Table.Briefing: China

Interview Schön-Behanzin + Audi und Nio im Clinch

  • Bettina Schön-Behanzin: “Wir müssen im Dialog bleiben”
  • Streit mit Audi überschattet Nio-Launch
  • Synolytics.Radar: Industriepolitik für E-Autobatterien
  • Deal mit Sixt für BYD
  • Zulassung für Comac C919
  • DIHK: Lieferketten erholen sich leicht
  • Standpunkt: Charles Tannock über Xi Jinpings radioaktiven Freund
  • Personalien: Fabian Rostock ist neuer Strategiechef bei Porsche, China
Liebe Leserin, lieber Leser,

Zunächst einmal wünschen wir allen Leserinnen und Lesern in China eine wunderbare Goldene Woche und ein paar geruhsame Tage.

Wegen der Null-Covid-Politik wurden die Chinesen allerdings wieder einmal aufgerufen, in diesem Jahr während der Ferientage nicht zu verreisen. Die Pandemie bestimmt noch immer den Alltag vieler Menschen und Unternehmen. Davon kann auch Bettina Schön-Behanzin ein Lied singen, die Repräsentantin der Freudenberg Gruppe in Shanghai. Im Interview mit Frank Sieren drückt Schön-Behanzin die Hoffnung aus, dass China bald wieder zur Normalität zurückkehrt. Das Wirtschaftsumfeld werde schwieriger, und Europas Unternehmen müssten sich mehr anstrengen, ist sie überzeugt.

Schwierig könnte es auch für den chinesischen E-Autobauer Nio in Deutschland werden. Kurz vor dem Marktstart hat Konkurrent Audi das China-Start-up wegen Markenrechtsverletzung angeklagt. Den Ingolstädtern sind die Modellbezeichnungen ES6 und ES8 zu nahe an jenen der eigenen Sportmodelle S6 und S8. 

Abgesehen davon, dass Zahlen-Buchstaben-Kombinationen bei der Bezeichnung von Automodellen absolut üblich sind, wie Christian Domke Seidel in seinem Text analysiert – auf gerade einmal 150.000 Euro hat das Landgericht den Streitwert festgesetzt. Kleinlich, mag man meinen. Doch darum scheint es Audi nicht zu gehen. Vielmehr erweckt dieses Vorgehen den Verdacht, dass es dem Ingolstädter Autobauer darum geht, dem potenziell neuen Konkurrenten aus Fernost gleich zu Beginn eins auszuwischen. Ob die Strategie aufgeht? Um den Start des chinesischen Newcomers zu verhageln, reicht es allemal.

Viele neue Erkenntnisse beim Lesen!

Ihr
Felix Lee
Bild von Felix  Lee

Analyse

“Es ist härter geworden”

Bettina Schön-Behanzin lebt und arbeitet seit 26 Jahren in China. Die Forderung nach einer Entkopplung deutscher Unternehmen von China hält sie für naiv.
Bettina Schön-Behanzin lebt und arbeitet seit 26 Jahren in China. Die Forderung nach einer Entkopplung deutscher Unternehmen vom chinesischen Markt hält sie für naiv.

Wie tief sind die Spuren des harten Lockdowns in Shanghai bei Ihnen?

Das war für alle hier in Shanghai ein großer Schock. Keiner hatte erwartet, dass dies in Shanghai möglich ist. Viele sind verunsichert und fragen sich: Kann das nochmal passieren? Ausschließen kann man das nicht. Viele Restaurants haben hier zugemacht, viele Ausländer haben ihre Koffer gepackt und sind abgereist – für immer.

Haben Sie ihre Koffer auch schon gepackt?

Nein, so schnell verlasse ich mein geliebtes Shanghai nicht. Aber ich muss schon sagen, dass diese drei Jahre, besonders die gut zwei Monate des Lockdowns diese Liebe auf eine harte Probe gestellt haben. All diese Unsicherheiten und Restriktionen, die ständigen Tests – und die Gefahr, dass man irgendwo hängenbleibt, wenn man im Land reist, aber auch die großen Schwierigkeiten, international zu reisen. Da frage ich mich schon: Wie weit und wie lange bin ich noch bereit, das mitzumachen?

Aber es gibt auch eine andere Seite: Wir sollten nicht vergessen, dass die Jahre 2020 und 2021, in denen Deutschland ja zum Beispiel aufgrund der Delta-Variante in einem viel längeren Lockdown durchhalten musste, auch sehr hart waren – während wir hier ein fast völlig normales Leben hatten, bis auf die Tatsache, dass es schwierig war, nach Deutschland zu reisen. Man sollte sich schon zwingen, mit einer ausbalancierten Sicht auf die Entwicklungen zu sehen.

Wie hat sich denn Ihr China-Bild dadurch verändert?

Mir ist zum ersten Mal bewusst geworden, wie ausgeliefert wir eigentlich sind. Vielen anderen geht es auch so. Ich hoffe nun, dass China wieder zur Normalität zurückkehrt.

Wie sind Sie nach China gekommen?

Das ist nun schon 26 Jahre her. Ich habe Sinologie studiert, weil es immer mein Wunsch und mein Ziel war, in China zu leben und zu arbeiten. Ich habe überhaupt nur zwei Jahre in Deutschland gearbeitet. Ich bin als Trainee eingestiegen bei meinem ersten Arbeitgeber Rittal. Dann war ich zwei Jahre in Singapur und seit 1996 lebe ich hier in China. Und im Rückblick muss ich sagen, es hat sich gelohnt. Was ich hier beruflich erleben, mit aufbauen und bewegen durfte, wäre in Deutschland nicht möglich gewesen. 

Warum ist das in China möglich gewesen und nicht in Deutschland?

Das hohe Wachstum hat einen enormen Spielraum geschaffen, und man hatte selbst als junge Ausländerin viele Freiheiten, weil es nicht viele Ausländer gab, die die Sprache sprechen, China kannten oder sich mit China beschäftigt haben. Für Ausländer und für internationale Unternehmen standen die Türen weit offen. Wir konnten sehr viel bewirken.

Wie interessant sind europäische Arbeitgeber noch für Chinesen?

Wir werden nun anders wahrgenommen. Früher waren wir das Tor zur Welt. Heute gelten wir als ein wenig langsam, nicht wirklich innovativ – und als Unternehmen, die zu wenig Karrierechancen bieten: Bei euch lerne ich eigentlich nichts mehr. Ich langweile mich. Ich steige lieber bei einem chinesischen Unternehmen ein und gehe mit dem in die Welt. Die sind viel fortschrittlicher, offener gegenüber Innovationen.

Wie stark spürt Ihr Unternehmen den Wettbewerb durch chinesische Unternehmen?

Es ist härter geworden, aber am Ende liegt es an uns, inwieweit wir die Chancen ergreifen, die dieser Markt ja durchaus noch bereithält. Heute muss man genauer hinschauen, seine Nischen finden in Bereichen, wo es von Regierungsseite politische Unterstützung gibt. Zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien oder bei der E-Auto-Batterietechnologie. Oder man muss sich noch stärker spezialisieren.

Wir als Unternehmen müssen uns also mehr anstrengen. Aber wenn man die Erfahrung vor Ort hat wie eben Freudenberg, das seit 1923 – also seit fast einhundert Jahren – in China ist, dann geht das schon.

Technologie-Klau, unfaire Wettbewerbsbedingungen, Menschenrechtsverletzungen – ist es nicht an der Zeit, dass sich die deutsche Wirtschaft von China entkoppelt?

Die Strategie, in China keine Geschäfte mehr zu machen, halte ich für extrem naiv. Schauen Sie nur mal auf die deutsche Automobilindustrie. Da gibt es einige Player, die würden ohne China nicht mehr existieren – und deren Zulieferindustrien wären auch weg. China ist ein sehr, sehr wichtiger und auch einzigartiger Markt für uns. Die Abhängigkeiten, die dadurch entstanden sind, kann man bedauern, ändern lassen sie sich nur langsam und sehr begrenzt.

Das sehe ich auch in meiner Funktion als die Präsidentin der EU-Kammer in Shanghai. Die Ergebnisse unserer Umfragen sind eindeutig: Die Europäischen Unternehmen schauen kritischer auf China, aber sie wollen das Land nicht verlassen.

Dennoch spricht man derzeit vor allem von der Wirtschaftskrise, in der China steckt.

Die Krise ist da. Der Immobiliensektor schwächelt, ein wichtiger Wachstumsmotor. Die Konsumenten halten sich zurück. Das ist kein gutes Zeichen. Das Vertrauen in die Regierung ist angekratzt. Wenn ich mit Chinesen spreche, spüre ich eines deutlich: Der Unmut darüber, dass die Regierung das Schwergewicht in ihrer Null-Covid-Politik zu sehr auf Sicherheit und Ideologie setzt – und die Bedürfnisse der Wirtschaft dabei vernachlässigt – wächst und ist schon so groß wie lange nicht mehr. Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt allerdings: Bisher haben sie es immer geschafft, die Lage zu drehen. Und auch in diesem Fall bin ich nicht sehr pessimistisch. Aber es wird diesmal länger dauern.

Wie sehen Sie denn die Covid-Krise im Vergleich zu anderen wirtschaftlichen Krisen, die Sie in den vergangenen Jahrzehnten erlebt haben?

Im Unterschied zu früher ist China viel verzahnter mit der Welt. Wie die Europäer und die Amerikaner handeln, spielt eine viel größere Rolle. Deswegen ist es so wichtig, sowohl für Europa auf der einen Seite, als auch für China auf der anderen Seite, dass man miteinander redet und zusammenarbeitet. Beide Seiten müssen sich wieder stärker öffnen. Bei schwierigen Themen, auch in Menschenrechtsfragen, macht es keinen Sinn, die Tür zuzuschlagen und schon gar nicht laut. Wir müssen uns zusammensetzen, im Dialog bleiben und einen Konsens finden. 

Wohin entwickelt sich China? Was wird in den nächsten zehn oder 20 Jahren passieren? Worauf müssen wir uns einstellen?

Grob gesagt ringen zwei Richtungen um die Vorherrschaft. Den einen ist Kontrolle und ideologische Geschlossenheit wichtiger – den anderen Offenheit, internationale Vernetzung und mehr Marktwirtschaft. Der Parteitag im Oktober wird zeigen, in welche Richtung China sich stärker neigt.

Wird China sich entkoppeln?

Das halte ich für unrealistisch. Man hat den Menschen hier versprochen: Ihr könnt euren Wohlstand vergrößern und euch immer mehr leisten. Dazu gehören Reisen um die Welt und westliche Produkte. Würde man China entkoppeln, würde der Wohlstand einbrechen; die Menschen dürften nicht mehr reisen und müssten auf westliche Produkte verzichten. Ich denke nicht, dass die Menschen in China sich das gefallen lassen.

Man kann Bettina Schön-Behanzin als die Grande Dame der deutschen Wirtschaft in China bezeichnen. Schon seit 26 Jahren lebt sie bereits hier. Aus der Regionalzentrale in Shanghai unterstützt sie heute das Asiengeschäft der Weinheimer Freudenberg Gruppe, einem typischen Hidden Champion. 1849 gegründet, ist Freundeberg bis heute zu 100 Prozent in Familienbesitz. Das Unternehmen ist sehr breit aufgestellt. Dichtungen und Vibrationstechnologie gehören ebenso zum Portfolio wie Batterie- und Brennstoffzellensysteme, Medizintechnik, technische Textilien, Filter oder Spezialchemie. Dazu kommen Home und Cleaning Solutions, darunter das gute alte Vileda-Putztuch. Das Unternehmen hat weltweit 50.000 Mitarbeiter und macht über 10 Milliarden Euro Umsatz. Damit gehört Freudenberg zu den 30 größten Familienunternehmen Deutschlands. In China beschäftigt Freudenberg 7500 Mitarbeiter in 28 Produktionsstätten.

  • Coronavirus
  • EU
  • Gesundheit
  • Handel
  • Shanghai
  • Technologie

Nio auf dem Ku’damm, Audi beim Anwalt

Ab Freitag auch in Deutschland erhältlich: E-Autos der chinesischen Marke Nio. Audi klagt gegen Nio wegen der Verletzung von Markenrechten.
Ab Freitag auch in Deutschland erhältlich: E-Autos der chinesischen Marke Nio.

Am Freitag soll es losgehen. Dann können deutsche Kunden den Nio ET7 kaufen, eine Elektro-Limousine. William Li, der Gründer der Marke, wird für das Start-Event auf dem Kurfürstendamm in Berlin erwartet. Dort steht eines der hiesigen Nio-Häuser. Für den Milliardär ist das die letzte Station einer Deutschlandtour. Hamburg und München wird er dann schon hinter sich haben. Schon an der edlen Ku’damm-Lage der Präsentation in Berlin lässt sich ablesen, von welchen Marken die Kunden zu Nio abwandern sollen: von Mercedes, BMW und Audi.

Audi hat mit der neuen Konkurrenz allerdings ein Problem. Das liegt an deren SUV – dem Nio ES6 und dem ES8. Der deutsche Hersteller hat Modelle mit den Namen S6 und S8 auf Markt und sieht in Europa seine Markenrechte verletzt. Deshalb hat Audi gegen Nio geklagt. Auch, wenn es die SUV von Nio derzeit noch gar nicht zu kaufen gibt. Der nächste Verhandlungstermin ist am 6. Dezember. 

Der Streitwert beträgt lediglich 150.000 Euro

Auf den ersten Blick geht es dabei um nicht viel. Medienberichten zufolge wurde der Streitwert vom Landgericht vorläufig auf 150.000 Euro festgesetzt. “Das ist nicht besonders hoch angesichts der Tatsache, dass es bei Audi um eine weltweit bekannte Automarke geht”, sagt Christian Solmecke im Gespräch mit  Table.Media. Er ist Rechtsanwalt bei der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke, Buchautor und Geschäftsführer des Kanzleisoftware-Herstellers Legalvisio. Grundsätzlich würden im Markenrecht eher sehr hohe Gegenstandswerte festgelegt. 

Das Treffen von Audi und Nio vor Gericht sei allerdings nicht der erste Versuch, die Meinungsverschiedenheit aus der Welt zu schaffen, so Solmecke. “Einer Klage vorausgeht – so auch in diesem Fall – meist eine Abmahnung mit der Aufforderung, die Markennutzung zu unterlassen und eine entsprechende, vorformulierte Unterlassungserklärung abzugeben.” Nio habe entweder nicht darauf reagiert oder sich geweigert, darauf einzugehen. 

Bei Nio sieht man das anders. Zwar will sich die Marke – genau wie Audi – nicht zum laufenden Verfahren äußern, das “E” im Namen sei aber das wichtige Unterscheidungsmerkmal, so der chinesische Hersteller. Das scheint Audi nicht zu reichen. “In diesem Fall geht es Audi zunächst um die Vermeidung einer möglichen Verwechslungsgefahr, weswegen auch eine Unterlassungsklage eingereicht wurde. Daher müsse Nio seine Autos im Falle eines Sieges von Audi umbenennen“, so Solmecke. Aber auch einen Schadensersatz mache Audi geltend, so der Rechtsanwalt. 

Dass die Automodelle der Streithähne völlig unterschiedlich aussehen, ist dagegen vor Gericht nicht entscheidend. “Die unterschiedliche Form der Autos dürfte hier eine geringere Rolle spielen. Denn primär geht es hier um den Vergleich der beiden Wortmarken, die möglicherweise leicht zu verwechseln sind.” Ein Kunde, der den Namen “ES6” oder “ES8” liest, könnte also glauben, dass es sich dabei um ein Fahrzeug aus dem Hause Audi handeln könnte. Und weiter: “Nach ständiger Rechtsprechung entscheiden drei Kriterien darüber, ob Verwechslungsgefahr gegeben ist: neben der Zeichenähnlichkeit auch die Produktähnlichkeit und der Bekanntheitsgrad der älteren Marke.”

Da es sich um zwei Autos handele, sei die allgemeine Produktähnlichkeit grundsätzlich gegeben. Dazu kommt, dass Audi sehr bekannt ist. Also dürfte die Zeichenähnlichkeit ausschlaggebend für die gerichtliche Entscheidung werden, analysiert Solmecke.

Doch es gibt noch einen weiteren Punkt. “Eine Markenrechtsverletzung ist umso wahrscheinlicher, je höher die sogenannte Unterscheidungskraft der klägerischen Marke ist”, sagt Solmecke. Und hier hat Audi ein Problem. Denn Zahlen-Buchstaben-Kombinationen sind in der Autobranche absolut üblich. “In diesem Fall würde ich sagen, dass die Unterscheidungskraft von ‘S6 und S8’ eher schwach ausgeprägt ist, was es Audi erschweren könnte, hier Erfolg zu haben”, vermutet Solmecke. Grundsätzlich würde es sich aber um eine Einzelfallentscheidung handeln, was eine Prognose schwer mache.

Dudenhöffer sieht Audi moralisch im Unrecht

Doch die Klage hat natürlich nicht nur eine juristische, sondern auch eine wirtschaftspolitische Dimension. Eine, die sich am Freitag auf dem Ku’damm weiter entfalten wird. Denn die chinesischen Autobauer drängen derzeit mit Macht nach Europa. Mit Volvo sammelt deren chinesischer Besitzer Geely seit über zehn Jahren Erfahrungen in der EU. Deren Schwestermarke Polestar ist rein chinesisch und seit zwei Jahren erhältlich.

Auch die Marke London Taxi ist in chinesischer Hand. Aiways ist in Deutschland bereits erhältlich, Xpeng und BYD werden mittelfristig folgen. Die deutsche Mietwagenfirma Sixt setzt sogar im großen Stil auf BYD (China.Table berichtete).

Die Expansion auf den Heimatkontinent des Automobils entspricht auch dem Willen der kommunistischen Führung. Laut dem 14. Fünfjahresplan sollen im Jahr 2025 die beiden führenden Elektroautobauer der Volksrepublik zehn Prozent ihrer Neuwagen im Ausland absetzen.

Warum auch nicht? Europäische Hersteller verdienen seit rund zwanzig Jahren gutes Geld in der Volksrepublik. Wegen der mittlerweile abgeschafften Joint-Venture-Verpflichtung sind sie in China eng mit der dortigen Industrie verzahnt. Die Globalisierung geht nun in die andere Richtung.

Die deutschen Hersteller sind zudem in den vergangenen Jahrzehnten immer chinesischer geworden. Zwanzig Prozent von Daimler befinden sich in chinesischer Hand – zehn Prozent gehören dem Staatsbetrieb Beijing Automotive Group (BAIC). Li Shufu, der Gründer von Geely, besitzt weitere zehn Prozent. Volkswagen wiederum beschäftigt in China mehr als 100.000 Mitarbeiter.

In dieser Gemengelage sieht Ferdinand Dudenhöffer, Automobilprofessor vom Center Automotive Research (CAR), die Klage von Audi gegen Nio eher kritisch. Die Klage stoße in der Branche nicht überall auf Verständnis, sagte er dem Handelsblatt. Das Vorgehen Audis sei kontraproduktiv und würde für ein schlechtes Klima sorgen. “Die Verwechslungsgefahr bei einem SUV und einer Limousine ist doch ziemlich gering”, schließt er. 

  • Autoindustrie

Sinolytics.Radar

Zum Marktführer durch Pekings weiße Liste

Dieser Inhalt ist Lizenznehmern unserer Vollversion vorbehalten.
  • Die EU-Kommission hat Batterien als eine von sechs strategischen Sektoren mit hoher Importabhängigkeit eingestuft. Während die EU derzeit über eine eigene Industriepolitik nachdenkt, lohnt sich ein Blick darauf, wie China durch gezielte Beschränkungen für ausländische Anbieter seine eigene Batterieindustrie gefördert hat.
  • Im Jahr 2015 führte das Industrieministerium (MIIT) mit den “Standards und Bedingungen für die Automobil-Traktionsbatterien-Industrie” eine weiße Liste mit zertifizierten Anbietern von Fahrzeugbatterien ein, die auf dem chinesischen Markt zugelassen sind. Um eine Zertifizierung zu erhalten, war eine jährliche Produktionskapazität von mehr als 8 GWh in China die Grundvoraussetzung. Nur Hersteller von sogenannten NEVs, die zertifizierte Batterien verbauten, kamen für Subventionen in Frage.
  • Dadurch wurden Unternehmen, die nicht auf dieser Liste aufgeführt waren, erheblich benachteiligt. Obwohl mehrere ausländische Unternehmen über Produktionskapazitäten in China verfügten, wurde kein ausländisches Unternehmen auf die Liste gesetzt – wodurch einheimische Unternehmen de facto vor ausländischer Konkurrenz geschützt wurden.
  • Nach der Einführung dieser weißen Liste konsolidierte sich der Markt rasch; die Zahl der in China tätigen Batteriehersteller schrumpfte erheblich. Nur vier Jahre später wurde die weiße Liste wieder abgeschafft – nachdem Peking mit CATL einen eindeutigen chinesischen Marktführer gefunden hatte.
  • Inzwischen hält CATL mehr als 50 Prozent des Marktanteils in China, gefolgt von BYD (16 Prozent). Ausländische Anbieter wie LG Chem und Samsung SDI haben ihre Investitionen in China seit der Abschaffung der weißen Liste wieder erhöht. Sie haben jedoch eine deutlich schwächere Marktposition in China als noch vor ihrer Einführung.

Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

  • Batterien
  • Elektromobilität
  • Handel
  • Technologie

News

BYD schließt Liefervertrag mit Sixt

Chinas führender Elektroautobauer BYD (“Build Your Dreams”) hat im Rennen chinesischer Autobauer um einen der vorderen Plätze bei der Expansion nach Europa einen Schub erhalten. Die Autovermietung Sixt wird in großem Stil Elektroautos von BYD in sein Angebot aufnehmen. In einem ersten Schritt bestellte Deutschlands größter Autovermieter mehrere tausend rein batteriegetriebene BYD-Fahrzeuge, wie die beiden Unternehmen am Montag mitteilten. Die ersten BYDs sollen Sixt-Kunden in Europa schon in den nächsten Wochen buchen können – beginnend in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien. Den Anfang macht der E-SUV Atto 3.

In den kommenden sechs Jahren plant Sixt den Kauf von insgesamt rund 100.000 weiteren E-Autos von BYD. Auch wollen beide Unternehmen die Möglichkeit zur Kooperation in verschiedenen Regionen der Welt ausloten, hieß es. Sixt will seine Mietwagen-Flotte in Europa in den nächsten acht Jahren zum größten Teil auf Elektrofahrzeuge umstellen. Es setzt dabei nach eigenen Angaben auf eine breite Palette an Herstellern und Modellen.

Zum finanziellen Volumen ihrer langfristig angelegten Zusammenarbeit äußerten sich Sixt und BYD zwar nicht. Doch der Vertrag ist ein großer Erfolg für BYD. Der Autobauer aus Shenzhen hatte erst vergangene Woche Details zu seinem anstehenden Marktstart mit Elektroautos in Europa bekannt gegeben. Demnach wird der bereits in Norwegen präsente Hersteller im vierten Quartal 2022 beginnen, seine Autos schrittweise nach Deutschland, Schweden, Dänemark, Großbritannien, Frankreich, die Niederlande, Belgien und Luxemburg zu liefern.

Ob auch die die beiden größeren BYD-Modelle Han als E-Limousine und Tang als Siebensitzer-SUV über Sixt angeboten werden, war zunächst nicht bekannt. Beide große Baureihen will BYD ab 72.000 Euro anbieten. Generell tasten sich Chinas Elektroauto-Startups eher vorsichtig in den europäischen Markt. Am Freitag will der Hersteller Nio in Berlin über seine Europa-Pläne informieren. rtr/ck

  • Autoindustrie
  • BYD
  • Elektromobilität
  • Nio

Comac erhält Lizenz für Passagierflugzeug

Das Modell C919 des staatlichen chinesischen Flugzeugherstellers Comac (Commercial Aircraft Corporation of China) hat endlich die Zulassung der chinesischen Zivilluftfahrtbehörde erhalten. Damit steht der kommerziellen Nutzung des für den Passagierverkehr vorgesehenen Schmalrumpfflugzeugs nichts mehr im Wege.

Die Zertifizierung wurde Ende letzter Woche mit einer feierlichen Zeremonie in Peking besiegelt. Das Verkehrsflugzeug mit einer Kapazität von 168 Passagieren ist seit gut 12 Jahren in der Entwicklung – deutlich länger als ursprünglich geplant (China.Table berichtete). Wenn die Auslieferung beginnt, sollen die C919-Maschinen der Boeing 737 und dem Airbus A320 Konkurrenz machen, zunächst vor allem auf dem Heimatmarkt China.

Laut Medienberichten haben vier chinesische Fluggesellschaften und 13 Leasingunternehmen bereits Modelle der C919 bestellt. Unter ihnen ist China Eastern Airlines, die sich zum Kauf von fünf Exemplaren bereit erklärt hat. Die chinesische Fluggesellschaft soll das erste der fünf Flugzeuge bis Ende des Jahres erhalten. fpe

  • Comac
  • Industrie
  • Luftfahrt
  • Technologie

Handelszahlen: Der Container-Stau löst sich auf

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht Entspannung entlang der Lieferkette. “Etwas Hoffnung machen gesunkene Containerpreise und ein höherer Containerumschlag an europäischen Häfen”, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef, Volker Treier, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Das Statistische Bundesamt hatte zuvor positive Außenhandelszahlen veröffentlicht. Die Exporte nach China nahmen deutlich zu. Sie stiegen im August um 2,9 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro. Insgesamt machte die starke Nachfrage aus den USA und China das schrumpfende Geschäft mit den von der Energiekrise geplagten EU-Staaten mehr als wett.

Der DIHK bleibt gleichwohl im Ausblick so pessimistisch, wie es die Gasknappheit vermuten lässt. “Das leichte Wachstum der Ausfuhren im August ist nur ein letztes Aufflackern vor einem kalten Exportwinter“, so Treier. “Enorme Kostensteigerungen für Energie und eine durch Inflation weltweit geschwächte Kaufkraft lasten wie Blei auf der deutschen Export-Wirtschaft.” Die Unternehmen seien dazu gezwungen, ihre Kostensteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben. Das gelinge aber nur teilweise. Deutsche Waren werden wegen hoher Kosten weltweit weniger wettbewerbsfähig sein. rtr/fin

  • Export
  • Handel
  • Lieferketten

Standpunkt

Xi Jinpings radioaktiver Freund

Von Charles Tannock
Der ehemalige EU-Abgeordnete Charles Tannock forscht beim Thinktank Globsec: hier schreibt er zu Xis und Putins Freundschaft und die Gefahren dieser.
Der ehemalige EU-Abgeordnete Charles Tannock forscht beim Thinktank Globsec

Dass Wladimir Putin in der Ukraine immer wieder scheitert, stellt sein strategisches Bündnis mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping auf eine harte Probe. Während Putin immer verzweifelter wird, muss Xi endlich erkennen, wie sehr seine “Freundschaft ohne Grenzen” mit dem russischen Präsidenten die wirtschaftliche Gesundheit Chinas, die weltweite Stabilität und seine eigenen geopolitischen Ziele bedroht.

Ob Putin nun im letzten Monat mit seiner Drohung, in der Ukraine taktische Nuklearwaffen einzusetzen, geblufft hat oder nicht: Will Xi als verantwortungsvoller Staatschef gelten, muss er das Schlimmste befürchten. Immerhin ist die Möglichkeit eines Nuklearschlags, um russisches Gebiet gegen eine existenzielle Bedrohung zu verteidigen, in der russischen Militärdoktrin ausdrücklich vorgesehen. Russlands illegale Annektierung der besetzten ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja könnte also ein Anlass dafür sein.

Xi, der sich Ende dieses Monats auf dem 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas wahrscheinlich eine beispiellose dritte Amtszeit als chinesischer Staatschef sichern wird, muss nun alles daran setzen, einen Dritten Weltkrieg zu verhindern. Seit dem Einsatz der US-amerikanischen Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 könnten also in der Ukraine erstmals wieder Nuklearwaffen zum Einsatz kommen. Dies würde eine katastrophale globale Krise auslösen und Xis Krönungszeremonie massiv stören.

Ein Stellvertreterkrieg Russlands soll von Chinas Problemen ablenken

Als Xi und Putin im Februar bei den Olympischen Winterspielen in Peking das Sino-Russische Abkommen zur Zusammenarbeit unterzeichneten, muss der Plan, die Ukraine zu erobern, wie ein Spaziergang gewirkt haben: ein schneller Sturz der ukrainischen Führung durch die Russen, der die USA und die NATO blamiert hätte. Außerdem mag Xi gedacht haben, ein Stellvertreterkrieg würde die Aufmerksamkeit der USA von ihrer Rivalität zu China ablenken.

Doch dann schlug die Ukraine zurück und brachte die unzähligen Schwächen des russischen Militärs ans Tageslicht. Letzteres hat sich nun nach einer eindrucksvollen ukrainischen Gegenoffensive aus der Charkiw-Region im Nordosten zurückgezogen – und erleidet in der Nähe von Cherson im Süden schwere Verluste.

Als Xi beim jüngsten Gipfel der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit im usbekischen Samarkand Putin traf, hat er mit ziemlicher Sicherheit seine Verstimmung über die russischen Fehlschläge geäußert. Offiziell hat Xi die Ukraine überhaupt nicht erwähnt, aber Putin hat Chinas “Fragen und Sorgen” über den Krieg öffentlich zugegeben – ein seltenes Eingeständnis der Spannungen zwischen den beiden Ländern. Xis offizielles Schweigen stand im massiven Gegensatz zur Reaktion des indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi, der – in einer bemerkenswerten Kehrtwende – Putin öffentlich getadelt hat.

Trotz Xis öffentlicher Zurückhaltung ist es schwer zu glauben, dass er sich nicht fragt, ob er, als er sein politisches Schicksal an einen so leichtsinnigen Verbündeten knüpfte, die richtige Entscheidung getroffen hat. Putins “Teilmobilisierung” von 300.000 Russen für den Kampf in der Ukraine hat im ganzen Land Proteste ausgelöst und über 200.000 junge Männer in die Flucht getrieben. Die Qualität von Putins neuen Rekruten – zu denen auch Strafgefangene gehören – wird wahrscheinlich nicht dazu beitragen, die russischen Kriegsbemühungen zu unterstützen oder Xis Sorgen zu lindern.

Der Feind wurde gestärkt, nicht geschwächt

Angesichts dessen, dass die Moral der russischen Truppen bereits am Boden ist, könnte ein Zustrom mutloser und schlecht ausgebildeter Wehrpflichtiger die Auflösung von Putins Militär und den Zusammenbruch seines Regimes noch beschleunigen – ähnlich wie die schwache Führung des Zaren Nikolaus II im Ersten Weltkrieg zum Zusammenbruch der zaristischen Armeen und zur Russischen Revolution von 1917 geführt hat. Angesichts seiner direkten Appelle an die russischen Soldaten, entweder aufzugeben oder zu sterben, scheint der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den verheerenden Zustand des russischen Militärs besser erkannt zu haben als Putin selbst.

Der Sinn eines Stellvertreterkriegs besteht darin, seinen Feind zu schwächen, aber für Xis Zwecke hat Putin genau das Gegenteil erreicht. Die NATO ist heute stärker als je zuvor seit dem Ende des Kalten Krieges: Bisher neutrale Länder wie Schweden und Finnland bemühen sich um einen Beitritt, und asiatische Staaten wie Japan, Südkorea – und zunehmend auch Indien – äußern ihre Unterstützung für die amerikanische Ukraine-Politik.

Statt China zu helfen, sich als Gegengewicht zur globalen US-Hegemonie zu positionieren, hat sich Russland als so schwach und korrupt erwiesen, dass es nicht einmal ein mittelgroßes Land besiegen kann. Angesichts dessen, dass Putin nun direkte Befehle an russische Kommandeure erteilt, muss das chinesische Militärbündnis mit Russland für Xi ziemlich wertlos wirken.

Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass Putin in der Ukraine eine Nuklearwaffe einsetzt, gering erscheint, kann es nicht völlig ausgeschlossen werden. Also müssen die chinesischen Politiker einzuschätzen versuchen, wie die USA und die NATO reagieren werden, falls Putin seine Drohung wahr macht. Angesichts der kompromisslosen – wenn auch immer noch zweideutigen – Aussagen von US-Präsident Joe Biden kann man sicher annehmen, dass die internationale wirtschaftliche und militärische Reaktion noch viel härter ausfallen würde als die bereits gegen Russland bestehenden Sanktionen.

Putin untergräbt die Ein-China-Politik hinsichtlich Taiwan

Sollte Putin die ukrainischen Gebiete, die er illegal annektiert hat, tatsächlich mit taktischen Nuklearwaffen “verteidigen”, könnte er damit eine Horror-Büchse der Pandora öffnen. Bereits jetzt hat sein Krieg beispielsweise die ukrainischen Atomkraftwerke in erhebliches Chaos gestürzt: Neben anderen Sorgen über ihren Betrieb kann nicht mehr vorausgesetzt werden, dass die verbrauchten Brennstäbe während der Kämpfe dort immer sicher aufbewahrt wurden. Dies eröffnet die erschreckende Möglichkeit, dass irgendein verrückter Partisan aus Rache eine “schmutzige Bombe” bauen könnte.

Putins Annektierung könnte auch die “Ein-China-Politik” hinsichtlich Taiwan untergraben, die vom größten Teil der Welt akzeptiert wird. Einige osteuropäische Länder äußern bereits Zweifel an der Klugheit dieser Politik. Sollte Xi, der das Prinzip territorialer Integrität immer standhaft verteidigt hat, Putins Besatzung stillschweigend akzeptieren, könnten andere Staaten zu dem Schluss kommen, die “Ein-China-Politik” sei aufgrund von Xis Scheinheiligkeit nicht mehr gerechtfertigt.

Seit seinem Amtsantritt vor zehn Jahren hat Xi immer wieder die Sorge geäußert, China könnte derselben Art politischer und wirtschaftlicher Auflösung zum Opfer fallen, die zum Zusammenbruch der Sowjetunion geführt hat. Putins momentanes Dilemma sollte als weiteres abschreckendes Beispiel dienen. Der Gedanke an ein Regime, das so marode ist, dass es von innen her zusammenfällt, muss Chinas Präsidenten fast so sehr umtreiben wie die Drohung eines nuklearen Krieges.

Charles Tannock, ehemaliges Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, ist Fellow bei Globsec, einem Thinktank in Bratislava, der sich der Verbesserung von Sicherheit, Wohlstand und Nachhaltigkeit verpflichtet hat. Übersetzung: Harald Eckhoff.

Copyright: Project Syndicate, 2022.
www.project-syndicate.org

  • Geopolitik
  • Russland
  • Ukraine
  • USA
  • Wladimir Putin
  • Xi Jinping

Personalien

Fabian Rostock ist seit August Head of Product Planning & Strategy bei Porsche China. In seiner neuen Position, für die Rostock von Stuttgart nach Shanghai gewechselt ist, organisiert er unter anderem die Produktpositionierung, die Preisgestaltung und die Mengenplanung vor Ort.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unserer Personal-Rubrik an heads@table.media!

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Bettina Schön-Behanzin: “Wir müssen im Dialog bleiben”
    • Streit mit Audi überschattet Nio-Launch
    • Synolytics.Radar: Industriepolitik für E-Autobatterien
    • Deal mit Sixt für BYD
    • Zulassung für Comac C919
    • DIHK: Lieferketten erholen sich leicht
    • Standpunkt: Charles Tannock über Xi Jinpings radioaktiven Freund
    • Personalien: Fabian Rostock ist neuer Strategiechef bei Porsche, China
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Zunächst einmal wünschen wir allen Leserinnen und Lesern in China eine wunderbare Goldene Woche und ein paar geruhsame Tage.

    Wegen der Null-Covid-Politik wurden die Chinesen allerdings wieder einmal aufgerufen, in diesem Jahr während der Ferientage nicht zu verreisen. Die Pandemie bestimmt noch immer den Alltag vieler Menschen und Unternehmen. Davon kann auch Bettina Schön-Behanzin ein Lied singen, die Repräsentantin der Freudenberg Gruppe in Shanghai. Im Interview mit Frank Sieren drückt Schön-Behanzin die Hoffnung aus, dass China bald wieder zur Normalität zurückkehrt. Das Wirtschaftsumfeld werde schwieriger, und Europas Unternehmen müssten sich mehr anstrengen, ist sie überzeugt.

    Schwierig könnte es auch für den chinesischen E-Autobauer Nio in Deutschland werden. Kurz vor dem Marktstart hat Konkurrent Audi das China-Start-up wegen Markenrechtsverletzung angeklagt. Den Ingolstädtern sind die Modellbezeichnungen ES6 und ES8 zu nahe an jenen der eigenen Sportmodelle S6 und S8. 

    Abgesehen davon, dass Zahlen-Buchstaben-Kombinationen bei der Bezeichnung von Automodellen absolut üblich sind, wie Christian Domke Seidel in seinem Text analysiert – auf gerade einmal 150.000 Euro hat das Landgericht den Streitwert festgesetzt. Kleinlich, mag man meinen. Doch darum scheint es Audi nicht zu gehen. Vielmehr erweckt dieses Vorgehen den Verdacht, dass es dem Ingolstädter Autobauer darum geht, dem potenziell neuen Konkurrenten aus Fernost gleich zu Beginn eins auszuwischen. Ob die Strategie aufgeht? Um den Start des chinesischen Newcomers zu verhageln, reicht es allemal.

    Viele neue Erkenntnisse beim Lesen!

    Ihr
    Felix Lee
    Bild von Felix  Lee

    Analyse

    “Es ist härter geworden”

    Bettina Schön-Behanzin lebt und arbeitet seit 26 Jahren in China. Die Forderung nach einer Entkopplung deutscher Unternehmen von China hält sie für naiv.
    Bettina Schön-Behanzin lebt und arbeitet seit 26 Jahren in China. Die Forderung nach einer Entkopplung deutscher Unternehmen vom chinesischen Markt hält sie für naiv.

    Wie tief sind die Spuren des harten Lockdowns in Shanghai bei Ihnen?

    Das war für alle hier in Shanghai ein großer Schock. Keiner hatte erwartet, dass dies in Shanghai möglich ist. Viele sind verunsichert und fragen sich: Kann das nochmal passieren? Ausschließen kann man das nicht. Viele Restaurants haben hier zugemacht, viele Ausländer haben ihre Koffer gepackt und sind abgereist – für immer.

    Haben Sie ihre Koffer auch schon gepackt?

    Nein, so schnell verlasse ich mein geliebtes Shanghai nicht. Aber ich muss schon sagen, dass diese drei Jahre, besonders die gut zwei Monate des Lockdowns diese Liebe auf eine harte Probe gestellt haben. All diese Unsicherheiten und Restriktionen, die ständigen Tests – und die Gefahr, dass man irgendwo hängenbleibt, wenn man im Land reist, aber auch die großen Schwierigkeiten, international zu reisen. Da frage ich mich schon: Wie weit und wie lange bin ich noch bereit, das mitzumachen?

    Aber es gibt auch eine andere Seite: Wir sollten nicht vergessen, dass die Jahre 2020 und 2021, in denen Deutschland ja zum Beispiel aufgrund der Delta-Variante in einem viel längeren Lockdown durchhalten musste, auch sehr hart waren – während wir hier ein fast völlig normales Leben hatten, bis auf die Tatsache, dass es schwierig war, nach Deutschland zu reisen. Man sollte sich schon zwingen, mit einer ausbalancierten Sicht auf die Entwicklungen zu sehen.

    Wie hat sich denn Ihr China-Bild dadurch verändert?

    Mir ist zum ersten Mal bewusst geworden, wie ausgeliefert wir eigentlich sind. Vielen anderen geht es auch so. Ich hoffe nun, dass China wieder zur Normalität zurückkehrt.

    Wie sind Sie nach China gekommen?

    Das ist nun schon 26 Jahre her. Ich habe Sinologie studiert, weil es immer mein Wunsch und mein Ziel war, in China zu leben und zu arbeiten. Ich habe überhaupt nur zwei Jahre in Deutschland gearbeitet. Ich bin als Trainee eingestiegen bei meinem ersten Arbeitgeber Rittal. Dann war ich zwei Jahre in Singapur und seit 1996 lebe ich hier in China. Und im Rückblick muss ich sagen, es hat sich gelohnt. Was ich hier beruflich erleben, mit aufbauen und bewegen durfte, wäre in Deutschland nicht möglich gewesen. 

    Warum ist das in China möglich gewesen und nicht in Deutschland?

    Das hohe Wachstum hat einen enormen Spielraum geschaffen, und man hatte selbst als junge Ausländerin viele Freiheiten, weil es nicht viele Ausländer gab, die die Sprache sprechen, China kannten oder sich mit China beschäftigt haben. Für Ausländer und für internationale Unternehmen standen die Türen weit offen. Wir konnten sehr viel bewirken.

    Wie interessant sind europäische Arbeitgeber noch für Chinesen?

    Wir werden nun anders wahrgenommen. Früher waren wir das Tor zur Welt. Heute gelten wir als ein wenig langsam, nicht wirklich innovativ – und als Unternehmen, die zu wenig Karrierechancen bieten: Bei euch lerne ich eigentlich nichts mehr. Ich langweile mich. Ich steige lieber bei einem chinesischen Unternehmen ein und gehe mit dem in die Welt. Die sind viel fortschrittlicher, offener gegenüber Innovationen.

    Wie stark spürt Ihr Unternehmen den Wettbewerb durch chinesische Unternehmen?

    Es ist härter geworden, aber am Ende liegt es an uns, inwieweit wir die Chancen ergreifen, die dieser Markt ja durchaus noch bereithält. Heute muss man genauer hinschauen, seine Nischen finden in Bereichen, wo es von Regierungsseite politische Unterstützung gibt. Zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien oder bei der E-Auto-Batterietechnologie. Oder man muss sich noch stärker spezialisieren.

    Wir als Unternehmen müssen uns also mehr anstrengen. Aber wenn man die Erfahrung vor Ort hat wie eben Freudenberg, das seit 1923 – also seit fast einhundert Jahren – in China ist, dann geht das schon.

    Technologie-Klau, unfaire Wettbewerbsbedingungen, Menschenrechtsverletzungen – ist es nicht an der Zeit, dass sich die deutsche Wirtschaft von China entkoppelt?

    Die Strategie, in China keine Geschäfte mehr zu machen, halte ich für extrem naiv. Schauen Sie nur mal auf die deutsche Automobilindustrie. Da gibt es einige Player, die würden ohne China nicht mehr existieren – und deren Zulieferindustrien wären auch weg. China ist ein sehr, sehr wichtiger und auch einzigartiger Markt für uns. Die Abhängigkeiten, die dadurch entstanden sind, kann man bedauern, ändern lassen sie sich nur langsam und sehr begrenzt.

    Das sehe ich auch in meiner Funktion als die Präsidentin der EU-Kammer in Shanghai. Die Ergebnisse unserer Umfragen sind eindeutig: Die Europäischen Unternehmen schauen kritischer auf China, aber sie wollen das Land nicht verlassen.

    Dennoch spricht man derzeit vor allem von der Wirtschaftskrise, in der China steckt.

    Die Krise ist da. Der Immobiliensektor schwächelt, ein wichtiger Wachstumsmotor. Die Konsumenten halten sich zurück. Das ist kein gutes Zeichen. Das Vertrauen in die Regierung ist angekratzt. Wenn ich mit Chinesen spreche, spüre ich eines deutlich: Der Unmut darüber, dass die Regierung das Schwergewicht in ihrer Null-Covid-Politik zu sehr auf Sicherheit und Ideologie setzt – und die Bedürfnisse der Wirtschaft dabei vernachlässigt – wächst und ist schon so groß wie lange nicht mehr. Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt allerdings: Bisher haben sie es immer geschafft, die Lage zu drehen. Und auch in diesem Fall bin ich nicht sehr pessimistisch. Aber es wird diesmal länger dauern.

    Wie sehen Sie denn die Covid-Krise im Vergleich zu anderen wirtschaftlichen Krisen, die Sie in den vergangenen Jahrzehnten erlebt haben?

    Im Unterschied zu früher ist China viel verzahnter mit der Welt. Wie die Europäer und die Amerikaner handeln, spielt eine viel größere Rolle. Deswegen ist es so wichtig, sowohl für Europa auf der einen Seite, als auch für China auf der anderen Seite, dass man miteinander redet und zusammenarbeitet. Beide Seiten müssen sich wieder stärker öffnen. Bei schwierigen Themen, auch in Menschenrechtsfragen, macht es keinen Sinn, die Tür zuzuschlagen und schon gar nicht laut. Wir müssen uns zusammensetzen, im Dialog bleiben und einen Konsens finden. 

    Wohin entwickelt sich China? Was wird in den nächsten zehn oder 20 Jahren passieren? Worauf müssen wir uns einstellen?

    Grob gesagt ringen zwei Richtungen um die Vorherrschaft. Den einen ist Kontrolle und ideologische Geschlossenheit wichtiger – den anderen Offenheit, internationale Vernetzung und mehr Marktwirtschaft. Der Parteitag im Oktober wird zeigen, in welche Richtung China sich stärker neigt.

    Wird China sich entkoppeln?

    Das halte ich für unrealistisch. Man hat den Menschen hier versprochen: Ihr könnt euren Wohlstand vergrößern und euch immer mehr leisten. Dazu gehören Reisen um die Welt und westliche Produkte. Würde man China entkoppeln, würde der Wohlstand einbrechen; die Menschen dürften nicht mehr reisen und müssten auf westliche Produkte verzichten. Ich denke nicht, dass die Menschen in China sich das gefallen lassen.

    Man kann Bettina Schön-Behanzin als die Grande Dame der deutschen Wirtschaft in China bezeichnen. Schon seit 26 Jahren lebt sie bereits hier. Aus der Regionalzentrale in Shanghai unterstützt sie heute das Asiengeschäft der Weinheimer Freudenberg Gruppe, einem typischen Hidden Champion. 1849 gegründet, ist Freundeberg bis heute zu 100 Prozent in Familienbesitz. Das Unternehmen ist sehr breit aufgestellt. Dichtungen und Vibrationstechnologie gehören ebenso zum Portfolio wie Batterie- und Brennstoffzellensysteme, Medizintechnik, technische Textilien, Filter oder Spezialchemie. Dazu kommen Home und Cleaning Solutions, darunter das gute alte Vileda-Putztuch. Das Unternehmen hat weltweit 50.000 Mitarbeiter und macht über 10 Milliarden Euro Umsatz. Damit gehört Freudenberg zu den 30 größten Familienunternehmen Deutschlands. In China beschäftigt Freudenberg 7500 Mitarbeiter in 28 Produktionsstätten.

    • Coronavirus
    • EU
    • Gesundheit
    • Handel
    • Shanghai
    • Technologie

    Nio auf dem Ku’damm, Audi beim Anwalt

    Ab Freitag auch in Deutschland erhältlich: E-Autos der chinesischen Marke Nio. Audi klagt gegen Nio wegen der Verletzung von Markenrechten.
    Ab Freitag auch in Deutschland erhältlich: E-Autos der chinesischen Marke Nio.

    Am Freitag soll es losgehen. Dann können deutsche Kunden den Nio ET7 kaufen, eine Elektro-Limousine. William Li, der Gründer der Marke, wird für das Start-Event auf dem Kurfürstendamm in Berlin erwartet. Dort steht eines der hiesigen Nio-Häuser. Für den Milliardär ist das die letzte Station einer Deutschlandtour. Hamburg und München wird er dann schon hinter sich haben. Schon an der edlen Ku’damm-Lage der Präsentation in Berlin lässt sich ablesen, von welchen Marken die Kunden zu Nio abwandern sollen: von Mercedes, BMW und Audi.

    Audi hat mit der neuen Konkurrenz allerdings ein Problem. Das liegt an deren SUV – dem Nio ES6 und dem ES8. Der deutsche Hersteller hat Modelle mit den Namen S6 und S8 auf Markt und sieht in Europa seine Markenrechte verletzt. Deshalb hat Audi gegen Nio geklagt. Auch, wenn es die SUV von Nio derzeit noch gar nicht zu kaufen gibt. Der nächste Verhandlungstermin ist am 6. Dezember. 

    Der Streitwert beträgt lediglich 150.000 Euro

    Auf den ersten Blick geht es dabei um nicht viel. Medienberichten zufolge wurde der Streitwert vom Landgericht vorläufig auf 150.000 Euro festgesetzt. “Das ist nicht besonders hoch angesichts der Tatsache, dass es bei Audi um eine weltweit bekannte Automarke geht”, sagt Christian Solmecke im Gespräch mit  Table.Media. Er ist Rechtsanwalt bei der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke, Buchautor und Geschäftsführer des Kanzleisoftware-Herstellers Legalvisio. Grundsätzlich würden im Markenrecht eher sehr hohe Gegenstandswerte festgelegt. 

    Das Treffen von Audi und Nio vor Gericht sei allerdings nicht der erste Versuch, die Meinungsverschiedenheit aus der Welt zu schaffen, so Solmecke. “Einer Klage vorausgeht – so auch in diesem Fall – meist eine Abmahnung mit der Aufforderung, die Markennutzung zu unterlassen und eine entsprechende, vorformulierte Unterlassungserklärung abzugeben.” Nio habe entweder nicht darauf reagiert oder sich geweigert, darauf einzugehen. 

    Bei Nio sieht man das anders. Zwar will sich die Marke – genau wie Audi – nicht zum laufenden Verfahren äußern, das “E” im Namen sei aber das wichtige Unterscheidungsmerkmal, so der chinesische Hersteller. Das scheint Audi nicht zu reichen. “In diesem Fall geht es Audi zunächst um die Vermeidung einer möglichen Verwechslungsgefahr, weswegen auch eine Unterlassungsklage eingereicht wurde. Daher müsse Nio seine Autos im Falle eines Sieges von Audi umbenennen“, so Solmecke. Aber auch einen Schadensersatz mache Audi geltend, so der Rechtsanwalt. 

    Dass die Automodelle der Streithähne völlig unterschiedlich aussehen, ist dagegen vor Gericht nicht entscheidend. “Die unterschiedliche Form der Autos dürfte hier eine geringere Rolle spielen. Denn primär geht es hier um den Vergleich der beiden Wortmarken, die möglicherweise leicht zu verwechseln sind.” Ein Kunde, der den Namen “ES6” oder “ES8” liest, könnte also glauben, dass es sich dabei um ein Fahrzeug aus dem Hause Audi handeln könnte. Und weiter: “Nach ständiger Rechtsprechung entscheiden drei Kriterien darüber, ob Verwechslungsgefahr gegeben ist: neben der Zeichenähnlichkeit auch die Produktähnlichkeit und der Bekanntheitsgrad der älteren Marke.”

    Da es sich um zwei Autos handele, sei die allgemeine Produktähnlichkeit grundsätzlich gegeben. Dazu kommt, dass Audi sehr bekannt ist. Also dürfte die Zeichenähnlichkeit ausschlaggebend für die gerichtliche Entscheidung werden, analysiert Solmecke.

    Doch es gibt noch einen weiteren Punkt. “Eine Markenrechtsverletzung ist umso wahrscheinlicher, je höher die sogenannte Unterscheidungskraft der klägerischen Marke ist”, sagt Solmecke. Und hier hat Audi ein Problem. Denn Zahlen-Buchstaben-Kombinationen sind in der Autobranche absolut üblich. “In diesem Fall würde ich sagen, dass die Unterscheidungskraft von ‘S6 und S8’ eher schwach ausgeprägt ist, was es Audi erschweren könnte, hier Erfolg zu haben”, vermutet Solmecke. Grundsätzlich würde es sich aber um eine Einzelfallentscheidung handeln, was eine Prognose schwer mache.

    Dudenhöffer sieht Audi moralisch im Unrecht

    Doch die Klage hat natürlich nicht nur eine juristische, sondern auch eine wirtschaftspolitische Dimension. Eine, die sich am Freitag auf dem Ku’damm weiter entfalten wird. Denn die chinesischen Autobauer drängen derzeit mit Macht nach Europa. Mit Volvo sammelt deren chinesischer Besitzer Geely seit über zehn Jahren Erfahrungen in der EU. Deren Schwestermarke Polestar ist rein chinesisch und seit zwei Jahren erhältlich.

    Auch die Marke London Taxi ist in chinesischer Hand. Aiways ist in Deutschland bereits erhältlich, Xpeng und BYD werden mittelfristig folgen. Die deutsche Mietwagenfirma Sixt setzt sogar im großen Stil auf BYD (China.Table berichtete).

    Die Expansion auf den Heimatkontinent des Automobils entspricht auch dem Willen der kommunistischen Führung. Laut dem 14. Fünfjahresplan sollen im Jahr 2025 die beiden führenden Elektroautobauer der Volksrepublik zehn Prozent ihrer Neuwagen im Ausland absetzen.

    Warum auch nicht? Europäische Hersteller verdienen seit rund zwanzig Jahren gutes Geld in der Volksrepublik. Wegen der mittlerweile abgeschafften Joint-Venture-Verpflichtung sind sie in China eng mit der dortigen Industrie verzahnt. Die Globalisierung geht nun in die andere Richtung.

    Die deutschen Hersteller sind zudem in den vergangenen Jahrzehnten immer chinesischer geworden. Zwanzig Prozent von Daimler befinden sich in chinesischer Hand – zehn Prozent gehören dem Staatsbetrieb Beijing Automotive Group (BAIC). Li Shufu, der Gründer von Geely, besitzt weitere zehn Prozent. Volkswagen wiederum beschäftigt in China mehr als 100.000 Mitarbeiter.

    In dieser Gemengelage sieht Ferdinand Dudenhöffer, Automobilprofessor vom Center Automotive Research (CAR), die Klage von Audi gegen Nio eher kritisch. Die Klage stoße in der Branche nicht überall auf Verständnis, sagte er dem Handelsblatt. Das Vorgehen Audis sei kontraproduktiv und würde für ein schlechtes Klima sorgen. “Die Verwechslungsgefahr bei einem SUV und einer Limousine ist doch ziemlich gering”, schließt er. 

    • Autoindustrie

    Sinolytics.Radar

    Zum Marktführer durch Pekings weiße Liste

    Dieser Inhalt ist Lizenznehmern unserer Vollversion vorbehalten.
    • Die EU-Kommission hat Batterien als eine von sechs strategischen Sektoren mit hoher Importabhängigkeit eingestuft. Während die EU derzeit über eine eigene Industriepolitik nachdenkt, lohnt sich ein Blick darauf, wie China durch gezielte Beschränkungen für ausländische Anbieter seine eigene Batterieindustrie gefördert hat.
    • Im Jahr 2015 führte das Industrieministerium (MIIT) mit den “Standards und Bedingungen für die Automobil-Traktionsbatterien-Industrie” eine weiße Liste mit zertifizierten Anbietern von Fahrzeugbatterien ein, die auf dem chinesischen Markt zugelassen sind. Um eine Zertifizierung zu erhalten, war eine jährliche Produktionskapazität von mehr als 8 GWh in China die Grundvoraussetzung. Nur Hersteller von sogenannten NEVs, die zertifizierte Batterien verbauten, kamen für Subventionen in Frage.
    • Dadurch wurden Unternehmen, die nicht auf dieser Liste aufgeführt waren, erheblich benachteiligt. Obwohl mehrere ausländische Unternehmen über Produktionskapazitäten in China verfügten, wurde kein ausländisches Unternehmen auf die Liste gesetzt – wodurch einheimische Unternehmen de facto vor ausländischer Konkurrenz geschützt wurden.
    • Nach der Einführung dieser weißen Liste konsolidierte sich der Markt rasch; die Zahl der in China tätigen Batteriehersteller schrumpfte erheblich. Nur vier Jahre später wurde die weiße Liste wieder abgeschafft – nachdem Peking mit CATL einen eindeutigen chinesischen Marktführer gefunden hatte.
    • Inzwischen hält CATL mehr als 50 Prozent des Marktanteils in China, gefolgt von BYD (16 Prozent). Ausländische Anbieter wie LG Chem und Samsung SDI haben ihre Investitionen in China seit der Abschaffung der weißen Liste wieder erhöht. Sie haben jedoch eine deutlich schwächere Marktposition in China als noch vor ihrer Einführung.

    Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

    • Batterien
    • Elektromobilität
    • Handel
    • Technologie

    News

    BYD schließt Liefervertrag mit Sixt

    Chinas führender Elektroautobauer BYD (“Build Your Dreams”) hat im Rennen chinesischer Autobauer um einen der vorderen Plätze bei der Expansion nach Europa einen Schub erhalten. Die Autovermietung Sixt wird in großem Stil Elektroautos von BYD in sein Angebot aufnehmen. In einem ersten Schritt bestellte Deutschlands größter Autovermieter mehrere tausend rein batteriegetriebene BYD-Fahrzeuge, wie die beiden Unternehmen am Montag mitteilten. Die ersten BYDs sollen Sixt-Kunden in Europa schon in den nächsten Wochen buchen können – beginnend in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien. Den Anfang macht der E-SUV Atto 3.

    In den kommenden sechs Jahren plant Sixt den Kauf von insgesamt rund 100.000 weiteren E-Autos von BYD. Auch wollen beide Unternehmen die Möglichkeit zur Kooperation in verschiedenen Regionen der Welt ausloten, hieß es. Sixt will seine Mietwagen-Flotte in Europa in den nächsten acht Jahren zum größten Teil auf Elektrofahrzeuge umstellen. Es setzt dabei nach eigenen Angaben auf eine breite Palette an Herstellern und Modellen.

    Zum finanziellen Volumen ihrer langfristig angelegten Zusammenarbeit äußerten sich Sixt und BYD zwar nicht. Doch der Vertrag ist ein großer Erfolg für BYD. Der Autobauer aus Shenzhen hatte erst vergangene Woche Details zu seinem anstehenden Marktstart mit Elektroautos in Europa bekannt gegeben. Demnach wird der bereits in Norwegen präsente Hersteller im vierten Quartal 2022 beginnen, seine Autos schrittweise nach Deutschland, Schweden, Dänemark, Großbritannien, Frankreich, die Niederlande, Belgien und Luxemburg zu liefern.

    Ob auch die die beiden größeren BYD-Modelle Han als E-Limousine und Tang als Siebensitzer-SUV über Sixt angeboten werden, war zunächst nicht bekannt. Beide große Baureihen will BYD ab 72.000 Euro anbieten. Generell tasten sich Chinas Elektroauto-Startups eher vorsichtig in den europäischen Markt. Am Freitag will der Hersteller Nio in Berlin über seine Europa-Pläne informieren. rtr/ck

    • Autoindustrie
    • BYD
    • Elektromobilität
    • Nio

    Comac erhält Lizenz für Passagierflugzeug

    Das Modell C919 des staatlichen chinesischen Flugzeugherstellers Comac (Commercial Aircraft Corporation of China) hat endlich die Zulassung der chinesischen Zivilluftfahrtbehörde erhalten. Damit steht der kommerziellen Nutzung des für den Passagierverkehr vorgesehenen Schmalrumpfflugzeugs nichts mehr im Wege.

    Die Zertifizierung wurde Ende letzter Woche mit einer feierlichen Zeremonie in Peking besiegelt. Das Verkehrsflugzeug mit einer Kapazität von 168 Passagieren ist seit gut 12 Jahren in der Entwicklung – deutlich länger als ursprünglich geplant (China.Table berichtete). Wenn die Auslieferung beginnt, sollen die C919-Maschinen der Boeing 737 und dem Airbus A320 Konkurrenz machen, zunächst vor allem auf dem Heimatmarkt China.

    Laut Medienberichten haben vier chinesische Fluggesellschaften und 13 Leasingunternehmen bereits Modelle der C919 bestellt. Unter ihnen ist China Eastern Airlines, die sich zum Kauf von fünf Exemplaren bereit erklärt hat. Die chinesische Fluggesellschaft soll das erste der fünf Flugzeuge bis Ende des Jahres erhalten. fpe

    • Comac
    • Industrie
    • Luftfahrt
    • Technologie

    Handelszahlen: Der Container-Stau löst sich auf

    Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht Entspannung entlang der Lieferkette. “Etwas Hoffnung machen gesunkene Containerpreise und ein höherer Containerumschlag an europäischen Häfen”, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef, Volker Treier, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Das Statistische Bundesamt hatte zuvor positive Außenhandelszahlen veröffentlicht. Die Exporte nach China nahmen deutlich zu. Sie stiegen im August um 2,9 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro. Insgesamt machte die starke Nachfrage aus den USA und China das schrumpfende Geschäft mit den von der Energiekrise geplagten EU-Staaten mehr als wett.

    Der DIHK bleibt gleichwohl im Ausblick so pessimistisch, wie es die Gasknappheit vermuten lässt. “Das leichte Wachstum der Ausfuhren im August ist nur ein letztes Aufflackern vor einem kalten Exportwinter“, so Treier. “Enorme Kostensteigerungen für Energie und eine durch Inflation weltweit geschwächte Kaufkraft lasten wie Blei auf der deutschen Export-Wirtschaft.” Die Unternehmen seien dazu gezwungen, ihre Kostensteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben. Das gelinge aber nur teilweise. Deutsche Waren werden wegen hoher Kosten weltweit weniger wettbewerbsfähig sein. rtr/fin

    • Export
    • Handel
    • Lieferketten

    Standpunkt

    Xi Jinpings radioaktiver Freund

    Von Charles Tannock
    Der ehemalige EU-Abgeordnete Charles Tannock forscht beim Thinktank Globsec: hier schreibt er zu Xis und Putins Freundschaft und die Gefahren dieser.
    Der ehemalige EU-Abgeordnete Charles Tannock forscht beim Thinktank Globsec

    Dass Wladimir Putin in der Ukraine immer wieder scheitert, stellt sein strategisches Bündnis mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping auf eine harte Probe. Während Putin immer verzweifelter wird, muss Xi endlich erkennen, wie sehr seine “Freundschaft ohne Grenzen” mit dem russischen Präsidenten die wirtschaftliche Gesundheit Chinas, die weltweite Stabilität und seine eigenen geopolitischen Ziele bedroht.

    Ob Putin nun im letzten Monat mit seiner Drohung, in der Ukraine taktische Nuklearwaffen einzusetzen, geblufft hat oder nicht: Will Xi als verantwortungsvoller Staatschef gelten, muss er das Schlimmste befürchten. Immerhin ist die Möglichkeit eines Nuklearschlags, um russisches Gebiet gegen eine existenzielle Bedrohung zu verteidigen, in der russischen Militärdoktrin ausdrücklich vorgesehen. Russlands illegale Annektierung der besetzten ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja könnte also ein Anlass dafür sein.

    Xi, der sich Ende dieses Monats auf dem 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas wahrscheinlich eine beispiellose dritte Amtszeit als chinesischer Staatschef sichern wird, muss nun alles daran setzen, einen Dritten Weltkrieg zu verhindern. Seit dem Einsatz der US-amerikanischen Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 könnten also in der Ukraine erstmals wieder Nuklearwaffen zum Einsatz kommen. Dies würde eine katastrophale globale Krise auslösen und Xis Krönungszeremonie massiv stören.

    Ein Stellvertreterkrieg Russlands soll von Chinas Problemen ablenken

    Als Xi und Putin im Februar bei den Olympischen Winterspielen in Peking das Sino-Russische Abkommen zur Zusammenarbeit unterzeichneten, muss der Plan, die Ukraine zu erobern, wie ein Spaziergang gewirkt haben: ein schneller Sturz der ukrainischen Führung durch die Russen, der die USA und die NATO blamiert hätte. Außerdem mag Xi gedacht haben, ein Stellvertreterkrieg würde die Aufmerksamkeit der USA von ihrer Rivalität zu China ablenken.

    Doch dann schlug die Ukraine zurück und brachte die unzähligen Schwächen des russischen Militärs ans Tageslicht. Letzteres hat sich nun nach einer eindrucksvollen ukrainischen Gegenoffensive aus der Charkiw-Region im Nordosten zurückgezogen – und erleidet in der Nähe von Cherson im Süden schwere Verluste.

    Als Xi beim jüngsten Gipfel der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit im usbekischen Samarkand Putin traf, hat er mit ziemlicher Sicherheit seine Verstimmung über die russischen Fehlschläge geäußert. Offiziell hat Xi die Ukraine überhaupt nicht erwähnt, aber Putin hat Chinas “Fragen und Sorgen” über den Krieg öffentlich zugegeben – ein seltenes Eingeständnis der Spannungen zwischen den beiden Ländern. Xis offizielles Schweigen stand im massiven Gegensatz zur Reaktion des indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi, der – in einer bemerkenswerten Kehrtwende – Putin öffentlich getadelt hat.

    Trotz Xis öffentlicher Zurückhaltung ist es schwer zu glauben, dass er sich nicht fragt, ob er, als er sein politisches Schicksal an einen so leichtsinnigen Verbündeten knüpfte, die richtige Entscheidung getroffen hat. Putins “Teilmobilisierung” von 300.000 Russen für den Kampf in der Ukraine hat im ganzen Land Proteste ausgelöst und über 200.000 junge Männer in die Flucht getrieben. Die Qualität von Putins neuen Rekruten – zu denen auch Strafgefangene gehören – wird wahrscheinlich nicht dazu beitragen, die russischen Kriegsbemühungen zu unterstützen oder Xis Sorgen zu lindern.

    Der Feind wurde gestärkt, nicht geschwächt

    Angesichts dessen, dass die Moral der russischen Truppen bereits am Boden ist, könnte ein Zustrom mutloser und schlecht ausgebildeter Wehrpflichtiger die Auflösung von Putins Militär und den Zusammenbruch seines Regimes noch beschleunigen – ähnlich wie die schwache Führung des Zaren Nikolaus II im Ersten Weltkrieg zum Zusammenbruch der zaristischen Armeen und zur Russischen Revolution von 1917 geführt hat. Angesichts seiner direkten Appelle an die russischen Soldaten, entweder aufzugeben oder zu sterben, scheint der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den verheerenden Zustand des russischen Militärs besser erkannt zu haben als Putin selbst.

    Der Sinn eines Stellvertreterkriegs besteht darin, seinen Feind zu schwächen, aber für Xis Zwecke hat Putin genau das Gegenteil erreicht. Die NATO ist heute stärker als je zuvor seit dem Ende des Kalten Krieges: Bisher neutrale Länder wie Schweden und Finnland bemühen sich um einen Beitritt, und asiatische Staaten wie Japan, Südkorea – und zunehmend auch Indien – äußern ihre Unterstützung für die amerikanische Ukraine-Politik.

    Statt China zu helfen, sich als Gegengewicht zur globalen US-Hegemonie zu positionieren, hat sich Russland als so schwach und korrupt erwiesen, dass es nicht einmal ein mittelgroßes Land besiegen kann. Angesichts dessen, dass Putin nun direkte Befehle an russische Kommandeure erteilt, muss das chinesische Militärbündnis mit Russland für Xi ziemlich wertlos wirken.

    Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass Putin in der Ukraine eine Nuklearwaffe einsetzt, gering erscheint, kann es nicht völlig ausgeschlossen werden. Also müssen die chinesischen Politiker einzuschätzen versuchen, wie die USA und die NATO reagieren werden, falls Putin seine Drohung wahr macht. Angesichts der kompromisslosen – wenn auch immer noch zweideutigen – Aussagen von US-Präsident Joe Biden kann man sicher annehmen, dass die internationale wirtschaftliche und militärische Reaktion noch viel härter ausfallen würde als die bereits gegen Russland bestehenden Sanktionen.

    Putin untergräbt die Ein-China-Politik hinsichtlich Taiwan

    Sollte Putin die ukrainischen Gebiete, die er illegal annektiert hat, tatsächlich mit taktischen Nuklearwaffen “verteidigen”, könnte er damit eine Horror-Büchse der Pandora öffnen. Bereits jetzt hat sein Krieg beispielsweise die ukrainischen Atomkraftwerke in erhebliches Chaos gestürzt: Neben anderen Sorgen über ihren Betrieb kann nicht mehr vorausgesetzt werden, dass die verbrauchten Brennstäbe während der Kämpfe dort immer sicher aufbewahrt wurden. Dies eröffnet die erschreckende Möglichkeit, dass irgendein verrückter Partisan aus Rache eine “schmutzige Bombe” bauen könnte.

    Putins Annektierung könnte auch die “Ein-China-Politik” hinsichtlich Taiwan untergraben, die vom größten Teil der Welt akzeptiert wird. Einige osteuropäische Länder äußern bereits Zweifel an der Klugheit dieser Politik. Sollte Xi, der das Prinzip territorialer Integrität immer standhaft verteidigt hat, Putins Besatzung stillschweigend akzeptieren, könnten andere Staaten zu dem Schluss kommen, die “Ein-China-Politik” sei aufgrund von Xis Scheinheiligkeit nicht mehr gerechtfertigt.

    Seit seinem Amtsantritt vor zehn Jahren hat Xi immer wieder die Sorge geäußert, China könnte derselben Art politischer und wirtschaftlicher Auflösung zum Opfer fallen, die zum Zusammenbruch der Sowjetunion geführt hat. Putins momentanes Dilemma sollte als weiteres abschreckendes Beispiel dienen. Der Gedanke an ein Regime, das so marode ist, dass es von innen her zusammenfällt, muss Chinas Präsidenten fast so sehr umtreiben wie die Drohung eines nuklearen Krieges.

    Charles Tannock, ehemaliges Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, ist Fellow bei Globsec, einem Thinktank in Bratislava, der sich der Verbesserung von Sicherheit, Wohlstand und Nachhaltigkeit verpflichtet hat. Übersetzung: Harald Eckhoff.

    Copyright: Project Syndicate, 2022.
    www.project-syndicate.org

    • Geopolitik
    • Russland
    • Ukraine
    • USA
    • Wladimir Putin
    • Xi Jinping

    Personalien

    Fabian Rostock ist seit August Head of Product Planning & Strategy bei Porsche China. In seiner neuen Position, für die Rostock von Stuttgart nach Shanghai gewechselt ist, organisiert er unter anderem die Produktpositionierung, die Preisgestaltung und die Mengenplanung vor Ort.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unserer Personal-Rubrik an heads@table.media!

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen