Table.Briefing: China

Habeck-Papier + EU-Chef in Peking + Ende von Zero-Covid?

  • Habeck kommt mit eigener China-Strategie
  • EU-Ratschef Michel trifft Xi Jinping
  • Proteste bewirken Lockerungen
  • Polizei geht mit Hightech gegen Demonstranten vor
  • Twitter und Telegram erleben Download-Boom
  • Staatlich verordnete Trauer um Jiang Zemin
  • Persönlicher Rückblick auf Jiang
Liebe Leserin, lieber Leser,

auf das erste Leak einer China-Strategie folgt jetzt das zweite. Nach dem Außenministerium hat nun auch das Wirtschaftsministerium den Medien ein dickes Papier zu seinen Plänen zugespielt. Der Wirtschaft passen die Indiskretionen nicht: China ist als Thema viel zu wichtig, um im Kräftespiel zerrieben zu werden.

Das Habeck-Papier ist durchaus interessant, auch wenn es in der aktuellen Debatte keine neuen Ideen einbringt. Klar, Deutschland soll seine Abhängigkeiten verringern. Seine Tragweite erschließt sich im Vergleich mit der Wirtschaftspolitik der vorigen Bundesregierung. Hier markiert das Dokument eine deutliche Wende. Außenpolitisch liefert Habeck zudem eine Prognose zum möglichen Angriff auf Taiwan. Sie ist definitiv beunruhigend, doch wie realistisch sie ist, analysieren Michael Radunski und Finn Mayer-Kuckuk.

EU-Ratschef Charles Michel und Xi Jinping hatten bei ihrem Zusammentreffen in Peking viel zu besprechen. Xi hatte jedoch wenig Zeit – kein Wunder, musste er doch am selben Tag den Leichnam Jiang Zemins in seinem gläsernen Sarg am Flughafen mit Verbeugungen in Empfang nehmen. Amelie Richter fasst zusammen, wo Xi und Michel Gemeinsamkeiten sehen und wo es hakt zwischen China und der EU.

Mehrere Städte lockern unterdessen ihre Corona-Politik. Die Neujustierung ist überfällig. Die Nebenwirkungen der Lockdowns sind auch in deutschen Unternehmen vor Ort zu spüren: Sie sind vom Exodus der Expats betroffen. Der Mangel an Fach- und Führungskräften in China ist eine Herausforderung, der China.Table in Kooperation mit der Handelskammer Hamburg am kommenden Montag (5.12.) um 10 Uhr ein Webinar widmet. Es trägt den Titel “Personalfindung in der Praxis und die Auswirkungen auf den Unternehmensstandort China”. Unsere Redakteurin Ning Wang und einige spannende Gäste begrüßen sie gerne, schauen Sie doch online vorbei!

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre unseres Newsletters und ein schönes Wochenende.

Ihre
Julia Fiedler
Bild von Julia  Fiedler

Analyse

Habeck schmiedet Plan zur Abwehr Chinas

Robert Habeck will offenbar nicht länger warten, weder auf das Auswärtige Amt noch auf das Kanzleramt – und hat deshalb in seinem Haus eine eigene China-Strategie ausarbeiten lassen. Das 104 Seiten starke Dokument ist mit “VS” gekennzeichnet: Verschlusssache. Es ist also nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Die Nachrichtenagentur Reuters ist dennoch an ein Exemplar gekommen und berichtet von einem überaus China-kritischen Konzept. Habeck will die deutsche Wirtschaft mit diesen “Internen chinapolitischen Leitlinien” möglichst schnell unabhängiger machen von China.

Beim Einstieg der chinesischen Reederei Cosco im Hamburger Hafen musste Robert Habeck noch zähneknirschend zuschauen (China.Table berichtete). Die Übernahme des Dortmunder Chip-Herstellers Elmos konnte der Wirtschaftsminister hingegen verhindern (China.Table berichtete). Habeck fürchtet, dass China über solche Geschäfte zu viel Einfluss auf kritische Infrastruktur und wichtige Industriezweige in Deutschland bekommen könne. Daher prescht er mit einem eigenen Entwurf vor.

  • Er will die deutsche Wirtschaft robuster machen gegen Risiken, die sich aus einer erzwungenen Trennung vom chinesischen Markt ergeben könnten. Sie sollen nicht ganz verschwinden, aber Deutschland soll nicht erpressbar sein.
  • Dazu sollen deutsche Firmen auf der einen Seite weniger auf Lieferungen aus China angewiesen sein und auf der anderen Seite einen geringeren Anteil ihrer Exporte in China absetzen.
  • Zunächst einmal will das Ministerium aber erfassbar machen, wie ausgeprägt die Abhängigkeit ist. Bisher gibt es dazu keine genauen Zahlen. Die Firmen werden daher verpflichtet zu berichten, wie sie gegenüber China aufgestellt sind.
  • Die Tradition der Wirtschaftsdelegation, die Kanzler auf China-Reisen begleiten, soll ein Ende haben. Sie passe nicht mehr in die Zeit. Das liest sich wie eine direkte Reaktion des grünen Wirtschaftsministeriums auf Scholz’ jüngste China-Reise (China.Table berichtete) mit großem Tross.
  • Bei öffentlichen Ausschreibungen für systemwichtige Projekte sollen Anbieter von außerhalb der EU unter Umständen ausgeschlossen werden können.
  • Auch neue deutsche Investitionen in China können einer Prüfung unterliegen.
  • All das soll “rechtzeitig und entschlossen” passieren.

Das Papier entspricht von seinen Ideen her dem Entwurf der China-Strategie aus dem Auswärtigen Amt (China.Table berichtete). Es könnte entweder als Unterstrategie für den Bereich Wirtschaft dienen oder als Beitrag des Wirtschaftsministeriums in die Gesamtstrategie integriert werden. Die grün geführten Häuser ziehen hier also offenbar an einem Strang.

China macht sich selbst unabhängig

In dem Habeck-Papier heißt es: “Während China seine Abhängigkeit verringert, nimmt die wirtschaftliche Bedeutung Chinas für die EU und Deutschland weiter zu.” Peking verfolgt mit der Strategie “Made in China 2025” das Ziel, in den zehn wichtigen Industriezweigen unabhängig von der Welt und zugleich Marktführer zu werden. Präsident Xi Jinping lässt zudem mit den “zwei Kreisläufen” die Binnenwirtschaft entscheidend stärken. Unabhängig vor allem von westlicher Technologie, also autark, den Rest der Welt aber möglichst abhängig machen von China – so lautet kurz gefasst Xi Jinpings aggressive Wirtschaftspolitik.

Für Deutschland müssen Habecks Mitarbeiter in den ersten Kapiteln ihres Papiers hingegen festhalten: Aus keinem Land der Welt importiert Deutschland mehr Waren, allein 2021 Waren im Gesamtwert von rund 142 Milliarden Euro. Das sind 21 Prozent mehr als noch 2020. Und während Deutschland 2,7 Prozent seiner Gesamtwertschöpfung nach China exportiert, importiert China im Vergleich dazu nur 0,8 Prozent seiner Wertschöpfung aus Deutschland.

In einigen Branchen sei Deutschlands Abhängigkeit von China alarmierend: Genannt werden neben der Automobilbranche, auch Bereiche wie Wasserstofftechnologie, Elektromobilität oder Erneuerbare Energien. “Chinesische Unternehmen produzieren bereits heute weltweit mehr als 70 Prozent der Solarpaneele und etwa die Hälfte der Windturbinen und Elektroautos.”

Dax-Firmen gehen in die umgekehrte Richtung

Diese Abhängigkeit soll dringend reduziert werden – und in Habecks Papier werden dafür auch konkrete Vorschläge aufgeführt:  So seien beispielsweise neue Berichtspflichten für deutsche Firmen mit starkem China-Geschäft vorgesehen. Das könnte deutsche Autobauer wie VW betreffen, aber auch den Chemie-Konzern BASF, der zuletzt angekündigt hatte, zehn Milliarden Euro in ein neues Werk in der südchinesischen Provinz Guangdong zu investieren.

Zudem soll die Politik deutsch-chinesische Wirtschaftsprojekte weniger stark unterstützen. Und auch Freihandelsabkommen mit anderen Staaten aus dem Asien-Pazifik-Raum sollen dabei helfen, Deutschland von China zu lösen. Außerdem will man im Wirtschaftsministerium offenbar erreichen, dass China nicht mehr als Entwicklungsland eingestuft wird. Eine ähnliche Diskussion gab es zuletzt auf der Klimakonferenz in Ägypten, wo sich China allerdings durchsetzen konnte.

Damit stellt das vorliegende Papier eine klare Abkehr vom bisherigen Kurs der deutschen Wirtschaftsminister dar: China ist nicht mehr der begehrte Wirtschaftspartner, sondern vielmehr ein bedrohlicher Rivale. Das Portal “The Pioneer” berichtete zuerst über das neue Konzept des Wirtschaftsministeriums.

Die Wirtschaft stört sich an den Leaks

Laut “Pioneer” soll Habeck intern den Entwurf seiner Beamten gelobt und eine zügige Umsetzung der Handlungsempfehlungen zugesagt haben. Allerdings scheint das Papier nicht mit den anderen Ministerien abgestimmt zu sein. Und genau hier liegt das Problem. Es drängt sich der Eindruck auf, als koche in der Bundesregierung jeder sein eigenes Süppchen.

Nicht nur in der Diskussion um das Cosco-Engagement im Hamburger Hafen wurde deutlich, dass das Kanzleramt eine deutlich china-freundlichere Linie verfolgt. Ein Machtwort von Olaf Scholz macht schlussendlich den Einstieg Coscos möglich. Habeck soll dementsprechend von “herausfordernden” Verhandlungen gesprochen haben.

Die Wirtschaftsverbände registrieren die Konkurrenz der Ampel-Ministerien um die China-Strategie mit Unbehagen. Sie stören sich vor allem an den immer neuen Indiskretionen. Die Entscheidungsfindung wird zum Spielball der öffentlichen Meinung und sind zunehmend politischen Mechanismen unterworfen. “Die Wirtschaft ist über diese mehrgleisige Kommunikation bei der China-Strategie angesichts der Bedeutung, die China für unsere Wirtschaft hat, sehr verärgert”, sagte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammern (DIHK), Volker Treier.

Habeck sorgt sich um Taiwan-Situation

Ebenfalls brisant sind die außenpolitischen Prognosen im Papier des Wirtschaftsministeriums. So verweisen Habecks Beamte darauf, dass China Taiwan vermutlich bis spätestens 2027 annektieren will– passend zum 100-jährigen Jubiläum der chinesischen Volksbefreiungsarmee. Dieses Detail des Berichts erhielt in den deutschen Publikumsmedien mehr Aufmerksamkeit als das wirtschaftspolitische Konzept. Dabei handelt es sich nur um ein Szenario handelt, auf das die Wirtschaft nach Ansicht der Beamten vorbereitet sein sollte – also eher eine ernste Warnung als eine Prognose.

Das Datum 2027 klingt denn auch allzu alarmistisch. Es stimmt zwar, dass die Spannungen um Taiwan zuletzt zugenommen haben: Nach dem Taiwan-Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi hat Peking vermehrt Kampfjets in die Luftverteidigungszone der Insel geschickt und Raketen getestet. Zugleich sicherte US-Präsident Joe Biden Taiwan die volle – auch militärische – Unterstützung der USA zu, sollte China tatsächlich angreifen.

Doch es sind genau solch klare Ansagen, mit denen man Chinas Verhalten am ehesten beeinflussen kann. Es ist eine Klarheit, die auch die deutsche Bundesregierung gegenüber China entwickeln sollte. Robert Habeck will offenbar nicht länger darauf warten. Michael Radunski/Finn Mayer-Kuckuk

  • Geopolitik
  • Handel
  • Robert Habeck

Michel und Xi reden aneinander vorbei

Das Verhältnis der EU zu China gilt als schlecht. Daher richteten sich alle Augen mit Spannung auf das Treffen von EU-Ratschef Charles Michel mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Donnerstag in Peking. Das Treffen dauerte nur drei Stunden. Schon das sagte etwas über die Qualität der Beziehungen.

Der EU-Ratschef versicherte glaubwürdig, die jüngsten Proteste gegen Chinas repressive Corona-Politik angesprochen zu haben. In der chinesischen Stellungnahme fanden die Proteste erwartungsgemäß keine Erwähnung. Vor allem Abgeordnete des EU-Parlaments hatten vor Michels Reise ein klares Zeichen des EU-Ratschefs an die chinesische Führung gefordert (China.Table berichtete).

Michel hat die Führung in Peking zudem unverblümt aufgefordert, in Moskau auf ein Ende des Krieges in der Ukraine hinzuwirken. “Wir setzen darauf, dass China seinen Einfluss geltend macht”, sagte Michel nach dem Gespräch mit Staats- und Parteichef Xi Jinping. “Präsident Xi und ich waren uns einig, dass nukleare Bedrohungen nicht akzeptabel und hochgefährlich sind.” Und: Xi habe ihm klar versichert, dass die Volksrepublik keine Waffen an Russland liefere. Beide Positionen sind jedoch bekannt. Eine gemeinsame Presseerklärung gab es nicht, beide Seiten gaben ihre eigenen Statements heraus.

Fortsetzung des Dialogs der Gehörlosen

Die EU appelliert seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine an die chinesische Führung, Druck auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin auszuüben. Bisher jedoch mit mäßigem Erfolg. Der Glaube an ein Einwirken Pekings war vor allem nach dem erfolglosen EU-China-Dialog Anfang April in sich zusammengefallen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte den Video-Gipfel im Nachhinein als “Dialog der Gehörlosen” betitelt. Eine aufgezeichnete Videobotschaft von Michel selbst, die für die Eröffnung der Export-Messe in Shanghai gedacht war, wurde dort nicht gezeigt (China.Table berichtete).

Die chinesische Seite hat nach dem Treffen in einer Mitteilung zwar zugegeben, dass über die Ukraine gesprochen wurde. Das Wort “Krieg” wurde in der Erklärung jedoch weiterhin nicht benutzt, es war lediglich von “Krise” die Rede. Xi Jinping habe bei den Gesprächen auf eine politische Lösung durch Verhandlungen gepocht, berichtete der staatliche Sender CCTV. Unter den gegenwärtigen Bedingungen müsse eine weitere Eskalation der Krise vermieden werden.

Eine Lösung mit politischen Mitteln liege “im besten Interesse Europas und im gemeinsamen Interesse aller Länder in Eurasien”, so Xi. Er verkennt damit weiterhin gezielt, dass der Krieg schon seit Monaten läuft und Verhandlungen mit Wladimir Putin derzeit zwecklos wirken.

Trotz schöner Wort gilt die Unterstützung Russland

Der Teufel steckt im Detail, und ihn aufzuspüren erfordert Kenntnisse in der Verwendung politischer Sprache durch China: China “unterstützte die EU bei der Verstärkung ihrer Mediation”, heißt es in der chinesischen Stellungnahme zwar. Die Volksrepublik habe eine eigene europäische Sicherheitsarchitektur vorgeschlagen. Gemeint ist damit in der Regel jedoch eine Loslösung von den USA. Denn der Aggressor ist aus chinesischer Sicht ganz klar der Westen.

Bemerkenswert ist eine weitere Formulierung im chinesischen Statement, findet Justyna Szczudlik, China-Analystin des polnischen Instituts für internationale Angelegenheiten (PISM) in Warschau. China stehe immer auf der Seite des Friedens und werde “auf seine Weise weiterhin eine konstruktive Rolle spielen”. Gemeint ist letztlich: Xi will weiterhin Russland unterstützen.

Das erste Aufeinandertreffen war konfliktreich, ein klarer Fokus aber fehlte. Für die Wiederaufnahme der persönlichen Gespräche war die Visite Michels dennoch ein Anfang. Die vor allem von Xi – und anschließend auch von den Staatsmedien – betonte Übereinstimmung in Handelsfragen sollte sicherlich auch ein Signal in Richtung Washington senden. Dort trafen sich am Donnerstag EU- und US-Vertreter zu einem Dialog über China und den Indopazifik.

  • Charles Michel
  • EU
  • Geopolitik

Städte mildern nach Protesten Lockdowns 

Ein wenig leer sah es am Donnerstag noch aus im Raffles-Einkaufszentrum in Peking. Zwar haben die Geschäfte ab 1. Dezember wieder auf, ein negativer PCR-Test ist aber Voraussetzung fürs Shopping.

Nach den historischen Protesten am Wochenende haben mehrere chinesische Städte damit begonnen, ihre strikten Corona-Maßnahmen ein wenig zu lockern. Ohne dabei direkt auf die Demonstrationen einzugehen, hoben Lokalregierungen im ganzen Land in den vergangenen zwei Tagen eine ganze Reihe von Einschränkungen auf. Die von einem besonders schweren Corona-Ausbruch betroffene südchinesische Metropole Guangzhou beendete Lockdowns in einigen Teilen der Stadt (China.Table berichtete). Die Behörden Chongqings im Südwesten teilten mit, dass Kontaktpersonen von Infizierten künftig in der eigenen Wohnung die Quarantäne absolvieren dürfen.

Zhengzhou, wo es vergangene Woche am Werk des Apple-Zulieferers Foxconn zu Unruhen gekommen war, kündigte eine “geordnete Wiederaufnahme” aller Geschäftsaktivitäten an. Auch Chengdu und die nordchinesische Stadt Shijiazhuang lockerten Maßnahmen. Damit reagierten die Städte auf Vorgaben der Pekinger Gesundheitskommission. Die hatte als Reaktion auf die Proteste bereits am Dienstag eine deutliche Warnung an “alle Ebenen” ausgesprochen. Die Corona-Maßnahmen, so die Kommission, sollten endlich “präzise” entsprechend der bereits vor einigen Wochen überarbeiteten Leitlinien umgesetzt werden. 

Peking gibt Lokalregierungen die Schuld

Die Botschaft dahinter ist eindeutig. Die Zentralregierung sieht nach den Unruhen vom Wochenende den Fehler nicht bei sich selbst. Sondern bei den Städten und Kommunen, die wegen der zuletzt sprunghaft gestiegenen Corona-Zahlen die Einschränkungen noch weiter verschärft haben, statt Unannehmlichkeiten für die Bürger entsprechend den angepassten Regeln zu verringern. 

Einen Vorstoß in die gleiche Richtung machte am Mittwoch Chinas Vize-Ministerpräsidentin Sun Chunlan, die von einem “neuen Stadium der Pandemie” sprach. “Da die Omikron-Variante weniger pathogen geworden ist, mehr Menschen geimpft werden und wir mehr Erfahrungen in der Covid-Prävention gesammelt haben, befindet sich unser Kampf gegen die Pandemie in einem neuen Stadium und bringt neue Aufgaben mit sich.” Das sagte Sun bei einem Treffen mit Vertretern der Nationalen Gesundheitskommission und anderen Gesundheitsexperten. 

Am Donnerstag lieferte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua in einem Kommentar eine Interpretationshilfe zu Suns Anmerkungen. Sun, so Xinhua, habe nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass sich China sofort “voll öffnen” oder “zurücklehnen” werde. Es gehe vielmehr um die Optimierung der derzeitigen Beschränkungen. “Ziel ist es immer noch, das Leben von Menschen zu retten und gleichzeitig die negativen Auswirkungen der Epidemie auf das tägliche Leben sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich zu verringern”, so Xinhua weiter. Örtliche Behörden im ganzen Land seien derzeit dabei, “detaillierte Maßnahmen zur besseren Umsetzung der Politik der Zentralregierung” umzusetzen. 

Öffnung im dritten Quartal 2023?

Xinhua betonte jedoch, dass eine rasche Abkehr der derzeitigen Politik nicht anstehe. So hätten Studien gezeigt, dass durch eine unkontrollierte Verbreitung von Omikron mehr als 1,5 Millionen Menschen in China sterben könnten. Die Kapazitäten der Intensivstationen würden um das 15,6-Fache überstiegen werden. Die “dynamische Null-Covid-Politik” könne daher nicht aufgegeben werden. 

Viele Analysten und internationale Investoren sind dennoch davon überzeugt, dass eine Öffnung nur noch eine Frage der Zeit ist. Einen Hinweis, wie lange es noch dauern könnte, lieferte am Mittwoch das chinesische  Wirtschaftsmagazin Caixin. An prominenter Stelle auf seiner Website veröffentlichte es Zitate von Hu Yifan, der China-Chefvolkswirtin von UBS Global Wealth Management. Laut Einschätzung der Ökonomin werde China seine Covid-Beschränkungen bis zum dritten Quartal 2023 vollständig aufheben, was dann zu einer “dramatischen wirtschaftlichen Erholung” führen werde.

Laut Hu könnte die Öffnung durch eine deutliche Anpassung der derzeitigen Corona-Politik während des Volkskongresses im März eingeleitet werden. Die Tonlage chinesischer Medien in diesen Tagen ist eindeutig: Das Land steckt nicht in einer Sackgasse. Die Führung hat einen Plan. Aber bitte noch etwas Geduld. Jörn Petring 

  • Coronavirus
  • Gesundheit
  • Handel

Termine

5.12.2022, 10:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing time)
China.Table + Handelskammer Hamburg, Table.Live-Briefing: Exodus von Fach- und Führungskräften: Personalfindung in der Praxis und die Auswirkungen auf den Unternehmensstandort China Mehr

05.12.2022, 22:00 Uhr (6.12., 5:00 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: China Humanities Seminar featuring Lu Kuo – The Temporary Recluse: The Discourse of Not Working in Early Medieval Chinese Poetry Mehr

5.12.2022, 8:30 Uhr (15:30 Uhr Beijing time)
China Netzwerk Baden-Württemberg, Webinar: CNBW Young Leaders Career Talk: How to be successful in a Sino-German working environment? Mehr

5.12.2022, 16:00 Uhr
Asienbrücke – Euro-Asian-Initiative e. V. (Berlin), Präsenz-Vortrag und Diskussion: Neue Zeit. Neue Herausforderungen. Neue Partnerschaften? mit OECD-Generalsekretär Mathias Cormann, Finanzminister a.D. Mehr

5.12.2022, 9:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
EU SME Centre, Online & Tianjin European Chamber Office: Grow Green: Energy Efficiency. EU-China Cooperation and Opportunities for European SMEs Mehr

5.12.2022, 18:30 Uhr
Konrad Adenauer Stiftung und FAZ, Diskussion (vor Ort in Düsseldorf): Was kostet die Freiheit? Zur Zukunft der westlichen Sicherheitspolitik Mehr

06.12.2022, 10:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing time)
stars – for Leaders of the Next Generation, Webinar: Geopolitical Disruptions All Over – What Companies should Prepare for Mehr

06.12.2022, 16:30 Uhr (23:30 Uhr Beijing time)
Center for Strategic & International Studies, Webinar: Responding to Egregious Abuses in Xinjiang: Latest State of Play Mehr

7.12.2022, 15:00 Uhr (22:00 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: Taiwan Studies Workshop – Taiwan Elections 2022: Examining the Results Mehr

7.12.2022, 9:30 Uhr (16:30 Uhr Beijing time)
EU SME Centre, Webinar: Business Intelligence: Sustainability Due Diligence for European SMEs in China Mehr

7.12.2022, 19:00 Uhr
Konfuzius-Institut Heidelberg, Vortrag (vor Ort): Sinology goes public: Anhaltender Eurozentrismus? Das alte China in aktuellen Schulgeschichtsbüchern Mehr

9.12.2022, 16:00 Uhr (23:00 Uhr Beijing time)
Center for Strategic & International Studies, Webinar: Have U.S.-China Tensions Hurt American Innovation?: A Big Data China Event Mehr

News

Polizei spürt Demonstranten über Handydaten auf

Die Polizei nutzt offenbar Gesichtserkennungssoftware und Handydaten, um Demonstranten aufzuspüren und festzunehmen, die vergangenes Wochenende gegen die Covid-Maßnahmen auf die Straße gegangen sind. Das sagte die Menschenrechtsanwältin Wang Shengsheng aus der Stadt Zhengzhou der Nachrichtenagentur AFP. Sie bietet Demonstranten kostenlose Rechtsberatung an.

In Peking könnte die Polizei die Standortdaten von Telefonen verwendet haben, die entweder von Scannern vor Ort erfasst wurden oder beim Überprüfen der Corona-App, vermutet die Juristin. Viele ihrer Klienten aus Peking reagierten verwirrt auf Vorwürfe der Polizei: Sie waren nun an einer Demo vorbeigelaufen, hatten aber nicht teilgenommen. Wie AFP berichtet, haben mehr als 20 Menschen in den vergangenen Tagen Rat bei der Anwältin gesucht. flee

  • Coronavirus
  • Null-Covid-Proteste
  • Zivilgesellschaft

Viele Twitter-Downloads nach Protesten

Die Download-Zahlen von Twitter und Telegram sind in China in den letzten Tagen nach oben geschnellt. Das berichtet die South China Morning Post. Twitter stand am Montag demnach auf Platz acht der beliebtesten kostenfreien iOS-Apps. Normalerweise liegt das Programm jenseits von Platz 100. Telegram stieg am Sonntag sogar auf Platz sechs der sozialen Netzwerke und konnte sich einige Tage auf diesem Rang halten.

Die Beliebtheit der Apps steht im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten gegen die strengen Covid-Maßnahmen, die am Wochenende Fahrt aufnahmen. Während Videos und Bilder der Proteste auf den am meisten verbreiteten chinesischen Diensten WeChat und Weibo schnell gelöscht wurden, waren sie auf Twitter und Telegram verfügbar. In China können Twitter und Telegram nur über einen VPN-Client verwendet werden, da sie zensiert sind. jul

  • Gesellschaft
  • Soziale Medien
  • Technologie

Ehrbekundung für Jiang

Die zuständige Kommission hat den kommenden Dienstag (6. Dezember) als Tag der Beerdigung des Staatspräsidenten Jiang Zemin festgelegt. Sein Leichnam kam am Donnerstag mit einem Sonderflug in einem gläsernen Sarg am Flughafen in Peking an. Xi Jinping und die übrige Top-Führung verbeugten sich dreimal vor dem Sarg, der von 12 Soldaten getragen wurde, berichtet die Nachrichtenagentur Xinhua. Auch der mögliche künftige Premier Li Qiang war anwesend.

Der besonders große Aufwand für Jiang wird sich voraussichtlich kommende Woche fortsetzen. Er gilt als Zeichen dafür, dass die Führung gerade in Zeiten sichtbarer Unzufriedenheit des Volkes genaue Kontrolle über das Gedenken an Jiang behalten will.

Die Flaggen im ganzen Land stehen auf Halbmast.

Die Nationale Radio- und Fernsehbehörde hat derweil laut einem Bericht des Online-Magazins China Digital Times eine Trauerperiode angeordnet, die vom 30. November bis zum 7. Dezember dauern soll. Bis dahin erscheinen Internetseiten staatlicher Medien in China in schwarz-weiß. Jiang Zemin ist am Mittwoch im Alter von 96 Jahren verstorben (China.Table berichtete).

Das Streaming von Unterhaltungsformaten wird während der Trauerperiode ausgesetzt. Stattdessen sollen historische und revolutionäre Formate angeboten werden. Artikel und andere Medieninhalte rund um die Weltmeisterschaft sollen nicht beworben werden, Live-Streams der Spiele dürfen aber gezeigt werden. Auch Werbung wird eingeschränkt, am Tag der Beerdigung darf keine Werbung gezeigt werden. 

Die meisten Internetseiten von Regierungsbehörden und Universitäten schlossen sich der Trauer-Optik an. In China werden Internetseiten bei außergewöhnlichen Tragödien oder an bestimmten historischen Jahrestagen auf schwarz-weiß geschaltet, wie im vergangenen Jahr zum Jahrestag des Nanjing-Massakers von 1937. Im Jahr 2020 wurde in Gedenken an die ersten Corona-Toten Internetseiten staatlicher Medien und Social-Media-Seiten in schwarz-weiß angezeigt. Unterhaltungssendungen im Fernsehen waren untersagt. jul/fin

Presseschau

China will EU unterstützen: Xi Jinping warnt vor Eskalation in Ukraine ZDF
EU-Ratschef Michel in China: Keiner soll sein Gesicht verlieren TAGESSPIEGEL
Berichtspflichten: Wirtschaft verärgert über China-Papier aus Habecks Ministerium SPIEGEL
Bericht: Habecks Ministerium rechnet mit Annexion Taiwans durch China bis 2027 HANDELSBLATT
Spannungen um Taiwan nehmen zu: Droht der Welt jetzt ein weiterer großer Krieg? RND
China condemns British lawmakers’ Taiwan visit BBC
Nato concerned by China’s “rapid and opaque” military buildup, says Blinken THEGUARDIAN
Abkehr von Peking: Xi Jinping entgleitet sein wichtigstes Projekt in Europa WELT
Former Chinese leader Jiang Zemin’s body arrives in Beijing THEGUARDIAN
China deutet nach Protesten Lockerungen von Coronamaßnahmen an AERZTEBLATT
“Sie sind mutiger als wir” – Tian’anmen-Veteran Wang Dan sieht enormes Potenzial bei Protesten in China HANDELSBLATT
Elektroautos: Warum BMW, Mercedes und Renault in China fertigen FAZ
Tesla ruft in China rund 435.000 Fahrzeuge zurück HANDELSBLATT
Prozess gegen Jimmy Lai: Ratlosigkeit bei Hongkongs “Sicherheitsgesetz” TAGESSCHAU
China’s envoy called before minister multiple times to explain “police station” allegations CBC
Handelspolitik: Der Ton gegen China wird schärfer SUEDDEUTSCHE
IT-Mittelstand warnt vor digitaler Abhängigkeit von China und USA HEISE
Unternehmen in China: Gefangen in der Endlosschleife FAZ

Blick aus China

Im Vergleich war Jiang gar nicht schlecht

Nach dem Abtritt eines Politikers entwickelt sich dessen Bild in der Öffentlichkeit weiter – und das zuweilen in unerwarteter Weise. Der Ausbruch des Ukraine-Krieges holte Angela Merkel abrupt von ihrem Podest als große Staatsführerin. George W. Bush ist heute weniger negativ in Erinnerung, weil wir den Vergleich mit Donald Trump haben.

Jiang Zemin war jahrelang Gegenstand von Gespött. Doch jetzt, zu seinem Tod, wirkt sein Image viel besser als früher.

Als er an der Macht war, wurde er nicht gemocht – und zwar vor allem wegen seines extravaganten Stils. Er sprach mit großer Geste und dramatischer Mimik. Jiang veröffentlichte Gedichte; er spielte Klavier; er dirigierte Chor und Orchester; er sang Peking-Oper, Elvis Presleys Love Me Tender, das italienische O Sole Mio und Volkslieder. Und er gab Wörter und Sätze in vielen Dialekten und Sprachen zum Besten, darunter Kantonesisch, Englisch, Russisch, Japanisch, Rumänisch, Französisch, Deutsch, Spanisch und Urdu. Die Liste lässt sich fortsetzen.

War er darin gut? Nein, leider nicht. Bei diesen Darbietungen schwankte er zwischen Anfänger- und Mittelstufe.

Dann war da seine Tirade gegenüber einer Hongkonger Journalistin im Jahr 2000, als er sich von einer Frage angegriffen fühltt. Sein Wutanfall gilt wohl immer noch als Nummer eins im Ranking der besten politischen Theateraufführungen in China, viel unterhaltsamer noch als Hu Jintaos unfreiwilliger Abgang auf dem jüngsten 20. Parteikongress.

Aufgrund diese Besonderheiten galt Jiang bei diplomatischen Anlässen als Possenreißer. Einige fanden ihn einfach nur peinlich.

Jiang Zemin: Einfluss nach Ausscheiden

Er sammelte weiter Minuspunkte, weil er nach dem offiziellen Ende seiner Amtszeit im Hintergrund weiter Strippen ziehen wollte. Die Leute hatten es satt, dass alte Männer im Ruhestand hinter den Kulissen mitmischen. Nach seinem Ausscheiden aus den Ämtern des Parteigeneralsekretärs (2002) und des Staatspräsidenten (2003) klammerte er sich an das Amt des Vorsitzenden der Zentralen Militärmission und gab diesen Posten erst zwei Jahre später ab.

Danach übte er immer noch Einfluss aus, hauptsächlich durch die Shanghai-Fraktion in der KP. Er war auch eine der Schlüsselfiguren, die Xi Jinping schließlich im Kampf um die Nachfolge von Hu Jintao im Jahr 2012 an die Spitze hievten.

Nach dem roboterähnlichen Auftritt Hu Jintaos und insbesondere nachdem Xi Jinpings sich politisch als so kompromisslos und durchsetzungsstark erwiesen hat, wandelte sich die Sicht auf Jiang. Die Menschen hielten ihn bei weitem nicht mehr für so schlecht.

Jiang kam 1989 nach der blutigen Niederschlagung der Studentenbewegung an die Macht. Nachdem er einige Jahre lang die älteren Konservativen in der Partei besänftigt hatte, reagierte er positiv auf Deng Xiaopings Ruf nach mehr Öffnung und marktorientierten Wirtschaftsreformen. Er ist der Entscheidungsträger, der China in das globale Wirtschaftssystem bugsierte.

Er war dem Ausland gegenüber nicht kriegerisch gesinnt und bemühte sich um gute Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und zu Europa. Während seiner Amtszeit öffnete sich China immer mehr nach außen.

Innenpolitisch wurde die Gesellschaft toleranter. Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit nahmen mehr Raum ein. Liberale Medien begannen in Großstädten wie Pilze aus dem Boden zu schießen. Eine rudimentäre Zivilgesellschaft entwickelte sich.

In seinen letzten Jahren als Parteisekretär führte er die Theorie des “Dreifaches Vertretens” ein, die den Weg für die potenziell weitreichende Wandlung der Kommunistischen Partei ebnete. Sie sah vor, nicht nur die Arbeiterklasse, sondern auch Unternehmer und andere gesellschaftliche Eliten zu vertreten.

Als er 2002-2005 die politische Bühne verließ, sah alles in China hoffnungsvoll aus, trotz grassierender Vetternwirtschaft und Korruption.

Jiang sprach wie ein normaler, kultivierter Mensch

All dies steht in scharfem Kontrast zu Xi, unter dem sich China an allen Fronten zurückentwickelte, was Ängste vor einer weiteren Kulturrevolution und vor einem Krieg um Taiwan auslöst.

In Bezug auf die persönliche Neigung gibt es einige Eigenschaften in Jiang, die ihn von der überwiegenden Mehrheit der chinesischen Führer unterschieden: Obwohl Jiang selbst ein mieser Entertainer war und keine Fremdsprachen konnte, hegte er echte Liebe für Kunst, Literatur, Kultur und Wissen, die guten Dinge im Leben. Sein Geschmack war gar nicht schlecht. (Vergessen Sie vorübergehend seine Liebe zum Film Titanic, niemand ist perfekt.) Er hatte echten Respekt vor Schriftstellern, Künstlern und Intellektuellen. Außerdem war er wirklich neugierig auf die Welt.

Außerdem sprach und benahm er sich wie ein echter Mensch. Sein Sprechstil war schrullig, aber ausdrucksstark, er lachte herzlich, er zeigte seine Wut. Er kratzte sich auf der zentralen Bühne in der Großen Halle des Volkes an seinem juckenden Ohr und schlief ein, als Hu Jintao eine lange, langweilige Rede hielt.

Während Jiang sowohl eine traditionelle alte Schulausbildung als auch eine vierjährige Universitätsausbildung im westlichen Stil erhielt, war Xi Jinpings höchster formaler Abschluss die Volksschule. Wegen des Ausbruchs der Kulturrevolution im Jahr 1966, als Xi 13 Jahre alt war, wurden alle Schulen geschlossen. Er ging Mitte der 1970er Jahre an die Tsinghua-Universität, aber die chinesischen Universitäten befanden sich damals noch in einem halb gelähmten Zustand.

Es war nicht seine Schuld, aber all das hat höchstwahrscheinlich Xis Weltbild beeinträchtigt. Er hat kein Interesse an Kunst und Kultur, obwohl er während seiner offiziellen Reden bei seinen Auslandsbesuchen bekanntermaßen erstaunlich lange Listen großartiger Bücher präsentierte, die er angeblich gelesen hatte. Einige supermoderne Architekturwerke in Peking wurden unter Jiang genehmigt, darunter das Nationale Zentrum für darstellende Kunst neben dem Tiananmen-Platz. Als Xi Chef wurde, sagte er im Kontrast dazu: China solle aufhören, den Bau “bizarrer Gebäude” zuzulassen.

Im Gespräch greift Xi auf den für chinesische Bürokraten typischen trockenen Stil und die hochmütige Haltung zurück. Seine Reden sind oft von umgangssprachlichen Redewendungen durchsetzt und durch falsche Aussprache von Schriftzeichen beeinträchtigt.

Als der Unterschied zwischen Xi und Jiang allmählich klar wurde, stieg wie gesagt die Wertschätzung des letzteren. So ganz kann man ihn immer noch nicht ernst nehmen, aber dass Jiang menschlicher, offener und viel lustiger sei – darauf können sich die Leute einigen.

Es gibt jedoch immer noch eine auffällige Gemeinsamkeit zwischen ihnen: Beide verteidigten mit allen Mitteln die Herrschaft der Kommunistischen Partei. Was Jiang über das, was Xi in den letzten zehn Jahren getan hat, dachte, ist zwar nicht bekannt. Zumindest schien er ihm nicht im Weg zu stehen. Bei Bedarf tauchte Jiang bei Veranstaltungen unter dem Vorsitz von Xi auf, um Solidarität zu zeigen. Ihre Beziehung schien bis zum Tod von Jiang gut gewesen zu sein. Nach all der echten oder falschen Nostalgie war Jiang also nur das kleinere von zwei Übeln.

  • Jiang Zemin
  • KP Chinas
  • Xi Jinping

Personalien

Lim Sim Yee ist neue CEO von EP Manufacturing Berhad, einem Hersteller von Plastikteilen für die Fahrzeugindustrie. Lim kommt von Mercedes-Benz Sales Services in Peking.

Carl Gao leitet künftig für den Schweizer Logistikdienstleister Militzer & Münch das neue Regionalbüro China Süd. Sein Kollege Jeffery Guo übernimmt die Regionalleitung im Norden. 

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Im 18. Jahrhundert war chinesisches Kunsthandwerk in Europa total angesagt. Maximal angetan von den Gegenständen von damals ist bis heute auch Königin Maxima. Ins Huis ten Bosch das chinesische Zimmer von 1791 besucht. Die Wände zieren Tapeten und auch die Bezüge der Stühle zeigen chinesische Motive.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Habeck kommt mit eigener China-Strategie
    • EU-Ratschef Michel trifft Xi Jinping
    • Proteste bewirken Lockerungen
    • Polizei geht mit Hightech gegen Demonstranten vor
    • Twitter und Telegram erleben Download-Boom
    • Staatlich verordnete Trauer um Jiang Zemin
    • Persönlicher Rückblick auf Jiang
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    auf das erste Leak einer China-Strategie folgt jetzt das zweite. Nach dem Außenministerium hat nun auch das Wirtschaftsministerium den Medien ein dickes Papier zu seinen Plänen zugespielt. Der Wirtschaft passen die Indiskretionen nicht: China ist als Thema viel zu wichtig, um im Kräftespiel zerrieben zu werden.

    Das Habeck-Papier ist durchaus interessant, auch wenn es in der aktuellen Debatte keine neuen Ideen einbringt. Klar, Deutschland soll seine Abhängigkeiten verringern. Seine Tragweite erschließt sich im Vergleich mit der Wirtschaftspolitik der vorigen Bundesregierung. Hier markiert das Dokument eine deutliche Wende. Außenpolitisch liefert Habeck zudem eine Prognose zum möglichen Angriff auf Taiwan. Sie ist definitiv beunruhigend, doch wie realistisch sie ist, analysieren Michael Radunski und Finn Mayer-Kuckuk.

    EU-Ratschef Charles Michel und Xi Jinping hatten bei ihrem Zusammentreffen in Peking viel zu besprechen. Xi hatte jedoch wenig Zeit – kein Wunder, musste er doch am selben Tag den Leichnam Jiang Zemins in seinem gläsernen Sarg am Flughafen mit Verbeugungen in Empfang nehmen. Amelie Richter fasst zusammen, wo Xi und Michel Gemeinsamkeiten sehen und wo es hakt zwischen China und der EU.

    Mehrere Städte lockern unterdessen ihre Corona-Politik. Die Neujustierung ist überfällig. Die Nebenwirkungen der Lockdowns sind auch in deutschen Unternehmen vor Ort zu spüren: Sie sind vom Exodus der Expats betroffen. Der Mangel an Fach- und Führungskräften in China ist eine Herausforderung, der China.Table in Kooperation mit der Handelskammer Hamburg am kommenden Montag (5.12.) um 10 Uhr ein Webinar widmet. Es trägt den Titel “Personalfindung in der Praxis und die Auswirkungen auf den Unternehmensstandort China”. Unsere Redakteurin Ning Wang und einige spannende Gäste begrüßen sie gerne, schauen Sie doch online vorbei!

    Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre unseres Newsletters und ein schönes Wochenende.

    Ihre
    Julia Fiedler
    Bild von Julia  Fiedler

    Analyse

    Habeck schmiedet Plan zur Abwehr Chinas

    Robert Habeck will offenbar nicht länger warten, weder auf das Auswärtige Amt noch auf das Kanzleramt – und hat deshalb in seinem Haus eine eigene China-Strategie ausarbeiten lassen. Das 104 Seiten starke Dokument ist mit “VS” gekennzeichnet: Verschlusssache. Es ist also nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Die Nachrichtenagentur Reuters ist dennoch an ein Exemplar gekommen und berichtet von einem überaus China-kritischen Konzept. Habeck will die deutsche Wirtschaft mit diesen “Internen chinapolitischen Leitlinien” möglichst schnell unabhängiger machen von China.

    Beim Einstieg der chinesischen Reederei Cosco im Hamburger Hafen musste Robert Habeck noch zähneknirschend zuschauen (China.Table berichtete). Die Übernahme des Dortmunder Chip-Herstellers Elmos konnte der Wirtschaftsminister hingegen verhindern (China.Table berichtete). Habeck fürchtet, dass China über solche Geschäfte zu viel Einfluss auf kritische Infrastruktur und wichtige Industriezweige in Deutschland bekommen könne. Daher prescht er mit einem eigenen Entwurf vor.

    • Er will die deutsche Wirtschaft robuster machen gegen Risiken, die sich aus einer erzwungenen Trennung vom chinesischen Markt ergeben könnten. Sie sollen nicht ganz verschwinden, aber Deutschland soll nicht erpressbar sein.
    • Dazu sollen deutsche Firmen auf der einen Seite weniger auf Lieferungen aus China angewiesen sein und auf der anderen Seite einen geringeren Anteil ihrer Exporte in China absetzen.
    • Zunächst einmal will das Ministerium aber erfassbar machen, wie ausgeprägt die Abhängigkeit ist. Bisher gibt es dazu keine genauen Zahlen. Die Firmen werden daher verpflichtet zu berichten, wie sie gegenüber China aufgestellt sind.
    • Die Tradition der Wirtschaftsdelegation, die Kanzler auf China-Reisen begleiten, soll ein Ende haben. Sie passe nicht mehr in die Zeit. Das liest sich wie eine direkte Reaktion des grünen Wirtschaftsministeriums auf Scholz’ jüngste China-Reise (China.Table berichtete) mit großem Tross.
    • Bei öffentlichen Ausschreibungen für systemwichtige Projekte sollen Anbieter von außerhalb der EU unter Umständen ausgeschlossen werden können.
    • Auch neue deutsche Investitionen in China können einer Prüfung unterliegen.
    • All das soll “rechtzeitig und entschlossen” passieren.

    Das Papier entspricht von seinen Ideen her dem Entwurf der China-Strategie aus dem Auswärtigen Amt (China.Table berichtete). Es könnte entweder als Unterstrategie für den Bereich Wirtschaft dienen oder als Beitrag des Wirtschaftsministeriums in die Gesamtstrategie integriert werden. Die grün geführten Häuser ziehen hier also offenbar an einem Strang.

    China macht sich selbst unabhängig

    In dem Habeck-Papier heißt es: “Während China seine Abhängigkeit verringert, nimmt die wirtschaftliche Bedeutung Chinas für die EU und Deutschland weiter zu.” Peking verfolgt mit der Strategie “Made in China 2025” das Ziel, in den zehn wichtigen Industriezweigen unabhängig von der Welt und zugleich Marktführer zu werden. Präsident Xi Jinping lässt zudem mit den “zwei Kreisläufen” die Binnenwirtschaft entscheidend stärken. Unabhängig vor allem von westlicher Technologie, also autark, den Rest der Welt aber möglichst abhängig machen von China – so lautet kurz gefasst Xi Jinpings aggressive Wirtschaftspolitik.

    Für Deutschland müssen Habecks Mitarbeiter in den ersten Kapiteln ihres Papiers hingegen festhalten: Aus keinem Land der Welt importiert Deutschland mehr Waren, allein 2021 Waren im Gesamtwert von rund 142 Milliarden Euro. Das sind 21 Prozent mehr als noch 2020. Und während Deutschland 2,7 Prozent seiner Gesamtwertschöpfung nach China exportiert, importiert China im Vergleich dazu nur 0,8 Prozent seiner Wertschöpfung aus Deutschland.

    In einigen Branchen sei Deutschlands Abhängigkeit von China alarmierend: Genannt werden neben der Automobilbranche, auch Bereiche wie Wasserstofftechnologie, Elektromobilität oder Erneuerbare Energien. “Chinesische Unternehmen produzieren bereits heute weltweit mehr als 70 Prozent der Solarpaneele und etwa die Hälfte der Windturbinen und Elektroautos.”

    Dax-Firmen gehen in die umgekehrte Richtung

    Diese Abhängigkeit soll dringend reduziert werden – und in Habecks Papier werden dafür auch konkrete Vorschläge aufgeführt:  So seien beispielsweise neue Berichtspflichten für deutsche Firmen mit starkem China-Geschäft vorgesehen. Das könnte deutsche Autobauer wie VW betreffen, aber auch den Chemie-Konzern BASF, der zuletzt angekündigt hatte, zehn Milliarden Euro in ein neues Werk in der südchinesischen Provinz Guangdong zu investieren.

    Zudem soll die Politik deutsch-chinesische Wirtschaftsprojekte weniger stark unterstützen. Und auch Freihandelsabkommen mit anderen Staaten aus dem Asien-Pazifik-Raum sollen dabei helfen, Deutschland von China zu lösen. Außerdem will man im Wirtschaftsministerium offenbar erreichen, dass China nicht mehr als Entwicklungsland eingestuft wird. Eine ähnliche Diskussion gab es zuletzt auf der Klimakonferenz in Ägypten, wo sich China allerdings durchsetzen konnte.

    Damit stellt das vorliegende Papier eine klare Abkehr vom bisherigen Kurs der deutschen Wirtschaftsminister dar: China ist nicht mehr der begehrte Wirtschaftspartner, sondern vielmehr ein bedrohlicher Rivale. Das Portal “The Pioneer” berichtete zuerst über das neue Konzept des Wirtschaftsministeriums.

    Die Wirtschaft stört sich an den Leaks

    Laut “Pioneer” soll Habeck intern den Entwurf seiner Beamten gelobt und eine zügige Umsetzung der Handlungsempfehlungen zugesagt haben. Allerdings scheint das Papier nicht mit den anderen Ministerien abgestimmt zu sein. Und genau hier liegt das Problem. Es drängt sich der Eindruck auf, als koche in der Bundesregierung jeder sein eigenes Süppchen.

    Nicht nur in der Diskussion um das Cosco-Engagement im Hamburger Hafen wurde deutlich, dass das Kanzleramt eine deutlich china-freundlichere Linie verfolgt. Ein Machtwort von Olaf Scholz macht schlussendlich den Einstieg Coscos möglich. Habeck soll dementsprechend von “herausfordernden” Verhandlungen gesprochen haben.

    Die Wirtschaftsverbände registrieren die Konkurrenz der Ampel-Ministerien um die China-Strategie mit Unbehagen. Sie stören sich vor allem an den immer neuen Indiskretionen. Die Entscheidungsfindung wird zum Spielball der öffentlichen Meinung und sind zunehmend politischen Mechanismen unterworfen. “Die Wirtschaft ist über diese mehrgleisige Kommunikation bei der China-Strategie angesichts der Bedeutung, die China für unsere Wirtschaft hat, sehr verärgert”, sagte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammern (DIHK), Volker Treier.

    Habeck sorgt sich um Taiwan-Situation

    Ebenfalls brisant sind die außenpolitischen Prognosen im Papier des Wirtschaftsministeriums. So verweisen Habecks Beamte darauf, dass China Taiwan vermutlich bis spätestens 2027 annektieren will– passend zum 100-jährigen Jubiläum der chinesischen Volksbefreiungsarmee. Dieses Detail des Berichts erhielt in den deutschen Publikumsmedien mehr Aufmerksamkeit als das wirtschaftspolitische Konzept. Dabei handelt es sich nur um ein Szenario handelt, auf das die Wirtschaft nach Ansicht der Beamten vorbereitet sein sollte – also eher eine ernste Warnung als eine Prognose.

    Das Datum 2027 klingt denn auch allzu alarmistisch. Es stimmt zwar, dass die Spannungen um Taiwan zuletzt zugenommen haben: Nach dem Taiwan-Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi hat Peking vermehrt Kampfjets in die Luftverteidigungszone der Insel geschickt und Raketen getestet. Zugleich sicherte US-Präsident Joe Biden Taiwan die volle – auch militärische – Unterstützung der USA zu, sollte China tatsächlich angreifen.

    Doch es sind genau solch klare Ansagen, mit denen man Chinas Verhalten am ehesten beeinflussen kann. Es ist eine Klarheit, die auch die deutsche Bundesregierung gegenüber China entwickeln sollte. Robert Habeck will offenbar nicht länger darauf warten. Michael Radunski/Finn Mayer-Kuckuk

    • Geopolitik
    • Handel
    • Robert Habeck

    Michel und Xi reden aneinander vorbei

    Das Verhältnis der EU zu China gilt als schlecht. Daher richteten sich alle Augen mit Spannung auf das Treffen von EU-Ratschef Charles Michel mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Donnerstag in Peking. Das Treffen dauerte nur drei Stunden. Schon das sagte etwas über die Qualität der Beziehungen.

    Der EU-Ratschef versicherte glaubwürdig, die jüngsten Proteste gegen Chinas repressive Corona-Politik angesprochen zu haben. In der chinesischen Stellungnahme fanden die Proteste erwartungsgemäß keine Erwähnung. Vor allem Abgeordnete des EU-Parlaments hatten vor Michels Reise ein klares Zeichen des EU-Ratschefs an die chinesische Führung gefordert (China.Table berichtete).

    Michel hat die Führung in Peking zudem unverblümt aufgefordert, in Moskau auf ein Ende des Krieges in der Ukraine hinzuwirken. “Wir setzen darauf, dass China seinen Einfluss geltend macht”, sagte Michel nach dem Gespräch mit Staats- und Parteichef Xi Jinping. “Präsident Xi und ich waren uns einig, dass nukleare Bedrohungen nicht akzeptabel und hochgefährlich sind.” Und: Xi habe ihm klar versichert, dass die Volksrepublik keine Waffen an Russland liefere. Beide Positionen sind jedoch bekannt. Eine gemeinsame Presseerklärung gab es nicht, beide Seiten gaben ihre eigenen Statements heraus.

    Fortsetzung des Dialogs der Gehörlosen

    Die EU appelliert seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine an die chinesische Führung, Druck auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin auszuüben. Bisher jedoch mit mäßigem Erfolg. Der Glaube an ein Einwirken Pekings war vor allem nach dem erfolglosen EU-China-Dialog Anfang April in sich zusammengefallen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte den Video-Gipfel im Nachhinein als “Dialog der Gehörlosen” betitelt. Eine aufgezeichnete Videobotschaft von Michel selbst, die für die Eröffnung der Export-Messe in Shanghai gedacht war, wurde dort nicht gezeigt (China.Table berichtete).

    Die chinesische Seite hat nach dem Treffen in einer Mitteilung zwar zugegeben, dass über die Ukraine gesprochen wurde. Das Wort “Krieg” wurde in der Erklärung jedoch weiterhin nicht benutzt, es war lediglich von “Krise” die Rede. Xi Jinping habe bei den Gesprächen auf eine politische Lösung durch Verhandlungen gepocht, berichtete der staatliche Sender CCTV. Unter den gegenwärtigen Bedingungen müsse eine weitere Eskalation der Krise vermieden werden.

    Eine Lösung mit politischen Mitteln liege “im besten Interesse Europas und im gemeinsamen Interesse aller Länder in Eurasien”, so Xi. Er verkennt damit weiterhin gezielt, dass der Krieg schon seit Monaten läuft und Verhandlungen mit Wladimir Putin derzeit zwecklos wirken.

    Trotz schöner Wort gilt die Unterstützung Russland

    Der Teufel steckt im Detail, und ihn aufzuspüren erfordert Kenntnisse in der Verwendung politischer Sprache durch China: China “unterstützte die EU bei der Verstärkung ihrer Mediation”, heißt es in der chinesischen Stellungnahme zwar. Die Volksrepublik habe eine eigene europäische Sicherheitsarchitektur vorgeschlagen. Gemeint ist damit in der Regel jedoch eine Loslösung von den USA. Denn der Aggressor ist aus chinesischer Sicht ganz klar der Westen.

    Bemerkenswert ist eine weitere Formulierung im chinesischen Statement, findet Justyna Szczudlik, China-Analystin des polnischen Instituts für internationale Angelegenheiten (PISM) in Warschau. China stehe immer auf der Seite des Friedens und werde “auf seine Weise weiterhin eine konstruktive Rolle spielen”. Gemeint ist letztlich: Xi will weiterhin Russland unterstützen.

    Das erste Aufeinandertreffen war konfliktreich, ein klarer Fokus aber fehlte. Für die Wiederaufnahme der persönlichen Gespräche war die Visite Michels dennoch ein Anfang. Die vor allem von Xi – und anschließend auch von den Staatsmedien – betonte Übereinstimmung in Handelsfragen sollte sicherlich auch ein Signal in Richtung Washington senden. Dort trafen sich am Donnerstag EU- und US-Vertreter zu einem Dialog über China und den Indopazifik.

    • Charles Michel
    • EU
    • Geopolitik

    Städte mildern nach Protesten Lockdowns 

    Ein wenig leer sah es am Donnerstag noch aus im Raffles-Einkaufszentrum in Peking. Zwar haben die Geschäfte ab 1. Dezember wieder auf, ein negativer PCR-Test ist aber Voraussetzung fürs Shopping.

    Nach den historischen Protesten am Wochenende haben mehrere chinesische Städte damit begonnen, ihre strikten Corona-Maßnahmen ein wenig zu lockern. Ohne dabei direkt auf die Demonstrationen einzugehen, hoben Lokalregierungen im ganzen Land in den vergangenen zwei Tagen eine ganze Reihe von Einschränkungen auf. Die von einem besonders schweren Corona-Ausbruch betroffene südchinesische Metropole Guangzhou beendete Lockdowns in einigen Teilen der Stadt (China.Table berichtete). Die Behörden Chongqings im Südwesten teilten mit, dass Kontaktpersonen von Infizierten künftig in der eigenen Wohnung die Quarantäne absolvieren dürfen.

    Zhengzhou, wo es vergangene Woche am Werk des Apple-Zulieferers Foxconn zu Unruhen gekommen war, kündigte eine “geordnete Wiederaufnahme” aller Geschäftsaktivitäten an. Auch Chengdu und die nordchinesische Stadt Shijiazhuang lockerten Maßnahmen. Damit reagierten die Städte auf Vorgaben der Pekinger Gesundheitskommission. Die hatte als Reaktion auf die Proteste bereits am Dienstag eine deutliche Warnung an “alle Ebenen” ausgesprochen. Die Corona-Maßnahmen, so die Kommission, sollten endlich “präzise” entsprechend der bereits vor einigen Wochen überarbeiteten Leitlinien umgesetzt werden. 

    Peking gibt Lokalregierungen die Schuld

    Die Botschaft dahinter ist eindeutig. Die Zentralregierung sieht nach den Unruhen vom Wochenende den Fehler nicht bei sich selbst. Sondern bei den Städten und Kommunen, die wegen der zuletzt sprunghaft gestiegenen Corona-Zahlen die Einschränkungen noch weiter verschärft haben, statt Unannehmlichkeiten für die Bürger entsprechend den angepassten Regeln zu verringern. 

    Einen Vorstoß in die gleiche Richtung machte am Mittwoch Chinas Vize-Ministerpräsidentin Sun Chunlan, die von einem “neuen Stadium der Pandemie” sprach. “Da die Omikron-Variante weniger pathogen geworden ist, mehr Menschen geimpft werden und wir mehr Erfahrungen in der Covid-Prävention gesammelt haben, befindet sich unser Kampf gegen die Pandemie in einem neuen Stadium und bringt neue Aufgaben mit sich.” Das sagte Sun bei einem Treffen mit Vertretern der Nationalen Gesundheitskommission und anderen Gesundheitsexperten. 

    Am Donnerstag lieferte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua in einem Kommentar eine Interpretationshilfe zu Suns Anmerkungen. Sun, so Xinhua, habe nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass sich China sofort “voll öffnen” oder “zurücklehnen” werde. Es gehe vielmehr um die Optimierung der derzeitigen Beschränkungen. “Ziel ist es immer noch, das Leben von Menschen zu retten und gleichzeitig die negativen Auswirkungen der Epidemie auf das tägliche Leben sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich zu verringern”, so Xinhua weiter. Örtliche Behörden im ganzen Land seien derzeit dabei, “detaillierte Maßnahmen zur besseren Umsetzung der Politik der Zentralregierung” umzusetzen. 

    Öffnung im dritten Quartal 2023?

    Xinhua betonte jedoch, dass eine rasche Abkehr der derzeitigen Politik nicht anstehe. So hätten Studien gezeigt, dass durch eine unkontrollierte Verbreitung von Omikron mehr als 1,5 Millionen Menschen in China sterben könnten. Die Kapazitäten der Intensivstationen würden um das 15,6-Fache überstiegen werden. Die “dynamische Null-Covid-Politik” könne daher nicht aufgegeben werden. 

    Viele Analysten und internationale Investoren sind dennoch davon überzeugt, dass eine Öffnung nur noch eine Frage der Zeit ist. Einen Hinweis, wie lange es noch dauern könnte, lieferte am Mittwoch das chinesische  Wirtschaftsmagazin Caixin. An prominenter Stelle auf seiner Website veröffentlichte es Zitate von Hu Yifan, der China-Chefvolkswirtin von UBS Global Wealth Management. Laut Einschätzung der Ökonomin werde China seine Covid-Beschränkungen bis zum dritten Quartal 2023 vollständig aufheben, was dann zu einer “dramatischen wirtschaftlichen Erholung” führen werde.

    Laut Hu könnte die Öffnung durch eine deutliche Anpassung der derzeitigen Corona-Politik während des Volkskongresses im März eingeleitet werden. Die Tonlage chinesischer Medien in diesen Tagen ist eindeutig: Das Land steckt nicht in einer Sackgasse. Die Führung hat einen Plan. Aber bitte noch etwas Geduld. Jörn Petring 

    • Coronavirus
    • Gesundheit
    • Handel

    Termine

    5.12.2022, 10:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing time)
    China.Table + Handelskammer Hamburg, Table.Live-Briefing: Exodus von Fach- und Führungskräften: Personalfindung in der Praxis und die Auswirkungen auf den Unternehmensstandort China Mehr

    05.12.2022, 22:00 Uhr (6.12., 5:00 Uhr Beijing time)
    Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: China Humanities Seminar featuring Lu Kuo – The Temporary Recluse: The Discourse of Not Working in Early Medieval Chinese Poetry Mehr

    5.12.2022, 8:30 Uhr (15:30 Uhr Beijing time)
    China Netzwerk Baden-Württemberg, Webinar: CNBW Young Leaders Career Talk: How to be successful in a Sino-German working environment? Mehr

    5.12.2022, 16:00 Uhr
    Asienbrücke – Euro-Asian-Initiative e. V. (Berlin), Präsenz-Vortrag und Diskussion: Neue Zeit. Neue Herausforderungen. Neue Partnerschaften? mit OECD-Generalsekretär Mathias Cormann, Finanzminister a.D. Mehr

    5.12.2022, 9:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
    EU SME Centre, Online & Tianjin European Chamber Office: Grow Green: Energy Efficiency. EU-China Cooperation and Opportunities for European SMEs Mehr

    5.12.2022, 18:30 Uhr
    Konrad Adenauer Stiftung und FAZ, Diskussion (vor Ort in Düsseldorf): Was kostet die Freiheit? Zur Zukunft der westlichen Sicherheitspolitik Mehr

    06.12.2022, 10:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing time)
    stars – for Leaders of the Next Generation, Webinar: Geopolitical Disruptions All Over – What Companies should Prepare for Mehr

    06.12.2022, 16:30 Uhr (23:30 Uhr Beijing time)
    Center for Strategic & International Studies, Webinar: Responding to Egregious Abuses in Xinjiang: Latest State of Play Mehr

    7.12.2022, 15:00 Uhr (22:00 Uhr Beijing time)
    Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: Taiwan Studies Workshop – Taiwan Elections 2022: Examining the Results Mehr

    7.12.2022, 9:30 Uhr (16:30 Uhr Beijing time)
    EU SME Centre, Webinar: Business Intelligence: Sustainability Due Diligence for European SMEs in China Mehr

    7.12.2022, 19:00 Uhr
    Konfuzius-Institut Heidelberg, Vortrag (vor Ort): Sinology goes public: Anhaltender Eurozentrismus? Das alte China in aktuellen Schulgeschichtsbüchern Mehr

    9.12.2022, 16:00 Uhr (23:00 Uhr Beijing time)
    Center for Strategic & International Studies, Webinar: Have U.S.-China Tensions Hurt American Innovation?: A Big Data China Event Mehr

    News

    Polizei spürt Demonstranten über Handydaten auf

    Die Polizei nutzt offenbar Gesichtserkennungssoftware und Handydaten, um Demonstranten aufzuspüren und festzunehmen, die vergangenes Wochenende gegen die Covid-Maßnahmen auf die Straße gegangen sind. Das sagte die Menschenrechtsanwältin Wang Shengsheng aus der Stadt Zhengzhou der Nachrichtenagentur AFP. Sie bietet Demonstranten kostenlose Rechtsberatung an.

    In Peking könnte die Polizei die Standortdaten von Telefonen verwendet haben, die entweder von Scannern vor Ort erfasst wurden oder beim Überprüfen der Corona-App, vermutet die Juristin. Viele ihrer Klienten aus Peking reagierten verwirrt auf Vorwürfe der Polizei: Sie waren nun an einer Demo vorbeigelaufen, hatten aber nicht teilgenommen. Wie AFP berichtet, haben mehr als 20 Menschen in den vergangenen Tagen Rat bei der Anwältin gesucht. flee

    • Coronavirus
    • Null-Covid-Proteste
    • Zivilgesellschaft

    Viele Twitter-Downloads nach Protesten

    Die Download-Zahlen von Twitter und Telegram sind in China in den letzten Tagen nach oben geschnellt. Das berichtet die South China Morning Post. Twitter stand am Montag demnach auf Platz acht der beliebtesten kostenfreien iOS-Apps. Normalerweise liegt das Programm jenseits von Platz 100. Telegram stieg am Sonntag sogar auf Platz sechs der sozialen Netzwerke und konnte sich einige Tage auf diesem Rang halten.

    Die Beliebtheit der Apps steht im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten gegen die strengen Covid-Maßnahmen, die am Wochenende Fahrt aufnahmen. Während Videos und Bilder der Proteste auf den am meisten verbreiteten chinesischen Diensten WeChat und Weibo schnell gelöscht wurden, waren sie auf Twitter und Telegram verfügbar. In China können Twitter und Telegram nur über einen VPN-Client verwendet werden, da sie zensiert sind. jul

    • Gesellschaft
    • Soziale Medien
    • Technologie

    Ehrbekundung für Jiang

    Die zuständige Kommission hat den kommenden Dienstag (6. Dezember) als Tag der Beerdigung des Staatspräsidenten Jiang Zemin festgelegt. Sein Leichnam kam am Donnerstag mit einem Sonderflug in einem gläsernen Sarg am Flughafen in Peking an. Xi Jinping und die übrige Top-Führung verbeugten sich dreimal vor dem Sarg, der von 12 Soldaten getragen wurde, berichtet die Nachrichtenagentur Xinhua. Auch der mögliche künftige Premier Li Qiang war anwesend.

    Der besonders große Aufwand für Jiang wird sich voraussichtlich kommende Woche fortsetzen. Er gilt als Zeichen dafür, dass die Führung gerade in Zeiten sichtbarer Unzufriedenheit des Volkes genaue Kontrolle über das Gedenken an Jiang behalten will.

    Die Flaggen im ganzen Land stehen auf Halbmast.

    Die Nationale Radio- und Fernsehbehörde hat derweil laut einem Bericht des Online-Magazins China Digital Times eine Trauerperiode angeordnet, die vom 30. November bis zum 7. Dezember dauern soll. Bis dahin erscheinen Internetseiten staatlicher Medien in China in schwarz-weiß. Jiang Zemin ist am Mittwoch im Alter von 96 Jahren verstorben (China.Table berichtete).

    Das Streaming von Unterhaltungsformaten wird während der Trauerperiode ausgesetzt. Stattdessen sollen historische und revolutionäre Formate angeboten werden. Artikel und andere Medieninhalte rund um die Weltmeisterschaft sollen nicht beworben werden, Live-Streams der Spiele dürfen aber gezeigt werden. Auch Werbung wird eingeschränkt, am Tag der Beerdigung darf keine Werbung gezeigt werden. 

    Die meisten Internetseiten von Regierungsbehörden und Universitäten schlossen sich der Trauer-Optik an. In China werden Internetseiten bei außergewöhnlichen Tragödien oder an bestimmten historischen Jahrestagen auf schwarz-weiß geschaltet, wie im vergangenen Jahr zum Jahrestag des Nanjing-Massakers von 1937. Im Jahr 2020 wurde in Gedenken an die ersten Corona-Toten Internetseiten staatlicher Medien und Social-Media-Seiten in schwarz-weiß angezeigt. Unterhaltungssendungen im Fernsehen waren untersagt. jul/fin

    Presseschau

    China will EU unterstützen: Xi Jinping warnt vor Eskalation in Ukraine ZDF
    EU-Ratschef Michel in China: Keiner soll sein Gesicht verlieren TAGESSPIEGEL
    Berichtspflichten: Wirtschaft verärgert über China-Papier aus Habecks Ministerium SPIEGEL
    Bericht: Habecks Ministerium rechnet mit Annexion Taiwans durch China bis 2027 HANDELSBLATT
    Spannungen um Taiwan nehmen zu: Droht der Welt jetzt ein weiterer großer Krieg? RND
    China condemns British lawmakers’ Taiwan visit BBC
    Nato concerned by China’s “rapid and opaque” military buildup, says Blinken THEGUARDIAN
    Abkehr von Peking: Xi Jinping entgleitet sein wichtigstes Projekt in Europa WELT
    Former Chinese leader Jiang Zemin’s body arrives in Beijing THEGUARDIAN
    China deutet nach Protesten Lockerungen von Coronamaßnahmen an AERZTEBLATT
    “Sie sind mutiger als wir” – Tian’anmen-Veteran Wang Dan sieht enormes Potenzial bei Protesten in China HANDELSBLATT
    Elektroautos: Warum BMW, Mercedes und Renault in China fertigen FAZ
    Tesla ruft in China rund 435.000 Fahrzeuge zurück HANDELSBLATT
    Prozess gegen Jimmy Lai: Ratlosigkeit bei Hongkongs “Sicherheitsgesetz” TAGESSCHAU
    China’s envoy called before minister multiple times to explain “police station” allegations CBC
    Handelspolitik: Der Ton gegen China wird schärfer SUEDDEUTSCHE
    IT-Mittelstand warnt vor digitaler Abhängigkeit von China und USA HEISE
    Unternehmen in China: Gefangen in der Endlosschleife FAZ

    Blick aus China

    Im Vergleich war Jiang gar nicht schlecht

    Nach dem Abtritt eines Politikers entwickelt sich dessen Bild in der Öffentlichkeit weiter – und das zuweilen in unerwarteter Weise. Der Ausbruch des Ukraine-Krieges holte Angela Merkel abrupt von ihrem Podest als große Staatsführerin. George W. Bush ist heute weniger negativ in Erinnerung, weil wir den Vergleich mit Donald Trump haben.

    Jiang Zemin war jahrelang Gegenstand von Gespött. Doch jetzt, zu seinem Tod, wirkt sein Image viel besser als früher.

    Als er an der Macht war, wurde er nicht gemocht – und zwar vor allem wegen seines extravaganten Stils. Er sprach mit großer Geste und dramatischer Mimik. Jiang veröffentlichte Gedichte; er spielte Klavier; er dirigierte Chor und Orchester; er sang Peking-Oper, Elvis Presleys Love Me Tender, das italienische O Sole Mio und Volkslieder. Und er gab Wörter und Sätze in vielen Dialekten und Sprachen zum Besten, darunter Kantonesisch, Englisch, Russisch, Japanisch, Rumänisch, Französisch, Deutsch, Spanisch und Urdu. Die Liste lässt sich fortsetzen.

    War er darin gut? Nein, leider nicht. Bei diesen Darbietungen schwankte er zwischen Anfänger- und Mittelstufe.

    Dann war da seine Tirade gegenüber einer Hongkonger Journalistin im Jahr 2000, als er sich von einer Frage angegriffen fühltt. Sein Wutanfall gilt wohl immer noch als Nummer eins im Ranking der besten politischen Theateraufführungen in China, viel unterhaltsamer noch als Hu Jintaos unfreiwilliger Abgang auf dem jüngsten 20. Parteikongress.

    Aufgrund diese Besonderheiten galt Jiang bei diplomatischen Anlässen als Possenreißer. Einige fanden ihn einfach nur peinlich.

    Jiang Zemin: Einfluss nach Ausscheiden

    Er sammelte weiter Minuspunkte, weil er nach dem offiziellen Ende seiner Amtszeit im Hintergrund weiter Strippen ziehen wollte. Die Leute hatten es satt, dass alte Männer im Ruhestand hinter den Kulissen mitmischen. Nach seinem Ausscheiden aus den Ämtern des Parteigeneralsekretärs (2002) und des Staatspräsidenten (2003) klammerte er sich an das Amt des Vorsitzenden der Zentralen Militärmission und gab diesen Posten erst zwei Jahre später ab.

    Danach übte er immer noch Einfluss aus, hauptsächlich durch die Shanghai-Fraktion in der KP. Er war auch eine der Schlüsselfiguren, die Xi Jinping schließlich im Kampf um die Nachfolge von Hu Jintao im Jahr 2012 an die Spitze hievten.

    Nach dem roboterähnlichen Auftritt Hu Jintaos und insbesondere nachdem Xi Jinpings sich politisch als so kompromisslos und durchsetzungsstark erwiesen hat, wandelte sich die Sicht auf Jiang. Die Menschen hielten ihn bei weitem nicht mehr für so schlecht.

    Jiang kam 1989 nach der blutigen Niederschlagung der Studentenbewegung an die Macht. Nachdem er einige Jahre lang die älteren Konservativen in der Partei besänftigt hatte, reagierte er positiv auf Deng Xiaopings Ruf nach mehr Öffnung und marktorientierten Wirtschaftsreformen. Er ist der Entscheidungsträger, der China in das globale Wirtschaftssystem bugsierte.

    Er war dem Ausland gegenüber nicht kriegerisch gesinnt und bemühte sich um gute Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und zu Europa. Während seiner Amtszeit öffnete sich China immer mehr nach außen.

    Innenpolitisch wurde die Gesellschaft toleranter. Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit nahmen mehr Raum ein. Liberale Medien begannen in Großstädten wie Pilze aus dem Boden zu schießen. Eine rudimentäre Zivilgesellschaft entwickelte sich.

    In seinen letzten Jahren als Parteisekretär führte er die Theorie des “Dreifaches Vertretens” ein, die den Weg für die potenziell weitreichende Wandlung der Kommunistischen Partei ebnete. Sie sah vor, nicht nur die Arbeiterklasse, sondern auch Unternehmer und andere gesellschaftliche Eliten zu vertreten.

    Als er 2002-2005 die politische Bühne verließ, sah alles in China hoffnungsvoll aus, trotz grassierender Vetternwirtschaft und Korruption.

    Jiang sprach wie ein normaler, kultivierter Mensch

    All dies steht in scharfem Kontrast zu Xi, unter dem sich China an allen Fronten zurückentwickelte, was Ängste vor einer weiteren Kulturrevolution und vor einem Krieg um Taiwan auslöst.

    In Bezug auf die persönliche Neigung gibt es einige Eigenschaften in Jiang, die ihn von der überwiegenden Mehrheit der chinesischen Führer unterschieden: Obwohl Jiang selbst ein mieser Entertainer war und keine Fremdsprachen konnte, hegte er echte Liebe für Kunst, Literatur, Kultur und Wissen, die guten Dinge im Leben. Sein Geschmack war gar nicht schlecht. (Vergessen Sie vorübergehend seine Liebe zum Film Titanic, niemand ist perfekt.) Er hatte echten Respekt vor Schriftstellern, Künstlern und Intellektuellen. Außerdem war er wirklich neugierig auf die Welt.

    Außerdem sprach und benahm er sich wie ein echter Mensch. Sein Sprechstil war schrullig, aber ausdrucksstark, er lachte herzlich, er zeigte seine Wut. Er kratzte sich auf der zentralen Bühne in der Großen Halle des Volkes an seinem juckenden Ohr und schlief ein, als Hu Jintao eine lange, langweilige Rede hielt.

    Während Jiang sowohl eine traditionelle alte Schulausbildung als auch eine vierjährige Universitätsausbildung im westlichen Stil erhielt, war Xi Jinpings höchster formaler Abschluss die Volksschule. Wegen des Ausbruchs der Kulturrevolution im Jahr 1966, als Xi 13 Jahre alt war, wurden alle Schulen geschlossen. Er ging Mitte der 1970er Jahre an die Tsinghua-Universität, aber die chinesischen Universitäten befanden sich damals noch in einem halb gelähmten Zustand.

    Es war nicht seine Schuld, aber all das hat höchstwahrscheinlich Xis Weltbild beeinträchtigt. Er hat kein Interesse an Kunst und Kultur, obwohl er während seiner offiziellen Reden bei seinen Auslandsbesuchen bekanntermaßen erstaunlich lange Listen großartiger Bücher präsentierte, die er angeblich gelesen hatte. Einige supermoderne Architekturwerke in Peking wurden unter Jiang genehmigt, darunter das Nationale Zentrum für darstellende Kunst neben dem Tiananmen-Platz. Als Xi Chef wurde, sagte er im Kontrast dazu: China solle aufhören, den Bau “bizarrer Gebäude” zuzulassen.

    Im Gespräch greift Xi auf den für chinesische Bürokraten typischen trockenen Stil und die hochmütige Haltung zurück. Seine Reden sind oft von umgangssprachlichen Redewendungen durchsetzt und durch falsche Aussprache von Schriftzeichen beeinträchtigt.

    Als der Unterschied zwischen Xi und Jiang allmählich klar wurde, stieg wie gesagt die Wertschätzung des letzteren. So ganz kann man ihn immer noch nicht ernst nehmen, aber dass Jiang menschlicher, offener und viel lustiger sei – darauf können sich die Leute einigen.

    Es gibt jedoch immer noch eine auffällige Gemeinsamkeit zwischen ihnen: Beide verteidigten mit allen Mitteln die Herrschaft der Kommunistischen Partei. Was Jiang über das, was Xi in den letzten zehn Jahren getan hat, dachte, ist zwar nicht bekannt. Zumindest schien er ihm nicht im Weg zu stehen. Bei Bedarf tauchte Jiang bei Veranstaltungen unter dem Vorsitz von Xi auf, um Solidarität zu zeigen. Ihre Beziehung schien bis zum Tod von Jiang gut gewesen zu sein. Nach all der echten oder falschen Nostalgie war Jiang also nur das kleinere von zwei Übeln.

    • Jiang Zemin
    • KP Chinas
    • Xi Jinping

    Personalien

    Lim Sim Yee ist neue CEO von EP Manufacturing Berhad, einem Hersteller von Plastikteilen für die Fahrzeugindustrie. Lim kommt von Mercedes-Benz Sales Services in Peking.

    Carl Gao leitet künftig für den Schweizer Logistikdienstleister Militzer & Münch das neue Regionalbüro China Süd. Sein Kollege Jeffery Guo übernimmt die Regionalleitung im Norden. 

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Im 18. Jahrhundert war chinesisches Kunsthandwerk in Europa total angesagt. Maximal angetan von den Gegenständen von damals ist bis heute auch Königin Maxima. Ins Huis ten Bosch das chinesische Zimmer von 1791 besucht. Die Wände zieren Tapeten und auch die Bezüge der Stühle zeigen chinesische Motive.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen