lange haben die deutschen Autobauer in China auf diesen Schritt gewartet: die Lockerung der Joint-Venture-Pflicht. Dieser Zwang sah vor, dass ausländische Hersteller nie mehr als 50 Prozent an einem Unternehmen in China halten und nur Gemeinschaftsunternehmen mit einheimischen Partnern betreiben durften. Im Geschäft mit Nutzfahrzeugen fiel diese Auflage vor zwei Jahren, ausländischer Hersteller von Elektro- und Hybridautos waren schon vorher davon befreit. Seit Beginn des Jahres ist der Zwang zur Beteiligung einheimischer Unternehmen für die gesamte Branche weitgehend aufgehoben. Doch so ganz glücklich sind mit dieser Lockerung nicht alle, schreibt Christian Domke-Seidel in seiner Analyse. Denn sie birgt Tücken.
Zwangsarbeit und Xinjiang – das Thema ist ein Dauerbrenner. Kürzlich haben die USA einen Importstopp für Produkte aus Xinjiang verkündet, die mit Zwangsarbeit in Verbindung stehen könnten. Die EU hinkt hier noch etwas hinterher. Im neuen Lieferkettengesetz, das am Mittwoch vorgestellt wird, ist so ein Verbot nicht enthalten. Bernd Lange zeigt sich im Gespräch mit Amelie Richter enttäuscht darüber. Ursula von der Leyen habe den Mund bei dem Thema zu voll genommen, beklagt der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament. Doch Lange verspricht, das Thema nicht auf die lange Bank zu schieben. Das EU-Lieferkettengesetz könnte ihm zufolge aber erst Anfang 2026 wirksam werden.
Viele neue Erkenntnisse beim Lesen!
Die aktuellen Öffnungen der chinesischen Wirtschaft dürfen nicht überbewertet werden – mahnt Jürgen Matthes im Gespräch mit China.Table. Matthes ist Leiter des Kompetenzfelds Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) und erklärt: “Es gibt in China einen graduellen, aber beständigen Trend weg von einem sehr restriktivem hin zu einem etwas offenerem Umgang mit ausländischen Investitionen im eigenen Land.”
Diese Äußerung überrascht. Denn eigentlich sind die politischen Problemzonen im Verhältnis zwischen Europa und China in den vergangenen Jahren eher größer geworden. Sanktionen wurden mit Gegensanktionen beantwortet, ohne dass zentrale Streitpunkte aus der Welt geschafft werden konnten. Die Lockerungen in der chinesischen Joint-Venture-Pflicht scheinen zumindest auf wirtschaftlicher Ebene ein erster, kleiner Schritt der Entspannung.
Dem Bund der Deutschen Industrie (BDI) reicht das allerdings nicht aus. Gegenüber China.Table fordert Wolfgang Niedermark, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung: “Die Bundesregierung und die EU-Kommission müssen gegenüber China auf Reziprozität beim Marktzugang und ein Level-Playing-Field pochen. Die chinesische Regierung muss alle Formen von Marktzugangsbarrieren beseitigen und einen fairen Wettbewerb zwischen allen Marktteilnehmern ermöglichen.”
In dieser Form sei das kaum zu erwarten, glaubt Matthes. China würde zwischen einer Öffnung einerseits und Autarkie im Sinne der Dual Circulation andererseits pendeln. Entsprechend haben die Lockerungen einen Haken, wie Matthes erläutert: “Die Öffnungen sind kleine Schritte in Bereichen, in denen es China nicht weh tut, weil die eigenen Firmen meist schon stark genug sind, um sich dem globalen Wettbewerb zu stellen.” Eine Einschränkung, die auch der BDI sieht. Zwar würde sich für europäische Firmen ein enormes Absatzpotential auftun, das Risiko des Technologietransfers sei aber groß. Zumal die chinesische Regierung immer stärker auf Importsubstitution setze und dabei einheimische Unternehmen bevorzuge. “Diese Praxis benachteiligt deutsche Unternehmen oder schließt diese gar vom chinesischen Markt aus.”
Während chinesische Firmen in Europa vor einem weitgehend barrierefreien Markt stehen, sind europäische Unternehmen mit einer Vielzahl von Restriktionen konfrontiert. Das chinesische Modell einer parteistaatlich gelenkten Wirtschaft würde auch hierzulande ungleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen, glaubt Niedermark und fordert Anpassungen am europäischen Rechtsrahmen etwa für Reziprozität im öffentlichen Auftragswesen, schärfere Anti-Subventions-Regeln und ein gemeinsamer Kurs der EU-Staaten bei der Investitionskontrolle. “Wir wollen unseren Markt offenhalten, müssen aber mehr dafür tun, dass Marktmechanismen tatsächlich zum Einsatz kommen und nicht durch ausländische Staatsunternehmen verzerrt werden.“
Die Lockerungen, die jetzt umgesetzt werden, wurden bereits im Jahr 2018 angekündigt. Deutsche Automobilhersteller standen also schon in den Startlöchern. Pünktlich mit Beginn der Lockerungen erhöhte BMW für 3,7 Milliarden Euro seinen Anteil am Joint-Venture mit Brilliance von 50 auf 75 Prozent (China.Table berichtete). Den Schritt hatten die Münchener bereits im Jahr 2018 angekündigt. Auch Audi hat direkt eine erweiterte Partnerschaft mit FAW angekündigt (China.Table berichtete). Bis zum Jahr 2024 soll ein neues Werk entstehen, indem jährlich 150.000 Elektroautos gefertigt werden sollen. Der deutsche Autohersteller hält an der Audi FAW NEV Company, wie das Unternehmen heißt, ebenfalls die Mehrheit.
Ein Alleingang – ohne chinesischen Partner – kommt für Audi nicht infrage. “Die Kooperation ermöglicht uns einen tiefen Einblick in den chinesischen Markt – deshalb werden wir dieses Erfolgsmodell auch in Zukunft beibehalten. Durch unseren lokalen Partner ist es uns möglich, Expertise und Kunden-Anforderungen bereits in früher Entwicklungsphase in das Fahrzeug einzubringen – das hat sich als sehr hilfreich erwiesen”, erklärte eine Unternehmenssprecherin gegenüber China.Table. BMW sieht es ähnlich. Einen Partner vor Ort zu haben, der den Markt kennt und dahingehend sein Know-how einbringen könnte, sei wichtig. Es gäbe weder Pläne für einen Alleingang, noch Gründe dafür, das Joint-Venture mit Brilliance infrage zu stellen, wird das Unternehmen sehr deutlich. Niedermark kann das nachvollziehen. “Zahlreiche deutsche Unternehmen sind bereits seit Jahren oder gar Jahrzehnten in China investiert. Für sie bleibt der chinesische Markt auch in Zukunft wichtig.”
Auch Matthes überraschen die Aussagen nicht. Der chinesische Automarkt sei ohnehin schwierig und würde durch geopolitische Maßnahmen weiter verkompliziert: “Wir kriegen von deutschen Firmen in China mit, dass der Markt schwieriger wird, da heimische Firmen immer stärker bevorzugt werden. Das neue Narrativ, auf sich selbst schauen zu wollen, ist erstaunlich schnell im ganzen System angekommen.” Die Nachfrageperspektiven für ausländische Firmen in China seien eher weniger optimistisch, so Matthes weiter. Viele würden sich wie Schachfiguren im geopolitischen Spiel fühlen.
Auf der anderen Seite sei China aber nun mal ein großer und dynamischer Markt. Bestehende Joint-Ventures beizubehalten oder zu intensivieren sei eine Art, auf die veränderte Stimmung im Land zu reagieren, so Matthes. “Immer mehr deutsche Firmen in China überlegen sich, was die höheren geopolitischen Risiken für ihr Unternehmen bedeuten. Manche entscheiden sich, so chinesisch wie möglich nach außen zu wirken, um drohende Probleme im Geschäftsalltag zu minimieren.”
Herr Lange, wie groß ist Ihre Enttäuschung und die des Europaparlaments, dass das Importverbot von Produkten aus Zwangsarbeit nicht im EU-Lieferkettengesetz enthalten sein wird?
Zunächst einmal sind wir sauer, dass das ganze Gesetzgebungsverfahren überhaupt so lange gedauert hat. Es gab Verzögerungen, auch durch den Ausschuss für Regulierungskontrolle. Das Verbot für die Produkte aus Zwangsarbeit kam auch erst später in den Prozess der Lieferketten-Gesetzgebung hinzu und hat nochmal einen anderen Schwerpunkt. Wir hätten uns aber gewünscht, dass es ein gemeinsames Gesetzgebungs-Paket gibt. Es gibt natürlich noch ein paar inhaltliche Fragen zu klären. Wie geht man mit den Produkten um? Gibt es eine Dialogphase? Ist es wirklich ein Importverbot am Hafen? Oder soll es auch ein Vermarktungsverbot werden, wenn eben diese Produkte über einen Drittstaat eingeführt werden? Da sind wirklich noch ein paar technische Fragen zu klären. Insofern gibt es eine gewisse Logik, dass das nun noch gründlicher gemacht wird und es entsprechend auch ein Impact Assessment gibt. Wenn das jetzt einfach hingeklatscht worden wäre, hätte es das nicht gegeben. Es wäre schöner gewesen, wenn alles zusammen im letzten Jahr gemacht worden wäre, aber ein paar Dinge haben das leider nicht möglich gemacht.
Die EU-Kommission und Ursula von der Leyen hatten das Importverbot groß angekündigt. Wurde da eventuell der Mund zu voll genommen?
Das Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit war in den ursprünglichen Plänen von Justizkommissar Reynders nicht enthalten. Ich habe mit ihm darüber gesprochen und der Ansatz lief immer so ein bisschen nebenher. Dann kam besonders die Frage nach der Unternehmensverfassung auf und Binnenmarkt-Kommissar Breton wurde mit einbezogen. Die Unternehmensverfassung war ein großer Streitpunkt. Und es ist ja auch eine ziemlich fundamentale Frage, ob man die Verpflichtung eines Unternehmens in der Zielsetzung reguliert und in welche Richtung reguliert wird. Und da gibt es sicherlich große Abstriche von dem ursprünglichen Ansatz von Herrn Reynders. “Forced Labour” lief deshalb ein bisschen nebenher und da hat Ursula von der Leyen den Mund sehr voll genommen. Aber wir kennen sie ja alle, wie sie sehr theatralisch und blumenreich vieles verkündet und dann die Bilanz etwas magerer aussieht. Wir haben aber als Europäische Union den Anspruch, im Vergleich zu anderen Gesetzgebern weltweit, dass wir ein Auge darauf haben, wie ein Gesetz gestrickt wird und welche Konsequenzen es hat. Und das muss man beim Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit auch sorgfältig machen. Es wird deswegen jetzt aber nicht auf die lange Bank geschoben, sondern soll schon zügig auf den Tisch kommen.
Welche Möglichkeiten gibt es jetzt noch für dieses Importverbot? Wird es ein eigenständiges Gesetz?
Ich gehe davon aus, dass es ein eigenständiges Gesetz wird. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass das dann auch ein sogenanntes Handelsinstrument wird, womit wir uns auch die rechtlichen Fragen nochmal ansehen müssen. Die Lieferketten-Gesetzgebung wird wegen der Unternehmensverfassung eher zu einer Richtlinie führen, was ich nicht so schön finde. Denn dann haben die Mitgliedstaaten Möglichkeiten in der nationalen Umsetzung, um mehr Gestaltungsspielraum zu haben und auch gewisse Schlupflöcher zu nutzen. Insofern habe ich immer für eine Verordnung plädiert. Bei den Importrestriktionen für Zwangsarbeit gehe ich davon aus, dass es eine Verordnung wird, die dann auch für alle Mitgliedstaaten sofort und im gleichen Maß gilt.
Finden Sie denn, dass durch die kommissionsinternen Schiebereien und die Verzögerungen das Lieferkettengesetz massiv verwässert wurde?
Wir müssen mal schauen, welcher Vorschlag am 23. Februar wirklich auf dem Tisch liegt. Es war eine schwierige Operation, weil wir ja auch noch 27 unterschiedliche nationale rechtliche Rahmenbedingungen dafür haben. Ich war am Anfang sowieso ein Freund davon, das stärker zu trennen, das Lieferkettengesetz und die Unternehmensverantwortung. Aber die Würfel sind anders gefallen. Es wird wohl größere Ausnahmen für Klein- und Mittelbetriebe im EU-Lieferkettengesetz geben, als ursprünglich angedacht. Aber ansonsten gehe ich nicht davon aus, dass es eine stärkere Verwässerung gibt.
Wann kann man dazu mit einer Abstimmung im Europaparlament rechnen? Und wann könnte das Lieferkettengesetz dann in Kraft treten?
Das ist eine sehr komplexe Gesetzgebung. Wir haben ein kleines Vorbild für die Sorgfaltspflicht beim Umgang mit Mineralien aus Konfliktgebieten. Daraus haben wir ein bisschen gelernt: Wir müssen eine relativ klare Gesetzgebung haben. Also, was sind Sorgfaltspflichten, damit das auch gerichtsfest ist. In Frankreich haben wir das Problem, dass die französische Gesetzgebung so viel Interpretationsspielraum zulässt, dass es nicht gerichtsfest ist. Die Anforderungen müssen klar definiert werden. Dann steht noch die Verhandlung mit dem EU-Rat an. Und wir brauchen auch die Zertifizierer, die das überprüfen können. Der Erfahrung nach, mit den Konfliktmineralien, dauert das alles etwa fünf Jahre. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich für das absolute Scharfstellen des EU-Lieferkettengesetzes den 01.01.2026 sehe, aber das könnte der zeitliche Horizont sein.
Welche Auswirkung erwarten Sie dadurch auf den Handel mit China?
Das ist ja kein “Lex China”, es ist eine generelle Sorgfaltspflicht. Aber wir müssen das dann auch bei Produkten aus China Wirklichkeit werden lassen: Also Risikoanalysen machen, um zu sehen, wo werden die Sorgfaltspflichten verletzt und was kann man tun, um das unter Kontrolle zu kriegen. Wir wollen kein “cut and go”, das ist sicherlich nicht unser Ansatz.
Also keinen plötzlichen Abbruch der Handelsbeziehungen, sondern eine Verbesserung der Praktiken der Firmen.
Deswegen werden wir auch für China Risikoanalysen und entsprechende Management-Pläne verlangen. Das wird natürlich, was die Zertifizierung betrifft, eine schwierige Nummer. Wir wissen alle, dass derzeit in Xinjiang keine Zertifizierung mehr möglich ist. Aber trotzdem ist der Anspruch da. Und wenn es eben nicht geht, dann kann man in der Tat auch keine Sorgfaltspflichten überprüfen. Das muss dann auch mit den chinesischen Verantwortlichen zu diskutieren sein. China stellt nicht nur einseitig eine Abhängigkeit für uns dar, sondern dort gibt es auch eine Abhängigkeit von europäischen Firmen. Das ist keine einseitige Machtsituation, die vielleicht die Umsetzung des Lieferkettengesetzes infrage stellen würde. Ich will nicht ausschließen, dass es Konflikte geben wird, aber da muss eben mit den zuständigen Verantwortlichen deutlich gesprochen und klargestellt werden, dass wir keine Einmischung in eine europäische Gesetzgebung akzeptieren werden.
EU-Industrievertreter in China argumentieren, dass es schier unmöglich ist, dort Zwangsarbeit festzustellen, weil das chinesische Recht keine Zwangsarbeit kennt. Welche Probleme könnten sich für Händler ergeben, die ihre Waren in die EU einführen wollen?
Das ist genau das Problem bei der Gesetzgebung zur “Forced Labor” und China. Die Vereinigten Staaten haben zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der ILO und Nichtregierungsorganisationen Verfahren entwickelt, um Zwangsarbeit festzustellen und das dann auch dementsprechend zu überprüfen. Die Gesetzgebung soll ja keine politische Waffe sein, sondern soll sich auf Fakten beziehen. Und dabei ist es, glaube ich, unabhängig davon, ob China den rechtlichen Bestand von Zwangsarbeit zulässt oder nicht. Die Praxis ist das Entscheidende. Der Einzelfall bei Unternehmen soll bewertet und dann entschieden werden.
Im Handelsstreit um Litauen haben die EU und China noch bis zum 6. März Zeit, Gespräche im Rahmen einer WTO-Anfrage aufzunehmen. Erwarten Sie dadurch eine Lösung des Konflikts?
Man muss sehen, was dabei rauskommen wird. Es ist das normale WTO-Verfahren, dass es erst einen Dialogprozess gibt, was ich auch gut finde. Man sollte nicht sofort die Kanonen aus dem Keller holen. Inwieweit China bereit sein wird, muss man absehen. Es ist meiner Ansicht nach völlig klar, dass WTO-Regeln verletzt und Handelsmaßnahmen als politische Waffe benutzt werden. Das ist nicht akzeptabel.
Das geplante Instrument gegen wirtschaftlichen Zwang, also das Anti-Coercion-Instrument, könnte künftig Abhilfe bei solchen Situationen schaffen. Die französische EU-Ratspräsidentschaft möchte bei dem Thema aufs Gaspedal treten. Wie ist der aktuelle Stand?
Es gibt drei Gesetzgebungsverfahren, die derzeit auf dem Tisch liegen und uns wehrhafter machen sollen: Das zum Zugang zur öffentlichen Beschaffung auf einem “level playing field”, also das International Procurement Instrument IPI, der Ausschluss von illegaler Subventionierung für ausländische Unternehmen und eben die Möglichkeit, sich gegen Zwangsmaßnahmen politischer Art, die aber mit wirtschaftlichen Mitteln durchgepresst werden, zu wehren. Diese drei defensiven Instrumente sind sicherlich eine Priorität der französischen Ratspräsidentschaft. Angesichts der Vorläufe und des Diskussionsstandes ist realistisch zu sagen, dass IPI unter der französischen EU-Ratspräsidentschaft abgeschlossen werden könnte, vielleicht sogar im März.
Was sind hier die Knackpunkte?
In der Frage der illegalen Subventionen direkter oder indirekter Art für ausländische Unternehmen auf dem Binnenmarkt, da werden wir vielleicht noch die Verhandlungen mit den Franzosen beginnen. Das Anti-Coercion-Instrument ist von der Vorlage des Gesetzgebungsverfahrens her das jüngste. Dazu stelle ich gerade meinen Bericht fertig. Ich gehe davon aus, dass wir vielleicht vor der Sommerpause im Parlament eine Positionierung haben. Hier werden wir sicherlich nicht unter der französischen Ratspräsidentschaft noch eine Einigung hinkriegen. Aber ich hoffe, dass es möglichst schnell in diesem Jahr auch zu einer Gesetzgebung kommt.
Last but not least: Ein EU-Handels-Dauerthema, das Investitionsabkommen CAI. Gibt es einen neuen Stand? Wird im Hintergrund durch China versucht, das Abkommen doch noch voranzubringen?
Die Sanktionen gegen meine Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament stehen weiterhin und damit ist klar: Wir werden jetzt nichts tun und auch die Weiterbearbeitung im Parlament erfolgt nicht. Das Abkommen an sich hat ein paar positive Elemente. Aber eben auch Dinge, bei denen das EU-Parlament sowieso noch Nachbesserungen einfordern würde. Aber auch damit beschäftigen wir uns zurzeit nicht. Das liegt ganz unten im Gefrierfach – neben dem EU-Mercosur-Abkommen. Und ich sehe derzeit auch niemanden, der da die Tür aufmacht.
Bernd Lange ist seit 1994 mit einer Unterbrechung (2005-2009) Abgeordneter im EU-Parlament. Der Oldenburger ist seit Juli 2014 Vorsitzender des Handelsausschusses. Lange ist zudem Mitglied der Delegation für die Beziehungen zu Südostasien und den ASEAN-Staaten im Europaparlament.
Unter dem Namen “Polestar 0” plant das gleichnamige Gemeinschaftsunternehmen des schwedischen Automobilherstellers Volvo und seiner chinesischen Mutterfirma Geely einen serienreifen Pkw mit Netto-Null-Emissionen. Das Projekt wurde bereits im April 2021 gestartet. Nun hat Polestar erste Kooperationspartner bekannt gegeben. Darunter sind der deutsche Zulieferer ZF, der schwedische Stahlkonzern SSAB und der norwegische Aluminiumproduzent Hydro, sowie die Unternehmen ZKW und Autoliv. In einem öffentlichen Aufruf auf seiner Internetseite sucht Polestar bis zum 23. März zudem weitere Mitstreiter und Forscher, die sich beteiligen wollen.
Polestar wurde 2017 als Joint Venture von Geely und Volvo gegründet und ist eine reine Elektroauto-Marke. Für den “Polestar 0” will das Unternehmen nicht auf Kompensationszertifikate zurückgreifen, um Emissionen auszugleichen. Stattdessen soll CO₂ im gesamten Produktionsprozess vermieden werden. Das schließt unter anderem die Rohstoffgewinnung, die Materialveredelung und -herstellung sowie den Transport ein.
Das Unternehmen kritisiert eine mangelnde Transparenz in der Automobilbranche. Für Verbraucher sei ein Vergleich der Klimaauswirkungen von Fahrzeugen dadurch fast unmöglich. Ein wesentliches Problem seien die unterschiedlichen Berechnungsmethoden, die von verschiedenen Autoherstellern für Ökobilanzen verwendet werden. Polestar fordert eine Einigung der Branche auf vergleichbare Berechnungsmethoden.
Polestar selbst gibt den CO2-Fußabdruck seiner Fahrzeuge genau an. Demnach verlässt ein neuer Polestar 2 die Fabrik mit einer CO2-Bilanz von 26 Tonnen. Schuld an der schlechten Energiebilanz des E-Autos ist die Batterie. Beim Volvo XC40, einem vergleichbaren Modell mit Verbrennungsmotor, ist der Fußabdruck in der Produktion geringer. Nach 50.000 Kilometern Fahrt wird das Elektroauto gegenüber dem Verbrenner allerdings klimafreundlicher. jul
Volkswagen möchte seine Autos offenbar im großen Stil mit Technik des chinesischen IT-Konzerns Huawei ausstatten. Möglicherweise ist sogar die Übernahme der Huawei-Sparte für intelligente Fahrzeugsteuerung geplant. Dafür wolle VW einen Milliardenbetrag ausgeben, berichtet das Manager Magazin. Hinter den Kulissen erfuhr China.Table, dass es durchaus Gespräche über eine Zusammenarbeit gibt. Diese stehen aber noch eher am Anfang. Ausgang: ungewiss. Volkswagen wollte die Marktspekulationen nicht offiziell kommentieren.
Die Smart-Car-Sparte von Huawei wäre für VW sehr attraktiv. Der Konzern hat Schwierigkeiten, die IT-Mannschaftsstärke für die Mobilitätsangebote der Zukunft zusammenzukaufen. Ein Auto ist jetzt schon ebenso sehr Digitalprodukt, wie es Verkehrsmittel ist. In Asien spielt die Vernetzung sogar eine größere Rolle als in Europa. Die Huawei-Tochter für intelligentes autonomes Fahren beschäftigt 700 Mitarbeiter, davon sind 50 Informatiker und Ingenieure. Das ursprüngliche Ziel von Huawei war allerdings, das Intel für selbstfahrende Autos zu werden und den etablierten Anbietern die Technik für ihre eigenen Produkte zuzuliefern (China.Table berichtete). Die Bindung an nur eine Automarke wäre eine Abkehr von dieser Strategie.
Volkswagen muss jedoch gerade in China seine Digitalkompetenz stärken. Sowohl die EU als auch China regulieren den Abfluss von Daten in andere Wirtschaftsräume. Ein internationaler Anbieter wie VW muss daher mehrere getrennte Plattformen für autonomes Fahren aufbauen. Denn die Technik ist nicht auf das eigentliche Auto beschränkt, sondern funktioniert nur vernetzt mit den Verkehrsrechnern der Stadt und mit anderen Autos richtig. Volkswagen hat derzeit in China generell Schwierigkeiten (China.Table berichtete). Das Unternehmen muss dort digitaler, moderner und wettbewerbsfähiger werden. Sonst droht schon bald der Verlust der Marktführerschaft. fin
Continental will trotz des Handelsstreits zwischen Peking und Litauen weiterhin in dem baltischen Staat investieren. Die Pläne des deutschen Zulieferers hätten sich trotz Drucks aus China nicht geändert, sagte der Direktor der litauischen Continental-Fabrik, Shayan Ali, der Lokalzeitung Verslo Žinios. “Unsere Pläne in Litauen sind die gleichen, die wir zu Beginn angekündigt haben – 1.500 Arbeitsplätze und mehr als 185 Millionen Euro Investitionen”, wurde Ali zitiert. Auf die Frage nach dem chinesischen Handelsdruck sagte er, dass die Fabrik zweifellos von der sich ändernden Situation betroffen gewesen sei. “Wir haben alles getan, um uns an die sich ändernden Umstände anzupassen”, so Ali. Nähere Angaben machte er nicht.
China blockiert seit Anfang Dezember die Zollabwicklung für litauische Waren. Auch auf Unternehmen aus anderen EU-Staaten wurde Druck ausgeübt, sich von litauischen Zulieferern zu trennen, um nicht den Marktzugang in der Volksrepublik zu verlieren (China.Table berichtete). Betroffen waren davon unter anderem Continental und der Lippstädter Autozulieferer Hella.
Die EU hatte Ende Januar die WTO eingeschaltet und ein Verfahren gegen China eingeleitet (China.Table berichtete), um die Handelsblockade zu lösen. Bis Anfang März müssen die EU und China nun Gespräche beginnen. ari
CATL, der chinesische Batteriehersteller für E-Autos, will den Ausbau von Standorten außerhalb Chinas vorantreiben. “Das Unternehmen plant, in Zukunft ausländische Produktionsstätten auszubauen und die Ausbildung ausländischer Mitarbeiter zu verbessern”, sagte CATL in einer Erklärung, die nach einem Treffen des Unternehmens mit Investoren am Montag veröffentlicht wurde. Laut dem Wirtschaftsmagazin Caixin hat CATL mit Kunden in den USA über den Aufbau von Produktionswerken gesprochen. Vor dem Hintergrund der Lieferkettenprobleme, die durch die Folgen der Corona-Pandemie weltweit zutage gekommen sind, will CATL demnach “näher” an seinen wichtigsten Märkten produzieren.
Von den zehn Produktionsstandorten von CATL, befinden sich die meisten in der Volksrepublik. In Deutschland baut CATL derzeit eine Fabrik in Thüringen: Noch in diesem Jahr will CATL nahe Erfurt die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien aufnehmen (China.Table berichtete).
Nach Berechnungen von Caixin hat CATL derzeit mehr als 30 Prozent Marktanteil am Batteriemarkt für Elektrofahrzeuge weltweit. In China dominiert das Unternehmen sogar mehr als die Hälfte des Batteriemarktes. niw
Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) schlägt Alarm: Deutschland ist dabei, sich ökonomisch zu stark an China zu binden. Das ist die Erkenntnis der am Montag veröffentlichten Studie mit dem Titel “Reluctanct US vs Ambitious German Direct Investment in China – the Tale of Two Strategies“. IfW-Handelsforscher Rolf Langhammer sagte dazu am Montag: “Deutsche Firmen befinden sich auf dem Weg zu einer gefährlichen Abhängigkeit vom Wohlwollen der chinesischen Führung. Sie dienen dem geopolitischen Machtanspruch Chinas, wenn sie ihr Know-how in das Land transferieren, und können von heimischen Firmen verdrängt werden.”
Der Studie zufolge fließen Auslandsinvestitionen deutscher Unternehmen verstärkt nach China, vor allem im verarbeitenden Gewerbe wie der Automobilindustrie. Amerikas Unternehmen würden eine gegenläufige Strategie wählen – und eher zurückhaltend agieren.
Langhammer zufolge ist die Zahl an Tochterunternehmen und Produktionsstätten deutscher Firmen in China seit den 1990er-Jahren kontinuierlich: Im Jahr 2019 seien rund sieben Prozent der Auslandsinvestitionen Deutschlands in China getätigt worden, was etwa 89 Milliarden Euro entspricht. Im Vergleich: Zur Jahrtausendwende war es lediglich rund ein Prozent. Im verarbeitenden Gewerbe – wie im Autobau, Chemie oder Maschinenbau – stiegen sie von gut zwei auf zuletzt 14 Prozent (61 Milliarden Euro).
Dagegen würden die USA als weltgrößter Auslandsinvestor bislang diese Wachstumsregion eher meiden und stattdessen auf Investitionen in Europa setzen. “Die Zurückhaltung US-amerikanischer Firmen ist umso erstaunlicher, als China seit vielen Jahren eine der am dynamischsten wachsenden Weltregionen ist und Firmen einen äußerst lukrativen Absatzmarkt bietet”, sagte Langhammer.
“Chinas Ziel ist es, sich vom Ausland und speziell dem systemischen Rivalen USA unabhängiger zu machen und Schlüsseltechnologien selbst produzieren zu können”, sagte Langhammer. Dafür brauche man Know-how aus dem Ausland. Ausländische Investoren müssten sich deshalb im Klaren darüber sein, dass sie diesem Ziel dienen sollen und durch heimische Anbieter abgelöst werden, sobald China über die notwendigen Technologiekenntnisse verfügt. rad
Wenn Andreas Schell heute vor schwierigen Situationen steht, denkt er zurück an den vergangenen Herbst. Damals rannte der CEO des Motorenherstellers Rolls-Royce Power Systems durch die marokkanische Wüste, absolvierte bei einem Ultramarathon fast 250 Kilometer in einer Woche. “Von dem Gefühl, meine Grenzen überwunden zu haben, zehre ich bis heute”, sagt Schell. Einen langen Atem braucht der 52-Jährige auch bei der Transformation seines Unternehmens, hinter dem sich die Friedrichshafener Traditionsmarke MTU verbirgt. Seit 2014 gehört sie komplett zum britischen Konzern Rolls-Royce.
Als Schell 2017 an den Bodensee wechselt, hat er bereits eine Karriere mit Führungspositionen bei verschiedenen internationalen Unternehmen hinter sich. “Innovative Technologien haben mich immer interessiert”, sagt der Maschinenbauingenieur. Beim Autobauer Daimler beschäftigt er sich früh mit alternativen Antrieben, ab 2002 arbeitet er beim damaligen Daimler-Partner Chrysler in den USA. Später wechselt er in die Luftfahrtindustrie.
Als das Angebot von Rolls-Royce Power Systems kommt, schlägt er zu: Seine in den USA aufgewachsenen Söhne sollen das Heimatland ihrer Eltern kennenlernen – und die Marke MTU hat für Schell eine große Strahlkraft. Ihn begeistert der hohe Anspruch an die Produkte, sagt er. Motoren von MTU treiben große Fähren an, sind unter widrigen Bedingungen im Bergbau im Einsatz oder sichern die Stromversorgung von Krankenhäusern. “Wir liefern in systemrelevante Industrien, da können wir uns keinen Ausfall erlauben.”
Einer der wichtigsten Wachstumsmärkte ist China. Unter Schells Führung wurde das Unternehmen mit seinen mehr als 10.000 Beschäftigten in vier neue Geschäftsbereiche strukturiert, darunter einer allein für den chinesischen Markt. “China ist enorm wichtig für uns, schon durch die Größe des Landes und den rapiden Ausbau der Infrastruktur”, sagt Schell. Chinesische Kunden hätten kein Verständnis für lange Vorlaufzeiten. “Wenn dort ein neues Datencenter gebaut wird, dauert das von der Initiierung bis zur Fertigstellung oft nur ein Jahr.” Entsprechend schnell müsse man Motoren für die Notstromversorgung liefern.
Um flexibler reagieren zu können, forciere man die Produktion vor Ort. Im Herbst weihte Rolls-Royce Power Systems auch einen neuen Motoren-Prüfstand in Suzhou ein. “Früher haben wir Produkte für europäische Bedürfnisse entwickelt und dann nach China exportiert. Das reicht heute längst nicht mehr aus.” Das Unternehmen geht auch Joint Ventures mit chinesischen Partnern ein. Schell setzt auf persönlichen Kontakt – bis zum Beginn der Pandemie reiste er alle paar Wochen nach China, heute geht vieles auch per Video.
Schell rechnet damit, dass bald auch die chinesische Nachfrage nach emissionsarmen Antrieben rasant steigen werde. “Durch die politischen Strukturen können Entwicklungen dort sehr schnell gehen. Wo heute noch konventionelle Motoren erlaubt sind, können schon morgen nachhaltige Lösungen vorgeschrieben sein.” Darauf bereite man sich vor, forsche etwa an wasserstoffbetriebener Stromversorgung.
Bis 2030 will das Unternehmen 35 Prozent seiner CO2-Emissionen einsparen, bis 2050 klimaneutral sein. Heute entstehen beim Einsatz der MTU-Motoren noch gewaltige Emissionen: Über die gesamte Wertschöpfungskette der Produkte hinweg liegen sie bei mehr als 100 Millionen Tonnen pro Jahr. Zum Vergleich: Der gesamte Ausstoß Deutschlands lag 2021 bei rund 772 Millionen Tonnen. Nun will Schell das Unternehmen transformieren. Wichtige Motoren-Baureihen sollen schon bald einsatzbereit für nachhaltige Kraftstoffe sein. Für ein Schlüsselerlebnis sorgte auch Schells damals 13-jähriger Sohn: Als die Familie gerade erst an den Bodensee gezogen war, stellte der ihm die Frage, wie lang man denn nun dort wohnen bleiben werde: “Ihr beschäftigt euch doch mit Dieselmotoren”, erklärte der Sohn, “das wird doch nicht mehr lange gutgehen.” Das habe ihn wachgerüttelt, sagt Schell. Jan Wittenbrink
Helmut Stettner wird als Geschäftsführer von Audi China auch das neue E-Auto-Werk in China leiten. Bereits im April sollen die Arbeiten für den Bau der rund drei Milliarden Euro teuren Fabrik in Changchun beginnen (China.Table berichtete). Der China-erfahrene Audi-Manager hatte im Mai 2021 die Leitung des im Jahr 2020 gegründeten Joint-Ventures von Audi und der China FAW Group übernommen (China.Table berichtete). Stettner war bereits von 2011 bis 2015 für die Volkswagen-Gruppe in China tätig.
Jens Puttfarcken, der bisherige CEO von Porsche in China, wechselt zur Schwestermarke Audi und wird dort neuer Vertriebschef für Europa. Puttfarcken ist seit fast 25 Jahren für Porsche tätig. Nach Positionen im Bereich Customer Relationship Management, Vertrieb Europa, After Sales leitete er von 2015 bis 2018 den Heimatmarkt Deutschland. Anschließend ging Puttfarcken als Präsident und CEO der Porsche China Motors Ltd. nach Shanghai. Puttfarcken wird die Leitung zum 1. Juni von Martin Sander übernehmen, der zu Ford Europa gewechselt ist.
Eric Huhle arbeitet seit Januar im Bereich Production Planning bei Daimler Greater China in Shanghai. Zuvor war er Production Planner bei der Deutsche Accumotive GmbH in Sachsen.
lange haben die deutschen Autobauer in China auf diesen Schritt gewartet: die Lockerung der Joint-Venture-Pflicht. Dieser Zwang sah vor, dass ausländische Hersteller nie mehr als 50 Prozent an einem Unternehmen in China halten und nur Gemeinschaftsunternehmen mit einheimischen Partnern betreiben durften. Im Geschäft mit Nutzfahrzeugen fiel diese Auflage vor zwei Jahren, ausländischer Hersteller von Elektro- und Hybridautos waren schon vorher davon befreit. Seit Beginn des Jahres ist der Zwang zur Beteiligung einheimischer Unternehmen für die gesamte Branche weitgehend aufgehoben. Doch so ganz glücklich sind mit dieser Lockerung nicht alle, schreibt Christian Domke-Seidel in seiner Analyse. Denn sie birgt Tücken.
Zwangsarbeit und Xinjiang – das Thema ist ein Dauerbrenner. Kürzlich haben die USA einen Importstopp für Produkte aus Xinjiang verkündet, die mit Zwangsarbeit in Verbindung stehen könnten. Die EU hinkt hier noch etwas hinterher. Im neuen Lieferkettengesetz, das am Mittwoch vorgestellt wird, ist so ein Verbot nicht enthalten. Bernd Lange zeigt sich im Gespräch mit Amelie Richter enttäuscht darüber. Ursula von der Leyen habe den Mund bei dem Thema zu voll genommen, beklagt der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament. Doch Lange verspricht, das Thema nicht auf die lange Bank zu schieben. Das EU-Lieferkettengesetz könnte ihm zufolge aber erst Anfang 2026 wirksam werden.
Viele neue Erkenntnisse beim Lesen!
Die aktuellen Öffnungen der chinesischen Wirtschaft dürfen nicht überbewertet werden – mahnt Jürgen Matthes im Gespräch mit China.Table. Matthes ist Leiter des Kompetenzfelds Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) und erklärt: “Es gibt in China einen graduellen, aber beständigen Trend weg von einem sehr restriktivem hin zu einem etwas offenerem Umgang mit ausländischen Investitionen im eigenen Land.”
Diese Äußerung überrascht. Denn eigentlich sind die politischen Problemzonen im Verhältnis zwischen Europa und China in den vergangenen Jahren eher größer geworden. Sanktionen wurden mit Gegensanktionen beantwortet, ohne dass zentrale Streitpunkte aus der Welt geschafft werden konnten. Die Lockerungen in der chinesischen Joint-Venture-Pflicht scheinen zumindest auf wirtschaftlicher Ebene ein erster, kleiner Schritt der Entspannung.
Dem Bund der Deutschen Industrie (BDI) reicht das allerdings nicht aus. Gegenüber China.Table fordert Wolfgang Niedermark, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung: “Die Bundesregierung und die EU-Kommission müssen gegenüber China auf Reziprozität beim Marktzugang und ein Level-Playing-Field pochen. Die chinesische Regierung muss alle Formen von Marktzugangsbarrieren beseitigen und einen fairen Wettbewerb zwischen allen Marktteilnehmern ermöglichen.”
In dieser Form sei das kaum zu erwarten, glaubt Matthes. China würde zwischen einer Öffnung einerseits und Autarkie im Sinne der Dual Circulation andererseits pendeln. Entsprechend haben die Lockerungen einen Haken, wie Matthes erläutert: “Die Öffnungen sind kleine Schritte in Bereichen, in denen es China nicht weh tut, weil die eigenen Firmen meist schon stark genug sind, um sich dem globalen Wettbewerb zu stellen.” Eine Einschränkung, die auch der BDI sieht. Zwar würde sich für europäische Firmen ein enormes Absatzpotential auftun, das Risiko des Technologietransfers sei aber groß. Zumal die chinesische Regierung immer stärker auf Importsubstitution setze und dabei einheimische Unternehmen bevorzuge. “Diese Praxis benachteiligt deutsche Unternehmen oder schließt diese gar vom chinesischen Markt aus.”
Während chinesische Firmen in Europa vor einem weitgehend barrierefreien Markt stehen, sind europäische Unternehmen mit einer Vielzahl von Restriktionen konfrontiert. Das chinesische Modell einer parteistaatlich gelenkten Wirtschaft würde auch hierzulande ungleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen, glaubt Niedermark und fordert Anpassungen am europäischen Rechtsrahmen etwa für Reziprozität im öffentlichen Auftragswesen, schärfere Anti-Subventions-Regeln und ein gemeinsamer Kurs der EU-Staaten bei der Investitionskontrolle. “Wir wollen unseren Markt offenhalten, müssen aber mehr dafür tun, dass Marktmechanismen tatsächlich zum Einsatz kommen und nicht durch ausländische Staatsunternehmen verzerrt werden.“
Die Lockerungen, die jetzt umgesetzt werden, wurden bereits im Jahr 2018 angekündigt. Deutsche Automobilhersteller standen also schon in den Startlöchern. Pünktlich mit Beginn der Lockerungen erhöhte BMW für 3,7 Milliarden Euro seinen Anteil am Joint-Venture mit Brilliance von 50 auf 75 Prozent (China.Table berichtete). Den Schritt hatten die Münchener bereits im Jahr 2018 angekündigt. Auch Audi hat direkt eine erweiterte Partnerschaft mit FAW angekündigt (China.Table berichtete). Bis zum Jahr 2024 soll ein neues Werk entstehen, indem jährlich 150.000 Elektroautos gefertigt werden sollen. Der deutsche Autohersteller hält an der Audi FAW NEV Company, wie das Unternehmen heißt, ebenfalls die Mehrheit.
Ein Alleingang – ohne chinesischen Partner – kommt für Audi nicht infrage. “Die Kooperation ermöglicht uns einen tiefen Einblick in den chinesischen Markt – deshalb werden wir dieses Erfolgsmodell auch in Zukunft beibehalten. Durch unseren lokalen Partner ist es uns möglich, Expertise und Kunden-Anforderungen bereits in früher Entwicklungsphase in das Fahrzeug einzubringen – das hat sich als sehr hilfreich erwiesen”, erklärte eine Unternehmenssprecherin gegenüber China.Table. BMW sieht es ähnlich. Einen Partner vor Ort zu haben, der den Markt kennt und dahingehend sein Know-how einbringen könnte, sei wichtig. Es gäbe weder Pläne für einen Alleingang, noch Gründe dafür, das Joint-Venture mit Brilliance infrage zu stellen, wird das Unternehmen sehr deutlich. Niedermark kann das nachvollziehen. “Zahlreiche deutsche Unternehmen sind bereits seit Jahren oder gar Jahrzehnten in China investiert. Für sie bleibt der chinesische Markt auch in Zukunft wichtig.”
Auch Matthes überraschen die Aussagen nicht. Der chinesische Automarkt sei ohnehin schwierig und würde durch geopolitische Maßnahmen weiter verkompliziert: “Wir kriegen von deutschen Firmen in China mit, dass der Markt schwieriger wird, da heimische Firmen immer stärker bevorzugt werden. Das neue Narrativ, auf sich selbst schauen zu wollen, ist erstaunlich schnell im ganzen System angekommen.” Die Nachfrageperspektiven für ausländische Firmen in China seien eher weniger optimistisch, so Matthes weiter. Viele würden sich wie Schachfiguren im geopolitischen Spiel fühlen.
Auf der anderen Seite sei China aber nun mal ein großer und dynamischer Markt. Bestehende Joint-Ventures beizubehalten oder zu intensivieren sei eine Art, auf die veränderte Stimmung im Land zu reagieren, so Matthes. “Immer mehr deutsche Firmen in China überlegen sich, was die höheren geopolitischen Risiken für ihr Unternehmen bedeuten. Manche entscheiden sich, so chinesisch wie möglich nach außen zu wirken, um drohende Probleme im Geschäftsalltag zu minimieren.”
Herr Lange, wie groß ist Ihre Enttäuschung und die des Europaparlaments, dass das Importverbot von Produkten aus Zwangsarbeit nicht im EU-Lieferkettengesetz enthalten sein wird?
Zunächst einmal sind wir sauer, dass das ganze Gesetzgebungsverfahren überhaupt so lange gedauert hat. Es gab Verzögerungen, auch durch den Ausschuss für Regulierungskontrolle. Das Verbot für die Produkte aus Zwangsarbeit kam auch erst später in den Prozess der Lieferketten-Gesetzgebung hinzu und hat nochmal einen anderen Schwerpunkt. Wir hätten uns aber gewünscht, dass es ein gemeinsames Gesetzgebungs-Paket gibt. Es gibt natürlich noch ein paar inhaltliche Fragen zu klären. Wie geht man mit den Produkten um? Gibt es eine Dialogphase? Ist es wirklich ein Importverbot am Hafen? Oder soll es auch ein Vermarktungsverbot werden, wenn eben diese Produkte über einen Drittstaat eingeführt werden? Da sind wirklich noch ein paar technische Fragen zu klären. Insofern gibt es eine gewisse Logik, dass das nun noch gründlicher gemacht wird und es entsprechend auch ein Impact Assessment gibt. Wenn das jetzt einfach hingeklatscht worden wäre, hätte es das nicht gegeben. Es wäre schöner gewesen, wenn alles zusammen im letzten Jahr gemacht worden wäre, aber ein paar Dinge haben das leider nicht möglich gemacht.
Die EU-Kommission und Ursula von der Leyen hatten das Importverbot groß angekündigt. Wurde da eventuell der Mund zu voll genommen?
Das Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit war in den ursprünglichen Plänen von Justizkommissar Reynders nicht enthalten. Ich habe mit ihm darüber gesprochen und der Ansatz lief immer so ein bisschen nebenher. Dann kam besonders die Frage nach der Unternehmensverfassung auf und Binnenmarkt-Kommissar Breton wurde mit einbezogen. Die Unternehmensverfassung war ein großer Streitpunkt. Und es ist ja auch eine ziemlich fundamentale Frage, ob man die Verpflichtung eines Unternehmens in der Zielsetzung reguliert und in welche Richtung reguliert wird. Und da gibt es sicherlich große Abstriche von dem ursprünglichen Ansatz von Herrn Reynders. “Forced Labour” lief deshalb ein bisschen nebenher und da hat Ursula von der Leyen den Mund sehr voll genommen. Aber wir kennen sie ja alle, wie sie sehr theatralisch und blumenreich vieles verkündet und dann die Bilanz etwas magerer aussieht. Wir haben aber als Europäische Union den Anspruch, im Vergleich zu anderen Gesetzgebern weltweit, dass wir ein Auge darauf haben, wie ein Gesetz gestrickt wird und welche Konsequenzen es hat. Und das muss man beim Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit auch sorgfältig machen. Es wird deswegen jetzt aber nicht auf die lange Bank geschoben, sondern soll schon zügig auf den Tisch kommen.
Welche Möglichkeiten gibt es jetzt noch für dieses Importverbot? Wird es ein eigenständiges Gesetz?
Ich gehe davon aus, dass es ein eigenständiges Gesetz wird. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass das dann auch ein sogenanntes Handelsinstrument wird, womit wir uns auch die rechtlichen Fragen nochmal ansehen müssen. Die Lieferketten-Gesetzgebung wird wegen der Unternehmensverfassung eher zu einer Richtlinie führen, was ich nicht so schön finde. Denn dann haben die Mitgliedstaaten Möglichkeiten in der nationalen Umsetzung, um mehr Gestaltungsspielraum zu haben und auch gewisse Schlupflöcher zu nutzen. Insofern habe ich immer für eine Verordnung plädiert. Bei den Importrestriktionen für Zwangsarbeit gehe ich davon aus, dass es eine Verordnung wird, die dann auch für alle Mitgliedstaaten sofort und im gleichen Maß gilt.
Finden Sie denn, dass durch die kommissionsinternen Schiebereien und die Verzögerungen das Lieferkettengesetz massiv verwässert wurde?
Wir müssen mal schauen, welcher Vorschlag am 23. Februar wirklich auf dem Tisch liegt. Es war eine schwierige Operation, weil wir ja auch noch 27 unterschiedliche nationale rechtliche Rahmenbedingungen dafür haben. Ich war am Anfang sowieso ein Freund davon, das stärker zu trennen, das Lieferkettengesetz und die Unternehmensverantwortung. Aber die Würfel sind anders gefallen. Es wird wohl größere Ausnahmen für Klein- und Mittelbetriebe im EU-Lieferkettengesetz geben, als ursprünglich angedacht. Aber ansonsten gehe ich nicht davon aus, dass es eine stärkere Verwässerung gibt.
Wann kann man dazu mit einer Abstimmung im Europaparlament rechnen? Und wann könnte das Lieferkettengesetz dann in Kraft treten?
Das ist eine sehr komplexe Gesetzgebung. Wir haben ein kleines Vorbild für die Sorgfaltspflicht beim Umgang mit Mineralien aus Konfliktgebieten. Daraus haben wir ein bisschen gelernt: Wir müssen eine relativ klare Gesetzgebung haben. Also, was sind Sorgfaltspflichten, damit das auch gerichtsfest ist. In Frankreich haben wir das Problem, dass die französische Gesetzgebung so viel Interpretationsspielraum zulässt, dass es nicht gerichtsfest ist. Die Anforderungen müssen klar definiert werden. Dann steht noch die Verhandlung mit dem EU-Rat an. Und wir brauchen auch die Zertifizierer, die das überprüfen können. Der Erfahrung nach, mit den Konfliktmineralien, dauert das alles etwa fünf Jahre. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich für das absolute Scharfstellen des EU-Lieferkettengesetzes den 01.01.2026 sehe, aber das könnte der zeitliche Horizont sein.
Welche Auswirkung erwarten Sie dadurch auf den Handel mit China?
Das ist ja kein “Lex China”, es ist eine generelle Sorgfaltspflicht. Aber wir müssen das dann auch bei Produkten aus China Wirklichkeit werden lassen: Also Risikoanalysen machen, um zu sehen, wo werden die Sorgfaltspflichten verletzt und was kann man tun, um das unter Kontrolle zu kriegen. Wir wollen kein “cut and go”, das ist sicherlich nicht unser Ansatz.
Also keinen plötzlichen Abbruch der Handelsbeziehungen, sondern eine Verbesserung der Praktiken der Firmen.
Deswegen werden wir auch für China Risikoanalysen und entsprechende Management-Pläne verlangen. Das wird natürlich, was die Zertifizierung betrifft, eine schwierige Nummer. Wir wissen alle, dass derzeit in Xinjiang keine Zertifizierung mehr möglich ist. Aber trotzdem ist der Anspruch da. Und wenn es eben nicht geht, dann kann man in der Tat auch keine Sorgfaltspflichten überprüfen. Das muss dann auch mit den chinesischen Verantwortlichen zu diskutieren sein. China stellt nicht nur einseitig eine Abhängigkeit für uns dar, sondern dort gibt es auch eine Abhängigkeit von europäischen Firmen. Das ist keine einseitige Machtsituation, die vielleicht die Umsetzung des Lieferkettengesetzes infrage stellen würde. Ich will nicht ausschließen, dass es Konflikte geben wird, aber da muss eben mit den zuständigen Verantwortlichen deutlich gesprochen und klargestellt werden, dass wir keine Einmischung in eine europäische Gesetzgebung akzeptieren werden.
EU-Industrievertreter in China argumentieren, dass es schier unmöglich ist, dort Zwangsarbeit festzustellen, weil das chinesische Recht keine Zwangsarbeit kennt. Welche Probleme könnten sich für Händler ergeben, die ihre Waren in die EU einführen wollen?
Das ist genau das Problem bei der Gesetzgebung zur “Forced Labor” und China. Die Vereinigten Staaten haben zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der ILO und Nichtregierungsorganisationen Verfahren entwickelt, um Zwangsarbeit festzustellen und das dann auch dementsprechend zu überprüfen. Die Gesetzgebung soll ja keine politische Waffe sein, sondern soll sich auf Fakten beziehen. Und dabei ist es, glaube ich, unabhängig davon, ob China den rechtlichen Bestand von Zwangsarbeit zulässt oder nicht. Die Praxis ist das Entscheidende. Der Einzelfall bei Unternehmen soll bewertet und dann entschieden werden.
Im Handelsstreit um Litauen haben die EU und China noch bis zum 6. März Zeit, Gespräche im Rahmen einer WTO-Anfrage aufzunehmen. Erwarten Sie dadurch eine Lösung des Konflikts?
Man muss sehen, was dabei rauskommen wird. Es ist das normale WTO-Verfahren, dass es erst einen Dialogprozess gibt, was ich auch gut finde. Man sollte nicht sofort die Kanonen aus dem Keller holen. Inwieweit China bereit sein wird, muss man absehen. Es ist meiner Ansicht nach völlig klar, dass WTO-Regeln verletzt und Handelsmaßnahmen als politische Waffe benutzt werden. Das ist nicht akzeptabel.
Das geplante Instrument gegen wirtschaftlichen Zwang, also das Anti-Coercion-Instrument, könnte künftig Abhilfe bei solchen Situationen schaffen. Die französische EU-Ratspräsidentschaft möchte bei dem Thema aufs Gaspedal treten. Wie ist der aktuelle Stand?
Es gibt drei Gesetzgebungsverfahren, die derzeit auf dem Tisch liegen und uns wehrhafter machen sollen: Das zum Zugang zur öffentlichen Beschaffung auf einem “level playing field”, also das International Procurement Instrument IPI, der Ausschluss von illegaler Subventionierung für ausländische Unternehmen und eben die Möglichkeit, sich gegen Zwangsmaßnahmen politischer Art, die aber mit wirtschaftlichen Mitteln durchgepresst werden, zu wehren. Diese drei defensiven Instrumente sind sicherlich eine Priorität der französischen Ratspräsidentschaft. Angesichts der Vorläufe und des Diskussionsstandes ist realistisch zu sagen, dass IPI unter der französischen EU-Ratspräsidentschaft abgeschlossen werden könnte, vielleicht sogar im März.
Was sind hier die Knackpunkte?
In der Frage der illegalen Subventionen direkter oder indirekter Art für ausländische Unternehmen auf dem Binnenmarkt, da werden wir vielleicht noch die Verhandlungen mit den Franzosen beginnen. Das Anti-Coercion-Instrument ist von der Vorlage des Gesetzgebungsverfahrens her das jüngste. Dazu stelle ich gerade meinen Bericht fertig. Ich gehe davon aus, dass wir vielleicht vor der Sommerpause im Parlament eine Positionierung haben. Hier werden wir sicherlich nicht unter der französischen Ratspräsidentschaft noch eine Einigung hinkriegen. Aber ich hoffe, dass es möglichst schnell in diesem Jahr auch zu einer Gesetzgebung kommt.
Last but not least: Ein EU-Handels-Dauerthema, das Investitionsabkommen CAI. Gibt es einen neuen Stand? Wird im Hintergrund durch China versucht, das Abkommen doch noch voranzubringen?
Die Sanktionen gegen meine Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament stehen weiterhin und damit ist klar: Wir werden jetzt nichts tun und auch die Weiterbearbeitung im Parlament erfolgt nicht. Das Abkommen an sich hat ein paar positive Elemente. Aber eben auch Dinge, bei denen das EU-Parlament sowieso noch Nachbesserungen einfordern würde. Aber auch damit beschäftigen wir uns zurzeit nicht. Das liegt ganz unten im Gefrierfach – neben dem EU-Mercosur-Abkommen. Und ich sehe derzeit auch niemanden, der da die Tür aufmacht.
Bernd Lange ist seit 1994 mit einer Unterbrechung (2005-2009) Abgeordneter im EU-Parlament. Der Oldenburger ist seit Juli 2014 Vorsitzender des Handelsausschusses. Lange ist zudem Mitglied der Delegation für die Beziehungen zu Südostasien und den ASEAN-Staaten im Europaparlament.
Unter dem Namen “Polestar 0” plant das gleichnamige Gemeinschaftsunternehmen des schwedischen Automobilherstellers Volvo und seiner chinesischen Mutterfirma Geely einen serienreifen Pkw mit Netto-Null-Emissionen. Das Projekt wurde bereits im April 2021 gestartet. Nun hat Polestar erste Kooperationspartner bekannt gegeben. Darunter sind der deutsche Zulieferer ZF, der schwedische Stahlkonzern SSAB und der norwegische Aluminiumproduzent Hydro, sowie die Unternehmen ZKW und Autoliv. In einem öffentlichen Aufruf auf seiner Internetseite sucht Polestar bis zum 23. März zudem weitere Mitstreiter und Forscher, die sich beteiligen wollen.
Polestar wurde 2017 als Joint Venture von Geely und Volvo gegründet und ist eine reine Elektroauto-Marke. Für den “Polestar 0” will das Unternehmen nicht auf Kompensationszertifikate zurückgreifen, um Emissionen auszugleichen. Stattdessen soll CO₂ im gesamten Produktionsprozess vermieden werden. Das schließt unter anderem die Rohstoffgewinnung, die Materialveredelung und -herstellung sowie den Transport ein.
Das Unternehmen kritisiert eine mangelnde Transparenz in der Automobilbranche. Für Verbraucher sei ein Vergleich der Klimaauswirkungen von Fahrzeugen dadurch fast unmöglich. Ein wesentliches Problem seien die unterschiedlichen Berechnungsmethoden, die von verschiedenen Autoherstellern für Ökobilanzen verwendet werden. Polestar fordert eine Einigung der Branche auf vergleichbare Berechnungsmethoden.
Polestar selbst gibt den CO2-Fußabdruck seiner Fahrzeuge genau an. Demnach verlässt ein neuer Polestar 2 die Fabrik mit einer CO2-Bilanz von 26 Tonnen. Schuld an der schlechten Energiebilanz des E-Autos ist die Batterie. Beim Volvo XC40, einem vergleichbaren Modell mit Verbrennungsmotor, ist der Fußabdruck in der Produktion geringer. Nach 50.000 Kilometern Fahrt wird das Elektroauto gegenüber dem Verbrenner allerdings klimafreundlicher. jul
Volkswagen möchte seine Autos offenbar im großen Stil mit Technik des chinesischen IT-Konzerns Huawei ausstatten. Möglicherweise ist sogar die Übernahme der Huawei-Sparte für intelligente Fahrzeugsteuerung geplant. Dafür wolle VW einen Milliardenbetrag ausgeben, berichtet das Manager Magazin. Hinter den Kulissen erfuhr China.Table, dass es durchaus Gespräche über eine Zusammenarbeit gibt. Diese stehen aber noch eher am Anfang. Ausgang: ungewiss. Volkswagen wollte die Marktspekulationen nicht offiziell kommentieren.
Die Smart-Car-Sparte von Huawei wäre für VW sehr attraktiv. Der Konzern hat Schwierigkeiten, die IT-Mannschaftsstärke für die Mobilitätsangebote der Zukunft zusammenzukaufen. Ein Auto ist jetzt schon ebenso sehr Digitalprodukt, wie es Verkehrsmittel ist. In Asien spielt die Vernetzung sogar eine größere Rolle als in Europa. Die Huawei-Tochter für intelligentes autonomes Fahren beschäftigt 700 Mitarbeiter, davon sind 50 Informatiker und Ingenieure. Das ursprüngliche Ziel von Huawei war allerdings, das Intel für selbstfahrende Autos zu werden und den etablierten Anbietern die Technik für ihre eigenen Produkte zuzuliefern (China.Table berichtete). Die Bindung an nur eine Automarke wäre eine Abkehr von dieser Strategie.
Volkswagen muss jedoch gerade in China seine Digitalkompetenz stärken. Sowohl die EU als auch China regulieren den Abfluss von Daten in andere Wirtschaftsräume. Ein internationaler Anbieter wie VW muss daher mehrere getrennte Plattformen für autonomes Fahren aufbauen. Denn die Technik ist nicht auf das eigentliche Auto beschränkt, sondern funktioniert nur vernetzt mit den Verkehrsrechnern der Stadt und mit anderen Autos richtig. Volkswagen hat derzeit in China generell Schwierigkeiten (China.Table berichtete). Das Unternehmen muss dort digitaler, moderner und wettbewerbsfähiger werden. Sonst droht schon bald der Verlust der Marktführerschaft. fin
Continental will trotz des Handelsstreits zwischen Peking und Litauen weiterhin in dem baltischen Staat investieren. Die Pläne des deutschen Zulieferers hätten sich trotz Drucks aus China nicht geändert, sagte der Direktor der litauischen Continental-Fabrik, Shayan Ali, der Lokalzeitung Verslo Žinios. “Unsere Pläne in Litauen sind die gleichen, die wir zu Beginn angekündigt haben – 1.500 Arbeitsplätze und mehr als 185 Millionen Euro Investitionen”, wurde Ali zitiert. Auf die Frage nach dem chinesischen Handelsdruck sagte er, dass die Fabrik zweifellos von der sich ändernden Situation betroffen gewesen sei. “Wir haben alles getan, um uns an die sich ändernden Umstände anzupassen”, so Ali. Nähere Angaben machte er nicht.
China blockiert seit Anfang Dezember die Zollabwicklung für litauische Waren. Auch auf Unternehmen aus anderen EU-Staaten wurde Druck ausgeübt, sich von litauischen Zulieferern zu trennen, um nicht den Marktzugang in der Volksrepublik zu verlieren (China.Table berichtete). Betroffen waren davon unter anderem Continental und der Lippstädter Autozulieferer Hella.
Die EU hatte Ende Januar die WTO eingeschaltet und ein Verfahren gegen China eingeleitet (China.Table berichtete), um die Handelsblockade zu lösen. Bis Anfang März müssen die EU und China nun Gespräche beginnen. ari
CATL, der chinesische Batteriehersteller für E-Autos, will den Ausbau von Standorten außerhalb Chinas vorantreiben. “Das Unternehmen plant, in Zukunft ausländische Produktionsstätten auszubauen und die Ausbildung ausländischer Mitarbeiter zu verbessern”, sagte CATL in einer Erklärung, die nach einem Treffen des Unternehmens mit Investoren am Montag veröffentlicht wurde. Laut dem Wirtschaftsmagazin Caixin hat CATL mit Kunden in den USA über den Aufbau von Produktionswerken gesprochen. Vor dem Hintergrund der Lieferkettenprobleme, die durch die Folgen der Corona-Pandemie weltweit zutage gekommen sind, will CATL demnach “näher” an seinen wichtigsten Märkten produzieren.
Von den zehn Produktionsstandorten von CATL, befinden sich die meisten in der Volksrepublik. In Deutschland baut CATL derzeit eine Fabrik in Thüringen: Noch in diesem Jahr will CATL nahe Erfurt die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien aufnehmen (China.Table berichtete).
Nach Berechnungen von Caixin hat CATL derzeit mehr als 30 Prozent Marktanteil am Batteriemarkt für Elektrofahrzeuge weltweit. In China dominiert das Unternehmen sogar mehr als die Hälfte des Batteriemarktes. niw
Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) schlägt Alarm: Deutschland ist dabei, sich ökonomisch zu stark an China zu binden. Das ist die Erkenntnis der am Montag veröffentlichten Studie mit dem Titel “Reluctanct US vs Ambitious German Direct Investment in China – the Tale of Two Strategies“. IfW-Handelsforscher Rolf Langhammer sagte dazu am Montag: “Deutsche Firmen befinden sich auf dem Weg zu einer gefährlichen Abhängigkeit vom Wohlwollen der chinesischen Führung. Sie dienen dem geopolitischen Machtanspruch Chinas, wenn sie ihr Know-how in das Land transferieren, und können von heimischen Firmen verdrängt werden.”
Der Studie zufolge fließen Auslandsinvestitionen deutscher Unternehmen verstärkt nach China, vor allem im verarbeitenden Gewerbe wie der Automobilindustrie. Amerikas Unternehmen würden eine gegenläufige Strategie wählen – und eher zurückhaltend agieren.
Langhammer zufolge ist die Zahl an Tochterunternehmen und Produktionsstätten deutscher Firmen in China seit den 1990er-Jahren kontinuierlich: Im Jahr 2019 seien rund sieben Prozent der Auslandsinvestitionen Deutschlands in China getätigt worden, was etwa 89 Milliarden Euro entspricht. Im Vergleich: Zur Jahrtausendwende war es lediglich rund ein Prozent. Im verarbeitenden Gewerbe – wie im Autobau, Chemie oder Maschinenbau – stiegen sie von gut zwei auf zuletzt 14 Prozent (61 Milliarden Euro).
Dagegen würden die USA als weltgrößter Auslandsinvestor bislang diese Wachstumsregion eher meiden und stattdessen auf Investitionen in Europa setzen. “Die Zurückhaltung US-amerikanischer Firmen ist umso erstaunlicher, als China seit vielen Jahren eine der am dynamischsten wachsenden Weltregionen ist und Firmen einen äußerst lukrativen Absatzmarkt bietet”, sagte Langhammer.
“Chinas Ziel ist es, sich vom Ausland und speziell dem systemischen Rivalen USA unabhängiger zu machen und Schlüsseltechnologien selbst produzieren zu können”, sagte Langhammer. Dafür brauche man Know-how aus dem Ausland. Ausländische Investoren müssten sich deshalb im Klaren darüber sein, dass sie diesem Ziel dienen sollen und durch heimische Anbieter abgelöst werden, sobald China über die notwendigen Technologiekenntnisse verfügt. rad
Wenn Andreas Schell heute vor schwierigen Situationen steht, denkt er zurück an den vergangenen Herbst. Damals rannte der CEO des Motorenherstellers Rolls-Royce Power Systems durch die marokkanische Wüste, absolvierte bei einem Ultramarathon fast 250 Kilometer in einer Woche. “Von dem Gefühl, meine Grenzen überwunden zu haben, zehre ich bis heute”, sagt Schell. Einen langen Atem braucht der 52-Jährige auch bei der Transformation seines Unternehmens, hinter dem sich die Friedrichshafener Traditionsmarke MTU verbirgt. Seit 2014 gehört sie komplett zum britischen Konzern Rolls-Royce.
Als Schell 2017 an den Bodensee wechselt, hat er bereits eine Karriere mit Führungspositionen bei verschiedenen internationalen Unternehmen hinter sich. “Innovative Technologien haben mich immer interessiert”, sagt der Maschinenbauingenieur. Beim Autobauer Daimler beschäftigt er sich früh mit alternativen Antrieben, ab 2002 arbeitet er beim damaligen Daimler-Partner Chrysler in den USA. Später wechselt er in die Luftfahrtindustrie.
Als das Angebot von Rolls-Royce Power Systems kommt, schlägt er zu: Seine in den USA aufgewachsenen Söhne sollen das Heimatland ihrer Eltern kennenlernen – und die Marke MTU hat für Schell eine große Strahlkraft. Ihn begeistert der hohe Anspruch an die Produkte, sagt er. Motoren von MTU treiben große Fähren an, sind unter widrigen Bedingungen im Bergbau im Einsatz oder sichern die Stromversorgung von Krankenhäusern. “Wir liefern in systemrelevante Industrien, da können wir uns keinen Ausfall erlauben.”
Einer der wichtigsten Wachstumsmärkte ist China. Unter Schells Führung wurde das Unternehmen mit seinen mehr als 10.000 Beschäftigten in vier neue Geschäftsbereiche strukturiert, darunter einer allein für den chinesischen Markt. “China ist enorm wichtig für uns, schon durch die Größe des Landes und den rapiden Ausbau der Infrastruktur”, sagt Schell. Chinesische Kunden hätten kein Verständnis für lange Vorlaufzeiten. “Wenn dort ein neues Datencenter gebaut wird, dauert das von der Initiierung bis zur Fertigstellung oft nur ein Jahr.” Entsprechend schnell müsse man Motoren für die Notstromversorgung liefern.
Um flexibler reagieren zu können, forciere man die Produktion vor Ort. Im Herbst weihte Rolls-Royce Power Systems auch einen neuen Motoren-Prüfstand in Suzhou ein. “Früher haben wir Produkte für europäische Bedürfnisse entwickelt und dann nach China exportiert. Das reicht heute längst nicht mehr aus.” Das Unternehmen geht auch Joint Ventures mit chinesischen Partnern ein. Schell setzt auf persönlichen Kontakt – bis zum Beginn der Pandemie reiste er alle paar Wochen nach China, heute geht vieles auch per Video.
Schell rechnet damit, dass bald auch die chinesische Nachfrage nach emissionsarmen Antrieben rasant steigen werde. “Durch die politischen Strukturen können Entwicklungen dort sehr schnell gehen. Wo heute noch konventionelle Motoren erlaubt sind, können schon morgen nachhaltige Lösungen vorgeschrieben sein.” Darauf bereite man sich vor, forsche etwa an wasserstoffbetriebener Stromversorgung.
Bis 2030 will das Unternehmen 35 Prozent seiner CO2-Emissionen einsparen, bis 2050 klimaneutral sein. Heute entstehen beim Einsatz der MTU-Motoren noch gewaltige Emissionen: Über die gesamte Wertschöpfungskette der Produkte hinweg liegen sie bei mehr als 100 Millionen Tonnen pro Jahr. Zum Vergleich: Der gesamte Ausstoß Deutschlands lag 2021 bei rund 772 Millionen Tonnen. Nun will Schell das Unternehmen transformieren. Wichtige Motoren-Baureihen sollen schon bald einsatzbereit für nachhaltige Kraftstoffe sein. Für ein Schlüsselerlebnis sorgte auch Schells damals 13-jähriger Sohn: Als die Familie gerade erst an den Bodensee gezogen war, stellte der ihm die Frage, wie lang man denn nun dort wohnen bleiben werde: “Ihr beschäftigt euch doch mit Dieselmotoren”, erklärte der Sohn, “das wird doch nicht mehr lange gutgehen.” Das habe ihn wachgerüttelt, sagt Schell. Jan Wittenbrink
Helmut Stettner wird als Geschäftsführer von Audi China auch das neue E-Auto-Werk in China leiten. Bereits im April sollen die Arbeiten für den Bau der rund drei Milliarden Euro teuren Fabrik in Changchun beginnen (China.Table berichtete). Der China-erfahrene Audi-Manager hatte im Mai 2021 die Leitung des im Jahr 2020 gegründeten Joint-Ventures von Audi und der China FAW Group übernommen (China.Table berichtete). Stettner war bereits von 2011 bis 2015 für die Volkswagen-Gruppe in China tätig.
Jens Puttfarcken, der bisherige CEO von Porsche in China, wechselt zur Schwestermarke Audi und wird dort neuer Vertriebschef für Europa. Puttfarcken ist seit fast 25 Jahren für Porsche tätig. Nach Positionen im Bereich Customer Relationship Management, Vertrieb Europa, After Sales leitete er von 2015 bis 2018 den Heimatmarkt Deutschland. Anschließend ging Puttfarcken als Präsident und CEO der Porsche China Motors Ltd. nach Shanghai. Puttfarcken wird die Leitung zum 1. Juni von Martin Sander übernehmen, der zu Ford Europa gewechselt ist.
Eric Huhle arbeitet seit Januar im Bereich Production Planning bei Daimler Greater China in Shanghai. Zuvor war er Production Planner bei der Deutsche Accumotive GmbH in Sachsen.