Table.Briefing: China

Geopolitik um strategische Ölreserven

  • Stehen Chinas strategischen Ölreserven vor Freigabe?
  • Staatsbetriebe weiten Dieselproduktion aus
  • Sinopec baut weltweit größte Produktion für “grünen Wasserstoff”
  • Akw-Vorfall in Südchina scheint geklärt
  • CO2-Emissionen erstmals seit 2020 gefallen
  • Mahbubani fürchtet Atomkrieg um Taiwan
  • Grönland entzieht chinesischer Firma Bergbaulizenz
  • Im Standpunkt: Nora Sausmikat: Kohleausstieg außerhalb Chinas – was ändert sich jetzt?
  • Im Portrait: Kevin Gallagher – Experte zu Chinas Entwicklungsfinanzierung
Liebe Leserin, lieber Leser,

Öl ist keine nachhaltige Lösung für die globalen Energieprobleme. Doch ganz kurzfristig schafft die globale Energiekrise enorme Nachfrage nach dem fossilen Brennstoff. Um Haushalte und Industriebetriebe mit Strom versorgt zu halten, ist es derzeit noch unentbehrlich. Mehrere große Staaten haben daher entschieden, aufgrund der rasant gestiegenen Rohstoffpreise ihre strategischen Ölreserven anzuzapfen.

China ist hier inzwischen ein entscheidender Spieler. Seit 2007 hat die Volksrepublik eigene Reserven aufgebaut. Sie zeigt zwar Bereitschaft, das Öl freizugeben. Doch bisher hält sie ihre Karten verdeckt. Selbst die Menge der Reserven ist ein Geheimnis. Unsere Autorin Christiane Kühl zeigt, dass das Thema geopolitisches Sprengstoff-Potenzial hat. Denn wie auch bei Klimafragen betont Peking sehr deutlich, dass die USA keine Kooperation erwarten könnten, solange sie China einzuschränken versuchten. Zudem ist unklar, ob das Öl aus den Reserven Pekings überhaupt Abnehmer finden würde.

Wir bleiben diesmal bei weiteren fossilen Themen. China baut weiterhin die meisten Kohlekraftwerke weltweit. Noch jedenfalls. Was ändert sich jetzt, wo Präsident Xi Jinping medienwirksam den Kohleausstieg außerhalb Chinas verkündet hat? Der Antwort auf diese Frage geht Nora Sausmikat nach, die das China Desk der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald e.V. leitet. Auch bei einem Umstieg auf Gas und Flüssiggas warnt sie vor “Scheinlösungen“, die das Pariser Klimaabkommen gefährden könnten.

Die wachsende Relevanz der Volksrepublik in der Entwicklungsfinanzierung birgt zudem Risiken hinsichtlich Schuldenlast, Biodiversität und Klima in den betreffenden Ländern. Darauf macht Kevin Gallagher, Direktor des Global Development Policy Center an der Boston University, aufmerksam. Zwischen 2008 und 2019 lag die globale Entwicklungshilfe Chinas bei 462 Milliarden US-Dollar und damit nur knapp hinter jener der Weltbank. Dies führt zu Abhängigkeiten. So hat die Corona-Pandemie offengelegt, wie stark Länder in Lateinamerika abhängig von Exporten nach China geworden sind. Mehr als drei Viertel aller Sojabohnen aus Brasilien gehen zum Beispiel inzwischen nach China.

Viele neue Erkenntnisse wünscht

Ihre
Ning Wang
Bild von Ning  Wang

Analyse

Steht Freigabe strategischer Ölreserven bevor?

Es geht jetzt ziemlich schnell. Mehrere große Staaten haben entschieden, wegen der aktuellen Energiekrise ihre strategischen Erdölreserven anzuzapfen. Die USA sind dabei, die Ölhähne zu öffnen: Rund 50 Millionen Barrel sollen in den nächsten Monaten aus den Reserven fließen. Auch Indien, Japan und Großbritannien haben eine Öffnung ihrer Reserven angekündigt. Damit blickt die Welt nun auf China. Von Peking wird in diesen Tagen eine konkrete Ansage erwartet. Die US-Regierung hatte von einer international abgestimmten Freigabe-Aktion gesprochen.

Vor ein paar Wochen hatte sich die Hoffnung zerschlagen, dass der Ölförderclub der Opec-Staaten die Rohölförderung deutlich erhöhen werde, um den rasant steigenden Rohstoffpreisen entgegenzuwirken. Bislang weiten die 23 Förderländer des Ölverbunds Opec+ ihre Produktion nur in moderatem Tempo aus. Sie haben kein Interesse daran, den Markt zu fluten, denn dann sinken die Erlöse. Also richtet sich der Fokus vieler Staaten nun auf ihre Notreserven: Denn genau für diese Situationen sind sie da. US-Präsident Joe Biden kämpft zu Hause mit einer hohen Inflation, zu der die steigenden Ölpreise maßgeblich beitragen. Auf seinem Videogipfel mit Chinas Staatschef Xi Jinping hatte Biden die Volksrepublik angesichts steigender Ölpreise gebeten, ihre Ölreserven ebenfalls anzuzapfen.

China zeigte sich danach offen, aber gab zunächst keine eindeutige Zusage. Vor einer Woche gab das Büro für staatliche Reserven in Peking bekannt, dass es an einer Freigabe von Rohölreserven arbeite. Zu der Bitte der USA äußerte sich die Behörde allerdings nicht.

Geopolitik und Erdölreserven

Denn wie beim Klimaschutz spielt auch bei dem Thema Erdölreserven die Geopolitik eine Rolle. Das Argument Pekings: Die USA haben kein Recht, von China Kooperation einzufordern, wenn sie zugleich versuchen, das Land einzudämmen. “China wird den USA vielleicht den Gefallen tun, seine Rohölreserven zu öffnen”, schreibt etwa die Staatszeitung Global Times. China werde jedoch angesichts der angespannten Beziehungen zu Washington “seine eigenen Interessen priorisieren”. Erst am Dienstag hatten die USA demonstrativ Taiwan zu Bidens virtuellem Gipfel der Demokratien eingeladen (China.Table berichtete). China ist qua seines Systems dabei natürlich außen vor. Doch die Einladung des von Peking als abtrünnige Provinz angesehenen Taiwan ist in den Augen der Regierung ein Affront.

Chinas Regierung ist derweil durchaus bewusst, dass Biden wegen der Inflation daheim unter großem innenpolitischen Druck steht – ein Druck, den Peking bisher nicht im gleichen Maße verspürt. Der aktuelle Rohölpreis von rund 80 US-Dollar pro Barrel erfordere nicht unbedingt eine sofortige Freigabe strategischer Reserven durch China, zitiert die South China Morning Post den Energieexperten Wang Yongzhong von der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften. Wang räumt aber ein, dass beide, die USA und China, als Großverbraucher ein Interesse an einer Senkung des Preises haben.

China: Aufbau von Ölreserven seit 2007

Die USA verfügen mit 727 Millionen Barrel über die weltweit größten gemeldeten strategischen Erdölreserven. China dagegen begann überhaupt erst 2007 mit der Einlagerung von Ölreserven. Es publiziert die Menge der Reserven seither nicht regelmäßig: Die neuesten Daten des Nationalen Statistikamtes stammen von 2017. Damals hielt China insgesamt rund 280 Millionen Barrel an sieben Standorten vor, darunter in Dalian, Qingdao oder an der Küste der Provinz Zhejiang. Experten gehen allerdings davon aus, dass China vor allem im März und April 2020 eine große zusätzliche Menge eingelagert hat. Damals, zu Beginn der Corona-Pandemie, lagen die Ölpreise am Boden.

Ölsicherheit ist für China seit Jahrzehnten von großer strategischer Bedeutung. Die Volksrepublik ist der mit Abstand größte Ölimporteur der Welt, da sie nur geringe eigene Vorkommen besitzt. 2020 importierte China knapp drei Viertel seines verbrauchten Erdöls. Wang Yongzhong schätzt, dass Chinas Rohölreserven derzeit etwa der Importmenge von 40-50 Tagen entsprechen. Das ist nicht sehr viel. Die Internationale Energie-Agentur empfiehlt Reserven in Höhe der Nettoimporte von mindestens 90 Tagen. Doch China kann im Zweifelsfall auch auf die Lagerbestände seiner drei Ölkonzerne zurückgreifen, die sich alle mehrheitlich in Staatshand befinden.

Unsichere Nachfrage nach Erdöl

Ob China überhaupt große Mengen freigegebener Erdölreserven im Land absetzen kann, ist indessen ungewiss. Im September hatte Peking bereits angekündigt, Teile seiner Reserven über Auktionen an Raffinerien zu verkaufen. Doch nur eine dieser Auktionen fand überhaupt statt. Sie traf auf nur mäßiges Interesse. Bei einer erneuten Auktion von Ölreserven würden Raffinerien möglicherweise kaum Interesse haben mitzubieten, unken die Analysten von S&P Global Platts unter Berufung auf Quellen in Chinas Ölsektor. “Denn die Inlandsnachfrage lässt angesichts der pandemiebedingten Beschränkungen vor den Olympischen Winterspielen nach.”

In der Tat wird erwartet, dass Peking die Raffinerieaktivitäten in Nordchina einschränken wird, um im Vorfeld der Olympischen Winterspiele von Peking im Februar 2022 deren Emissionen zu begrenzen. Durch die andauernde Null-Covid-Politik mit ihren zahlreichen Restriktionen ist zudem die Mobilität der Chinesen derzeit stark eingeschränkt. Und das senkt die Nachfrage nach Treibstoffen für den Verkehrssektor. Diesen Trend bestätigen die Importdaten von diesem Jahr: Zwischen Januar und Oktober lagen die Ölimporte Chinas um 7,2, Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Es ist also offen, inwieweit China im Kampf gegen den hohen Ölpreis mitwirken kann.

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    Peking weitet Dieselproduktion aus

    China hat seit September die Produktion von Diesel hochgefahren und damit im eigenen Land und auf den regionalen Exportmärkten für dringend benötigten Nachschub gesorgt. Der Staat habe die Produktionsausweitung durch die Staatskonzerne China National Petroleum Corporation (CNPC) und China Petroleum & Chemical Corporation (Sinopec) koordiniert, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Dienstag. Die staatlichen Raffinerien werden im Dezember rund 210.000 Tonnen Diesel exportieren, schreibt Bloomberg unter Berufung auf den Energiemarktinformationsanbieter JLC.

    In den vergangenen Monaten hatte sich China weitgehend aus dem Exportgeschäft zurückgezogen, um zunächst die eigene Nachfrage zu stillen. Dieser Rückzug fiel mit einer Erholung der Nachfrage und weltweit schrumpfenden Dieselvorräten zusammen. Kunden versuchten daher verstärkt in Indien und Südkorea Diesel einzukaufen. Die gesteigerte Nachfrage hat neben einem zumindest vorübergehenden Nachlassen der Coronapandemie laut Bloomberg weitere Gründe. In China stieg der Bedarf seit September saisonal bedingt durch eine stärkere Nachfrage aus der Fischerei und für die Ernte. Außerdem setzten Betriebe in ganz China angesichts von Stromrationierungen auf Dieselgeneratoren.

    Die Dieselproduktion in China stieg bereits im Oktober gegenüber dem Vormonat um 12,4 Prozent auf 14,52 Millionen Tonnen, wie das Wirtschaftsmagazin Caixin schreibt. Der Trend habe sich im November fortgesetzt, berichtet das Blatt ebenfalls unter Berufung auf JLC. Die Nachfrage auch aus der Bau- und Logistikbranche nach Diesel bleibe robust. Die Preise liegen ebenfalls hoch. Daher versorgten sich manche der vielfach auf eigene Rechnung operierenden Lastwagenfahrer Chinas zuletzt über den Schwarzmarkt. Diesel an der Tankstelle war ihnen schlicht zu teuer geworden. ck

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      Sinopec baut weltgrößte Produktion für “grünen Wasserstoff”

      Der staatliche Ölkonzern China Petrochemical Corporation – kurz Sinopec – baut in der Nordwestregion Xinjiang eine vollständig mit Fotovoltaik betriebene Anlage zur Herstellung von Wasserstoff. Das Werk in der Stadt Kuqa werde die weltgrößte Produktionsanlage für sogenannten “grünen Wasserstoff” sein, teilte Sinopec am Dienstag mit. Es werde voraussichtlich im Juni 2023 die Produktion aufnehmen. Die Jahreskapazität beträgt laut Sinopec 20.000 Tonnen pro Jahr. Der Staatskonzern will dafür insgesamt 3 Milliarden Yuan (415 Millionen Euro) investieren.

      Das Projekt besteht laut Sinopec aus fünf Abschnitten: photovoltaische Stromerzeugung, Stromübertragung und -umwandlung, Wasserstoff aus Wasserelektrolyse, Wasserstoffspeicherung und Wasserstofftransport. Den in der Anlage produzierten grünen Wasserstoff will der Konzern demnach an die konzerneigene Sinopec Tahe Refining & Chemical liefern, die bislang mit Erdgas und anderen fossilen Energieträgern produzierten Wasserstoff nutzt. Die Kohlendioxidemissionen werden laut Sinopec dadurch künftig um 485.000 Tonnen pro Jahr niedriger liegen als bisher.

      Wasserstoff gilt als klimaneutrale Energieform, die vor allem in der Industrie für Produktionsprozesse in großer Hitze Sinn macht. Was allerdings nur dann gilt, wenn die aufwändige Herstellung des Wasserstoffes ausschließlich mit erneuerbaren Energien befeuert wird. Das ist in China bislang nur bei vier Prozent des produzierten Wasserstoffs der Fall. China ist bereits heute der weltgrößte Wasserstoffproduzent. Bislang nutzt es diesen aber hauptsächlich als Industrierohstoff – etwa zur Herstellung von Kunststoffen oder Chemikalien.

      Xinjiang ist eine der Fotovoltaik-Hochburgen Chinas. Es gibt allerdings Vorwürfe, dass in diesem Sektor auch uigurische Zwangsarbeiter eingesetzt werden. ck

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        Ursache des Vorfalls im AKW Taishan geklärt

        Nach einem Vorfall an einem Atomkraftwerk in Südchina im Sommer ist die Ursache nun wohl geklärt. Der Gasaustritt soll auf einen Konstruktionsfehler des Reaktordruckbehälters zurückzuführen sein, wie die französische Kommission für unabhängige Forschung und Information über Radioaktivität (CRIIRAD) am Samstag Medienberichten zufolge bekannt gab. Der französische Energiekonzern Electricité de France (EDF) war an dem Bau des Meilers in Taishan in Südchina beteiligt.

        CRIIRAD berief sich auf Angaben eines Whistleblowers, wie sie der französischen Behörde für nukleare Sicherheit (ASN) mitteilte. “Es handelt sich um einen Franzosen, der in der Atomindustrie arbeitet und Zugang zu sehr genauen technischen Elementen über den Zustand des Reaktorkerns von Taishan 1 hat”, erklärte Bruno Chareyron, Leiter des Labors der CRIIRAD der Nachrichtenagentur AFP. 

        Der chinesische Hauptbetreiber CGN hatte am 1. Juli angekündigt, den Reaktor 1 des EPR-Kernkraftwerks Taishan in der Nähe von Hongkong “für Wartungsarbeiten abzuschalten” (China.Table berichtete). Zuvor war gemeldet worden, dass Gas aus dem Reaktor ausgetreten war. In dem Akw sind zwei Druckwasserreaktoren neuen Typs (European Pressurized Water Reactor, EPR) im Dienst. 

        An den Brennelementen festgestellte Beschädigungen seien auf “abnormale Vibrationen” zurückzuführen, die “mit einem Konstruktionsfehler des EPR-Druckbehälters in Verbindung stehen”, schrieb die CRIIRAD. Modellversuche beim Atomausrüster Framatome in Le Creusot in Frankreich hätten bereits 2007 und 2008 diese Mängel an der Hydraulik des Tanks aufgedeckt. 

        Die beiden EPR-Reaktoren in Taishan sind bisher die einzigen weltweit, die bereits Strom liefern. Die beiden Blöcke westlich der chinesischen Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macau waren 2018 und 2019 ans Netz gegangen. ari

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          CO2-Emissionen sinken erstmals seit 2020

          Chinas CO2Emissionen sind im dritten Quartal dieses Jahres erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie gesunken. Neue Daten zeigen, dass in der Volksrepublik zwischen Juli und September 0,5 Prozent weniger Kohlestoffdioxid gegenüber dem Vorjahreszeitraum freigesetzt wurde. In der ersten Jahreshälfte dieses Jahres war laut der Financial Times der CO2-Ausstoß noch um neun Prozent angestiegen, da die zweitgrößte Volkswirtschaft sich wirtschaftlich von den Folgen der Pandemie erholte. Zuletzt sind die CO2-Emissionen zwischen Januar und März 2020 gefallen, als im Land wochenlange Lockdowns herrschten, um die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen.

          China war 2020 für mehr als 30 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Peking hatte Ende Oktober einen Klima-Aktionsplan vorgelegt, um die Emissionen im Land zu senken und bis zum Jahr 2030 den Höchststand bei den CO2-Emissionen zu erreichen (China.Table berichtete).

          In den letzten Monaten hatten viele chinesische Provinzen den Stromverbrauch rationiert (China.Table berichtete). Zahlreiche Fabriken mussten ihre Produktion drosseln. Die aktuelle Immobilienkrise, ausgelöst durch die Zahlungsengpässe des Immobilienentwicklers Evergrande, wirkt sich auf die energieintensiven Branchen wie die Bau-, Metall- und Zementindustrie aus. Aber auch die gestiegenen Rohstoffpreise sehen Analysten als Erklärung für den leichten Rückgang der CO2-Emissionen. niw  

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            Mahbubani warnt vor Atomkrieg wegen Taiwan

            Der ehemalige Botschafter Singapurs bei den Vereinten Nationen, Kishore Mahbubani, hat vor der Möglichkeit eines Atomkriegs zwischen den USA und China gewarnt. Der Taiwan-Konflikt könne eskalieren, wenn Washington nicht an seiner Ein-China-Politik festhalte, sagte Mahbubani bei einer Veranstaltung zum 25. Geburtstag des Media Programme Asia der Konrad Adenauer Stiftung in Singapur. China sei “auf allen Feldern ein rationaler Akteur, mit einer Ausnahme: bei Taiwan ist China ein emotionaler Akteur“. Sollten Washington oder Taipeh hingegen entgegen den Versicherungen von US-Präsident Joe Biden die Unabhängigkeit Taiwans durchzusetzen versuchen, werde für Peking eine “rote Linie” überschritten, warnt der profilierte, zum Teil aber auch umstrittene Politikbeobachter.

            Mahbubani diskutierte auf der Veranstaltung mit dem ehemaligen Spiegel-Chef Stefan Aust, der seinerseits gerade ein Buch zu Xi Jinping veröffentlicht hat. Aust zufolge sei es China, das den Status quo ändern will. Mahbubani widersprach: “Die Chinesen werden von sich aus nicht losziehen und Taiwan besetzen.” Ohne äußere Provokationen werde China entsprechende Ambitionen noch einige Jahre zurückstellen, bis es “die größte Wirtschaftsmacht der Welt” sei. Für die Zeit danach deutete Mahbubani dann eine Bereitschaft Taipehs an, sich dem Festland doch wieder anzuschließen.

            Die Lage um Taiwan wirkt derzeit angespannt: Von chinesischer Seite aus häufen sich die kleinen und großen Provokationen (China.Table berichtete), während Biden im Zusammenhang mit der Insel das Wort “Unabhängigkeit” verwendet hat. Seine Mitarbeiter haben die Äußerung als ein Versehen gedeutet. Doch Peking könnte den Wechsel im Sprachgebrauch als Andeutung einer politischen Kursänderung verstehen. fin

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              Grönland entzieht chinesischer Firma Lizenz zum Eisenerzabbau

              Grönland hat einem chinesischen Bergbauunternehmen die Lizenz für eine Eisenerzlagerstätte in der Nähe der Hauptstadt Nuuk entzogen. Grund sei die jahrelange Inaktivität an dem Standort Isua, teilte die Regierung am Montag mit. Auch habe das in Hongkong gegründete Unternehmen mit Namen General Nice die vereinbarten Garantiezahlungen nicht geleistet, hieß es. “Wir können nicht akzeptieren, dass ein Lizenzinhaber vereinbarte Fristen wiederholt nicht einhält”, sagte Grönlands Ressourcenministerin Naaja Nathanielsen. Die Regierung kündigte laut einem Bericht von Reuters an, die Lizenz nach der offiziellen Rückgabe durch General Nice anderen interessierten Unternehmen anzubieten.

              Die Lagerstätte ist seit Jahren im Blick chinesischer Interessenten, die aber am Ende nie aktiv wurden. 2013 hatte eine britische Firma namens London Mining die Abbaulizenz erhalten. Das Unternehmen wollte rund 2.000 chinesische Arbeiter für den Bau des Projekts einstellen und China mit rund 15 Millionen Tonnen Eisenerz pro Jahr beliefern. Doch die Finanzierung gelang nicht, und das London Mining ging pleite. General Nice, ein chinesischer Importeur von Kohle und Eisenerz, übernahm 2015.

              Das rohstoffreiche Grönland und die dänische Regierung sehen chinesische Investitionen seit Jahren skeptisch. Als General Nice Dänemark 2016 eine verlassene Marinestation in Grönland abkaufen wollte, legte Kopenhagen wegen Sicherheitsbedenken sein Veto ein, wie Quellen damals Reuters mitgeteilt hatten. 2018 lehnte Grönland außerdem das Angebot einer chinesischen Staatsbank und eines staatlichen Bauunternehmens ab, zwei Flughäfen in Grönland zu finanzieren und zu bauen. In diesem Jahr verbot die neue Regierung in Nuuk aus Umweltschutzgründen den Uranabbau und stoppte damit effektiv die Erschließung der Mine Kuannersuit. Diese gilt als eine der weltweit größten Lagerstätten für Seltene Erden. Das chinesische Unternehmen Shenghe Resources hatte sich zuvor dort Abbaurechte gesichert. ck

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                Standpunkt

                Kohleausstieg außerhalb Chinas – was ändert sich jetzt?

                Von Nora Sausmikat
                Sinologin Nora Sausmikat, Expertin für Chinas Klimapolitik bei urgewald e.V. über den Kohleausstieg Chinas
                Sinologin Nora Sausmikat, Expertin für Chinas Klimapolitik bei urgewald e.V.

                Auf der jüngsten UN-Vollversammlung am 21. September kündigte Chinas Präsident Xi Jinping an, den Bau von neuen Kohleprojekten in Übersee einzustellen. “China will step up support for other developing countries in developing green and low-carbon energy, and will not build new coal-fired power projects abroad.” (englische und chinesische Version der Rede)

                Ganz überraschend kam diese Ankündigung nicht. Doch noch am gleichen Tag ging der Sturm von Fragen los: Was genau hat der Präsident damit gemeint? Schließt das die Finanzierung und Versicherung mit ein? Und den Kohlebergbau? Welche Unternehmen und Banken sind davon betroffen?

                Das offizielle China blieb zwar vorerst die Antworten schuldig. Die Ankündigung war jedoch durchaus intern und extern koordiniert. Hinter den Kulissen wurden bilaterale Gespräche geführt. Chinas Kohleindustrie und Kohlefinanzierer waren in den letzten zwei Jahren nicht nur durch die globale Klimaschutzbewegung unter Druck geraten. Das Leuchtturmprojekt BRI schien in ernsthafte Reputationsengpässe zu kommen. Gerade im Vorfeld des Weltklimagipfels musste nun auch offiziell reagiert werden.

                Alok Sharma, der Präsident des 26. Weltklimagipfels, traf sich mit dem Chef einer der größten Banken Chinas, der Zentralbank (People’s Bank of China), sowie der nationalen Planungskommission und der nationalen Energiebehörde (NEA). Es ging um die Finanzierung von Kohle weltweit. Wenige Monate zuvor hatten Japan und Südkorea Pläne für den Ausstieg aus der öffentlichen Finanzierung von Kohleprojekten verkündet. Seit 2013 haben diese beiden Länder zusammen mit China 95 Prozent der öffentlichen Gelder für Kohleprojekte außerhalb ihrer eigenen Grenzen ausgegeben – China allerdings das meiste Geld, insgesamt 50 Milliarden USD und rund 56 GW der installierten Kapazität.

                Was ändert sich jetzt, wo Präsident Xi Jinping medienwirksam den Kohleausstieg außerhalb Chinas verkündet hat?

                In Planung befinden sich 60 Gigawatt Kohleverstromung in 20 Ländern, finanziert von öffentlichen chinesischen Banken. Es ist bis heute noch nicht klar, wie viele der geplanten neuen Kohlebergwerke (zum Beispiel in Russland und Pakistan) wirklich gestrichen werden.

                Volksrepublik baut weltweit am meisten Kohlekraftwerke

                Expansionisten – das sind die absoluten Klimakiller, aus Sicht von urgewald. Laut der gerade erst im Oktober 2021 von urgewald und NGO Partnern veröffentlichten Global Coal Exit Liste (GCEL) 2021 gehören chinesische Unternehmen derzeit nach wie vor zu den größten Expansionisten bei Kohlekraftwerken auf der ganzen Welt: Von den 503 Unternehmen mit Plänen für neue Anlagen sind 26 Prozent chinesische Unternehmen, im Vergleich zu elf Prozent aus Indien, dem zweitgrößten Expansionisten.

                Dennoch-es gilt jetzt zu erfassen, wieviel der sich in Planung befindlichen Kohlekraft schon den Finanzabschluss erreicht hat (nicht als “neu” definiert, und damit wohl nicht adressiert werden), und was mit denen passiert, die sich in Vorbereitung zum Bau befinden (dies könnte zum Beispiel zwei der fünf sich im Bau befindlichen Kraftwerke in Kambodscha betreffen). Urgewald untersucht gemeinsam mit Kolleg*Innen weltweit, welche und wieviel Kohleinvestitionen im Ausland erfasst werden könnten.

                Es ist recht klar: Die Ankündigung war auch ein Test. Sie hatte zwei Teile. Verbunden mit dem Angebot, in großem Stil Low-Carbon-Technologie in den Ländern der BRI zu fördern, werden nun bis zur COP 26 Wunschlisten eingeholt, wie die Kohlepläne “umgewandelt” werden können. Hier geht es auch um die Konkurrenz, wer am Ende in Südostasien, Lateinamerika und Afrika am meisten Gelder für Low-Carbon bereitstellen wird.

                Ein fossiler Brennstoff ersetzt den anderen

                Was wir weltweit beobachten ist, dass der eine fossile Brennstoff durch einen anderen ersetzt wird. Etwa ein Drittel der zwischen 2011 und 2019 in den USA “stillgelegten” Kohlekraftwerke wurde tatsächlich auf Gas umgestellt. Und Länder wie Bangladesch, welches ein Drittel seiner geplanten Kohlekraftwerke gestrichen hat, oder die Philippinen, die mehr als die Hälfte der neuen Kohlekraftwerke in ihrer Projektpipeline gestrichen haben, steuern nun auf einen massiven Ausbau von Flüssigerdgas-Terminals (LNG) und gasbefeuerten Anlagen zu.

                Diese Pläne müssen gestoppt werden, wenn wir das 1,5-Gradziel einhalten wollen. Gerade erst im Oktober 2021 einigten sich die OECD-Länder und damit u.a. Japan, Australien und die Türkei, auf die Einstellung von Exportkrediten für neue Kohlekraftwerke, die keine Carbon Capture, (Utilization) and Storage (CCUS/CCS) anwenden. Obwohl dies die erste international verbindliche Vereinbarung ist, die die Exportunterstützung für internationale Kohleprojekte bis Ende 2021 beendet, stützt sie sich auf falsche Lösungen. Es gibt keine “sauberen” Kohlekraftwerke. Auch wenn Emissionen “eingefangen/gespeichert” werden können, hängt an der Kohleindustrie die schmutzige Kohleproduktion, der Kohlebergbau. CCS legitimiert die Fortführung fossiler Industrien. Die Verfahren sind energieintensiv, kostspielig, und bergen neue Risiken.

                Auch China wird aber genau diesen Weg gehen: Umstellung auf Gas und Flüssiggas (LNG), und CCS/CCUS. Atomenergie und Staudämme sind die anderen beiden “klimafreundlichen” Technologien, die auf der COP26 angepriesen werden. Gas kann keine Brückentechnologie sein, in die nun massiv investiert wird. Bei der Verbrennung entsteht zwar weniger CO2 pro kWh, dafür entweicht bei Förderung und Transport des fossilen Gases das noch viel klimaschädlichere Methan.

                Warnung vor Scheinlösungen

                Wir wollen verhindern, dass diese Technologien Eingang in die europäische Taxonomie finden. Sie zählen zu den “falschen Lösungen”. Eine weitere Scheinlösung stellen ETM-Schemata (Energy Transition Mechanism) dar, im Rahmen derer den Kraftwerken Entschädigungssummen für das frühere Abschalten gezahlt werden. So soll es geschehen bei dem deutschen Braunkohleausstieg (dies wird seit 2021 allerdings noch in der EU-Kommission geprüft).

                Auf der COP26 wird dieses Schema als goldener Weg von der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) angepriesen werden (3. November 2021). Ein Gutachten auf europäischer Ebene hat gezeigt, dass diese ETMs de facto eine Verlängerung der Laufzeit ermöglichen. Auch in China und Asien sind diese Lösungen Scheinlösungen. Die ADB, die dann Eigentümer von Kohlekraftwerken würde, trotz ihrer “Kohleausstiegsstrategie”, erklärt die “Verringerung der Laufzeit auf 15 Jahre”. Dies kann angesichts des neuen IPCC Berichts vom 9. August 2021 keine wirkliche Lösung sein. Außerdem sollen diese Buy-out-Pläne zusammen mit Investoren geschehen, die mit zu den größten Expansionisten gehören, wie Blackrock, HSBC und Citigroup Inc.

                In einer großen Koalition von Gleichgesinnten setzen wir uns für die Abkehr von solchen Scheinlösungen ein. Aber abgesehen davon: China interne Kohleexpansionspläne allein, immerhin 250 Gigawatt neue Kohlekraftwerkskapazität, könnten jedoch das Pariser Klimaabkommen kippen. Der Bau des Riesenstaudammes in Tibet oder die Mega-Solarkraftwerke in der Wüste werden mit der neuen Kohlekraft um das Netz konkurrieren. Eine grundlegende Aussage zum Kohleausstieg innerhalb China ist dringender denn je.

                Nora Sausmikat ist Leiterin des China Desk der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald e.V.

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                  Portrait

                  Kevin Gallagher – Experte zu Chinas Entwicklungsfinanzierung

                  Kevin Gallagher Director des Global Development Policy Center
                  Director des Global Development Policy Center der Boston University

                  Die Analysen von Kevin Gallagher spannen oftmals über mehrere Kontinente. Der Professor für Entwicklungspolitik an der Boston University hat sich während seiner akademischen Karriere besonders auf Lateinamerika spezialisiert. Seine Forschungen zur Volksrepublik konnte er als Gastprofessor an der Tsinghua-Universität in Peking intensivieren. “Jüngst hat sich China als eine Art Kreditgeber letzter Instanz für jene Länder in der Region etabliert, die beschränkten Zugang zu den globalen Finanzmärkten haben”, sagt der US-Amerikaner.

                  Die Volksrepublik habe schon 2008 die Staaten in der Karibik und Lateinamerika (LAC) vor den schlimmsten Auswirkungen der damaligen Finanzkrise bewahrt. Chinas Konjunkturprogramm kurbelte die Nachfrage nach Rohstoffen aus der Region an, die sich zwischen 2009 und 2011 fast verdoppelt hat. “Die Handelsbeziehungen zwischen China und den LAC sind von entscheidender Bedeutung für das wirtschaftliche Wohlergehen der Region”, sagt Gallagher.

                  Heute würden beispielsweise mehr als drei Viertel aller Sojabohnen aus Brasilien importiert. “Die Corona-Pandemie hat offengelegt, wie stark die LAC von China als Exportziel für ihre Rohstoffe abhängig sind”, meint er.

                  Entwicklungshilfe auf Weltbank-Niveau

                  Gallagher versucht in seiner Forschung mit statistischen Analysen und Berechnungsmodellen globale Handels- und Finanzströme zu analysieren. Mit Blick auf China betont er regelmäßig, welche Risiken die wachsende Relevanz der Volksrepublik in der Entwicklungsfinanzierung hinsichtlich der Schuldenlast, Biodiversität und des Klimawandels mit sich bringt. Beispielsweise beleuchtet eine neue Datenanalyse seines Global Development Policy Center in Boston die Auslandsdarlehen der China Development Bank und der Bank of China zwischen 2008 und 2019. In diesem Zeitraum lag die globale Entwicklungshilfe Chinas bei 462 Milliarden US-Dollar und damit nur knapp hinter jener der Weltbank.

                  Die chinesischen Investments könnten bis 2030 zu einem Anstieg des globalen Realeinkommens von 2,9 Prozent führen. “Aber der Anstieg chinesischer Entwicklungshilfe sorgt für Bedenken angesichts einer möglichen Schuldenspirale für die Empfängerländer. Wenngleich sich die Investitionen über die Welt verteilen, sind 60 Prozent davon an lediglich zehn Länder gegangen: Venezuela, Pakistan, Russland, Brasilien, Angola, Ecuador, Argentinien, Indonesien, Iran und Turkmenistan. Einige davon könnten Schwierigkeiten bei der Rückzahlung bekommen”, erklärt er.

                  Die Entwicklungshilfe Chinas konzentriere sich vor allem auf den Bau von Infrastruktur. Eine Datenanalyse von Gallaghers Team hat deshalb von der Volksrepublik finanzierte Projekte auf deren Nähe zu biologisch sensiblen Regionen ausgewertet. Von den 615 Projekten befänden sich 124 in nationalen Umweltschutzgebieten und könnten sich negativ auf die Lebensräume bedrohter Arten auswirken.

                  Investitionen mit bedenklichen Nebenwirkungen

                  In vielerlei Hinsicht beinhalten die Aussagen von Gallagher ein “Ja, aber”. Er erkennt an, dass China als Geldgeber oftmals dort eingesprungen sei, wo sich der wohlhabende Westen zurückgezogen habe. Doch nicht selten sind die Investitionen der Volksrepublik mit negativen Auswirkungen verbunden. Deshalb besteht Handlungsbedarf auf internationaler Ebene.

                  Gallaghers Expertise ist gefragt. Seit einigen Jahren ist er Mitglied des Komitees für Entwicklungspolitik der Vereinten Nationen. Auch war er Teil eines Expertenteams für den China Council for International Cooperation on Environment and Development (CCICED). Das Team analysierte, wie die Belt-and-Road-Initiative mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen in Einklang gebracht werden kann. Die Vergrößerung der Schnittmengen zwischen chinesischen Investitionen und Nachhaltigkeit wird Gallagher auch künftig beschäftigen. Constantin Eckner

                  • Infrastruktur
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                  China.Table Redaktion

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                  Licenses:
                    • Stehen Chinas strategischen Ölreserven vor Freigabe?
                    • Staatsbetriebe weiten Dieselproduktion aus
                    • Sinopec baut weltweit größte Produktion für “grünen Wasserstoff”
                    • Akw-Vorfall in Südchina scheint geklärt
                    • CO2-Emissionen erstmals seit 2020 gefallen
                    • Mahbubani fürchtet Atomkrieg um Taiwan
                    • Grönland entzieht chinesischer Firma Bergbaulizenz
                    • Im Standpunkt: Nora Sausmikat: Kohleausstieg außerhalb Chinas – was ändert sich jetzt?
                    • Im Portrait: Kevin Gallagher – Experte zu Chinas Entwicklungsfinanzierung
                    Liebe Leserin, lieber Leser,

                    Öl ist keine nachhaltige Lösung für die globalen Energieprobleme. Doch ganz kurzfristig schafft die globale Energiekrise enorme Nachfrage nach dem fossilen Brennstoff. Um Haushalte und Industriebetriebe mit Strom versorgt zu halten, ist es derzeit noch unentbehrlich. Mehrere große Staaten haben daher entschieden, aufgrund der rasant gestiegenen Rohstoffpreise ihre strategischen Ölreserven anzuzapfen.

                    China ist hier inzwischen ein entscheidender Spieler. Seit 2007 hat die Volksrepublik eigene Reserven aufgebaut. Sie zeigt zwar Bereitschaft, das Öl freizugeben. Doch bisher hält sie ihre Karten verdeckt. Selbst die Menge der Reserven ist ein Geheimnis. Unsere Autorin Christiane Kühl zeigt, dass das Thema geopolitisches Sprengstoff-Potenzial hat. Denn wie auch bei Klimafragen betont Peking sehr deutlich, dass die USA keine Kooperation erwarten könnten, solange sie China einzuschränken versuchten. Zudem ist unklar, ob das Öl aus den Reserven Pekings überhaupt Abnehmer finden würde.

                    Wir bleiben diesmal bei weiteren fossilen Themen. China baut weiterhin die meisten Kohlekraftwerke weltweit. Noch jedenfalls. Was ändert sich jetzt, wo Präsident Xi Jinping medienwirksam den Kohleausstieg außerhalb Chinas verkündet hat? Der Antwort auf diese Frage geht Nora Sausmikat nach, die das China Desk der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald e.V. leitet. Auch bei einem Umstieg auf Gas und Flüssiggas warnt sie vor “Scheinlösungen“, die das Pariser Klimaabkommen gefährden könnten.

                    Die wachsende Relevanz der Volksrepublik in der Entwicklungsfinanzierung birgt zudem Risiken hinsichtlich Schuldenlast, Biodiversität und Klima in den betreffenden Ländern. Darauf macht Kevin Gallagher, Direktor des Global Development Policy Center an der Boston University, aufmerksam. Zwischen 2008 und 2019 lag die globale Entwicklungshilfe Chinas bei 462 Milliarden US-Dollar und damit nur knapp hinter jener der Weltbank. Dies führt zu Abhängigkeiten. So hat die Corona-Pandemie offengelegt, wie stark Länder in Lateinamerika abhängig von Exporten nach China geworden sind. Mehr als drei Viertel aller Sojabohnen aus Brasilien gehen zum Beispiel inzwischen nach China.

                    Viele neue Erkenntnisse wünscht

                    Ihre
                    Ning Wang
                    Bild von Ning  Wang

                    Analyse

                    Steht Freigabe strategischer Ölreserven bevor?

                    Es geht jetzt ziemlich schnell. Mehrere große Staaten haben entschieden, wegen der aktuellen Energiekrise ihre strategischen Erdölreserven anzuzapfen. Die USA sind dabei, die Ölhähne zu öffnen: Rund 50 Millionen Barrel sollen in den nächsten Monaten aus den Reserven fließen. Auch Indien, Japan und Großbritannien haben eine Öffnung ihrer Reserven angekündigt. Damit blickt die Welt nun auf China. Von Peking wird in diesen Tagen eine konkrete Ansage erwartet. Die US-Regierung hatte von einer international abgestimmten Freigabe-Aktion gesprochen.

                    Vor ein paar Wochen hatte sich die Hoffnung zerschlagen, dass der Ölförderclub der Opec-Staaten die Rohölförderung deutlich erhöhen werde, um den rasant steigenden Rohstoffpreisen entgegenzuwirken. Bislang weiten die 23 Förderländer des Ölverbunds Opec+ ihre Produktion nur in moderatem Tempo aus. Sie haben kein Interesse daran, den Markt zu fluten, denn dann sinken die Erlöse. Also richtet sich der Fokus vieler Staaten nun auf ihre Notreserven: Denn genau für diese Situationen sind sie da. US-Präsident Joe Biden kämpft zu Hause mit einer hohen Inflation, zu der die steigenden Ölpreise maßgeblich beitragen. Auf seinem Videogipfel mit Chinas Staatschef Xi Jinping hatte Biden die Volksrepublik angesichts steigender Ölpreise gebeten, ihre Ölreserven ebenfalls anzuzapfen.

                    China zeigte sich danach offen, aber gab zunächst keine eindeutige Zusage. Vor einer Woche gab das Büro für staatliche Reserven in Peking bekannt, dass es an einer Freigabe von Rohölreserven arbeite. Zu der Bitte der USA äußerte sich die Behörde allerdings nicht.

                    Geopolitik und Erdölreserven

                    Denn wie beim Klimaschutz spielt auch bei dem Thema Erdölreserven die Geopolitik eine Rolle. Das Argument Pekings: Die USA haben kein Recht, von China Kooperation einzufordern, wenn sie zugleich versuchen, das Land einzudämmen. “China wird den USA vielleicht den Gefallen tun, seine Rohölreserven zu öffnen”, schreibt etwa die Staatszeitung Global Times. China werde jedoch angesichts der angespannten Beziehungen zu Washington “seine eigenen Interessen priorisieren”. Erst am Dienstag hatten die USA demonstrativ Taiwan zu Bidens virtuellem Gipfel der Demokratien eingeladen (China.Table berichtete). China ist qua seines Systems dabei natürlich außen vor. Doch die Einladung des von Peking als abtrünnige Provinz angesehenen Taiwan ist in den Augen der Regierung ein Affront.

                    Chinas Regierung ist derweil durchaus bewusst, dass Biden wegen der Inflation daheim unter großem innenpolitischen Druck steht – ein Druck, den Peking bisher nicht im gleichen Maße verspürt. Der aktuelle Rohölpreis von rund 80 US-Dollar pro Barrel erfordere nicht unbedingt eine sofortige Freigabe strategischer Reserven durch China, zitiert die South China Morning Post den Energieexperten Wang Yongzhong von der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften. Wang räumt aber ein, dass beide, die USA und China, als Großverbraucher ein Interesse an einer Senkung des Preises haben.

                    China: Aufbau von Ölreserven seit 2007

                    Die USA verfügen mit 727 Millionen Barrel über die weltweit größten gemeldeten strategischen Erdölreserven. China dagegen begann überhaupt erst 2007 mit der Einlagerung von Ölreserven. Es publiziert die Menge der Reserven seither nicht regelmäßig: Die neuesten Daten des Nationalen Statistikamtes stammen von 2017. Damals hielt China insgesamt rund 280 Millionen Barrel an sieben Standorten vor, darunter in Dalian, Qingdao oder an der Küste der Provinz Zhejiang. Experten gehen allerdings davon aus, dass China vor allem im März und April 2020 eine große zusätzliche Menge eingelagert hat. Damals, zu Beginn der Corona-Pandemie, lagen die Ölpreise am Boden.

                    Ölsicherheit ist für China seit Jahrzehnten von großer strategischer Bedeutung. Die Volksrepublik ist der mit Abstand größte Ölimporteur der Welt, da sie nur geringe eigene Vorkommen besitzt. 2020 importierte China knapp drei Viertel seines verbrauchten Erdöls. Wang Yongzhong schätzt, dass Chinas Rohölreserven derzeit etwa der Importmenge von 40-50 Tagen entsprechen. Das ist nicht sehr viel. Die Internationale Energie-Agentur empfiehlt Reserven in Höhe der Nettoimporte von mindestens 90 Tagen. Doch China kann im Zweifelsfall auch auf die Lagerbestände seiner drei Ölkonzerne zurückgreifen, die sich alle mehrheitlich in Staatshand befinden.

                    Unsichere Nachfrage nach Erdöl

                    Ob China überhaupt große Mengen freigegebener Erdölreserven im Land absetzen kann, ist indessen ungewiss. Im September hatte Peking bereits angekündigt, Teile seiner Reserven über Auktionen an Raffinerien zu verkaufen. Doch nur eine dieser Auktionen fand überhaupt statt. Sie traf auf nur mäßiges Interesse. Bei einer erneuten Auktion von Ölreserven würden Raffinerien möglicherweise kaum Interesse haben mitzubieten, unken die Analysten von S&P Global Platts unter Berufung auf Quellen in Chinas Ölsektor. “Denn die Inlandsnachfrage lässt angesichts der pandemiebedingten Beschränkungen vor den Olympischen Winterspielen nach.”

                    In der Tat wird erwartet, dass Peking die Raffinerieaktivitäten in Nordchina einschränken wird, um im Vorfeld der Olympischen Winterspiele von Peking im Februar 2022 deren Emissionen zu begrenzen. Durch die andauernde Null-Covid-Politik mit ihren zahlreichen Restriktionen ist zudem die Mobilität der Chinesen derzeit stark eingeschränkt. Und das senkt die Nachfrage nach Treibstoffen für den Verkehrssektor. Diesen Trend bestätigen die Importdaten von diesem Jahr: Zwischen Januar und Oktober lagen die Ölimporte Chinas um 7,2, Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Es ist also offen, inwieweit China im Kampf gegen den hohen Ölpreis mitwirken kann.

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                      News

                      Peking weitet Dieselproduktion aus

                      China hat seit September die Produktion von Diesel hochgefahren und damit im eigenen Land und auf den regionalen Exportmärkten für dringend benötigten Nachschub gesorgt. Der Staat habe die Produktionsausweitung durch die Staatskonzerne China National Petroleum Corporation (CNPC) und China Petroleum & Chemical Corporation (Sinopec) koordiniert, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Dienstag. Die staatlichen Raffinerien werden im Dezember rund 210.000 Tonnen Diesel exportieren, schreibt Bloomberg unter Berufung auf den Energiemarktinformationsanbieter JLC.

                      In den vergangenen Monaten hatte sich China weitgehend aus dem Exportgeschäft zurückgezogen, um zunächst die eigene Nachfrage zu stillen. Dieser Rückzug fiel mit einer Erholung der Nachfrage und weltweit schrumpfenden Dieselvorräten zusammen. Kunden versuchten daher verstärkt in Indien und Südkorea Diesel einzukaufen. Die gesteigerte Nachfrage hat neben einem zumindest vorübergehenden Nachlassen der Coronapandemie laut Bloomberg weitere Gründe. In China stieg der Bedarf seit September saisonal bedingt durch eine stärkere Nachfrage aus der Fischerei und für die Ernte. Außerdem setzten Betriebe in ganz China angesichts von Stromrationierungen auf Dieselgeneratoren.

                      Die Dieselproduktion in China stieg bereits im Oktober gegenüber dem Vormonat um 12,4 Prozent auf 14,52 Millionen Tonnen, wie das Wirtschaftsmagazin Caixin schreibt. Der Trend habe sich im November fortgesetzt, berichtet das Blatt ebenfalls unter Berufung auf JLC. Die Nachfrage auch aus der Bau- und Logistikbranche nach Diesel bleibe robust. Die Preise liegen ebenfalls hoch. Daher versorgten sich manche der vielfach auf eigene Rechnung operierenden Lastwagenfahrer Chinas zuletzt über den Schwarzmarkt. Diesel an der Tankstelle war ihnen schlicht zu teuer geworden. ck

                        • Energie
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                        • Rohstoffe

                        Sinopec baut weltgrößte Produktion für “grünen Wasserstoff”

                        Der staatliche Ölkonzern China Petrochemical Corporation – kurz Sinopec – baut in der Nordwestregion Xinjiang eine vollständig mit Fotovoltaik betriebene Anlage zur Herstellung von Wasserstoff. Das Werk in der Stadt Kuqa werde die weltgrößte Produktionsanlage für sogenannten “grünen Wasserstoff” sein, teilte Sinopec am Dienstag mit. Es werde voraussichtlich im Juni 2023 die Produktion aufnehmen. Die Jahreskapazität beträgt laut Sinopec 20.000 Tonnen pro Jahr. Der Staatskonzern will dafür insgesamt 3 Milliarden Yuan (415 Millionen Euro) investieren.

                        Das Projekt besteht laut Sinopec aus fünf Abschnitten: photovoltaische Stromerzeugung, Stromübertragung und -umwandlung, Wasserstoff aus Wasserelektrolyse, Wasserstoffspeicherung und Wasserstofftransport. Den in der Anlage produzierten grünen Wasserstoff will der Konzern demnach an die konzerneigene Sinopec Tahe Refining & Chemical liefern, die bislang mit Erdgas und anderen fossilen Energieträgern produzierten Wasserstoff nutzt. Die Kohlendioxidemissionen werden laut Sinopec dadurch künftig um 485.000 Tonnen pro Jahr niedriger liegen als bisher.

                        Wasserstoff gilt als klimaneutrale Energieform, die vor allem in der Industrie für Produktionsprozesse in großer Hitze Sinn macht. Was allerdings nur dann gilt, wenn die aufwändige Herstellung des Wasserstoffes ausschließlich mit erneuerbaren Energien befeuert wird. Das ist in China bislang nur bei vier Prozent des produzierten Wasserstoffs der Fall. China ist bereits heute der weltgrößte Wasserstoffproduzent. Bislang nutzt es diesen aber hauptsächlich als Industrierohstoff – etwa zur Herstellung von Kunststoffen oder Chemikalien.

                        Xinjiang ist eine der Fotovoltaik-Hochburgen Chinas. Es gibt allerdings Vorwürfe, dass in diesem Sektor auch uigurische Zwangsarbeiter eingesetzt werden. ck

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                          Ursache des Vorfalls im AKW Taishan geklärt

                          Nach einem Vorfall an einem Atomkraftwerk in Südchina im Sommer ist die Ursache nun wohl geklärt. Der Gasaustritt soll auf einen Konstruktionsfehler des Reaktordruckbehälters zurückzuführen sein, wie die französische Kommission für unabhängige Forschung und Information über Radioaktivität (CRIIRAD) am Samstag Medienberichten zufolge bekannt gab. Der französische Energiekonzern Electricité de France (EDF) war an dem Bau des Meilers in Taishan in Südchina beteiligt.

                          CRIIRAD berief sich auf Angaben eines Whistleblowers, wie sie der französischen Behörde für nukleare Sicherheit (ASN) mitteilte. “Es handelt sich um einen Franzosen, der in der Atomindustrie arbeitet und Zugang zu sehr genauen technischen Elementen über den Zustand des Reaktorkerns von Taishan 1 hat”, erklärte Bruno Chareyron, Leiter des Labors der CRIIRAD der Nachrichtenagentur AFP. 

                          Der chinesische Hauptbetreiber CGN hatte am 1. Juli angekündigt, den Reaktor 1 des EPR-Kernkraftwerks Taishan in der Nähe von Hongkong “für Wartungsarbeiten abzuschalten” (China.Table berichtete). Zuvor war gemeldet worden, dass Gas aus dem Reaktor ausgetreten war. In dem Akw sind zwei Druckwasserreaktoren neuen Typs (European Pressurized Water Reactor, EPR) im Dienst. 

                          An den Brennelementen festgestellte Beschädigungen seien auf “abnormale Vibrationen” zurückzuführen, die “mit einem Konstruktionsfehler des EPR-Druckbehälters in Verbindung stehen”, schrieb die CRIIRAD. Modellversuche beim Atomausrüster Framatome in Le Creusot in Frankreich hätten bereits 2007 und 2008 diese Mängel an der Hydraulik des Tanks aufgedeckt. 

                          Die beiden EPR-Reaktoren in Taishan sind bisher die einzigen weltweit, die bereits Strom liefern. Die beiden Blöcke westlich der chinesischen Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macau waren 2018 und 2019 ans Netz gegangen. ari

                            • Atomkraft
                            • Energie

                            CO2-Emissionen sinken erstmals seit 2020

                            Chinas CO2Emissionen sind im dritten Quartal dieses Jahres erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie gesunken. Neue Daten zeigen, dass in der Volksrepublik zwischen Juli und September 0,5 Prozent weniger Kohlestoffdioxid gegenüber dem Vorjahreszeitraum freigesetzt wurde. In der ersten Jahreshälfte dieses Jahres war laut der Financial Times der CO2-Ausstoß noch um neun Prozent angestiegen, da die zweitgrößte Volkswirtschaft sich wirtschaftlich von den Folgen der Pandemie erholte. Zuletzt sind die CO2-Emissionen zwischen Januar und März 2020 gefallen, als im Land wochenlange Lockdowns herrschten, um die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen.

                            China war 2020 für mehr als 30 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Peking hatte Ende Oktober einen Klima-Aktionsplan vorgelegt, um die Emissionen im Land zu senken und bis zum Jahr 2030 den Höchststand bei den CO2-Emissionen zu erreichen (China.Table berichtete).

                            In den letzten Monaten hatten viele chinesische Provinzen den Stromverbrauch rationiert (China.Table berichtete). Zahlreiche Fabriken mussten ihre Produktion drosseln. Die aktuelle Immobilienkrise, ausgelöst durch die Zahlungsengpässe des Immobilienentwicklers Evergrande, wirkt sich auf die energieintensiven Branchen wie die Bau-, Metall- und Zementindustrie aus. Aber auch die gestiegenen Rohstoffpreise sehen Analysten als Erklärung für den leichten Rückgang der CO2-Emissionen. niw  

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                              Mahbubani warnt vor Atomkrieg wegen Taiwan

                              Der ehemalige Botschafter Singapurs bei den Vereinten Nationen, Kishore Mahbubani, hat vor der Möglichkeit eines Atomkriegs zwischen den USA und China gewarnt. Der Taiwan-Konflikt könne eskalieren, wenn Washington nicht an seiner Ein-China-Politik festhalte, sagte Mahbubani bei einer Veranstaltung zum 25. Geburtstag des Media Programme Asia der Konrad Adenauer Stiftung in Singapur. China sei “auf allen Feldern ein rationaler Akteur, mit einer Ausnahme: bei Taiwan ist China ein emotionaler Akteur“. Sollten Washington oder Taipeh hingegen entgegen den Versicherungen von US-Präsident Joe Biden die Unabhängigkeit Taiwans durchzusetzen versuchen, werde für Peking eine “rote Linie” überschritten, warnt der profilierte, zum Teil aber auch umstrittene Politikbeobachter.

                              Mahbubani diskutierte auf der Veranstaltung mit dem ehemaligen Spiegel-Chef Stefan Aust, der seinerseits gerade ein Buch zu Xi Jinping veröffentlicht hat. Aust zufolge sei es China, das den Status quo ändern will. Mahbubani widersprach: “Die Chinesen werden von sich aus nicht losziehen und Taiwan besetzen.” Ohne äußere Provokationen werde China entsprechende Ambitionen noch einige Jahre zurückstellen, bis es “die größte Wirtschaftsmacht der Welt” sei. Für die Zeit danach deutete Mahbubani dann eine Bereitschaft Taipehs an, sich dem Festland doch wieder anzuschließen.

                              Die Lage um Taiwan wirkt derzeit angespannt: Von chinesischer Seite aus häufen sich die kleinen und großen Provokationen (China.Table berichtete), während Biden im Zusammenhang mit der Insel das Wort “Unabhängigkeit” verwendet hat. Seine Mitarbeiter haben die Äußerung als ein Versehen gedeutet. Doch Peking könnte den Wechsel im Sprachgebrauch als Andeutung einer politischen Kursänderung verstehen. fin

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                                Grönland entzieht chinesischer Firma Lizenz zum Eisenerzabbau

                                Grönland hat einem chinesischen Bergbauunternehmen die Lizenz für eine Eisenerzlagerstätte in der Nähe der Hauptstadt Nuuk entzogen. Grund sei die jahrelange Inaktivität an dem Standort Isua, teilte die Regierung am Montag mit. Auch habe das in Hongkong gegründete Unternehmen mit Namen General Nice die vereinbarten Garantiezahlungen nicht geleistet, hieß es. “Wir können nicht akzeptieren, dass ein Lizenzinhaber vereinbarte Fristen wiederholt nicht einhält”, sagte Grönlands Ressourcenministerin Naaja Nathanielsen. Die Regierung kündigte laut einem Bericht von Reuters an, die Lizenz nach der offiziellen Rückgabe durch General Nice anderen interessierten Unternehmen anzubieten.

                                Die Lagerstätte ist seit Jahren im Blick chinesischer Interessenten, die aber am Ende nie aktiv wurden. 2013 hatte eine britische Firma namens London Mining die Abbaulizenz erhalten. Das Unternehmen wollte rund 2.000 chinesische Arbeiter für den Bau des Projekts einstellen und China mit rund 15 Millionen Tonnen Eisenerz pro Jahr beliefern. Doch die Finanzierung gelang nicht, und das London Mining ging pleite. General Nice, ein chinesischer Importeur von Kohle und Eisenerz, übernahm 2015.

                                Das rohstoffreiche Grönland und die dänische Regierung sehen chinesische Investitionen seit Jahren skeptisch. Als General Nice Dänemark 2016 eine verlassene Marinestation in Grönland abkaufen wollte, legte Kopenhagen wegen Sicherheitsbedenken sein Veto ein, wie Quellen damals Reuters mitgeteilt hatten. 2018 lehnte Grönland außerdem das Angebot einer chinesischen Staatsbank und eines staatlichen Bauunternehmens ab, zwei Flughäfen in Grönland zu finanzieren und zu bauen. In diesem Jahr verbot die neue Regierung in Nuuk aus Umweltschutzgründen den Uranabbau und stoppte damit effektiv die Erschließung der Mine Kuannersuit. Diese gilt als eine der weltweit größten Lagerstätten für Seltene Erden. Das chinesische Unternehmen Shenghe Resources hatte sich zuvor dort Abbaurechte gesichert. ck

                                  • Dänemark
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                                  Kohleausstieg außerhalb Chinas – was ändert sich jetzt?

                                  Von Nora Sausmikat
                                  Sinologin Nora Sausmikat, Expertin für Chinas Klimapolitik bei urgewald e.V. über den Kohleausstieg Chinas
                                  Sinologin Nora Sausmikat, Expertin für Chinas Klimapolitik bei urgewald e.V.

                                  Auf der jüngsten UN-Vollversammlung am 21. September kündigte Chinas Präsident Xi Jinping an, den Bau von neuen Kohleprojekten in Übersee einzustellen. “China will step up support for other developing countries in developing green and low-carbon energy, and will not build new coal-fired power projects abroad.” (englische und chinesische Version der Rede)

                                  Ganz überraschend kam diese Ankündigung nicht. Doch noch am gleichen Tag ging der Sturm von Fragen los: Was genau hat der Präsident damit gemeint? Schließt das die Finanzierung und Versicherung mit ein? Und den Kohlebergbau? Welche Unternehmen und Banken sind davon betroffen?

                                  Das offizielle China blieb zwar vorerst die Antworten schuldig. Die Ankündigung war jedoch durchaus intern und extern koordiniert. Hinter den Kulissen wurden bilaterale Gespräche geführt. Chinas Kohleindustrie und Kohlefinanzierer waren in den letzten zwei Jahren nicht nur durch die globale Klimaschutzbewegung unter Druck geraten. Das Leuchtturmprojekt BRI schien in ernsthafte Reputationsengpässe zu kommen. Gerade im Vorfeld des Weltklimagipfels musste nun auch offiziell reagiert werden.

                                  Alok Sharma, der Präsident des 26. Weltklimagipfels, traf sich mit dem Chef einer der größten Banken Chinas, der Zentralbank (People’s Bank of China), sowie der nationalen Planungskommission und der nationalen Energiebehörde (NEA). Es ging um die Finanzierung von Kohle weltweit. Wenige Monate zuvor hatten Japan und Südkorea Pläne für den Ausstieg aus der öffentlichen Finanzierung von Kohleprojekten verkündet. Seit 2013 haben diese beiden Länder zusammen mit China 95 Prozent der öffentlichen Gelder für Kohleprojekte außerhalb ihrer eigenen Grenzen ausgegeben – China allerdings das meiste Geld, insgesamt 50 Milliarden USD und rund 56 GW der installierten Kapazität.

                                  Was ändert sich jetzt, wo Präsident Xi Jinping medienwirksam den Kohleausstieg außerhalb Chinas verkündet hat?

                                  In Planung befinden sich 60 Gigawatt Kohleverstromung in 20 Ländern, finanziert von öffentlichen chinesischen Banken. Es ist bis heute noch nicht klar, wie viele der geplanten neuen Kohlebergwerke (zum Beispiel in Russland und Pakistan) wirklich gestrichen werden.

                                  Volksrepublik baut weltweit am meisten Kohlekraftwerke

                                  Expansionisten – das sind die absoluten Klimakiller, aus Sicht von urgewald. Laut der gerade erst im Oktober 2021 von urgewald und NGO Partnern veröffentlichten Global Coal Exit Liste (GCEL) 2021 gehören chinesische Unternehmen derzeit nach wie vor zu den größten Expansionisten bei Kohlekraftwerken auf der ganzen Welt: Von den 503 Unternehmen mit Plänen für neue Anlagen sind 26 Prozent chinesische Unternehmen, im Vergleich zu elf Prozent aus Indien, dem zweitgrößten Expansionisten.

                                  Dennoch-es gilt jetzt zu erfassen, wieviel der sich in Planung befindlichen Kohlekraft schon den Finanzabschluss erreicht hat (nicht als “neu” definiert, und damit wohl nicht adressiert werden), und was mit denen passiert, die sich in Vorbereitung zum Bau befinden (dies könnte zum Beispiel zwei der fünf sich im Bau befindlichen Kraftwerke in Kambodscha betreffen). Urgewald untersucht gemeinsam mit Kolleg*Innen weltweit, welche und wieviel Kohleinvestitionen im Ausland erfasst werden könnten.

                                  Es ist recht klar: Die Ankündigung war auch ein Test. Sie hatte zwei Teile. Verbunden mit dem Angebot, in großem Stil Low-Carbon-Technologie in den Ländern der BRI zu fördern, werden nun bis zur COP 26 Wunschlisten eingeholt, wie die Kohlepläne “umgewandelt” werden können. Hier geht es auch um die Konkurrenz, wer am Ende in Südostasien, Lateinamerika und Afrika am meisten Gelder für Low-Carbon bereitstellen wird.

                                  Ein fossiler Brennstoff ersetzt den anderen

                                  Was wir weltweit beobachten ist, dass der eine fossile Brennstoff durch einen anderen ersetzt wird. Etwa ein Drittel der zwischen 2011 und 2019 in den USA “stillgelegten” Kohlekraftwerke wurde tatsächlich auf Gas umgestellt. Und Länder wie Bangladesch, welches ein Drittel seiner geplanten Kohlekraftwerke gestrichen hat, oder die Philippinen, die mehr als die Hälfte der neuen Kohlekraftwerke in ihrer Projektpipeline gestrichen haben, steuern nun auf einen massiven Ausbau von Flüssigerdgas-Terminals (LNG) und gasbefeuerten Anlagen zu.

                                  Diese Pläne müssen gestoppt werden, wenn wir das 1,5-Gradziel einhalten wollen. Gerade erst im Oktober 2021 einigten sich die OECD-Länder und damit u.a. Japan, Australien und die Türkei, auf die Einstellung von Exportkrediten für neue Kohlekraftwerke, die keine Carbon Capture, (Utilization) and Storage (CCUS/CCS) anwenden. Obwohl dies die erste international verbindliche Vereinbarung ist, die die Exportunterstützung für internationale Kohleprojekte bis Ende 2021 beendet, stützt sie sich auf falsche Lösungen. Es gibt keine “sauberen” Kohlekraftwerke. Auch wenn Emissionen “eingefangen/gespeichert” werden können, hängt an der Kohleindustrie die schmutzige Kohleproduktion, der Kohlebergbau. CCS legitimiert die Fortführung fossiler Industrien. Die Verfahren sind energieintensiv, kostspielig, und bergen neue Risiken.

                                  Auch China wird aber genau diesen Weg gehen: Umstellung auf Gas und Flüssiggas (LNG), und CCS/CCUS. Atomenergie und Staudämme sind die anderen beiden “klimafreundlichen” Technologien, die auf der COP26 angepriesen werden. Gas kann keine Brückentechnologie sein, in die nun massiv investiert wird. Bei der Verbrennung entsteht zwar weniger CO2 pro kWh, dafür entweicht bei Förderung und Transport des fossilen Gases das noch viel klimaschädlichere Methan.

                                  Warnung vor Scheinlösungen

                                  Wir wollen verhindern, dass diese Technologien Eingang in die europäische Taxonomie finden. Sie zählen zu den “falschen Lösungen”. Eine weitere Scheinlösung stellen ETM-Schemata (Energy Transition Mechanism) dar, im Rahmen derer den Kraftwerken Entschädigungssummen für das frühere Abschalten gezahlt werden. So soll es geschehen bei dem deutschen Braunkohleausstieg (dies wird seit 2021 allerdings noch in der EU-Kommission geprüft).

                                  Auf der COP26 wird dieses Schema als goldener Weg von der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) angepriesen werden (3. November 2021). Ein Gutachten auf europäischer Ebene hat gezeigt, dass diese ETMs de facto eine Verlängerung der Laufzeit ermöglichen. Auch in China und Asien sind diese Lösungen Scheinlösungen. Die ADB, die dann Eigentümer von Kohlekraftwerken würde, trotz ihrer “Kohleausstiegsstrategie”, erklärt die “Verringerung der Laufzeit auf 15 Jahre”. Dies kann angesichts des neuen IPCC Berichts vom 9. August 2021 keine wirkliche Lösung sein. Außerdem sollen diese Buy-out-Pläne zusammen mit Investoren geschehen, die mit zu den größten Expansionisten gehören, wie Blackrock, HSBC und Citigroup Inc.

                                  In einer großen Koalition von Gleichgesinnten setzen wir uns für die Abkehr von solchen Scheinlösungen ein. Aber abgesehen davon: China interne Kohleexpansionspläne allein, immerhin 250 Gigawatt neue Kohlekraftwerkskapazität, könnten jedoch das Pariser Klimaabkommen kippen. Der Bau des Riesenstaudammes in Tibet oder die Mega-Solarkraftwerke in der Wüste werden mit der neuen Kohlekraft um das Netz konkurrieren. Eine grundlegende Aussage zum Kohleausstieg innerhalb China ist dringender denn je.

                                  Nora Sausmikat ist Leiterin des China Desk der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald e.V.

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                                    Portrait

                                    Kevin Gallagher – Experte zu Chinas Entwicklungsfinanzierung

                                    Kevin Gallagher Director des Global Development Policy Center
                                    Director des Global Development Policy Center der Boston University

                                    Die Analysen von Kevin Gallagher spannen oftmals über mehrere Kontinente. Der Professor für Entwicklungspolitik an der Boston University hat sich während seiner akademischen Karriere besonders auf Lateinamerika spezialisiert. Seine Forschungen zur Volksrepublik konnte er als Gastprofessor an der Tsinghua-Universität in Peking intensivieren. “Jüngst hat sich China als eine Art Kreditgeber letzter Instanz für jene Länder in der Region etabliert, die beschränkten Zugang zu den globalen Finanzmärkten haben”, sagt der US-Amerikaner.

                                    Die Volksrepublik habe schon 2008 die Staaten in der Karibik und Lateinamerika (LAC) vor den schlimmsten Auswirkungen der damaligen Finanzkrise bewahrt. Chinas Konjunkturprogramm kurbelte die Nachfrage nach Rohstoffen aus der Region an, die sich zwischen 2009 und 2011 fast verdoppelt hat. “Die Handelsbeziehungen zwischen China und den LAC sind von entscheidender Bedeutung für das wirtschaftliche Wohlergehen der Region”, sagt Gallagher.

                                    Heute würden beispielsweise mehr als drei Viertel aller Sojabohnen aus Brasilien importiert. “Die Corona-Pandemie hat offengelegt, wie stark die LAC von China als Exportziel für ihre Rohstoffe abhängig sind”, meint er.

                                    Entwicklungshilfe auf Weltbank-Niveau

                                    Gallagher versucht in seiner Forschung mit statistischen Analysen und Berechnungsmodellen globale Handels- und Finanzströme zu analysieren. Mit Blick auf China betont er regelmäßig, welche Risiken die wachsende Relevanz der Volksrepublik in der Entwicklungsfinanzierung hinsichtlich der Schuldenlast, Biodiversität und des Klimawandels mit sich bringt. Beispielsweise beleuchtet eine neue Datenanalyse seines Global Development Policy Center in Boston die Auslandsdarlehen der China Development Bank und der Bank of China zwischen 2008 und 2019. In diesem Zeitraum lag die globale Entwicklungshilfe Chinas bei 462 Milliarden US-Dollar und damit nur knapp hinter jener der Weltbank.

                                    Die chinesischen Investments könnten bis 2030 zu einem Anstieg des globalen Realeinkommens von 2,9 Prozent führen. “Aber der Anstieg chinesischer Entwicklungshilfe sorgt für Bedenken angesichts einer möglichen Schuldenspirale für die Empfängerländer. Wenngleich sich die Investitionen über die Welt verteilen, sind 60 Prozent davon an lediglich zehn Länder gegangen: Venezuela, Pakistan, Russland, Brasilien, Angola, Ecuador, Argentinien, Indonesien, Iran und Turkmenistan. Einige davon könnten Schwierigkeiten bei der Rückzahlung bekommen”, erklärt er.

                                    Die Entwicklungshilfe Chinas konzentriere sich vor allem auf den Bau von Infrastruktur. Eine Datenanalyse von Gallaghers Team hat deshalb von der Volksrepublik finanzierte Projekte auf deren Nähe zu biologisch sensiblen Regionen ausgewertet. Von den 615 Projekten befänden sich 124 in nationalen Umweltschutzgebieten und könnten sich negativ auf die Lebensräume bedrohter Arten auswirken.

                                    Investitionen mit bedenklichen Nebenwirkungen

                                    In vielerlei Hinsicht beinhalten die Aussagen von Gallagher ein “Ja, aber”. Er erkennt an, dass China als Geldgeber oftmals dort eingesprungen sei, wo sich der wohlhabende Westen zurückgezogen habe. Doch nicht selten sind die Investitionen der Volksrepublik mit negativen Auswirkungen verbunden. Deshalb besteht Handlungsbedarf auf internationaler Ebene.

                                    Gallaghers Expertise ist gefragt. Seit einigen Jahren ist er Mitglied des Komitees für Entwicklungspolitik der Vereinten Nationen. Auch war er Teil eines Expertenteams für den China Council for International Cooperation on Environment and Development (CCICED). Das Team analysierte, wie die Belt-and-Road-Initiative mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen in Einklang gebracht werden kann. Die Vergrößerung der Schnittmengen zwischen chinesischen Investitionen und Nachhaltigkeit wird Gallagher auch künftig beschäftigen. Constantin Eckner

                                    • Infrastruktur
                                    • Klima
                                    • Neue Seidenstraße

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