die G7 wurden erst totgesagt, dann litten sie unter der Verachtung des vorigen US-Präsidenten. Mit Joe Biden erleben sie nun den Neubeginn als einflussreiches Gipfel-Format. Hauptthema war am Wochenende China. Die alten Industrienationen wollen näher zusammenrücken, um der Seidenstraßen-Initiative eigene Projekte entgegenzusetzen, berichtet Felix Lee. Das kann durchaus positive Auswirkungen haben: Konkurrenz belebt das Geschäft. China und der Westen buhlen jetzt um Investitionen im Globalen Süden. Zugleich zeigt die Nervosität der G7, welchen wirtschaftlichen und technischen Stand China bereits erreicht hat.
Die chinesische Industrie stößt so inzwischen auch in Sphären vor, in denen sich die westliche Konkurrenz bis vor kurzem noch sicher gefühlt hat. China wird zum Weltklasse-Spieler bei Krebstherapien, beobachtet Frank Sieren. Die Medikamente sind nicht nur ähnlich gut, sondern künftig möglicherweise auch billiger. Das eröffnet auch Chancen auf dem deutschen Markt. Schließlich ist es die Pflicht der Krankenkassen, sparsam zu wirtschaften.
Agnes Chow ist vorerst wieder frei. Die Hongkonger Aktivistin hat sechs Monate und 20 Tage in Haft verbracht. Ihr Vergehen: Sie hatte eine Demo mitorganisiert. Ihre Freilassung ist nun jedoch keineswegs ein positives Zeichen, sondern nur ein Zwischenstand. Chinas Sicherheitsgesetz hat das rechtsstaatliche Hongkonger Grundgesetz in die zweite Reihe verbannt. Die tapfere Aktivisten selbst ist nun laut Instagram vor allem eines: erschöpft.
Einen guten Start in die Woche wünscht
Sieben gut gelaunte Staats- und Regierungschefs, dazu die EU-Kommissionspräsidentin und der EU-Ratspräsident, stehen auf einem Podest am Strand von Cornwall und strahlen in die Kameras. In der Mitte steht Großbritanniens Premierminister Boris Johnson, Gastgeber des Gipfels, und hat seine Arme weit geöffnet, als wolle er signalisieren: Wir sind uns alle einig. Viel Harmonie, kaum Streit: Nachdem die G7 in der Ära Trump kurz vor der Spaltung standen, präsentieren sich die westlichen Wirtschaftsmächte bei ihrem Gipfel wie neugeboren.
Doch der Eindruck täuscht. Hinter den Kulissen knirschte es. Vor allem beim Thema China, das die neue US-Regierung unter Joe Biden, aber auch Großbritannien und Kanada als Topthema auf die Gipfel-Agenda setzten, waren sich die Regierungen bis zum letzten Tag uneins. Größte Blockiererin war dieses Mal die Bundesregierung.
Nach langem Ringen haben sich die Regierungen der USA, Japans, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Kanadas und Italiens zwar auf einen härteren Kurs gegenüber China geeinigt. In der Abschlusserklärung ihres Gipfels sprachen sie sich deutlich gegen unfaire Handelspraktiken und Menschenrechtsverstöße in der Uiguren-Provinz Xinjiang aus, aber auch gegen das harte Vorgehen der chinesischen Führung in Hongkong gegenüber der dortigen Demokratie-Bewegung.
Im Umgang mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt einigten sich die G7 jedoch lediglich darauf, sich verstärkt “über ein kollektives Vorgehen abzusprechen, um marktwidrige Politik und Praktiken anzufechten, die den fairen und transparenten Ablauf der Weltwirtschaft untergraben”. Auch wollen die G7-Staaten ihre “gemeinsamen Werte fördern”. Dazu gehöre es China aufzufordern, fundamentale Freiheiten zu achten, “besonders hinsichtlich Xinjiang und jenen Rechten, Freiheiten und dem hohen Maß an Autonomie, das für Hongkong in der gemeinsamen Erklärung zwischen China und Großbritannien und dem Grundgesetz festgeschrieben ist”. Es herrschte jedoch keine Einigkeit darüber, welche Konsequenzen das im konkreten Umgang mit China haben könnte.
Zudem einigten sich die G7 auf ein von den USA initiiertes Infrastrukturprogramm für Entwicklungs- und Schwellenländer. Das war zumindest verbal nicht unmittelbar gegen China gerichtet. US-Berechnungen zufolge wird in in weiten Teilen der Welt Infrastruktur im Wert von 40 Billionen Dollar benötigt. Die Initiative “Build Back Better World” (3BW), so der Name dieses neuen Programms, soll nach US-Angaben hunderte Milliarden Dollar an öffentlichen und privaten Geldern für Investitionen in Entwicklungsländer mobilisieren. Die Umsetzung solle “auf transparente und nachhaltige Weise – finanziell, umweltfreundlich und sozial – erfolgen”, versprach die US-Regierung. Vor allem Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen sollen von dem Programm profitieren.
Doch um bloß nicht den Ärger Pekings auf sich zu ziehen, sollte auch dieses Programm nach dem Willen der Bundesregierung noch nicht allzu konkret ausfallen. Es werde zunächst lediglich eine Arbeitsgruppe geben, die auch erste Projekte benennen solle, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. “Aber soweit, dass wir jetzt Finanzmittel spezifiziert hätten, so weit sind wir noch nicht.”
Seit 2013 ist China dabei, mit der Seidenstraßen-Initiative Handelswege nach Europa, Südostasien, Afrika und Lateinamerika zu erschließen (China.Table berichtete). Was im Westen bis vor kurzem noch als illusorisch belächelt wurde, ist in vielen Regionen bereits Realität. Mehr als 100 Länder haben Kooperationsverträge mit der Volksrepublik für den Bau von Bahnlinien, Straßen, Häfen und Flughäfen unterzeichnet (China.Table berichtet zum Flughafen Budapest). Rund eine Billion Dollar hat die Führung in Peking bis 2025 für dieses umfassende Programm angekündigt. Fast 730 Milliarden Dollar hat sie bis 2019 bereits investiert oder fest eingeplant.
Die Teilnehmerländer versuchten insgesamt im Verlauf des Gipfels, die Konfrontation mit China etwas abzuschwächen. “Es geht nicht darum, dass die Länder zwischen uns und China wählen müssen”, sagte ein führender Beamte der US-Regierung. Vielmehr solle “eine positive, alternative Vision” geboten werden, für die sich Länder entscheiden könnten. Kritiker der “Neuen Seidenstraße” warnen schon seit geraumer Zeit, dass arme Länder sich finanziell und politisch abhängig und damit auch erpessbar von der autoritären chinesischen Führung machen. Oft kommen auch nur chinesische Unternehmen zum Zuge. Die USA werfen Peking einen “Mangel an Transparenz, schlechte Umwelt- und Arbeitsstandards” und ein Vorgehen vor, das viele Länder am Ende schlechter dastehen lasse.
Doch auch zur neuen Seidenstraße hat die Bundesregierung ein zwiespältiges Verhältnis. Einerseits ist ihr bewusst, dass Peking außenpolitisch zunehmend aggressiv agiert und mit zweifelhaften Methoden versucht, sich Rohstoff-Vorkommen und Einfluss zu sichern. Andererseits profitiert Deutschland von einem starken, gut vernetzten China. Nicht zuletzt ist Deutschland eine Zielregion des Projekts: Duisburg eine der wichtigeren Endstationen der Seidenstraßen-Verbindungen. Viele Dax-Unternehmen sind inzwischen auch chinesische Firmen mit Dutzenden von Standorten und Zehntausenden von Mitarbeitern in der Volksrepublik Diese Investitionen will die Bundesregierung nicht gefährden.
Chinas Führung reagierte auf den Vorstoß der G7 entsprechend verärgert und stellte den Stellenwert der G7 generell infrage. “Die Zeiten in denen weltweite Entscheidungen von einer kleinen Gruppe von Ländern getroffen wurden, sind lange vorbei”, sagte ein Sprecher der chinesischen Botschaft in London. Alle Staaten, egal ob groß oder klein, stark oder schwach, arm oder reich, seien gleich. Welche Konsequenzen die chinesische Führung aus dem neuen Anti-China-Kurs der G7 zieht, blieb aber zunächst offen.
Wenn es um neue Krebsmedikamente geht, ist China seit jüngstem vor allem im Segment der Checkpoint-Inhibitoren vielversprechend. Diese Therapie, die die Abwehrreaktion des Immunsystems gegenüber Tumorgewebe unterstützt, wird sowohl in Monotherapie als auch in Kombination mit Chemotherapie eingesetzt.
In den USA kostet ein Therapiejahr mit Checkpoint-Inhibitoren bis zu 175.000 US-Dollar. Chinesische Pharmahersteller nehmen diese Herausforderung nun an. Zu diesen neuen chinesischen Playern gehören Shanghai Junshi Biosciences Co. und die Pekinger Innovent Biologics Inc. Ihre Medikamente haben sich in Studien bereits als vielversprechend erwiesen.
Laut einer Umfrage des amerikanischen Finanzdienstleisters Cowen & Co. erklärten US-Ärzte, dass kostengünstigere Inhibitoren schnell bis zu 30 Prozent des 150 Milliarden US-Dollar schweren globalen Marktes erobern könnten. Junshi Biosciences und Innovent Biologics wollen daher nicht nur in China, sondern auch auf dem internationalen Markt mitspielen – allerdings wird bisher keines der Produkte außerhalb ihres Heimatlandes verkauft. Dazu müssen sie noch besser und billiger werden als ihre westlichen Wettbewerber.
Die derzeit bekanntesten Medikamente dieser Art heißen “Keytruda” und “Opdivo” und stammen von den US-Herstellern Merck & Co., beziehungsweise Bristol Myers Squibb. Laut Daten von Bloomberg könnte allein der Umsatz mit Keytruda in diesem Jahr mehr als 17 Milliarden US-Dollar betragen und sich bis 2025 auf fast 26 Milliarden US-Dollar steigern.
Zumindest auf dem chinesischen Markt wächst jedoch der Anteil der Eigenentwicklungen. Immerhin zwölf von 44 der zwischen 2018 und August 2020 in China zugelassenen, neuen Krebsmedikamente wurden bereits lokal entwickelt. Obwohl China dem Westen in den meisten Biotech-Bereichen noch immer hinterherhinkt, ist das Land in einigen Segmenten bereits global wettbewerbsfähig, wenn nicht sogar führend, etwa bei der Chimären Antigenrezeptor-T-Zelltherapie (CAR-T-Zelltherapie), einer neuen Form der Krebstherapie, die auf der gentechnischen Veränderung bestimmter Immunzellen beruht. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie waren amerikanische Patienten dem Vernehmen nach eigens nach China gereist, um sich dort behandeln zu lassen.
Dabei baut China auf internationale Forschungen auf: Der US-amerikanische Immunologe James P. Allison und sein japanischer Kollege Tasuko Honjo, deren Arbeiten die Grundlage für die Entwicklung der Checkpoint-Inhibitoren bildeten, wurden 2018 mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet.
Der erste chinesische Medikamenten-Einsteiger in den US-Markt dürfte wohl das Präparat Toripalimab der Firma Junshi zur Behandlung von Nasenrachen-Krebs sein. In Tests wurde bescheinigt, dass mit dem Medikament behandelte Patienten ein um 40 Prozent geringeres Sterberisiko aufweisen, wenn es zusammen mit einer Chemotherapie angewendet wird. Das ist das Ergebnis von Tests, die die American Society of Clinical Oncology’s jüngst auf ihrem jährlichen Treffen veröffentlicht hat.
Die Ergebnisse seien so vielversprechend, dass es “keinen Grund gibt, es niedrig zu bepreisen”, erklärt Li Ning, Chief Executive Officer von Junshi. Er geht davon aus, dass der Preis von Toripalimab zwischen 80 und 120 Prozent bereits bekannter westlicher Medikamente liegen wird, also womöglich sogar teurer.
Die chinesischen Hersteller suchen sich unterdessen westliche Partner, mit denen sie gemeinsam ihre Produkte auf den lukrativen Märkten der USA und der EU anbieten. Junshi arbeitet mit dem kalifornischen Unternehmen Coherus Biosciences, das an der US-Technologiebörse Nasdaq gelistet ist. Ein anderer Partner ist der britisch-schwedische Pharmakonzern Astrazeneca, der durch seinen Corona-Impfstoff weltbekannt wurde.
Das Pekinger Unternehmen Beigene hat wiederum Anfang dieses Jahres in der Basler Novartis AG einen Partner gefunden. Dabei geht es um das Krebsprodukt Tislelizumab, ein Antikörper-Medikament, das man zusammen in Europa und den USA vermarkten will. Es handelt sich um eine Lizenzvereinbarung.
Und Innovent Biologics aus Suzhou bei Shanghai versucht gerade, gemeinsam mit dem US-Unternehmen Eli Lilly die Zulassung für den amerikanischen Markt für ihr Lungenkrebsprodukt zu bekommen. Am 3. Juni erst hat die chinesische National Medical Products Administration (NMPA) ein neues Produkt der beiden Partner genehmigt, das unter dem Markennamen TYVYT nicht-kleinzelligen Lungenkrebs bekämpft, auf den 85 Prozent der Lungenkrebstoten in China zurückgehen. Lungenkrebs ist die häufigste Todesursache in dem 1,4-Milliarden-Einwohner-Land, gefolgt von Magen- und Leberkrebs.
Eine wirtschaftliche Entkopplung des Westens von China ist anscheinend auch in der Pharmabranche noch kein Trend. Im Gegenteil. Die westlichen Partner hoffen auf besseren Zugang zum chinesischen Markt. Oft werden bei Krebstherapien mehrere Produkte verschiedener Hersteller gleichzeitig verabreicht. Die Volksrepublik ist heute der zweitgrößte Pharmamarkt der Welt und hat global die größte Zahl an Krebspatienten. Allein 2018 wurden vier Millionen neue Fälle diagnostiziert – mehr als doppelt so viele wie in den USA.
Mit der alternden Bevölkerung wächst die Zahl der Krebskranken in der Volksrepublik stetig an. Trotz erheblicher Fortschritte im Gesundheitswesen und trotz der niedrigen Produktionskosten für medizinische Wirkstoffe klafft in China in vielen Bereichen aber noch eine Lücke zu westlichen Industrienationen. Laut Chinas Nationaler Gesundheitskommission überlebten im Jahr 2020 nur 40,5 Prozent der Krebspatienten des Landes fünf oder mehr Jahre nach der Diagnose. In den Vereinigten Staaten lag die Rate bei 67 Prozent.
Was klinische Studien angeht, verfügt China bislang nur über etwa zehn Prozent des Volumens der USA. Die neue Generation von Medikamenten, die die Überlebenschancen bei Krebs signifikant erhöhen, wird bislang hauptsächlich von US-amerikanischen und europäischen Pharmagiganten hergestellt. Ihre Preise können sich normale chinesische Patienten oft nicht leisten. Zudem sind die Gesundheitsressourcen in China nach wie vor ungleich verteilt. Viele Patienten gehen für die Erstdiagnose und -behandlung in der Regel in wohlhabende Städte mit besseren Krankenhäusern. In Peking und Shanghai stammen etwa 70, beziehungsweise 45 Prozent der Patientenpopulation nicht aus der jeweiligen Stadt.
Neben Anti-Raucher-Kampagnen und dem Kampf gegen Umwelt- und vor allem Luftverschmutzung will Peking unter dem Motto “Healthy China 2030” kontinuierlich den Versicherungsschutz im Land ausweiten, Behandlungskosten senken und Pharmakonzerne zu Preissenkungen anhalten. Die Zulassung vielversprechender heimischer Medikamentenkandidaten wurde beschleunigt.
41 Krebsmedikamente wurden 2018 und 2019 in die Nationale Erstattungsliste (NRDL) aufgenommen – zu Preisen, die deutlich niedriger liegen als ähnliche Produkte aus dem Westen. Chinas Krankenhäuser verzeichneten im Jahr 2020 einen 15-prozentigen Anstieg der Auswahl preisreduzierter Krebsmedikamente im Vergleich zu 2019. Dazu gehören auch die Checkpoint-Inhibitoren von Innovent, Junshi, Beigene und Jiangsu Hengrui Medicine, die vom Staat gezwungen wurden, ihre Preise aus sozialen Gründen um bis zu 80 Prozent zu senken. Dies könnte nun die Preisstruktur im Weltmarkt verändern.
Peking hat zudem die Biotechnologie als einen der zehn Schlüsselsektoren im Rahmen seiner Industriestrategie “Made in China 2025” definiert und möchte die Bildung “international wettbewerbsfähiger biopharmazeutischer Industriecluster” weiter fördern. Dafür hat der Staat im vorvergangenen Jahr 340 Milliarden US-Dollar in Forschung und Entwicklung von Wissenschaft und Technologie investiert. Knapp zehn Milliarden US-Dollar flossen dabei in den Pharma-Sektor.
Außerdem will Peking mit seiner “Thousand Talents”-Initiative Wissenschaftler mit Top-Gehältern und üppigen Forschungsbudgets zurück in ihre Heimat locken. Die Unternehmen Beigene, Junshi Bio und Innovent Bio wurden alle von chinesisch-amerikanischen oder chinesischen Wissenschaftlern gegründet, die zuvor an führenden US-Universitäten und wichtigen medizinischen Forschungsinstituten tätig gewesen waren. Heute gibt es in China rund 663.000 Biotech-Unternehmen, von denen fast die Hälfte erst in den letzten sechs Jahren registriert wurde.
Nach mehr als einem halben Jahr Haft wurde die Hongkonger Aktivistin Agnes Chow wieder entlassen. “Ein qualvolles halbes Jahr und zwanzig Tage sind endlich vorüber”, schrieb sie nach ihrer Freilassung am Samstag auf Instagram. “Alle meine Freunde sind trotz Regen hergekommen. Als nächstes muss ich mich gründlich ausruhen und für mich sorgen, weil ich ganz abgemagert bin.” Sie fügte in Klammern hinzu: “trauriges Lächeln”.
Agnes Chow war zu der Gefängnisstrafe verurteilt worden, weil sie 2019 zu Protesten für den Erhalt der Demokratie in Hongkong aufgerufen hatte. Sie war unter anderem bei einer 15-stündigen Belagerung des Polizeipräsidiums dabei. Auf Videos ist zu sehen, wie Chow das Gefängnis verlässt und sofort von Unterstützer:innen und Reporter:innen umringt wird. Nur ein Anwesender wagte ein politisches Statement, indem er einen gelben Regenschirm aufspannte. Der gelbe Schirm war das Symbol der Demokratiebewegung. Chow, 24, war eine Mitgründerin der inzwischen aufgelösten Bürgerrechtler-Partei Demosisto, die den steigenden Einfluss Pekings in der Stadt zurückdrängen wollte. Ihr Mitstreiter Joshua Wong sitzt noch im Gefängnis. Ein weiterer ehemaliger Parteifreund, Nathan Law, befindet sich in Großbritannien im Exil. fin
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fordert, die Abhängigkeit von China bei der Versorgung mit medizinischem Material und Medikamenten zu verringern. “Wenn wir eines wirklich schmerzhaft erlebt haben in dieser Pandemie, dann die viel zu große Abhängigkeit von China”, sagte Spahn beim “Tag des deutschen Familienunternehmens” in Berlin. Deutschland sei bei zu vielen lebensnotwendigen Produkten auf die Importe aus Fernost angewiesen. “Aber wir sind auch zu abhängig von China als Absatzmarkt.” fin
Der EU-Beitrittskandidat Montenegro und Brüssel befinden sich einem Bericht zufolge in Gesprächen über finanzielle Hilfe, um einen chinesischen Kredit zu refinanzieren (wie der China.Table berichtete). Die EU-Kommission habe sich an die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die staatliche französische Entwicklungsagentur AFD sowie an den italienischen Staatskreditgeber CDP gewandt, damit diese einen Hilfsplan für Montenegro in Gang setzen. Das berichtete Reuters unter Berufung auf einen EU-Vertreter. Der Plan sei es, von den drei Kreditinstitutionen Angebote zu bekommen und diese dann zusammenführen. Noch vor dem Sommer soll eine Lösung gefunden werden. Die Idee, dass die EU den chinesischen Kredit für Montenegro direkt refinanziere, sei verworfen worden, da dafür die Zustimmung Pekings nötig gewesen sei, so der EU-Vertreter dem Bericht zufolge. Eine Bestätigung vonseiten Brüssels oder der Kreditgeber gab es zunächst nicht.
Montenegro hatte 2014 ein Darlehen von mehr als 800 Millionen Euro von der chinesischen Exim Bank erhalten, um den ersten von drei Abschnitten einer Autobahn von der Küstenstadt Bar bis zur serbischen Grenze zu bauen (China.Table berichtete). Die Straße wird von der China Road and Bridge Corporation gebaut. Diese sollte die Arbeiten 2019 abschließen, hat die Frist jedoch bis November 2021 verlängert. Im kommenden Monat war eigentlich die erste Tranche der Rückzahlung fällig – Montenegro hat aber Zahlungsschwierigkeiten. Zuletzt bot China einen Aufschub der Frist an (China.Table berichtete). Im April hatte sich Montenegro bereits wegen finanzieller Hilfe an Brüssel gewandt, das Gesuch wurde aber abgewiesen. ari
Der Onlinehandels-Riese Alibaba will nun ebenfalls in das Geschäft selbstfahrende Lkw entwickeln. Der Logistik-Arm des Unternehmens, Cainiao, plane die Entwicklung der nötigen Technik, sagte der Technikchef des Unternehmens auf der Konferenz “Global Smart Logistics Summit”. Außerdem wolle das Unternehmen 1.000 Zustellroboter des Typs Xiaomanlü (小蛮驴, “Kleiner Robuster Esel”) in der Praxis testen – allerdings nur in überschaubaren Anwendungsbereichen wie Universitäten. Weitere Details gab das Unternehmen nicht bekannt.
Der Markt für selbstfahrende Lkw gilt als Einstiegssegment für das autonome Fahren. Die Trucks sollen zunächst nur auf Autobahnen eigenständig in Kolonne fahren oder auf Landstraßen den Weg zum Logistikzentrum finden. Für den Mischverkehr in der Stadt mit Fußgängern und Radfahrern sind weiterhin menschliche Fahrer nötig. fin
Dem Internetkonzern Baidu ist es gelungen, eine Phalanx von 36 chinesischen Technikfirmen unter das Dach einer Allianz zur gemeinsamen Entwicklung von Anwendungen der Künstlichen Intelligenz zu bringen (alles zur Künstlichen Intelligenz im China.Table). Der Vorsitzende ist der Technikchef von Baidu, Wang Haifeng. Zu den Mitgründern gehören unter anderem:
Welche Ziele die Allianz verfolg, und wie sie den Mitgliedern nützen wird, ist noch offen. Das Bündnis ist jedoch vielversprechend, weil es die Elite der chinesischen Technikbranche zusammenbringt. In den genannten Unternehmen sind von Mustererkennung bis zur Berechnung des Konsumentenverhaltens zahlreiche der am meisten diskutierten Anwendungen der Künstlichen Intelligenz vertreten. fin
Mehr als 200.000 Ausländer sind nach offiziellen Angaben bislang in China gegen Covid-19 geimpft worden. Ein Sprecher des Außenministeriums erklärte, ausländische Staatsbürger der in Frage kommenden Altersgruppen seien in das nationale Impfprogramm integriert worden. Als nächstes soll mit “einigen relevanten Staaten” die Zusammenarbeit intensiviert werden, kündigte der Sprecher an. Die Regierung will deren Staatsbürgern, die in China leben, den Zugang zur Impfung erleichtern. Insgesamt waren vor Ausbruch der Corona-Pandemie etwa eine Millionen Ausländer im Land als gemeldet, davon etwa 15.000 Deutsche.
In der Volksrepublik werden ausschließlich chinesische Wirkstoffe des staatlichen Herstellers Sinopharm und des privaten Anbieters Sinovac verabreicht. Beide Stoffe haben von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bislang nur eine Notfallzulassung erhalten (China.Table berichtete). Ihre Wirksamkeit liegt zwischen 50 und 78 Prozent. Vor einigen Wochen hatte das Land angekündigt, nur jenen Ausländern, die mit chinesischem Impfstoff immunisiert worden sind, die Einreise nach China zu erleichtern. grz
Anfang 2020, genau zum chinesischen Neujahr, kam Andreas Merzhäuser nach China. Außer dem politischen Interesse hatte der promovierte Germanist und Historiker keine Verbindung zu dem Land. Die Neugier auf das Unbekannte und die Chance darauf, ein aufsteigendes China, das die Geschichte des 21. Jahrhunderts prägen möchte, aus nächster Nähe kennenzulernen, brachten Merzhäuser an die Deutsche Botschaftsschule in Peking. Es ist nicht sein erster Lehraufenthalt im Ausland. Bereits zu Beginn der Jahrtausendwende war Andreas Merzhäuser in London im Außendienst – als Lehrer und später auch als stellvertretender Schulleiter. Das öffnete ihm zunächst neue Türen in Deutschland, wo er für über 14 Jahre ein Gymnasium leitete, ehe er sich entschloss, nach China zu gehen.
Rund 500 Schüler:innen lernen zurzeit in den Jahrgängen eins bis zwölf an der Botschaftsschule. Die Einrichtung unterliegt der Schulaufsicht des Bundes, unabhängig von den chinesischen Vorgaben, und vergibt sowohl den Mittleren Abschluss als auch das Abitur. Die Lehrkräfte sind zumeist beurlaubte Landesbeamte aus Deutschland, die für eine bestimmte Zeit in Peking arbeiten. Daneben gibt es auch Lehrkräfte, die familiär an Peking gebunden sind.
Zu den Hauptaufgaben der Schule gehört es, Kinder und Jugendliche auf einen reibungslosen Schulwechsel vorzubereiten, wenn sie mit ihren Eltern wieder einmal in ein neues Land ziehen. Denn viele der Schüler:innen sind Kinder von sogenannten Expats, also entsandte Mitarbeiter deutscher Unternehmen, beispielsweise von Automobilkonzernen, die meist nur wenige Jahre in China leben, ehe der nächste Standort ruft. Unterrichtet werden sie überwiegend auf Deutsch, auf dem Schulhof gesellen sich Englisch und Chinesisch dazu und bilden einen bunten Sprachenmix. Wer hier lernen will, muss jedoch eine nicht-chinesische Staatsbürgerschaft vorweisen. China erlaubt eigenen Kindern den Besuch von ausländischen Botschaftsschulen nicht.
Andreas Merzhäusers Ziel ist es, in den geplanten sechs Jahren seines China-Aufenthaltes die Entwicklung der Schule voranzutreiben, vor allem in Sachen Digitalisierung (alles dazu im China.Table). Und es geht durchaus vorwärts, stellt er fest. Die Botschaftsschule hat inzwischen zwei Mitarbeiter, die sich nur um die pädagogische Komponente der Digitalisierung kümmern. Da die Kinderanzahl aus bilingualen Haushalten steigt, möchte sich Merzhäuser zudem noch intensiver mit der Deutschförderung beschäftigen und diesen Bereich ausbauen. Die Vermittlung der deutschen Sprache soll ins Zentrum jeden Unterrichts rücken.
Die Deutsche Botschaftsschule übernimmt noch eine andere wichtige Rolle: “Sie ist ein Zentrum der Community mit AG-Programmen für Schüler und Eltern bis in den Abend hinein und zahlreichen Veranstaltungen“, sagt Merzhäuser. Der Zusammenhalt innerhalb der deutschsprachigen Gemeinde in Peking sei groß. Neuankömmlinge erfahren vielfältige Unterstützung. Die Schule bietet Hilfestellungen und kümmert sich um bürokratische Angelegenheiten der Lehrkräfte.
Auch deshalb hat sich Andreas Merzhäuser gut eingelebt in der Stadt. “Im Grunde braucht man in China nur vier Dinge, um gut leben zu können: eine Sim-Karte, eine Aufenthaltserlaubnis, ein Bankkonto und Wechat. Der Rest erledigt sich fast von selbst”, sagt er. Die chinesische Sprache, gibt er dagegen zu, stellt noch eine Barriere dar. Die Grammatik sei zwar nicht allzu komplex, aber die Aussprache mache es ihm nicht einfach. Anastasia Franz
Bald ist Sommeranfang. Da denkt man an Sonne, Urlaub und – natürlich – Eisärmel! Zumindest in China. Denn dort gilt helle, möglichst sonnenverschonte Haut bekanntlich als Schönheitsideal. Entsprechend erfinderisch sind die Chines:innen, wenn es darum geht, auch den letzten Millimeter ihrer Haut vor ungewünschter Bräunungsbelichtung abzuschirmen. Sonnenschirme – quasi wie Regenschirme, nur aus UV-Schutz-Material – gehören für Chinas Schönheitsbewusste zur sommerlichen Grundausstattung. In China nennt man sie “Sonnenabdeckschirme” (遮阳伞 zhēyángsǎn).
Doch als vielbeschäftigter Großstädter hat man nicht immer die Hände frei zum Tragen, zum Beispiel beim E-Rollerfahren, beim Tippen ins Smartphone, und auch beim Joggen ist ein Schirm in der Hand eher hinderlich. Doch ein paar Klicks auf Taobao bringen Abhilfe. Hier bekommt man für die Suchanfrage “Sonnenschutz” (防晒 fángshài) neben den Klassikern (Schirme, Sonnencremes und Sonnenhüte) auch eine schier unendliche Auswahl an anderen Spielereien angeboten. Die Palette reicht von Sonnenschutzjäckchen und -handschuhen über UV-Schutz-Gesichtsmasken und spezielle Sonnenvisiere bis hin zu professionellen Ganzkopf-Vermummungstüchern mit Sprech- und Atemöffnung, manchmal sogar mit integriertem Sonnenhut.
Ein besonderer Verkaufsschlager sind zudem die eingangs erwähnten “Eisärmel” – auf Chinesisch 冰袖 bīngxiù. Diese Armstulpen sind aus sogenannter “Eisseide” (冰丝 bīngsī) gefertigt – die in China handelsübliche Bezeichnung für ein spezielles Viskose-Gemisch. Diese Kunstfaser ist besonders feuchtigkeitsabsorbierend und luftdurchlässig, wodurch beim Tragen, neben dem Sonnenschutzeffekt, auch noch ein angenehm kühles Hautgefühl entsteht. Klein und federleicht passen die Ärmelchen in jede noch so kleine Handtasche und sind von daher ein beliebtes Gimmick quer durch alle sozialen Milieus – von der Touristin (zum Beispiel bei langen Fußmärschen durch die Verbotene Stadt) bis hin zum Taxifahrer (gegen Bräunungsarm am Steuer).
Nicht wirklich durchgesetzt hat sich dagegen eine andere schrille Sonnenschutzerfindung: die Ganzkopf-Schwimmhaube, nur mit Minischlitzen für Mund, Nase und Augen, besser bekannt und viral gegangen auch unter dem Namen Facekini (脸基尼 liǎnjīní). Mit deren Anblick haben ältere Schwimmliebhaber:innen an Chinas Stränden schon den einen oder anderen nichtsahnenden Touristen im Vorbeischlendern erschreckt. Chinas modebewusste Jugend aber setzt beim Sonnenbad am Strand dann doch lieber auf stylische, individuelle Kombis aus Hut, Brille und Maske – oder bleibt gleich im Schatten.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule www.new-chinese.org.
die G7 wurden erst totgesagt, dann litten sie unter der Verachtung des vorigen US-Präsidenten. Mit Joe Biden erleben sie nun den Neubeginn als einflussreiches Gipfel-Format. Hauptthema war am Wochenende China. Die alten Industrienationen wollen näher zusammenrücken, um der Seidenstraßen-Initiative eigene Projekte entgegenzusetzen, berichtet Felix Lee. Das kann durchaus positive Auswirkungen haben: Konkurrenz belebt das Geschäft. China und der Westen buhlen jetzt um Investitionen im Globalen Süden. Zugleich zeigt die Nervosität der G7, welchen wirtschaftlichen und technischen Stand China bereits erreicht hat.
Die chinesische Industrie stößt so inzwischen auch in Sphären vor, in denen sich die westliche Konkurrenz bis vor kurzem noch sicher gefühlt hat. China wird zum Weltklasse-Spieler bei Krebstherapien, beobachtet Frank Sieren. Die Medikamente sind nicht nur ähnlich gut, sondern künftig möglicherweise auch billiger. Das eröffnet auch Chancen auf dem deutschen Markt. Schließlich ist es die Pflicht der Krankenkassen, sparsam zu wirtschaften.
Agnes Chow ist vorerst wieder frei. Die Hongkonger Aktivistin hat sechs Monate und 20 Tage in Haft verbracht. Ihr Vergehen: Sie hatte eine Demo mitorganisiert. Ihre Freilassung ist nun jedoch keineswegs ein positives Zeichen, sondern nur ein Zwischenstand. Chinas Sicherheitsgesetz hat das rechtsstaatliche Hongkonger Grundgesetz in die zweite Reihe verbannt. Die tapfere Aktivisten selbst ist nun laut Instagram vor allem eines: erschöpft.
Einen guten Start in die Woche wünscht
Sieben gut gelaunte Staats- und Regierungschefs, dazu die EU-Kommissionspräsidentin und der EU-Ratspräsident, stehen auf einem Podest am Strand von Cornwall und strahlen in die Kameras. In der Mitte steht Großbritanniens Premierminister Boris Johnson, Gastgeber des Gipfels, und hat seine Arme weit geöffnet, als wolle er signalisieren: Wir sind uns alle einig. Viel Harmonie, kaum Streit: Nachdem die G7 in der Ära Trump kurz vor der Spaltung standen, präsentieren sich die westlichen Wirtschaftsmächte bei ihrem Gipfel wie neugeboren.
Doch der Eindruck täuscht. Hinter den Kulissen knirschte es. Vor allem beim Thema China, das die neue US-Regierung unter Joe Biden, aber auch Großbritannien und Kanada als Topthema auf die Gipfel-Agenda setzten, waren sich die Regierungen bis zum letzten Tag uneins. Größte Blockiererin war dieses Mal die Bundesregierung.
Nach langem Ringen haben sich die Regierungen der USA, Japans, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Kanadas und Italiens zwar auf einen härteren Kurs gegenüber China geeinigt. In der Abschlusserklärung ihres Gipfels sprachen sie sich deutlich gegen unfaire Handelspraktiken und Menschenrechtsverstöße in der Uiguren-Provinz Xinjiang aus, aber auch gegen das harte Vorgehen der chinesischen Führung in Hongkong gegenüber der dortigen Demokratie-Bewegung.
Im Umgang mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt einigten sich die G7 jedoch lediglich darauf, sich verstärkt “über ein kollektives Vorgehen abzusprechen, um marktwidrige Politik und Praktiken anzufechten, die den fairen und transparenten Ablauf der Weltwirtschaft untergraben”. Auch wollen die G7-Staaten ihre “gemeinsamen Werte fördern”. Dazu gehöre es China aufzufordern, fundamentale Freiheiten zu achten, “besonders hinsichtlich Xinjiang und jenen Rechten, Freiheiten und dem hohen Maß an Autonomie, das für Hongkong in der gemeinsamen Erklärung zwischen China und Großbritannien und dem Grundgesetz festgeschrieben ist”. Es herrschte jedoch keine Einigkeit darüber, welche Konsequenzen das im konkreten Umgang mit China haben könnte.
Zudem einigten sich die G7 auf ein von den USA initiiertes Infrastrukturprogramm für Entwicklungs- und Schwellenländer. Das war zumindest verbal nicht unmittelbar gegen China gerichtet. US-Berechnungen zufolge wird in in weiten Teilen der Welt Infrastruktur im Wert von 40 Billionen Dollar benötigt. Die Initiative “Build Back Better World” (3BW), so der Name dieses neuen Programms, soll nach US-Angaben hunderte Milliarden Dollar an öffentlichen und privaten Geldern für Investitionen in Entwicklungsländer mobilisieren. Die Umsetzung solle “auf transparente und nachhaltige Weise – finanziell, umweltfreundlich und sozial – erfolgen”, versprach die US-Regierung. Vor allem Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen sollen von dem Programm profitieren.
Doch um bloß nicht den Ärger Pekings auf sich zu ziehen, sollte auch dieses Programm nach dem Willen der Bundesregierung noch nicht allzu konkret ausfallen. Es werde zunächst lediglich eine Arbeitsgruppe geben, die auch erste Projekte benennen solle, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. “Aber soweit, dass wir jetzt Finanzmittel spezifiziert hätten, so weit sind wir noch nicht.”
Seit 2013 ist China dabei, mit der Seidenstraßen-Initiative Handelswege nach Europa, Südostasien, Afrika und Lateinamerika zu erschließen (China.Table berichtete). Was im Westen bis vor kurzem noch als illusorisch belächelt wurde, ist in vielen Regionen bereits Realität. Mehr als 100 Länder haben Kooperationsverträge mit der Volksrepublik für den Bau von Bahnlinien, Straßen, Häfen und Flughäfen unterzeichnet (China.Table berichtet zum Flughafen Budapest). Rund eine Billion Dollar hat die Führung in Peking bis 2025 für dieses umfassende Programm angekündigt. Fast 730 Milliarden Dollar hat sie bis 2019 bereits investiert oder fest eingeplant.
Die Teilnehmerländer versuchten insgesamt im Verlauf des Gipfels, die Konfrontation mit China etwas abzuschwächen. “Es geht nicht darum, dass die Länder zwischen uns und China wählen müssen”, sagte ein führender Beamte der US-Regierung. Vielmehr solle “eine positive, alternative Vision” geboten werden, für die sich Länder entscheiden könnten. Kritiker der “Neuen Seidenstraße” warnen schon seit geraumer Zeit, dass arme Länder sich finanziell und politisch abhängig und damit auch erpessbar von der autoritären chinesischen Führung machen. Oft kommen auch nur chinesische Unternehmen zum Zuge. Die USA werfen Peking einen “Mangel an Transparenz, schlechte Umwelt- und Arbeitsstandards” und ein Vorgehen vor, das viele Länder am Ende schlechter dastehen lasse.
Doch auch zur neuen Seidenstraße hat die Bundesregierung ein zwiespältiges Verhältnis. Einerseits ist ihr bewusst, dass Peking außenpolitisch zunehmend aggressiv agiert und mit zweifelhaften Methoden versucht, sich Rohstoff-Vorkommen und Einfluss zu sichern. Andererseits profitiert Deutschland von einem starken, gut vernetzten China. Nicht zuletzt ist Deutschland eine Zielregion des Projekts: Duisburg eine der wichtigeren Endstationen der Seidenstraßen-Verbindungen. Viele Dax-Unternehmen sind inzwischen auch chinesische Firmen mit Dutzenden von Standorten und Zehntausenden von Mitarbeitern in der Volksrepublik Diese Investitionen will die Bundesregierung nicht gefährden.
Chinas Führung reagierte auf den Vorstoß der G7 entsprechend verärgert und stellte den Stellenwert der G7 generell infrage. “Die Zeiten in denen weltweite Entscheidungen von einer kleinen Gruppe von Ländern getroffen wurden, sind lange vorbei”, sagte ein Sprecher der chinesischen Botschaft in London. Alle Staaten, egal ob groß oder klein, stark oder schwach, arm oder reich, seien gleich. Welche Konsequenzen die chinesische Führung aus dem neuen Anti-China-Kurs der G7 zieht, blieb aber zunächst offen.
Wenn es um neue Krebsmedikamente geht, ist China seit jüngstem vor allem im Segment der Checkpoint-Inhibitoren vielversprechend. Diese Therapie, die die Abwehrreaktion des Immunsystems gegenüber Tumorgewebe unterstützt, wird sowohl in Monotherapie als auch in Kombination mit Chemotherapie eingesetzt.
In den USA kostet ein Therapiejahr mit Checkpoint-Inhibitoren bis zu 175.000 US-Dollar. Chinesische Pharmahersteller nehmen diese Herausforderung nun an. Zu diesen neuen chinesischen Playern gehören Shanghai Junshi Biosciences Co. und die Pekinger Innovent Biologics Inc. Ihre Medikamente haben sich in Studien bereits als vielversprechend erwiesen.
Laut einer Umfrage des amerikanischen Finanzdienstleisters Cowen & Co. erklärten US-Ärzte, dass kostengünstigere Inhibitoren schnell bis zu 30 Prozent des 150 Milliarden US-Dollar schweren globalen Marktes erobern könnten. Junshi Biosciences und Innovent Biologics wollen daher nicht nur in China, sondern auch auf dem internationalen Markt mitspielen – allerdings wird bisher keines der Produkte außerhalb ihres Heimatlandes verkauft. Dazu müssen sie noch besser und billiger werden als ihre westlichen Wettbewerber.
Die derzeit bekanntesten Medikamente dieser Art heißen “Keytruda” und “Opdivo” und stammen von den US-Herstellern Merck & Co., beziehungsweise Bristol Myers Squibb. Laut Daten von Bloomberg könnte allein der Umsatz mit Keytruda in diesem Jahr mehr als 17 Milliarden US-Dollar betragen und sich bis 2025 auf fast 26 Milliarden US-Dollar steigern.
Zumindest auf dem chinesischen Markt wächst jedoch der Anteil der Eigenentwicklungen. Immerhin zwölf von 44 der zwischen 2018 und August 2020 in China zugelassenen, neuen Krebsmedikamente wurden bereits lokal entwickelt. Obwohl China dem Westen in den meisten Biotech-Bereichen noch immer hinterherhinkt, ist das Land in einigen Segmenten bereits global wettbewerbsfähig, wenn nicht sogar führend, etwa bei der Chimären Antigenrezeptor-T-Zelltherapie (CAR-T-Zelltherapie), einer neuen Form der Krebstherapie, die auf der gentechnischen Veränderung bestimmter Immunzellen beruht. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie waren amerikanische Patienten dem Vernehmen nach eigens nach China gereist, um sich dort behandeln zu lassen.
Dabei baut China auf internationale Forschungen auf: Der US-amerikanische Immunologe James P. Allison und sein japanischer Kollege Tasuko Honjo, deren Arbeiten die Grundlage für die Entwicklung der Checkpoint-Inhibitoren bildeten, wurden 2018 mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet.
Der erste chinesische Medikamenten-Einsteiger in den US-Markt dürfte wohl das Präparat Toripalimab der Firma Junshi zur Behandlung von Nasenrachen-Krebs sein. In Tests wurde bescheinigt, dass mit dem Medikament behandelte Patienten ein um 40 Prozent geringeres Sterberisiko aufweisen, wenn es zusammen mit einer Chemotherapie angewendet wird. Das ist das Ergebnis von Tests, die die American Society of Clinical Oncology’s jüngst auf ihrem jährlichen Treffen veröffentlicht hat.
Die Ergebnisse seien so vielversprechend, dass es “keinen Grund gibt, es niedrig zu bepreisen”, erklärt Li Ning, Chief Executive Officer von Junshi. Er geht davon aus, dass der Preis von Toripalimab zwischen 80 und 120 Prozent bereits bekannter westlicher Medikamente liegen wird, also womöglich sogar teurer.
Die chinesischen Hersteller suchen sich unterdessen westliche Partner, mit denen sie gemeinsam ihre Produkte auf den lukrativen Märkten der USA und der EU anbieten. Junshi arbeitet mit dem kalifornischen Unternehmen Coherus Biosciences, das an der US-Technologiebörse Nasdaq gelistet ist. Ein anderer Partner ist der britisch-schwedische Pharmakonzern Astrazeneca, der durch seinen Corona-Impfstoff weltbekannt wurde.
Das Pekinger Unternehmen Beigene hat wiederum Anfang dieses Jahres in der Basler Novartis AG einen Partner gefunden. Dabei geht es um das Krebsprodukt Tislelizumab, ein Antikörper-Medikament, das man zusammen in Europa und den USA vermarkten will. Es handelt sich um eine Lizenzvereinbarung.
Und Innovent Biologics aus Suzhou bei Shanghai versucht gerade, gemeinsam mit dem US-Unternehmen Eli Lilly die Zulassung für den amerikanischen Markt für ihr Lungenkrebsprodukt zu bekommen. Am 3. Juni erst hat die chinesische National Medical Products Administration (NMPA) ein neues Produkt der beiden Partner genehmigt, das unter dem Markennamen TYVYT nicht-kleinzelligen Lungenkrebs bekämpft, auf den 85 Prozent der Lungenkrebstoten in China zurückgehen. Lungenkrebs ist die häufigste Todesursache in dem 1,4-Milliarden-Einwohner-Land, gefolgt von Magen- und Leberkrebs.
Eine wirtschaftliche Entkopplung des Westens von China ist anscheinend auch in der Pharmabranche noch kein Trend. Im Gegenteil. Die westlichen Partner hoffen auf besseren Zugang zum chinesischen Markt. Oft werden bei Krebstherapien mehrere Produkte verschiedener Hersteller gleichzeitig verabreicht. Die Volksrepublik ist heute der zweitgrößte Pharmamarkt der Welt und hat global die größte Zahl an Krebspatienten. Allein 2018 wurden vier Millionen neue Fälle diagnostiziert – mehr als doppelt so viele wie in den USA.
Mit der alternden Bevölkerung wächst die Zahl der Krebskranken in der Volksrepublik stetig an. Trotz erheblicher Fortschritte im Gesundheitswesen und trotz der niedrigen Produktionskosten für medizinische Wirkstoffe klafft in China in vielen Bereichen aber noch eine Lücke zu westlichen Industrienationen. Laut Chinas Nationaler Gesundheitskommission überlebten im Jahr 2020 nur 40,5 Prozent der Krebspatienten des Landes fünf oder mehr Jahre nach der Diagnose. In den Vereinigten Staaten lag die Rate bei 67 Prozent.
Was klinische Studien angeht, verfügt China bislang nur über etwa zehn Prozent des Volumens der USA. Die neue Generation von Medikamenten, die die Überlebenschancen bei Krebs signifikant erhöhen, wird bislang hauptsächlich von US-amerikanischen und europäischen Pharmagiganten hergestellt. Ihre Preise können sich normale chinesische Patienten oft nicht leisten. Zudem sind die Gesundheitsressourcen in China nach wie vor ungleich verteilt. Viele Patienten gehen für die Erstdiagnose und -behandlung in der Regel in wohlhabende Städte mit besseren Krankenhäusern. In Peking und Shanghai stammen etwa 70, beziehungsweise 45 Prozent der Patientenpopulation nicht aus der jeweiligen Stadt.
Neben Anti-Raucher-Kampagnen und dem Kampf gegen Umwelt- und vor allem Luftverschmutzung will Peking unter dem Motto “Healthy China 2030” kontinuierlich den Versicherungsschutz im Land ausweiten, Behandlungskosten senken und Pharmakonzerne zu Preissenkungen anhalten. Die Zulassung vielversprechender heimischer Medikamentenkandidaten wurde beschleunigt.
41 Krebsmedikamente wurden 2018 und 2019 in die Nationale Erstattungsliste (NRDL) aufgenommen – zu Preisen, die deutlich niedriger liegen als ähnliche Produkte aus dem Westen. Chinas Krankenhäuser verzeichneten im Jahr 2020 einen 15-prozentigen Anstieg der Auswahl preisreduzierter Krebsmedikamente im Vergleich zu 2019. Dazu gehören auch die Checkpoint-Inhibitoren von Innovent, Junshi, Beigene und Jiangsu Hengrui Medicine, die vom Staat gezwungen wurden, ihre Preise aus sozialen Gründen um bis zu 80 Prozent zu senken. Dies könnte nun die Preisstruktur im Weltmarkt verändern.
Peking hat zudem die Biotechnologie als einen der zehn Schlüsselsektoren im Rahmen seiner Industriestrategie “Made in China 2025” definiert und möchte die Bildung “international wettbewerbsfähiger biopharmazeutischer Industriecluster” weiter fördern. Dafür hat der Staat im vorvergangenen Jahr 340 Milliarden US-Dollar in Forschung und Entwicklung von Wissenschaft und Technologie investiert. Knapp zehn Milliarden US-Dollar flossen dabei in den Pharma-Sektor.
Außerdem will Peking mit seiner “Thousand Talents”-Initiative Wissenschaftler mit Top-Gehältern und üppigen Forschungsbudgets zurück in ihre Heimat locken. Die Unternehmen Beigene, Junshi Bio und Innovent Bio wurden alle von chinesisch-amerikanischen oder chinesischen Wissenschaftlern gegründet, die zuvor an führenden US-Universitäten und wichtigen medizinischen Forschungsinstituten tätig gewesen waren. Heute gibt es in China rund 663.000 Biotech-Unternehmen, von denen fast die Hälfte erst in den letzten sechs Jahren registriert wurde.
Nach mehr als einem halben Jahr Haft wurde die Hongkonger Aktivistin Agnes Chow wieder entlassen. “Ein qualvolles halbes Jahr und zwanzig Tage sind endlich vorüber”, schrieb sie nach ihrer Freilassung am Samstag auf Instagram. “Alle meine Freunde sind trotz Regen hergekommen. Als nächstes muss ich mich gründlich ausruhen und für mich sorgen, weil ich ganz abgemagert bin.” Sie fügte in Klammern hinzu: “trauriges Lächeln”.
Agnes Chow war zu der Gefängnisstrafe verurteilt worden, weil sie 2019 zu Protesten für den Erhalt der Demokratie in Hongkong aufgerufen hatte. Sie war unter anderem bei einer 15-stündigen Belagerung des Polizeipräsidiums dabei. Auf Videos ist zu sehen, wie Chow das Gefängnis verlässt und sofort von Unterstützer:innen und Reporter:innen umringt wird. Nur ein Anwesender wagte ein politisches Statement, indem er einen gelben Regenschirm aufspannte. Der gelbe Schirm war das Symbol der Demokratiebewegung. Chow, 24, war eine Mitgründerin der inzwischen aufgelösten Bürgerrechtler-Partei Demosisto, die den steigenden Einfluss Pekings in der Stadt zurückdrängen wollte. Ihr Mitstreiter Joshua Wong sitzt noch im Gefängnis. Ein weiterer ehemaliger Parteifreund, Nathan Law, befindet sich in Großbritannien im Exil. fin
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fordert, die Abhängigkeit von China bei der Versorgung mit medizinischem Material und Medikamenten zu verringern. “Wenn wir eines wirklich schmerzhaft erlebt haben in dieser Pandemie, dann die viel zu große Abhängigkeit von China”, sagte Spahn beim “Tag des deutschen Familienunternehmens” in Berlin. Deutschland sei bei zu vielen lebensnotwendigen Produkten auf die Importe aus Fernost angewiesen. “Aber wir sind auch zu abhängig von China als Absatzmarkt.” fin
Der EU-Beitrittskandidat Montenegro und Brüssel befinden sich einem Bericht zufolge in Gesprächen über finanzielle Hilfe, um einen chinesischen Kredit zu refinanzieren (wie der China.Table berichtete). Die EU-Kommission habe sich an die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die staatliche französische Entwicklungsagentur AFD sowie an den italienischen Staatskreditgeber CDP gewandt, damit diese einen Hilfsplan für Montenegro in Gang setzen. Das berichtete Reuters unter Berufung auf einen EU-Vertreter. Der Plan sei es, von den drei Kreditinstitutionen Angebote zu bekommen und diese dann zusammenführen. Noch vor dem Sommer soll eine Lösung gefunden werden. Die Idee, dass die EU den chinesischen Kredit für Montenegro direkt refinanziere, sei verworfen worden, da dafür die Zustimmung Pekings nötig gewesen sei, so der EU-Vertreter dem Bericht zufolge. Eine Bestätigung vonseiten Brüssels oder der Kreditgeber gab es zunächst nicht.
Montenegro hatte 2014 ein Darlehen von mehr als 800 Millionen Euro von der chinesischen Exim Bank erhalten, um den ersten von drei Abschnitten einer Autobahn von der Küstenstadt Bar bis zur serbischen Grenze zu bauen (China.Table berichtete). Die Straße wird von der China Road and Bridge Corporation gebaut. Diese sollte die Arbeiten 2019 abschließen, hat die Frist jedoch bis November 2021 verlängert. Im kommenden Monat war eigentlich die erste Tranche der Rückzahlung fällig – Montenegro hat aber Zahlungsschwierigkeiten. Zuletzt bot China einen Aufschub der Frist an (China.Table berichtete). Im April hatte sich Montenegro bereits wegen finanzieller Hilfe an Brüssel gewandt, das Gesuch wurde aber abgewiesen. ari
Der Onlinehandels-Riese Alibaba will nun ebenfalls in das Geschäft selbstfahrende Lkw entwickeln. Der Logistik-Arm des Unternehmens, Cainiao, plane die Entwicklung der nötigen Technik, sagte der Technikchef des Unternehmens auf der Konferenz “Global Smart Logistics Summit”. Außerdem wolle das Unternehmen 1.000 Zustellroboter des Typs Xiaomanlü (小蛮驴, “Kleiner Robuster Esel”) in der Praxis testen – allerdings nur in überschaubaren Anwendungsbereichen wie Universitäten. Weitere Details gab das Unternehmen nicht bekannt.
Der Markt für selbstfahrende Lkw gilt als Einstiegssegment für das autonome Fahren. Die Trucks sollen zunächst nur auf Autobahnen eigenständig in Kolonne fahren oder auf Landstraßen den Weg zum Logistikzentrum finden. Für den Mischverkehr in der Stadt mit Fußgängern und Radfahrern sind weiterhin menschliche Fahrer nötig. fin
Dem Internetkonzern Baidu ist es gelungen, eine Phalanx von 36 chinesischen Technikfirmen unter das Dach einer Allianz zur gemeinsamen Entwicklung von Anwendungen der Künstlichen Intelligenz zu bringen (alles zur Künstlichen Intelligenz im China.Table). Der Vorsitzende ist der Technikchef von Baidu, Wang Haifeng. Zu den Mitgründern gehören unter anderem:
Welche Ziele die Allianz verfolg, und wie sie den Mitgliedern nützen wird, ist noch offen. Das Bündnis ist jedoch vielversprechend, weil es die Elite der chinesischen Technikbranche zusammenbringt. In den genannten Unternehmen sind von Mustererkennung bis zur Berechnung des Konsumentenverhaltens zahlreiche der am meisten diskutierten Anwendungen der Künstlichen Intelligenz vertreten. fin
Mehr als 200.000 Ausländer sind nach offiziellen Angaben bislang in China gegen Covid-19 geimpft worden. Ein Sprecher des Außenministeriums erklärte, ausländische Staatsbürger der in Frage kommenden Altersgruppen seien in das nationale Impfprogramm integriert worden. Als nächstes soll mit “einigen relevanten Staaten” die Zusammenarbeit intensiviert werden, kündigte der Sprecher an. Die Regierung will deren Staatsbürgern, die in China leben, den Zugang zur Impfung erleichtern. Insgesamt waren vor Ausbruch der Corona-Pandemie etwa eine Millionen Ausländer im Land als gemeldet, davon etwa 15.000 Deutsche.
In der Volksrepublik werden ausschließlich chinesische Wirkstoffe des staatlichen Herstellers Sinopharm und des privaten Anbieters Sinovac verabreicht. Beide Stoffe haben von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bislang nur eine Notfallzulassung erhalten (China.Table berichtete). Ihre Wirksamkeit liegt zwischen 50 und 78 Prozent. Vor einigen Wochen hatte das Land angekündigt, nur jenen Ausländern, die mit chinesischem Impfstoff immunisiert worden sind, die Einreise nach China zu erleichtern. grz
Anfang 2020, genau zum chinesischen Neujahr, kam Andreas Merzhäuser nach China. Außer dem politischen Interesse hatte der promovierte Germanist und Historiker keine Verbindung zu dem Land. Die Neugier auf das Unbekannte und die Chance darauf, ein aufsteigendes China, das die Geschichte des 21. Jahrhunderts prägen möchte, aus nächster Nähe kennenzulernen, brachten Merzhäuser an die Deutsche Botschaftsschule in Peking. Es ist nicht sein erster Lehraufenthalt im Ausland. Bereits zu Beginn der Jahrtausendwende war Andreas Merzhäuser in London im Außendienst – als Lehrer und später auch als stellvertretender Schulleiter. Das öffnete ihm zunächst neue Türen in Deutschland, wo er für über 14 Jahre ein Gymnasium leitete, ehe er sich entschloss, nach China zu gehen.
Rund 500 Schüler:innen lernen zurzeit in den Jahrgängen eins bis zwölf an der Botschaftsschule. Die Einrichtung unterliegt der Schulaufsicht des Bundes, unabhängig von den chinesischen Vorgaben, und vergibt sowohl den Mittleren Abschluss als auch das Abitur. Die Lehrkräfte sind zumeist beurlaubte Landesbeamte aus Deutschland, die für eine bestimmte Zeit in Peking arbeiten. Daneben gibt es auch Lehrkräfte, die familiär an Peking gebunden sind.
Zu den Hauptaufgaben der Schule gehört es, Kinder und Jugendliche auf einen reibungslosen Schulwechsel vorzubereiten, wenn sie mit ihren Eltern wieder einmal in ein neues Land ziehen. Denn viele der Schüler:innen sind Kinder von sogenannten Expats, also entsandte Mitarbeiter deutscher Unternehmen, beispielsweise von Automobilkonzernen, die meist nur wenige Jahre in China leben, ehe der nächste Standort ruft. Unterrichtet werden sie überwiegend auf Deutsch, auf dem Schulhof gesellen sich Englisch und Chinesisch dazu und bilden einen bunten Sprachenmix. Wer hier lernen will, muss jedoch eine nicht-chinesische Staatsbürgerschaft vorweisen. China erlaubt eigenen Kindern den Besuch von ausländischen Botschaftsschulen nicht.
Andreas Merzhäusers Ziel ist es, in den geplanten sechs Jahren seines China-Aufenthaltes die Entwicklung der Schule voranzutreiben, vor allem in Sachen Digitalisierung (alles dazu im China.Table). Und es geht durchaus vorwärts, stellt er fest. Die Botschaftsschule hat inzwischen zwei Mitarbeiter, die sich nur um die pädagogische Komponente der Digitalisierung kümmern. Da die Kinderanzahl aus bilingualen Haushalten steigt, möchte sich Merzhäuser zudem noch intensiver mit der Deutschförderung beschäftigen und diesen Bereich ausbauen. Die Vermittlung der deutschen Sprache soll ins Zentrum jeden Unterrichts rücken.
Die Deutsche Botschaftsschule übernimmt noch eine andere wichtige Rolle: “Sie ist ein Zentrum der Community mit AG-Programmen für Schüler und Eltern bis in den Abend hinein und zahlreichen Veranstaltungen“, sagt Merzhäuser. Der Zusammenhalt innerhalb der deutschsprachigen Gemeinde in Peking sei groß. Neuankömmlinge erfahren vielfältige Unterstützung. Die Schule bietet Hilfestellungen und kümmert sich um bürokratische Angelegenheiten der Lehrkräfte.
Auch deshalb hat sich Andreas Merzhäuser gut eingelebt in der Stadt. “Im Grunde braucht man in China nur vier Dinge, um gut leben zu können: eine Sim-Karte, eine Aufenthaltserlaubnis, ein Bankkonto und Wechat. Der Rest erledigt sich fast von selbst”, sagt er. Die chinesische Sprache, gibt er dagegen zu, stellt noch eine Barriere dar. Die Grammatik sei zwar nicht allzu komplex, aber die Aussprache mache es ihm nicht einfach. Anastasia Franz
Bald ist Sommeranfang. Da denkt man an Sonne, Urlaub und – natürlich – Eisärmel! Zumindest in China. Denn dort gilt helle, möglichst sonnenverschonte Haut bekanntlich als Schönheitsideal. Entsprechend erfinderisch sind die Chines:innen, wenn es darum geht, auch den letzten Millimeter ihrer Haut vor ungewünschter Bräunungsbelichtung abzuschirmen. Sonnenschirme – quasi wie Regenschirme, nur aus UV-Schutz-Material – gehören für Chinas Schönheitsbewusste zur sommerlichen Grundausstattung. In China nennt man sie “Sonnenabdeckschirme” (遮阳伞 zhēyángsǎn).
Doch als vielbeschäftigter Großstädter hat man nicht immer die Hände frei zum Tragen, zum Beispiel beim E-Rollerfahren, beim Tippen ins Smartphone, und auch beim Joggen ist ein Schirm in der Hand eher hinderlich. Doch ein paar Klicks auf Taobao bringen Abhilfe. Hier bekommt man für die Suchanfrage “Sonnenschutz” (防晒 fángshài) neben den Klassikern (Schirme, Sonnencremes und Sonnenhüte) auch eine schier unendliche Auswahl an anderen Spielereien angeboten. Die Palette reicht von Sonnenschutzjäckchen und -handschuhen über UV-Schutz-Gesichtsmasken und spezielle Sonnenvisiere bis hin zu professionellen Ganzkopf-Vermummungstüchern mit Sprech- und Atemöffnung, manchmal sogar mit integriertem Sonnenhut.
Ein besonderer Verkaufsschlager sind zudem die eingangs erwähnten “Eisärmel” – auf Chinesisch 冰袖 bīngxiù. Diese Armstulpen sind aus sogenannter “Eisseide” (冰丝 bīngsī) gefertigt – die in China handelsübliche Bezeichnung für ein spezielles Viskose-Gemisch. Diese Kunstfaser ist besonders feuchtigkeitsabsorbierend und luftdurchlässig, wodurch beim Tragen, neben dem Sonnenschutzeffekt, auch noch ein angenehm kühles Hautgefühl entsteht. Klein und federleicht passen die Ärmelchen in jede noch so kleine Handtasche und sind von daher ein beliebtes Gimmick quer durch alle sozialen Milieus – von der Touristin (zum Beispiel bei langen Fußmärschen durch die Verbotene Stadt) bis hin zum Taxifahrer (gegen Bräunungsarm am Steuer).
Nicht wirklich durchgesetzt hat sich dagegen eine andere schrille Sonnenschutzerfindung: die Ganzkopf-Schwimmhaube, nur mit Minischlitzen für Mund, Nase und Augen, besser bekannt und viral gegangen auch unter dem Namen Facekini (脸基尼 liǎnjīní). Mit deren Anblick haben ältere Schwimmliebhaber:innen an Chinas Stränden schon den einen oder anderen nichtsahnenden Touristen im Vorbeischlendern erschreckt. Chinas modebewusste Jugend aber setzt beim Sonnenbad am Strand dann doch lieber auf stylische, individuelle Kombis aus Hut, Brille und Maske – oder bleibt gleich im Schatten.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule www.new-chinese.org.