die Diskussion um die Notwendigkeit von China-Kompetenz im Umgang mit der autokratischen Regierung in Peking sollte unbedingt auch in Frankreich geführt werden. Staatspräsident Macron bewies in der vergangenen Woche, wie wenig er offenbar über die Mechanismen des Zusammenspiels zwischen Partei und Staatsmedien in der Volksrepublik weiß.
Vielleicht glaubte er tatsächlich, mit seinen offenen Worten zum Verhältnis Europas zu den USA Vertrauen in Peking gewinnen, um damit mehr Einfluss auf Zhongnanhai nehmen zu können. Aber tatsächlich wurde er von den Gastgebern zum Kronzeugen europäischer Lakaienschaft umfunktioniert und zum Symbol für die Zerrissenheit der EU stilisiert. Es war beschämend anzusehen, dass der französische Präsident die Vorlage zu diesem PR-Desaster gab und damit auch dem demokratischen Taiwan einen Bärendienst erwies.
Regelrecht fatal ist daran, dass China für seine Strategie divide et impera, teile und herrsche, einen Joker geschenkt bekommen hat, der unter Garantie schon bald ins Spiel gebracht wird. Denn Macrons Charme-Offensive kann man schließlich auch als Affront gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verstehen. Während die Deutsche im Namen Europas Peking die Stirn bietet, wendet sich einer der wichtigsten Akteure von der EU-Position ab. Jede Wette: Peking wird diese Interpretation zu seinen Gunsten nutzen.
Was beim Macron-Besuch aus Sicht eines um Einigkeit bemühten Europas alles schiefging, schildert Finn Mayer-Kuckuk in seiner Analyse. Felix Lee hat derweil mit dem Demokratieforscher Alexander Görlach darüber gesprochen. Der hält die Pekinger Rhetorik zur Ukraine in vielerlei Hinsicht für substanzlos. Für Emmanuel Macron kommt dieses Interview leider eine Woche zu spät.
Nur wenige Stunden nach einem Wohlfühl-Trip Emmanuel Macrons zusammen mit Xi Jinping nach Südchina hat die chinesische Marine ein großes Manöver um Taiwan begonnen. Während mehrere Flotten eine Blockade der taiwanischen Inseln übten, sprach Macron in einem Interview davon, Europa sollte “weder den USA noch China” in der Taiwanfrage folgen. Es solle seinen eigenen Weg gehen und so zur “dritten Supermacht” werden, so der französische Präsident in einem Interview mit der Zeitung Les Echos.
Macron widersprach damit zumindest dem Geist der offensiven Rede Ursula von der Leyens von vergangener Woche. Auch gegenüber Xi nannte die EU-Kommissionspräsidentin Gewalt inakzeptabel, um den Status quo zu ändern. Statt sich nun ebenfalls in eindeutigen Worten hinter Taiwan zu stellen, signalisierte Macron Indifferenz in dieser Frage und markierte sie als machtpolitisches Projekt der USA. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hatte anders als Macron trotz aller Unschärfe in seiner Politik klar vor einem Überfall auf Taiwan gewarnt.
Mehrere Flotten hatten zwischen Samstag bis Montagabend geübt, ganz Taiwan einzukreisen und den Schiffsverkehr zu blockieren. Fiktives Operationsziel war unter anderem ein Angriff auf die Hauptinsel durch einen Flugzeugträgerverband. Peking reagierte mit der Marineübung ausdrücklich auf das Treffen der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen mit dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy in Los Angeles Ende vergangener Woche.
Die Volksbefreiungsarmee nannte die Armeeaktion eine “Warnung an separatistische Kräfte”. Die Flotten seien “nördlich und südlich der Insel Taiwan eingesetzt und patrouillieren den See- und Luftraum östlich davon”. Westlich von Taiwan liegt bekanntlich das chinesische Festland. Damit sind alle Richtungen abgedeckt. Anders als im August flogen aber keine Raketen über das taiwanische Kerngebiet hinweg.
Zwar war China nicht ganz so dreist, das Manöver schon am Donnerstag oder Freitag zu beginnen, als sowohl von der Leyen als auch Macron in Peking weilten. Am Freitag machte Macron noch seinen Abstecher ins südlich gelegene Guangzhou, bevor er nach Paris zurückflog. Der Ausflug zusammen mit Xi gilt als besondere Ehrbekundung für den französischen Präsidenten. China umwirbt ihn, weil er mit einer Wirtschaftsdelegation kam und sich grundsätzlich charmant und zugänglich gab. Macron spielte mit und zeigte sich gehörig begeistert von der Gastfreundschaft.
Xi nutzte die Gelegenheit vermutlich routinemäßig, um für eine Abkehr Frankreichs von der Zusammenarbeit mit den USA und eine Hinwendung zu China zu werben. Macron kam ihm mit dem Interview nun entgegen, indem er gleich zwei chinesische Narrative aufgriff:
Wenn die EU die Krise in der Ukraine nicht lösen könne, wie soll sie da etwas für Taiwan tun können, fragte Macron zudem fatalistisch.
Macrons Worte klingen in einem europäischen Kontext vielleicht angemessen und markieren keine völlig neue Position. Tatsächlich sucht Europa einen dritten, eigenständigen Weg. Xi wird sie aber als großen Erfolg verbuchen. Das schlechteste Szenario für die chinesische Diplomatie und Geostrategie ist ein festes amerikanisch-europäisches Bündnis. Ideal wäre, wenn sich Europa eindeutig China anschlösse, doch das wird nicht passieren. Fast ebenso gut ist aber eine Trennung der Blöcke, die China situationsbezogen ausnutzen kann, zumal die Europäer untereinander uneins sind. Im Rahmen des Möglichen gab Macron Xi nach dem freundlichen Besuch also das, was er wollte.
In China werden Macrons Worte folgerichtig so verstanden, dass die EU sich aus der Taiwanfrage heraushalten soll. Tatsächlich haben Staatsmedien Macrons Zitate so übersetzt, als habe er gesagt, Europa dürfe “kein Vasall” der Vereinigten Staaten werden und sich nicht in die “Konfrontation zwischen China und den USA in der Taiwanfrage” hineinziehen lassen. Das wäre die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, die China immer fordert.
Macron äußerte sich von Paris aus nicht mehr zu der aggressiven Militärübung direkt am Anschluss an seinen Besuch. Die EU meldete sich dagegen zu Wort und zeigte sich “besorgt” über das groß angelegte Manöver.
In Berlin zeigte sich der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen empört über Macrons Ausscheren aus der EU-Linie. “Macron hat es geschafft, aus seiner China-Reise einen PR-Coup für Xi ein außenpolitisches Desaster für Europa zu machen”, schrieb er auf Twitter. Der französische Präsident sage “Wort für Wort, was Xi hören will”. Seine Botschaft: China und Taiwan seien nicht Problem der Europäer.
Die Sichtweise vom Engagement für Taiwan als reines Machtmittel der USA, die in chinesischer Lesart auch bei Macron durchschimmerte, fand sich am Montag auch in einem Meinungsartikel in der Zeitung der Volksbefreiungsarmee (PLA Daily, 解放军报). Die Sicherheitsgarantie der USA für Taiwan seien nichts wert, so der Tenor. In einem Rundumschlag ging es darin auch um die Nutzung der industriellen Abkopplung als geostrategische Waffe. Die Politik der USA dienten nur dazu, die Bewohner Taiwans gegen China aufzuhetzen, so die Militärzeitung. Die Ereignisse in Irak, Syrien, Afghanistan und der Ukraine zeigten, dass US-Versprechen den jeweiligen Ländern nichts nützen und sie nur destabilisierten.
Aus Sicht eines Großteils des Publikums in der Volksrepublik wirken solche Kommentare glaubwürdig. Sie bedienen sich wahrer Elemente und führen das Narrativ fort, das sie von Kindesbeinen an aus den Staatsmedien kennen. Die Bewohner Taiwans wünschen sich nach offizieller volksrepublikanischer Lesart einen Anschluss an China, werden jedoch von einem US-gesteuerten Regime unterdrückt. Ein militärischer Eingriff wird von der PLA Daily als “Friedenssicherung” umschrieben.
“Scharfes Schwert” 利剑 ist bereits seit Jahren der Name verschiedener chinesischer Militärübungen. Wie üblich erschienen am Wochenende auf China Propagandaseiten flotte Videos mit Heldenmusik, in denen feuernde Zerstörer, abdrehende Flugzeuge und Matrosen im Laufschritt zu sehen sind. “Das Ziel der Feuerangriffe ist die Hauptinsel Taiwan“, teilte die Volksbefreiungsarmee mit. Erstmals seien sie auf “Schlüsselziele” ausgerichtet. Die japanische Luftwaffe beobachtete andauernde Starts und Landungen auf dem Flugzeugträger Shandong.
Ein Treffen der taiwanischen Präsidentin mit einem US-Spitzenpolitiker stärkt tendenziell die Legitimation der demokratischen Inselrepublik Taiwans als eigenem Staat. Daher rührte der Ärger Pekings über das Treffen von Präsidentin Tsai Ing-wen mit dem dritthöchsten Vertreter der USA. China sieht die Insel als Teil des eigenen Territoriums, obwohl sie nie Teil der Volksrepublik war. Taiwan entwickelt sich unter eigener, demokratischer Verwaltung seit Jahrzehnten politisch und wirtschaftlich stabil.
Emmanuel Macron war mit 60 Unternehmern im Schlepptau zu Besuch in Peking und gab damit klar den Good Cop. Ursula von der Leyen trat eher als Bad Cop auf. Ist die Besuchsstrategie des französischen Präsidenten und der EU-Kommissionspräsidentin aufgegangen?
Nein. China hat kurz nach der Abreise der beiden die Situation in der Straße von Taiwan eskaliert. Zwar ging es bei dem Besuch der europäischen Spitzenpolitiker hauptsächlich um die Ukraine, aber Xi Jinping dürfte nicht entgangen sein, dass die Europäer eine Parallele zwischen Russland und der Ukraine sowie der Volksrepublik und Taiwan sehen. Wenn Xi in Taiwan eskaliert, wird er seinen Freund Wladimir Putin kaum zur Mäßigung in der Ukraine aufrufen. Macron und von der Leyen kehren also enttäuscht aus Peking zurück. Gleichzeitig bleibt die alte Binse wahr, dass miteinander reden besser ist als auf totale Konfrontation und Abbruch der Kontakte zu setzen.
Was genau können solche Besuche in Zeiten der zunehmenden Blockbildung leisten? Xi Jinping hat zuletzt mehrfach deutlich gemacht, dass er auf der Seite Putins steht.
Von der Leyen hat mit ihrer Grundsatzrede zu China einige Tage vor der Peking-Reise sehr deutliche Worte gegenüber Xi gefunden und vor den Gefahren einer zu großen Abhängigkeit europäischer Unternehmen von China gewarnt. Ihr Begriff des De-Risking bleibt in der Sache zwar schwammig, aber wird in der Taiwan-Blockade Chinas drastisch aktuell: Wenn Peking die demokratische Insel wie jetzt isoliert, wird das ungeheure Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. Der global führende taiwanesische Halbleiter-Konzern TSCM baut nicht umsonst ein neues Werk im Südwesten der USA. Diese Technologie soll im Falle eines chinesischen Überfalls nicht in die Hände Pekings fallen.
Hat sich Xi in der Ukraine-Frage bewegt?
Nein, Peking steht ganz klar weiter auf der Seite Russlands. Das hat die Tonlage dieses sogenannten Friedensplans, das hat auch das Verhalten des ganzen letzten Jahres und während des Besuchs in Moskau gezeigt. Wer darauf hofft, dass Xi Jinping als Friedensstifter das Schlachten Russlands in der Ukraine beenden könnte, hegt einen Wunsch als Vater des Gedankens.
Eine Zusage scheint Macron Xi abgerungen zu haben. Aus diplomatischen Kreisen ist zu vernehmen, dass Xi demnächst mit Präsident Selenskyj sprechen könnte.
Das wäre dann über ein Jahr zu spät, sollte Xi Jinping es wirklich ernst meinen mit einer Vermittler-Rolle. Peking sagt schon seit Kriegsausbruch, beide sollten sich an den Verhandlungstisch setzen. Aber Xi möchte unbedingt, dass der Kreml den Sieg davonträgt. Denn wenn Putin verliert, dann steht unter Umständen ein Regime-Sturz ins Haus und Peking verliert einen seiner wichtigsten Partner. Russland kann China mit Militärtechnologie ausrüsten, die Peking selbst noch nicht herstellen kann. Ein demokratisches Russland würde sich vom totalitären China abwenden.
Wäre ein Gespräch zwischen Xi und Selenskyj nicht dennoch ein wichtiger Schritt?
Wenn ich jemanden besuche, gegen den wegen vermeintlicher Kriegsverbrechen ein internationaler Haftbefehl vorliegt, können sie nicht als Vermittler auftreten in dem Land, in dem er die Verbrechen begangen haben soll. Wahr ist doch, dass Xi in Xinjiang gegen die Uiguren genauso genozidal vorgeht wie Putin gegen die Menschen in der Ukraine. Von daher sind sie in der Tat Geschwister im Geiste. Mein Eindruck ist, dass Peking und Moskau derzeit auf Zeit spielen. Beide Führungen wissen, dass nächstes Jahr in den USA gewählt wird und dass in der freien Welt dann der Rückhalt für die Ukraine bröckeln könnte. Eine Rückkehr von Donald Trump oder auch ein DeSantis als US-Präsident würde die Karten neu mischen.
Trotzdem: Chinas Friedensplan ist aktuell der einzige Vorstoß. Vom Westen kommt derzeit nichts.
Nein, was Peking vorgelegt hat, ist kein Vorstoß. Und Russland möchte nicht verhandeln. Die Führung in Moskau hat nach dem Macron-von-der-Leyen-Besuch schon einmal prophylaktisch erklärt, dass Peking mit Verhandlungen nichts erreichen würde. Die Lage in der Ukraine sei zu komplex für China, sagte ein Regierungssprecher.
Von der Leyen droht Peking mit Konsequenzen, falls China Waffen an Russland liefert. Ist das hilfreich?
Von der Leyen greift nichts anderes als die geltende Rechtslage auf. Und die verbietet ausdrücklich die Lieferung von Waffen an einen Staat, der die Souveränität eines anderen Nationalstaates angreift, beziehungsweise angegriffen hat. China hat den Völkerrechtsbruch Russlands an der Ukraine nicht verurteilt. Da sich Peking nicht an den Minimalkonsens der internationalen Gemeinschaft gebunden fühlt, muss Europa klarmachen, wo seine roten Linien verlaufen.
Womöglich beliefert China die Russen längst.
Die Führung in Peking hätte schon längst Waffen verschicken können, wenn sie das wirklich gewollt hätte. Ich sehe im Moment keinen übergeordneten Grund, warum das jetzt auf einmal geschehen sollte. China agiert, was auch in Sachen Taiwan deutlich wird, ein wenig unterhalb der Schwelle von einem echten Kriegseintritt, um nicht in einen solchen mit der freien Welt gezogen zu werden. Xi wird diese Strategie auch in der Ukraine beibehalten.
Während des Besuchs von Macron und von der Leyen in Peking traf die taiwanische Staatspräsidentin Tsai Ing-wen den Sprecher des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy. Erst schien es, Peking werde zurückhalten, am Osterwochenende folgte nun aber doch die Umzingelung Taiwans durch die Volksbefreiungsarmee. Ist der Führung in Peking egal, was die Europäer über sie denken?
Eine Seeblockade kann Taiwan erheblichen Schaden zufügen. Auf der Insel gibt es nur Energiereserven für vierzehn Tage. Vor wenigen Wochen haben chinesische Fischerboote die Internetkabel der Matsu-Inseln, die zu Taiwan gehören, durchtrennt. Peking kann die Insel isolieren, ohne dass ein einziger Schuss fällt. Sollte es bei dieser Strategie bleiben, wird es für die USA schwierig zu reagieren. Denn wenn sie auf die Schiffe der chinesischen Marine feuern, um Taiwan aus dem Würgegriff Pekings zu befreien, würde ein Weltkrieg ausbrechen. Zum Befreiungsschlag müsste schon die taiwanische Armee ausholen. Aber sollte China dann die Insel bombardieren, würde auch das zu einem Kriegseintritt der USA und Japans führen. Es bleibt zu hoffen, dass Macron und von der Leyen Xi klargemacht haben, dass er den europäischen Markt komplett verlieren wird, sollte er sich zu diesem Schritt hinreißen lassen.
Alexander Görlach ist Demokratie-Forscher und Experte für Geopolitik an der New York University. Zuletzt erschien von ihm bei Hoffmann & Campe “Alarmstufe Rot: Wie Chinas aggressive Außenpolitik im Westpazifik in einen globalen Krieg führt“.
China Strategie 2023. 3 Stunden, 3 Sessions, 30 Köpfe aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Table.Media beleuchtet am 25. April China als Wettbewerber, Rivale und Partner. Die Digital-Konferenz schafft mitten in der aktuellen Debatte Orientierung für Entscheiderinnen und Entscheider.
Gegen die Menschenrechts-Aktivisten Xu Zhiyong und Ding Jiaxi sind die Urteile ergangen. Xu muss für 14 Jahre ins Gefängnis, Ding für zwölf Jahre. Beide Anwälte befinden sich bereits in Haft. Im Juni vergangenen Jahres hatte der Prozess gegen Xu unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden. Die Urteilsverkündung hatte sich über Monate verzögert.
Xu saß bereits zwischen 2013 und 2017 eine Strafe für sein Engagement ab, nachdem er gemeinsam mit Ding die Neue Bürgerbewegung gegründet und gegen die Beschränkungen des Versammlungsrechts protestiert hatte. Statt nach seiner Entlassung klein beizugeben, hatte er 2020 noch einmal mit Kritik nachgelegt und Xi Jinping persönlich in einem offenen Brief angeklagt. Dieser sei politisch unfähig, nehme den Chinesen ihre verfassungsmäßigen Rechte und habe Hongkong illegal seine Freiheit genommen.
Ding sitzt seit 2019 in Haft. Auch sein Prozess war im vergangenen Jahr hinter verschlossenen Türen in kurzer Zeit abgewickelt worden. Seine Ehefrau hatte im Interview mit Table.Media bereits befürchtet, dass ihr Mann lebenslang im Gefängnis bleiben muss. Sie berichtete von schrecklichen Haftbedingungen für die Dissidenten. fin
Die Weltbank schätzt die konjunkturellen Perspektiven für die globale Wirtschaft etwas besser ein als noch im Januar. Der scheidende Weltbankchef David Malpass sagte am Montag, es werde für 2023 nun mit einem Wachstum von zwei Prozent gerechnet. Im Januar hatte die Schätzung noch bei 1,7 Prozent gelegen.
Die besseren Aussichten gehen vor allem auf China zurück, wo die jahrelangen und strengen Corona-Einschränkungen mittlerweile aufgehoben sind. Hier rechnet die Weltbank dieses Jahr mit einem Wachstum von 5,1 Prozent statt bislang 4,3 Prozent. Auch die Industriestaaten einschließlich der USA dürften sich etwas besser schlagen, so Malpass. Es gebe aber weiterhin große Risiken, etwa Turbulenzen in der Bankenbranche oder steigende Ölpreise. Dies könnte sich im Jahresverlauf negativ auswirken. rtr
Der Elektroauto-Spezialist Tesla plant den Bau einer Batterie-Fabrik in Shanghai. Die Fertigungsstätte soll die Produktion der sogenannten “Megapack”-Batterien in Kalifornien ergänzen, teilte Tesla am Sonntag via Twitter mit. Die chinesische Agentur Xinhua hatte zuvor darüber berichtet. Mit dem Bau könne im dritten Quartal begonnen werden. Die Produktion solle dann im zweiten Quartal 2024 anlaufen.
Bei Megapacks handelt es sich um leistungsstarke Lithium-Ionen-Batterien, die in Batterie-Speicherkraftwerken eingesetzt werden. Anfänglich sollen in Shanghai laut Xinhua 10.000 Einheiten pro Jahr gefertigt werden, das entspreche in etwa 40 Gigawattstunden an Energiespeicher. Verkauft werden sollen die Megapacks demnach weltweit. Die neue Fabrik solle ein bereits bestehendes Werk in Shanghai für den Bau von E-Autos ergänzen. In Shanghai betreibt Tesla bereits seit 2019 ein Werk für Autos des Typs Model 3. rtr
Vor der Pandemie waren chinesische Touristen auch in Deutschland ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Rund 1,5 Millionen Besucher zählte das Statistische Bundesamt 2019, im Jahr 2022 nur noch knapp 180.000. Nun will die Bundesregierung prüfen, ob sie die bis heute geltende Einreisesperre für Touristen aus der Volksrepublik aufhebt.
“Über eine vollständige Aufhebung dieser letzten noch bestehenden Einreise- und Visabeschränkungen für touristische Zwecke wird derzeit beraten”, heißt es im Auswärtigen Amt. Bereits am 1. März hatte die Bundesregierung die coronabedingten Beschränkungen für die Einreise aus der Volksrepublik grundsätzlich aufgehoben. Die Einreisesperre für Touristen aus China blieb jedoch. Österreich und die Schweiz haben die Beschränkungen bereits aufgehoben. flee
Ente süß-sauer als Lieblingsgericht und der Wunsch, die Schriftzeichen lesen zu können – so beschreibt Cora Jungbluth, Senior Expert for China and Asia Pacific bei der Bertelsmann Stiftung, die bescheidenen Anfänge ihrer Beschäftigung mit China. Aber sie reichen aus. 1999 schreibt sich Jungbluth für einen Magister in Sinologie und Volkswirtschaftslehre in ihrer Heimatstadt Heidelberg ein. Sinologie ist damals noch ein Orchideenfach, aber in Kombination mit Wirtschaft erscheint es ihr noch spannender. Jungbluth sieht Potenzial – damit wird sie recht behalten.
Auf den Magister folgen 2006 zwei Semester VWL auf Chinesisch an der renommierten Tsinghua-Universität in Peking, wo sie ihre in Heidelberg und Shanghai erworbenen Sprachkenntnisse vertieft und eine chinesische Perspektive auf ökonomische Lehre und Prozesse bekommt. Dabei entsteht auch die Idee für ihr späteres Promotionsthema, das bis heute ein Kernanliegen ihrer Arbeit ist: der Internationalisierungsprozess chinesischer Unternehmen.
Andere China-Expertinnen und -Experten halten dieses Forschungsgebiet Mitte der Zweitausender teilweise noch für utopisch, doch Jungbluth lässt sich nicht beirren: Ihre Dissertation 2011 nimmt die rasante Entwicklung der chinesischen Direktinvestitionen voraus, die erst 2016 mit der Übernahme des Roboterherstellers KUKA ins Rampenlicht der breiteren deutschen Öffentlichkeit gerät – und angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Rivalität mit China bis heute weiter an Bedeutung gewonnen hat.
Inzwischen arbeitet Jungbluth seit knapp elf Jahren bei der Bertelsmann Stiftung, wo sie bereits an verschiedenen Projekten mitgeforscht hat – unter anderem zu chinesischen Direktinvestitionen und internationalen Freihandelsabkommen. Derzeit ist sie Teil des Projekts “Souveränes Europa”, das kritische Abhängigkeiten Europas untersucht und Handlungsoptionen aufzeigen will. Jungbluths Fokus: China.
“Ein kritischer Blick auf China ist angesichts von wirtschaftlichen Abhängigkeiten und fehlender Reziprozität auf jeden Fall notwendig”, sagt die Expertin, “aber wir müssen schauen, dass sich unser Blick auf China nicht zu sehr verengt.” Dabei bezieht sie sich auch auf Ursula von der Leyen, die in ihrer Rede zur Chinapolitik der EU Ende März ebenfalls klarstellte, dass ein Großteil des Handels mit China “un-risky”, also frei von Risiko sei.
Die richtige Unterscheidung zu treffen, das sei natürlich sehr schwierig, erläutert Jungbluth, weil die Kommunistische Partei in den vergangenen Jahren unter anderem ihren Einfluss auf chinesische Privatunternehmen weiter ausgebaut habe. “Dennoch müssen wir es schaffen, zu einer gesunden Mischung zu kommen.” Denn China habe außer der offiziellen Regierungsseite noch mehr zu bieten, was man nicht außer Acht lassen solle: Menschen, Forschung und Entwicklung, Kultur, Literatur und viele weitere Facetten.
Die Liebe für chinesisches Essen zum Beispiel hat sich Jungbluth über all die Jahre bewahrt, wenngleich sie inzwischen authentischere Gerichte bevorzugt als früher. Ihre aktuellen Favoriten sind deftige Klassiker aus der chinesischen Küche, darunter Gongbao-Hühnchen (宫保鸡丁), ein Gemüsemix aus Kartoffeln, Paprika und Aubergine (地三鲜) sowie Tofu im Knuspermantel (脆皮豆腐). Clemens Ruben
Cora Jungbluth ist Panelistin auf der China.Table-Veranstaltung China-Strategie 2023.
Simon Heine ist neues Mitglied der Geschäftsführung bei IAV Automotive Engineering, einer US-Tochter des Berliner Ingenieurdienstleisters IAV. Er ist zeitgleich auch Supervisor von IAV China. IAV arbeitet unter anderem für Audi.
Rohit Jawa wird CEO von Unilever in Indien. Zuvor hat er bei dem britischen Konsumgüterhersteller den Bereich Südostasien geleitet. Davor war er für fünf Jahre Vice President von Unilever in Nordasien und Chairman von Unilever China.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Die Japaner haben ihre Kirschblüten. Die Menschen in Qingdao sind hingegen stolz auf ihre Birnenbäume. In traditionellen Kleidern der Han-Dynastie feiern sie derzeit die Birnenblüte – auch wenn sie nicht ganz so rosa schimmert wie die japanische Zierkirsche.
die Diskussion um die Notwendigkeit von China-Kompetenz im Umgang mit der autokratischen Regierung in Peking sollte unbedingt auch in Frankreich geführt werden. Staatspräsident Macron bewies in der vergangenen Woche, wie wenig er offenbar über die Mechanismen des Zusammenspiels zwischen Partei und Staatsmedien in der Volksrepublik weiß.
Vielleicht glaubte er tatsächlich, mit seinen offenen Worten zum Verhältnis Europas zu den USA Vertrauen in Peking gewinnen, um damit mehr Einfluss auf Zhongnanhai nehmen zu können. Aber tatsächlich wurde er von den Gastgebern zum Kronzeugen europäischer Lakaienschaft umfunktioniert und zum Symbol für die Zerrissenheit der EU stilisiert. Es war beschämend anzusehen, dass der französische Präsident die Vorlage zu diesem PR-Desaster gab und damit auch dem demokratischen Taiwan einen Bärendienst erwies.
Regelrecht fatal ist daran, dass China für seine Strategie divide et impera, teile und herrsche, einen Joker geschenkt bekommen hat, der unter Garantie schon bald ins Spiel gebracht wird. Denn Macrons Charme-Offensive kann man schließlich auch als Affront gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verstehen. Während die Deutsche im Namen Europas Peking die Stirn bietet, wendet sich einer der wichtigsten Akteure von der EU-Position ab. Jede Wette: Peking wird diese Interpretation zu seinen Gunsten nutzen.
Was beim Macron-Besuch aus Sicht eines um Einigkeit bemühten Europas alles schiefging, schildert Finn Mayer-Kuckuk in seiner Analyse. Felix Lee hat derweil mit dem Demokratieforscher Alexander Görlach darüber gesprochen. Der hält die Pekinger Rhetorik zur Ukraine in vielerlei Hinsicht für substanzlos. Für Emmanuel Macron kommt dieses Interview leider eine Woche zu spät.
Nur wenige Stunden nach einem Wohlfühl-Trip Emmanuel Macrons zusammen mit Xi Jinping nach Südchina hat die chinesische Marine ein großes Manöver um Taiwan begonnen. Während mehrere Flotten eine Blockade der taiwanischen Inseln übten, sprach Macron in einem Interview davon, Europa sollte “weder den USA noch China” in der Taiwanfrage folgen. Es solle seinen eigenen Weg gehen und so zur “dritten Supermacht” werden, so der französische Präsident in einem Interview mit der Zeitung Les Echos.
Macron widersprach damit zumindest dem Geist der offensiven Rede Ursula von der Leyens von vergangener Woche. Auch gegenüber Xi nannte die EU-Kommissionspräsidentin Gewalt inakzeptabel, um den Status quo zu ändern. Statt sich nun ebenfalls in eindeutigen Worten hinter Taiwan zu stellen, signalisierte Macron Indifferenz in dieser Frage und markierte sie als machtpolitisches Projekt der USA. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hatte anders als Macron trotz aller Unschärfe in seiner Politik klar vor einem Überfall auf Taiwan gewarnt.
Mehrere Flotten hatten zwischen Samstag bis Montagabend geübt, ganz Taiwan einzukreisen und den Schiffsverkehr zu blockieren. Fiktives Operationsziel war unter anderem ein Angriff auf die Hauptinsel durch einen Flugzeugträgerverband. Peking reagierte mit der Marineübung ausdrücklich auf das Treffen der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen mit dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy in Los Angeles Ende vergangener Woche.
Die Volksbefreiungsarmee nannte die Armeeaktion eine “Warnung an separatistische Kräfte”. Die Flotten seien “nördlich und südlich der Insel Taiwan eingesetzt und patrouillieren den See- und Luftraum östlich davon”. Westlich von Taiwan liegt bekanntlich das chinesische Festland. Damit sind alle Richtungen abgedeckt. Anders als im August flogen aber keine Raketen über das taiwanische Kerngebiet hinweg.
Zwar war China nicht ganz so dreist, das Manöver schon am Donnerstag oder Freitag zu beginnen, als sowohl von der Leyen als auch Macron in Peking weilten. Am Freitag machte Macron noch seinen Abstecher ins südlich gelegene Guangzhou, bevor er nach Paris zurückflog. Der Ausflug zusammen mit Xi gilt als besondere Ehrbekundung für den französischen Präsidenten. China umwirbt ihn, weil er mit einer Wirtschaftsdelegation kam und sich grundsätzlich charmant und zugänglich gab. Macron spielte mit und zeigte sich gehörig begeistert von der Gastfreundschaft.
Xi nutzte die Gelegenheit vermutlich routinemäßig, um für eine Abkehr Frankreichs von der Zusammenarbeit mit den USA und eine Hinwendung zu China zu werben. Macron kam ihm mit dem Interview nun entgegen, indem er gleich zwei chinesische Narrative aufgriff:
Wenn die EU die Krise in der Ukraine nicht lösen könne, wie soll sie da etwas für Taiwan tun können, fragte Macron zudem fatalistisch.
Macrons Worte klingen in einem europäischen Kontext vielleicht angemessen und markieren keine völlig neue Position. Tatsächlich sucht Europa einen dritten, eigenständigen Weg. Xi wird sie aber als großen Erfolg verbuchen. Das schlechteste Szenario für die chinesische Diplomatie und Geostrategie ist ein festes amerikanisch-europäisches Bündnis. Ideal wäre, wenn sich Europa eindeutig China anschlösse, doch das wird nicht passieren. Fast ebenso gut ist aber eine Trennung der Blöcke, die China situationsbezogen ausnutzen kann, zumal die Europäer untereinander uneins sind. Im Rahmen des Möglichen gab Macron Xi nach dem freundlichen Besuch also das, was er wollte.
In China werden Macrons Worte folgerichtig so verstanden, dass die EU sich aus der Taiwanfrage heraushalten soll. Tatsächlich haben Staatsmedien Macrons Zitate so übersetzt, als habe er gesagt, Europa dürfe “kein Vasall” der Vereinigten Staaten werden und sich nicht in die “Konfrontation zwischen China und den USA in der Taiwanfrage” hineinziehen lassen. Das wäre die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, die China immer fordert.
Macron äußerte sich von Paris aus nicht mehr zu der aggressiven Militärübung direkt am Anschluss an seinen Besuch. Die EU meldete sich dagegen zu Wort und zeigte sich “besorgt” über das groß angelegte Manöver.
In Berlin zeigte sich der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen empört über Macrons Ausscheren aus der EU-Linie. “Macron hat es geschafft, aus seiner China-Reise einen PR-Coup für Xi ein außenpolitisches Desaster für Europa zu machen”, schrieb er auf Twitter. Der französische Präsident sage “Wort für Wort, was Xi hören will”. Seine Botschaft: China und Taiwan seien nicht Problem der Europäer.
Die Sichtweise vom Engagement für Taiwan als reines Machtmittel der USA, die in chinesischer Lesart auch bei Macron durchschimmerte, fand sich am Montag auch in einem Meinungsartikel in der Zeitung der Volksbefreiungsarmee (PLA Daily, 解放军报). Die Sicherheitsgarantie der USA für Taiwan seien nichts wert, so der Tenor. In einem Rundumschlag ging es darin auch um die Nutzung der industriellen Abkopplung als geostrategische Waffe. Die Politik der USA dienten nur dazu, die Bewohner Taiwans gegen China aufzuhetzen, so die Militärzeitung. Die Ereignisse in Irak, Syrien, Afghanistan und der Ukraine zeigten, dass US-Versprechen den jeweiligen Ländern nichts nützen und sie nur destabilisierten.
Aus Sicht eines Großteils des Publikums in der Volksrepublik wirken solche Kommentare glaubwürdig. Sie bedienen sich wahrer Elemente und führen das Narrativ fort, das sie von Kindesbeinen an aus den Staatsmedien kennen. Die Bewohner Taiwans wünschen sich nach offizieller volksrepublikanischer Lesart einen Anschluss an China, werden jedoch von einem US-gesteuerten Regime unterdrückt. Ein militärischer Eingriff wird von der PLA Daily als “Friedenssicherung” umschrieben.
“Scharfes Schwert” 利剑 ist bereits seit Jahren der Name verschiedener chinesischer Militärübungen. Wie üblich erschienen am Wochenende auf China Propagandaseiten flotte Videos mit Heldenmusik, in denen feuernde Zerstörer, abdrehende Flugzeuge und Matrosen im Laufschritt zu sehen sind. “Das Ziel der Feuerangriffe ist die Hauptinsel Taiwan“, teilte die Volksbefreiungsarmee mit. Erstmals seien sie auf “Schlüsselziele” ausgerichtet. Die japanische Luftwaffe beobachtete andauernde Starts und Landungen auf dem Flugzeugträger Shandong.
Ein Treffen der taiwanischen Präsidentin mit einem US-Spitzenpolitiker stärkt tendenziell die Legitimation der demokratischen Inselrepublik Taiwans als eigenem Staat. Daher rührte der Ärger Pekings über das Treffen von Präsidentin Tsai Ing-wen mit dem dritthöchsten Vertreter der USA. China sieht die Insel als Teil des eigenen Territoriums, obwohl sie nie Teil der Volksrepublik war. Taiwan entwickelt sich unter eigener, demokratischer Verwaltung seit Jahrzehnten politisch und wirtschaftlich stabil.
Emmanuel Macron war mit 60 Unternehmern im Schlepptau zu Besuch in Peking und gab damit klar den Good Cop. Ursula von der Leyen trat eher als Bad Cop auf. Ist die Besuchsstrategie des französischen Präsidenten und der EU-Kommissionspräsidentin aufgegangen?
Nein. China hat kurz nach der Abreise der beiden die Situation in der Straße von Taiwan eskaliert. Zwar ging es bei dem Besuch der europäischen Spitzenpolitiker hauptsächlich um die Ukraine, aber Xi Jinping dürfte nicht entgangen sein, dass die Europäer eine Parallele zwischen Russland und der Ukraine sowie der Volksrepublik und Taiwan sehen. Wenn Xi in Taiwan eskaliert, wird er seinen Freund Wladimir Putin kaum zur Mäßigung in der Ukraine aufrufen. Macron und von der Leyen kehren also enttäuscht aus Peking zurück. Gleichzeitig bleibt die alte Binse wahr, dass miteinander reden besser ist als auf totale Konfrontation und Abbruch der Kontakte zu setzen.
Was genau können solche Besuche in Zeiten der zunehmenden Blockbildung leisten? Xi Jinping hat zuletzt mehrfach deutlich gemacht, dass er auf der Seite Putins steht.
Von der Leyen hat mit ihrer Grundsatzrede zu China einige Tage vor der Peking-Reise sehr deutliche Worte gegenüber Xi gefunden und vor den Gefahren einer zu großen Abhängigkeit europäischer Unternehmen von China gewarnt. Ihr Begriff des De-Risking bleibt in der Sache zwar schwammig, aber wird in der Taiwan-Blockade Chinas drastisch aktuell: Wenn Peking die demokratische Insel wie jetzt isoliert, wird das ungeheure Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. Der global führende taiwanesische Halbleiter-Konzern TSCM baut nicht umsonst ein neues Werk im Südwesten der USA. Diese Technologie soll im Falle eines chinesischen Überfalls nicht in die Hände Pekings fallen.
Hat sich Xi in der Ukraine-Frage bewegt?
Nein, Peking steht ganz klar weiter auf der Seite Russlands. Das hat die Tonlage dieses sogenannten Friedensplans, das hat auch das Verhalten des ganzen letzten Jahres und während des Besuchs in Moskau gezeigt. Wer darauf hofft, dass Xi Jinping als Friedensstifter das Schlachten Russlands in der Ukraine beenden könnte, hegt einen Wunsch als Vater des Gedankens.
Eine Zusage scheint Macron Xi abgerungen zu haben. Aus diplomatischen Kreisen ist zu vernehmen, dass Xi demnächst mit Präsident Selenskyj sprechen könnte.
Das wäre dann über ein Jahr zu spät, sollte Xi Jinping es wirklich ernst meinen mit einer Vermittler-Rolle. Peking sagt schon seit Kriegsausbruch, beide sollten sich an den Verhandlungstisch setzen. Aber Xi möchte unbedingt, dass der Kreml den Sieg davonträgt. Denn wenn Putin verliert, dann steht unter Umständen ein Regime-Sturz ins Haus und Peking verliert einen seiner wichtigsten Partner. Russland kann China mit Militärtechnologie ausrüsten, die Peking selbst noch nicht herstellen kann. Ein demokratisches Russland würde sich vom totalitären China abwenden.
Wäre ein Gespräch zwischen Xi und Selenskyj nicht dennoch ein wichtiger Schritt?
Wenn ich jemanden besuche, gegen den wegen vermeintlicher Kriegsverbrechen ein internationaler Haftbefehl vorliegt, können sie nicht als Vermittler auftreten in dem Land, in dem er die Verbrechen begangen haben soll. Wahr ist doch, dass Xi in Xinjiang gegen die Uiguren genauso genozidal vorgeht wie Putin gegen die Menschen in der Ukraine. Von daher sind sie in der Tat Geschwister im Geiste. Mein Eindruck ist, dass Peking und Moskau derzeit auf Zeit spielen. Beide Führungen wissen, dass nächstes Jahr in den USA gewählt wird und dass in der freien Welt dann der Rückhalt für die Ukraine bröckeln könnte. Eine Rückkehr von Donald Trump oder auch ein DeSantis als US-Präsident würde die Karten neu mischen.
Trotzdem: Chinas Friedensplan ist aktuell der einzige Vorstoß. Vom Westen kommt derzeit nichts.
Nein, was Peking vorgelegt hat, ist kein Vorstoß. Und Russland möchte nicht verhandeln. Die Führung in Moskau hat nach dem Macron-von-der-Leyen-Besuch schon einmal prophylaktisch erklärt, dass Peking mit Verhandlungen nichts erreichen würde. Die Lage in der Ukraine sei zu komplex für China, sagte ein Regierungssprecher.
Von der Leyen droht Peking mit Konsequenzen, falls China Waffen an Russland liefert. Ist das hilfreich?
Von der Leyen greift nichts anderes als die geltende Rechtslage auf. Und die verbietet ausdrücklich die Lieferung von Waffen an einen Staat, der die Souveränität eines anderen Nationalstaates angreift, beziehungsweise angegriffen hat. China hat den Völkerrechtsbruch Russlands an der Ukraine nicht verurteilt. Da sich Peking nicht an den Minimalkonsens der internationalen Gemeinschaft gebunden fühlt, muss Europa klarmachen, wo seine roten Linien verlaufen.
Womöglich beliefert China die Russen längst.
Die Führung in Peking hätte schon längst Waffen verschicken können, wenn sie das wirklich gewollt hätte. Ich sehe im Moment keinen übergeordneten Grund, warum das jetzt auf einmal geschehen sollte. China agiert, was auch in Sachen Taiwan deutlich wird, ein wenig unterhalb der Schwelle von einem echten Kriegseintritt, um nicht in einen solchen mit der freien Welt gezogen zu werden. Xi wird diese Strategie auch in der Ukraine beibehalten.
Während des Besuchs von Macron und von der Leyen in Peking traf die taiwanische Staatspräsidentin Tsai Ing-wen den Sprecher des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy. Erst schien es, Peking werde zurückhalten, am Osterwochenende folgte nun aber doch die Umzingelung Taiwans durch die Volksbefreiungsarmee. Ist der Führung in Peking egal, was die Europäer über sie denken?
Eine Seeblockade kann Taiwan erheblichen Schaden zufügen. Auf der Insel gibt es nur Energiereserven für vierzehn Tage. Vor wenigen Wochen haben chinesische Fischerboote die Internetkabel der Matsu-Inseln, die zu Taiwan gehören, durchtrennt. Peking kann die Insel isolieren, ohne dass ein einziger Schuss fällt. Sollte es bei dieser Strategie bleiben, wird es für die USA schwierig zu reagieren. Denn wenn sie auf die Schiffe der chinesischen Marine feuern, um Taiwan aus dem Würgegriff Pekings zu befreien, würde ein Weltkrieg ausbrechen. Zum Befreiungsschlag müsste schon die taiwanische Armee ausholen. Aber sollte China dann die Insel bombardieren, würde auch das zu einem Kriegseintritt der USA und Japans führen. Es bleibt zu hoffen, dass Macron und von der Leyen Xi klargemacht haben, dass er den europäischen Markt komplett verlieren wird, sollte er sich zu diesem Schritt hinreißen lassen.
Alexander Görlach ist Demokratie-Forscher und Experte für Geopolitik an der New York University. Zuletzt erschien von ihm bei Hoffmann & Campe “Alarmstufe Rot: Wie Chinas aggressive Außenpolitik im Westpazifik in einen globalen Krieg führt“.
China Strategie 2023. 3 Stunden, 3 Sessions, 30 Köpfe aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Table.Media beleuchtet am 25. April China als Wettbewerber, Rivale und Partner. Die Digital-Konferenz schafft mitten in der aktuellen Debatte Orientierung für Entscheiderinnen und Entscheider.
Gegen die Menschenrechts-Aktivisten Xu Zhiyong und Ding Jiaxi sind die Urteile ergangen. Xu muss für 14 Jahre ins Gefängnis, Ding für zwölf Jahre. Beide Anwälte befinden sich bereits in Haft. Im Juni vergangenen Jahres hatte der Prozess gegen Xu unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden. Die Urteilsverkündung hatte sich über Monate verzögert.
Xu saß bereits zwischen 2013 und 2017 eine Strafe für sein Engagement ab, nachdem er gemeinsam mit Ding die Neue Bürgerbewegung gegründet und gegen die Beschränkungen des Versammlungsrechts protestiert hatte. Statt nach seiner Entlassung klein beizugeben, hatte er 2020 noch einmal mit Kritik nachgelegt und Xi Jinping persönlich in einem offenen Brief angeklagt. Dieser sei politisch unfähig, nehme den Chinesen ihre verfassungsmäßigen Rechte und habe Hongkong illegal seine Freiheit genommen.
Ding sitzt seit 2019 in Haft. Auch sein Prozess war im vergangenen Jahr hinter verschlossenen Türen in kurzer Zeit abgewickelt worden. Seine Ehefrau hatte im Interview mit Table.Media bereits befürchtet, dass ihr Mann lebenslang im Gefängnis bleiben muss. Sie berichtete von schrecklichen Haftbedingungen für die Dissidenten. fin
Die Weltbank schätzt die konjunkturellen Perspektiven für die globale Wirtschaft etwas besser ein als noch im Januar. Der scheidende Weltbankchef David Malpass sagte am Montag, es werde für 2023 nun mit einem Wachstum von zwei Prozent gerechnet. Im Januar hatte die Schätzung noch bei 1,7 Prozent gelegen.
Die besseren Aussichten gehen vor allem auf China zurück, wo die jahrelangen und strengen Corona-Einschränkungen mittlerweile aufgehoben sind. Hier rechnet die Weltbank dieses Jahr mit einem Wachstum von 5,1 Prozent statt bislang 4,3 Prozent. Auch die Industriestaaten einschließlich der USA dürften sich etwas besser schlagen, so Malpass. Es gebe aber weiterhin große Risiken, etwa Turbulenzen in der Bankenbranche oder steigende Ölpreise. Dies könnte sich im Jahresverlauf negativ auswirken. rtr
Der Elektroauto-Spezialist Tesla plant den Bau einer Batterie-Fabrik in Shanghai. Die Fertigungsstätte soll die Produktion der sogenannten “Megapack”-Batterien in Kalifornien ergänzen, teilte Tesla am Sonntag via Twitter mit. Die chinesische Agentur Xinhua hatte zuvor darüber berichtet. Mit dem Bau könne im dritten Quartal begonnen werden. Die Produktion solle dann im zweiten Quartal 2024 anlaufen.
Bei Megapacks handelt es sich um leistungsstarke Lithium-Ionen-Batterien, die in Batterie-Speicherkraftwerken eingesetzt werden. Anfänglich sollen in Shanghai laut Xinhua 10.000 Einheiten pro Jahr gefertigt werden, das entspreche in etwa 40 Gigawattstunden an Energiespeicher. Verkauft werden sollen die Megapacks demnach weltweit. Die neue Fabrik solle ein bereits bestehendes Werk in Shanghai für den Bau von E-Autos ergänzen. In Shanghai betreibt Tesla bereits seit 2019 ein Werk für Autos des Typs Model 3. rtr
Vor der Pandemie waren chinesische Touristen auch in Deutschland ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Rund 1,5 Millionen Besucher zählte das Statistische Bundesamt 2019, im Jahr 2022 nur noch knapp 180.000. Nun will die Bundesregierung prüfen, ob sie die bis heute geltende Einreisesperre für Touristen aus der Volksrepublik aufhebt.
“Über eine vollständige Aufhebung dieser letzten noch bestehenden Einreise- und Visabeschränkungen für touristische Zwecke wird derzeit beraten”, heißt es im Auswärtigen Amt. Bereits am 1. März hatte die Bundesregierung die coronabedingten Beschränkungen für die Einreise aus der Volksrepublik grundsätzlich aufgehoben. Die Einreisesperre für Touristen aus China blieb jedoch. Österreich und die Schweiz haben die Beschränkungen bereits aufgehoben. flee
Ente süß-sauer als Lieblingsgericht und der Wunsch, die Schriftzeichen lesen zu können – so beschreibt Cora Jungbluth, Senior Expert for China and Asia Pacific bei der Bertelsmann Stiftung, die bescheidenen Anfänge ihrer Beschäftigung mit China. Aber sie reichen aus. 1999 schreibt sich Jungbluth für einen Magister in Sinologie und Volkswirtschaftslehre in ihrer Heimatstadt Heidelberg ein. Sinologie ist damals noch ein Orchideenfach, aber in Kombination mit Wirtschaft erscheint es ihr noch spannender. Jungbluth sieht Potenzial – damit wird sie recht behalten.
Auf den Magister folgen 2006 zwei Semester VWL auf Chinesisch an der renommierten Tsinghua-Universität in Peking, wo sie ihre in Heidelberg und Shanghai erworbenen Sprachkenntnisse vertieft und eine chinesische Perspektive auf ökonomische Lehre und Prozesse bekommt. Dabei entsteht auch die Idee für ihr späteres Promotionsthema, das bis heute ein Kernanliegen ihrer Arbeit ist: der Internationalisierungsprozess chinesischer Unternehmen.
Andere China-Expertinnen und -Experten halten dieses Forschungsgebiet Mitte der Zweitausender teilweise noch für utopisch, doch Jungbluth lässt sich nicht beirren: Ihre Dissertation 2011 nimmt die rasante Entwicklung der chinesischen Direktinvestitionen voraus, die erst 2016 mit der Übernahme des Roboterherstellers KUKA ins Rampenlicht der breiteren deutschen Öffentlichkeit gerät – und angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Rivalität mit China bis heute weiter an Bedeutung gewonnen hat.
Inzwischen arbeitet Jungbluth seit knapp elf Jahren bei der Bertelsmann Stiftung, wo sie bereits an verschiedenen Projekten mitgeforscht hat – unter anderem zu chinesischen Direktinvestitionen und internationalen Freihandelsabkommen. Derzeit ist sie Teil des Projekts “Souveränes Europa”, das kritische Abhängigkeiten Europas untersucht und Handlungsoptionen aufzeigen will. Jungbluths Fokus: China.
“Ein kritischer Blick auf China ist angesichts von wirtschaftlichen Abhängigkeiten und fehlender Reziprozität auf jeden Fall notwendig”, sagt die Expertin, “aber wir müssen schauen, dass sich unser Blick auf China nicht zu sehr verengt.” Dabei bezieht sie sich auch auf Ursula von der Leyen, die in ihrer Rede zur Chinapolitik der EU Ende März ebenfalls klarstellte, dass ein Großteil des Handels mit China “un-risky”, also frei von Risiko sei.
Die richtige Unterscheidung zu treffen, das sei natürlich sehr schwierig, erläutert Jungbluth, weil die Kommunistische Partei in den vergangenen Jahren unter anderem ihren Einfluss auf chinesische Privatunternehmen weiter ausgebaut habe. “Dennoch müssen wir es schaffen, zu einer gesunden Mischung zu kommen.” Denn China habe außer der offiziellen Regierungsseite noch mehr zu bieten, was man nicht außer Acht lassen solle: Menschen, Forschung und Entwicklung, Kultur, Literatur und viele weitere Facetten.
Die Liebe für chinesisches Essen zum Beispiel hat sich Jungbluth über all die Jahre bewahrt, wenngleich sie inzwischen authentischere Gerichte bevorzugt als früher. Ihre aktuellen Favoriten sind deftige Klassiker aus der chinesischen Küche, darunter Gongbao-Hühnchen (宫保鸡丁), ein Gemüsemix aus Kartoffeln, Paprika und Aubergine (地三鲜) sowie Tofu im Knuspermantel (脆皮豆腐). Clemens Ruben
Cora Jungbluth ist Panelistin auf der China.Table-Veranstaltung China-Strategie 2023.
Simon Heine ist neues Mitglied der Geschäftsführung bei IAV Automotive Engineering, einer US-Tochter des Berliner Ingenieurdienstleisters IAV. Er ist zeitgleich auch Supervisor von IAV China. IAV arbeitet unter anderem für Audi.
Rohit Jawa wird CEO von Unilever in Indien. Zuvor hat er bei dem britischen Konsumgüterhersteller den Bereich Südostasien geleitet. Davor war er für fünf Jahre Vice President von Unilever in Nordasien und Chairman von Unilever China.
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Die Japaner haben ihre Kirschblüten. Die Menschen in Qingdao sind hingegen stolz auf ihre Birnenbäume. In traditionellen Kleidern der Han-Dynastie feiern sie derzeit die Birnenblüte – auch wenn sie nicht ganz so rosa schimmert wie die japanische Zierkirsche.