien. Ma selbst soll derzeit dort die spanische Sonne genießen. Und Entspannung hat er wahrscheinlich bitter nötig: Peking hatte Alibabas Geschäftspraktiken als ersten der Techgiganten im Land unter die Lupe genommen und den Börsengang des Finanzarms verhindert. Jack Ma war zuvor bei Chinas Führung in Ungnade gefallen, als er sich im Oktober vergangenen Jahres abfällig über die Finanzaufsicht geäußert hatte. Ma war im Anschluss für 87 Tage aus der Öffentlichkeit verschwunden – und trat erst wieder in Erscheinung, um die chinesische Regierung für den Erfolg zur Bekämpfung der Armut zu loben. Nun ist er zum ersten Mal seitdem außer Landes und erholt sich in Mallorca.