Delegationsreisen nach Taiwan haben im vergangenen Jahr einen wahren Aufschwung erlebt. Die wohl prominenteste Visite war der Trip der damaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi. Ihr Besuch in Taipeh und Chinas Reaktion darauf hielten im August die Weltöffentlichkeit für einige Tage in Atem. Nach Pelosi besuchten weitere US-Abgeordnete Taiwan. Auch EU-Delegationsreisen auf die Insel bekamen im vergangenen Jahr zunehmend Dynamik.
Nun schickt auch Berlin Politiker nach Taipeh: Eine hochrangige Delegation der FDP-Bundestagsfraktion besucht Taiwan offiziell ab Montag. Finn Mayer-Kuckuk hat mit Vize-Delegationsleiter Johannes Vogel über die politische Botschaft des Besuchs sowie die Positionierung der Ampelregierung in der Taiwan-Debatte und gegenüber Peking gesprochen. “In der Koalition hat das Nachdenken über eine Neuausrichtung auf breiter Front begonnen”, sagt Vogel. “Über die Details müssen wir allerdings noch ausführlich reden.”
Nach fast drei Jahren sind seit Sonntag endlich wieder Reisen nach China ohne Quarantäne möglich. Der Grenzverkehr zwischen Hongkong und dem Festland nimmt dadurch auch wieder zu. Wir werfen einen Blick auf die Grenzposten zwischen Hongkong und Shenzhen, wo sich Familien, Freunde und Paare jetzt wieder ohne Quarantäne-Zeit in die Arme schließen können. Wann ausländische Touristen mit Visa nach China einreisen können, ist noch offen. Bisher haben Geschäftsreisen Vorrang. Das Auswärtige Amt rät von Trips in die Volksrepublik ohnehin noch ab.
In unserem Zur Sprache klären wir Sie heute über die heilenden Kräfte des “Dongbei-Penicillin” auf. In der aktuellen Grippe-, Erkältungs- und Corona-Welle hilft das Wundermittel aus der Dose vielleicht auch Ihnen oder Ihrem Umfeld.
Wir wünschen Ihnen einen gesunden Start in die neue Woche!
Was ist die politische Aussage dieses Besuchs?
Der neue Systemwettbewerb zwischen Demokratien und Autokratien erfordert eine umfassende Herangehensweise. Eine der Dimensionen davon ist, dass wir Aussagen von Autokraten wie Xi Jinping ernst und wörtlich nehmen müssen, und dieser spricht nun einmal offen auch von militärischen Aggressionen zur Wiedervereinigung mit Taiwan. Es ist daher nötig, ein klares Signal der Unterstützung in Richtung Taiwan zu senden.
China nimmt diese Reisen sehr ernst.
Wir tun, was wir für politisch richtig halten, als selbstbewusste Parlamentarier. Es handelt sich hier ja nicht um eine Abkehr von der Ein-China-Politik. Unser Vorgehen steht im Einklang mit der Linie der Bundesregierung.
Immerhin, Sie sind eine hochrangig besetzte Delegation.
In der Tat, aber es handelt sich ja auch um eine wichtige Frage. Mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann reist die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses mit, und ich bin Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion und stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP. Zudem haben wir weitere profilierte Kollegen aus dem Fraktionsvorstand und unserem außenpolitischen Arbeitskreis dabei. Das soll ein Zeichen im Sinne der ersten Antwort sein.
Gibt es konkrete Angebote, die Deutschland und Europa jetzt Taiwan machen sollten, beispielsweise Vollmitgliedschaften in internationalen Gremien?
Wir haben uns ja in der Koalition im Koalitionsvertrag vorgenommen, unterhalb der Ebene staatlicher Anerkennung die Einbindung Taiwans zu stärken. Dafür engagieren wir uns.
Das Ziel ist es jedoch, einen Krieg letztlich zu vermeiden.
Ja, und im Sinne der Vermeidung einer Konfrontation muss sich der Westen insgesamt im Sinne so positionieren, dass er auch durch Abschreckung den Krisenfall selbst unwahrscheinlich macht.
Hat es aus Sicht der westlichen Allianzen Sinn, rote Linien zu ziehen: Wenn China A macht, passiert B?
Es ist nicht klug, hier in hätte-wenn-Szenarien zu denken. Es wurde aber ja bereits eindeutig formuliert, dass eine militärisch erzwungene Wiedervereinigung nicht ohne Konsequenzen bleiben würde.
Welche Vorüberlegungen sind dafür gegenwärtig nötig und geboten?
Dazu gehört vor allem neben einer sicherheitspolitischen auch eine wirtschaftliche Dimension. Darüber habe ich auch bereits mit klugen Gesprächspartnern unserer Verbündeten in Washington gesprochen, die insbesondere diesen Punkt auch für Europa betonen.
Welche Änderung der Wirtschaftspolitik von EU und Deutschland strebt die FDP hier an?
Wir müssen uns stärker vom chinesischem Markt unabhängig machen und dabei aus einer Position wirtschaftlicher Stärke heraus agieren. Dazu gehört es zum einen, die eigene Innovationskraft wieder nach vorn zu bringen und zum anderen, Abhängigkeiten dadurch zu reduzieren, dass wir gerade jetzt mehr Freihandel mit marktwirtschaftlichen Demokratien vorantreiben. Es geht hier also nicht um Decoupling-Fantasien, sondern um eine ökonomische Strategie “beyond China”, also über China hinaus. Es gibt viele marktwirtschaftliche Partner für eine solche Politik auch um den Pazifik, neben Südkorea oder Japan zum Beispiel auch die ASEAN-Staaten, Australien oder Indien.
Volkswagen und BASF machen keine Anstalten, ihre China-Abhängigkeit zu verringern. Um dort Marktanteile zu halten, wollen sie sogar mehr investieren. Wie bewerten Sie das?
Ich nehme insgesamt schon wahr, dass deutsche Unternehmen – etwa auch im Mittelstand bei mir im Sauerland – immer stärker auch über die eigenen Abhängigkeiten bei solchen Entscheidungen nachdenken. Aber der Prozess steht sicher gerade erst am Anfang. Deshalb muss er Teil eines stärkeren strategischen Vorgehens als Gesamtgesellschaft sein. Der von mir geforderte China-Stresstest kann hier helfen, weil er Transparenz und Sensibilität erhöht.
Wenn Sie ihre Vorstellungen umreißen, klingen Sie sehr ähnlich wie die China-Strategien aus grün geführten Ministerien.
In der Koalition hat das Nachdenken über eine Neuausrichtung auf breiter Front begonnen. Das ist gut, denn hier folgen die Koalitionspartner unserer Linie. Über die Details müssen wir allerdings noch ausführlich reden.
Es wirkt jedoch so, als engagiere sich die FDP besonders für Taiwan. SPD und Grüne haben in jüngerer Zeit keine eigenen Delegationen geschickt.
Dass die Partei der Freiheit sich für Freiheitsfragen engagiert, dürfte Sie nicht überraschen. Das ist aber eben auch eine Frage des neuen Systemwettbewerbs. Wir müssen die Herausforderungen, vor die uns Chinas KP stellt, sehr viel systematischer angehen.
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Als Alvin am Sonntagmorgen die Grenze von Hongkong nach Shenzhen passiert, nimmt ihn auf der anderen Seite sofort seine Frau mit einer Umarmung in Empfang. Nach fast drei Jahren, in denen Einreisen nach China nur mit einem Aufenthalt im Quarantäne-Hotel möglich waren, ist das Leben für das Paar nun endlich wieder einfacher geworden.
“Quarantäne? Das machen wir nie wieder”, sagt der 36-Jährige, bevor er mit seiner Frau in einem Taxi verschwindet. Während Alvin einen Job in Hongkong hat, arbeitet seine Partnerin in Shenzhen. Beide haben in den vergangenen Jahren zahllose Aufenthalte in Quarantäne-Hotels hinter sich gebracht. Das war der einzige Weg, um sich wenigstens manchmal sehen zu können. Doch damit ist jetzt Schluss.
Zwar sind noch nicht alle Grenzübergänge zwischen Hongkong und Shenzhen wieder offen. Die Schnellzugstrecke, die beide Metropolen verbindet, soll erst in den kommenden Tagen langsam wieder den Betrieb aufnehmen. Auch gilt zunächst eine Quote, damit es zu Beginn nicht zu Überlastungen kommt. Jeweils 60.000 Menschen dürfen die Grenze pro Tag in beide Richtungen überqueren. Ausgenommen davon sind Hongkonger und Festland-Chinesen, die jeweils in ihre Heimat zurückkehren. Am Grenzposten Shenzhen Bay sieht es am Sonntag dennoch schon fast wieder wie vor der Pandemie aus.
Die Grenzpolizisten tragen keine weißen Ganzkörper-Schutzanzüge mehr. Verschwunden sind auch die Container, in denen Reisende bei der Ankunft ihre Corona-Tests machen mussten. Die hohen Zäune rund um den Grenzposten, wo Ankömmlinge auf den Bus ins Quarantäne-Hotel warten mussten, haben Arbeiter abgebaut.
Auch an chinesischen Flughäfen freuten sich Reisende am Sonntag über den Wegfall der Quarantänepflicht. In Peking landete am Sonntagvormittag mit Air China Flug 932 der erste quarantänefreie Direktflug aus Deutschland. Zeitweise hatten Reisende nach China drei Wochen in strenger Isolation in einem Hotelzimmer verbringen müssen. Zuletzt wurden noch fünf Tage plus drei Tage Isolation daheim verlangt. Nun braucht man nur noch einen negativen PCR-Test 48 Stunden vor Abflug.
Trotz der drastisch vereinfachten Regeln gehen Beobachter mit Ausnahme der Grenze zu Hongkong zunächst nicht von einer riesigen Reisewelle in beide Richtungen aus. Dafür gibt es bisher noch nicht wieder genügend Flugverbindungen. Sowohl chinesische als auch internationale Airlines brauchen Zeit, um ihre Pläne umzustellen. Auch beginnt China gerade erst damit, neue Reisepässe auszustellen. Chinesische Konsulate und Botschaften im Ausland wollen zwar auch wieder mehr Visa-Anträge genehmigen. Wann ausländische Touristen wieder nach China reisen dürfen, ist bisher jedoch nicht bekannt. Vorrang haben erstmal Geschäftsreisen.
Trotz nur weniger verfügbarer Flüge hat das Auswärtige Amt über das Wochenende dennoch vor unnötigen Reisen in die Volksrepublik abgeraten. Begründet wurde die Warnung mit der massiven Corona-Welle in China, durch die Krankenhäuser überlastet werden. Die Bundesregierung hat China in einer neu geschaffenen Risikoklasse eingestuft. Virusvariantengebiete gibt es schon eine ganze Weile. Neu ist nun das “Virusvariantengebiet in dem eine besorgniserregende Virusvariante aufzutreten droht”. Oder kurz: Drohendes Virusvariantengebiet.
Die Infektionszahlen in China seien auf dem höchsten Stand seit Beginn der Pandemie 2020: “Das chinesische Gesundheitssystem ist überlastet, auch die ausreichende Versorgung in medizinischen Notfällen ist davon betroffen”, heißt es in den Reise- und Sicherheitshinweisen des Außenamtes. Die chinesischen Behörden vermeldeten am Samstag offiziell zwei neue Todesfälle in Zusammenhang mit der vom Coronavirus ausgelösten Infektionskrankheit Covid-19. Am Tag zuvor seien es drei Todesfälle gewesen, teilt das Zentrum für Krankheitskontrolle und -prävention mit.
Gespräche über eine Aufnahme des Covid-Medikaments Paxlovid in die Medikamentenliste der staatlichen Basis-Krankenversicherung waren am Wochenende gescheitert. Als Grund nannte die Gesundheitsbehörde die vom Anbieter Pfizer gestellten Bedingungen. Deutschland und die EU hatten Peking angeboten, Biontech-Impfstoff zur Verfügung zu stellen. Eine Antwort auf das Angebot gab es zunächst nicht. Jörn Petring
In einer Fabrik in Chongqing kam es laut Berichten der South China Morning Post am Wochenende zu gewaltsamen Ausschreitungen. Videos in den sozialen Netzwerken zeigen, wie Arbeiter Sicherheitskräfte in einem Industriepark mit Gegenständen bewerfen. Aus einem Polizeilautsprecher ertönt die Durchsage “illegale Aktivitäten” seien unverzüglich zu unterbinden.
Kommentaren auf Social Media und Bildauswertungen von AFP zufolge könnte es sich bei den Protestierenden um Arbeiter des Pharma-Herstellers Zybio handeln, der unter anderem Covid-Testkits herstellt. Berichten zufolge hat das Unternehmen zuletzt mehrere Tausend Arbeiter entlassen und Löhne nicht ausgezahlt. Das Unternehmen äußerte sich bislang nicht zu den Vorkommnissen. Hashtags, die mit den Protesten in Zusammenhang stehen, wurden von den Behörden zensiert. fpe
Jack Ma wird die Kontrolle über den von ihm gegründeten Finanzdienstleister Ant Financial abgeben. Das teilte die Ant Group am Samstag in einer Erklärung mit. Der 58 Jahre alte Multimilliardär und Gründer der E-Commerce-Plattform Alibaba hielt zuletzt nur noch zehn Prozent der Anteile an Ant Financial, hatte aber noch über die Hälfte der Stimmrechte. Nun sollen seine Stimmrechte auf rund sechs Prozent reduziert werden. Kein Anteilseigner hat damit künftig die alleinige Kontrolle über das Unternehmen.
Die chinesischen Aufsichtsbehörden hatten vor zwei Jahren den geplanten Börsengang des Fintech-Konzerns kurzfristig unterbunden (China.Table berichtete). Der Rückzug von Ma könnte Beobachtern zufolge die Pläne für einen Börsengang der Ant Group wiederbeleben. Allerdings erfordern chinesische Aktienmärkte nach solchen Veränderungen in der Unternehmensführung eine Wartezeit von zwei bis drei Jahren. Für Hongkong gilt hingegen nur ein Jahr.
Die Ant-Gruppe betreibt den in China allgegenwärtigen mobilen Zahlungsdienst Alipay sowie eine Kreditvergabeplattform und Versicherungsgeschäfte. Dem Staat war das Unternehmen im streng kontrollierten Finanzsektor dabei über die Jahre zu mächtig geworden. Auch wegen einer kritischen Rede über die Finanzbehörden stand Ma im Fokus eines staatlichen Crackdowns gegen Chinas Tech-Unternehmen (China.Table berichtete). Im vergangenen Jahr soll er seinen Wohnsitz von China nach Japan verlegt haben. fpe
Die Chinese Academy of Engineering (CAE) berichtet von einer Häufung von Todesfällen unter ihren Mitgliedern nach den abrupten Corona-Öffnungen Mitte Dezember. Im Zeitraum vom 15.12. bis zum 04.01. seien 22 betagte Ingenieure und Naturwissenschaftler unter den 900 Akademikern verstorben. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre starben nur 16 Mitglieder im ganzen Jahr.
Die CAE verstieß insofern nicht gegen die Parteilinie, als sie nur einen zeitlichen, keinen ursächlichen Zusammenhang zur Corona-Öffnung herstellte. In China gelten nur Patienten als “an Corona gestorben”, bei denen absolut keine andere Todesursache wie hohes Alter, Lungenentzündung oder Vorerkrankungen eine Rolle spielt.
Zu den prominenten Verstorbenen der vergangenen Wochen gehören:
Im Fall des profilierten Bauingenieurs Long Yuqiu nennt der Nachruf auf der Akademie-Website ausdrücklich “unzureichende medizinische Behandlung” als Todesursache. Pekings Krankenhäuser sind derzeit von Covid-Patienten überschwemmt, sodass andere Erkrankungen zu kurz kommen. fin
Taiwan möchte bei den WTO-Konsultationen im Zuge der chinesische Klage gegen das US-Chip-Embargo teilnehmen. Peking hatte Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO) gegen die USA wegen der Beschränkungen für die Ausfuhr von Halbleitern und anderen Hightech-Produkten eingereicht (China.Table berichtete).
Wegen der weltweiten Bedeutung für den Chip-Markt will nun auch Taiwan als größter Produzent an den Gesprächen teilnehmen, wie Taipeh in einer Mitteilung an die Organisation mitteilte. Die Insel habe nicht die Absicht, Chinas WTO-Klage zu unterstützen, hieß es in dem Statement. Der Schritt impliziere auch keine “Unzufriedenheit mit den Maßnahmen der Vereinigten Staaten”.
Auch Russland hatte Ende Dezember angekündigt, den Konsultationen beitreten zu wollen. Wann diese beginnen, wurde bisher nicht offiziell mitgeteilt. ari
Japan erwägt in Vorbereitung auf einen möglichen Konflikt um Taiwan einem Medienbericht zufolge die Einrichtung Dutzender Munitions- und Waffendepots auf Inseln vor China. Japanische Streitkräfte, die die China zugewandten Inseln des Landes verteidigen sollen, hätten so besseren Zugang zu Nachschub, berichtete die japanische Wirtschaftszeitung Nikkei Asia unter Berufung auf entsprechende Erwägungen im japanischen Verteidigungsministerium. Japan verfüge landesweit derzeit über etwa 1.400 Munitionslager, wovon sich jedoch 70 Prozent auf der nördlichsten Hauptinsel Hokkaido befänden.
Das Verteidigungsministerium schätze, dass Japans Landstreitkräfte innerhalb des nächsten Jahrzehnts etwa 90 zusätzliche Munitionsdepots benötigen. Etwa 40 weitere solcher Lager brauche zudem die Marine. Ein Vorschlag sehe den Bau von fast 70 Munitionslagern innerhalb der nächsten fünf Jahre vor, berichtete die Zeitung. Die neuen Depots würden demnach auf Inseln eingerichtet, die sich von der Südspitze der südwestlichsten Hauptinsel Kyushu in Richtung Taiwan erstrecken. Die Regierung in Tokio werde diesbezüglich Gespräche mit den lokalen Behörden und Einwohnern der Inseln aufnehmen, hieß es in dem Bericht.
Japan vollzieht derzeit einen historischen Kurswechsel seiner Sicherheitspolitik und will seine Verteidigungsausgaben massiv aufstocken (China.Table berichtete). Der Wehretat soll sich statt wie bisher auf ein Prozent künftig auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes belaufen. ari
Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping hat sich für eine engere Zusammenarbeit im Energiebereich mit Turkmenistan ausgesprochen. “Die Erdgaskooperation ist der Eckpfeiler der Beziehungen zwischen China und Turkmenistan”, sagte Xi dem turkmenischen Präsidenten Serdar Berdimuhamedow bei einem Treffen in Peking. Das zentralasiatische Turkmenistan ist Chinas größter Einzellieferant von Pipeline-Erdgas. Konkrete Details zur künftigen Energiekooperation zwischen den beiden Ländern nannte Xi nicht.
Chinas Einfuhr von turkmenischen Gas legt zu. In den ersten elf Monaten von 2022 hatte China laut Zolldaten Gas im Wert von rund 9,3 Milliarden US-Dollar eingeführt. Im Jahr zuvor war es nach Angaben derselben Quelle noch 6,79 Milliarden US-Dollar. Laut dem norwegischen Energieforschungsunternehmen Rystad Energy entspricht das etwas mehr als 50 Prozent der Pipeline-Gasimporte Chinas. Bei dem Treffen am Freitag einigten sich Xi und Berdimuhamedow darauf, die bilateralen Beziehungen zu einer “umfassenden strategischen Partnerschaft” auszubauen. ari/rtr
Ein Lastwagen ist in Südostchina in eine Warteschlange auf der Straße vor einem Krematorium gekracht. 19 Menschen kamen bei dem Vorfall ums Leben. Weitere 20 wurden verletzt, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Das Unglück passierte demnach kurz am Sonntag nach Mitternacht im Dorf Taoling südöstlich der Stadt Nanchang in der Provinz Jiangxi. Wie Staatsmedien berichteten, warteten die Angehörigen und Freunde vor dem Gebäude, hatten Opfergaben für die Toten am Straßenrand aufgestellt. Demnach wollten die Menschen bei einer Massen-Einäscherung am nächsten Morgen dabei sein. Nähere Angaben zum Hergang des Unfalls gab es zunächst nicht. ari
Chinas jüngste Entscheidung, die strikte Null-Covid-Politik aufzugeben, hat viele zu der Annahme bewogen, dass sich die chinesische Wirtschaft jetzt erholen wird. So hat beispielsweise die Economist Intelligence Unit ihre Prognose für das chinesische BIP-Wachstum des Jahres 2023 auf 5,2 Prozent nach oben revidiert. Die Erholung des Wachstums ist jedoch kein Automatismus und China hat mit mehreren Herausforderungen zu kämpfen. Kurzfristig zählen dazu das schwindende Vertrauen der Unternehmen und Haushalte hinsichtlich ihrer künftigen Einkommen, mittelfristig das unzureichende Produktivitätswachstum und langfristig eine ungünstige demografische Entwicklung.
Auf kurze Sicht könnte die Wiederherstellung des Vertrauens wichtiger sein als die Ausweitung der Kreditvergabe. Nach einer längeren Phase wiederholter Lockdowns zögern viele Kleinunternehmen und Beschäftigte in traditionellen Dienstleistungssektoren, die um Arbeitsplätze und Einkommen gefürchtet haben, Anschaffungen zu tätigen. Und nach den jüngsten Einnahmeausfällen sowie angesichts verschärfter regulatorischer Kontrolle im Bildungswesen, in der Technologiebranche und in anderen Sektoren sind zahlreiche Unternehmen vorsichtig mit Investitionen. In einer kürzlich durchgeführten Umfrage unter chinesischen und in China tätigen ausländischen Firmen hat die in Shanghai ansässige China Europe International Business School festgestellt, dass das Geschäftsvertrauen in China auf einen neuen Tiefstand gesunken ist.
Dieser Pessimismus kann selbsterfüllende Wirkung haben. Wenn genügend Unternehmen und Haushalte das Vertrauen verlieren und ihre Ausgaben kürzen, sinkt die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen anderer Unternehmen. Von deren niedrigeren Einkünften wären letztendlich die Zulieferer dieser Unternehmen betroffen. Um diesen Pessimismus-Kreislauf zu durchbrechen, gilt es für die chinesischen Entscheidungsträger, kurzfristig das Vertrauen wiederherzustellen. Allerdings sind ihre Möglichkeiten begrenzt. Eine bessere Berechenbarkeit künftiger politischer Maßnahmen wäre überaus hilfreich zur Stärkung des Vertrauens, doch diese Berechenbarkeit lässt sich nicht einfach durch staatliche Verlautbarungen erreichen. Eine Kreditausweitung würde zwar die Gesamtnachfrage ankurbeln, könnte aber die unerwünschte Nebenwirkung haben, die Inflation in die Höhe zu treiben. Unterdessen haben die kostspieligen Covid-19-Tests und Quarantänen Chinas fiskalische Kapazitäten strapaziert.
Eine denkbare politische Maßnahme wäre eine zeitlich befristete Senkung der Umsatz- und Körperschaftsteuer. Durch eine nur vorübergehende Senkung dieser Steuern könnte China seine Staatsverschuldung verringern und den Verbrauch der privaten Haushalte ankurbeln. In ähnlicher Weise könnte eine befristete Senkung der Körperschaftsteuer zu mehr Investitionen des Privatsektors führen als eine entsprechende dauerhafte Senkung.
Um mittelfristig das Tempo des Produktivitätswachstums zu erhöhen, benötigt die chinesische Wirtschaft mehr als zusätzliche Patente und Software. Es bedarf vielmehr einer besseren Ressourcenallokation zwischen Einzelpersonen, Unternehmen und Sektoren. So könnte China beispielsweise durch eine Reform des als “Hukou”bezeichneten Systems der staatlichen Haushaltsregistrierung die gleiche Menge an Humanressourcen weit effizienter einsetzen und gleichzeitig die soziale Gerechtigkeit verbessern. Ein weiterer Schritt, der möglicherweise zur Steigerung der Produktivität beiträgt, besteht in der Angleichung der Rahmenbedingungen für staatliche und private Unternehmen bei der Vergabe von Bankkrediten und staatlichen Genehmigungen.
Um das mittelfristige Wachstum zu steigern, gilt es für China, die Lehren aus seiner eigenen Geschichte zu ziehen und sich auf die Beseitigung von Hindernissen für Marktzugang und Unternehmertum zu konzentrieren. Die Wachstumsrate einer Volkswirtschaft ergibt sich aus der Kombination einer Zunahme der durchschnittlichen Größe bestehender Unternehmen (intensives Wachstum) und einer Steigerung der Anzahl von Unternehmen (extensives Wachstum). Eine von mir gemeinsam mit Xiaobo Zhang durchgeführte Studie über den chinesischen Fertigungssektor legt nahe, dass in den letzten Jahrzehnten ungefähr 70 Prozent der gesamten BIP-Expansion auf das extensive Wachstum entfiel.
Langfristig gesehen besteht die größte wirtschaftliche Herausforderung für China in der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung des Landes. Im Gegensatz zu wirtschaftlichen Konkurrenten wie Vietnam und Indien nimmt die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in China seit fast einem Jahrzehnt ab. Selbst wenn das Produktivitätswachstum konstant bliebe, würde diese demografische Verschiebung zu einem immer geringeren BIP-Wachstum führen. Einige politische Maßnahmen, wie etwa der massenhafte Import ausländischer Arbeitskräfte, könnten Abhilfe schaffen, würden aber wohl zu sozialen oder politischen Verwerfungen führen. Andere Maßnahmen wie die Erhöhung der Geburtenrate, die Anhebung des Renteneintrittsalters oder die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen präsentieren sich nicht besonders vielversprechend.
Ein realistischeres Ziel wäre es jedoch, die Qualifikation der Arbeitskräfte zu verbessern. So könnte China beispielsweise das durchschnittliche Bildungsniveau seiner Arbeitskräfte erhöhen, indem man Verbleib- und Abschlussquoten in höheren und berufsbildenden Schulen in ländlichen Gebieten verbessert. Die Allgegenwart von Smartphones und Tablets bietet einen neuen potenziellen Ansatzpunkt für die Verbesserung der Qualifikationen von Beschäftigten. Doch nach einer Phase der Verschärfung der Bestimmungen für Online-Bildungsdienste würde derartiges ein freizügigeres politisches Umfeld erfordern, das den Unternehmergeist in diesem Bereich fördert.
Schließlich sollte sich China nicht zu sehr auf rasches BIP-Wachstum fixieren, sondern sich stattdessen darauf konzentrieren, das Pro-Kopf-Einkommen zu erhöhen und die Lebensqualität zu verbessern. Diese Faktoren sind für die Menschen in China von wesentlich höherer Bedeutung als das BIP-Wachstum und hängen auch nicht so sehr von der Bevölkerungszahl ab.
Shang-Jin Wei ist ehemaliger Chefökonom der Asiatischen Entwicklungsbank sowie derzeit Professor für Finanz- und Wirtschaftswissenschaften an der Columbia Business School und der School of International and Public Affairs der Columbia University. Übersetzung: Helga Klinger-Groier.
Copyright: Project Syndicate, 2023.
www.project-syndicate.org
Jutta Ludwig ist neues Vorstandsmitglied beim Medizintechnik-Hersteller Eckert & Ziegler. Die China-Expertin mit eigener Beratungsfirma war bisher als Aufsichtsrätin bei dem Unternehmen tätig.
Mohamed Zied Aouini ist seit Beginn des Monats Section Lead – Project Management bei Mercedes-Benz China in Shanghai. Er arbeitete zuvor im Project Management Cooperation Engine bei Mercedes in Stuttgart.
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Heiße Zitrone, Zwiebelsirup, Ingwertee und Hühnerbrühe, Erkältungsbäder und Wadenwickel … vielleicht sollten Sie beim nächsten Grippe- oder Corona-Knockout noch ein weiteres Hausmittelchen in diese Riege aufnehmen: nämlich eingelegte Pfirsiche.
Während der Corona-Tsunami durch China wogt, sind in den Hotspots teils nicht nur Fiebermittel wie Ibuprofen (布洛芬 bùluòfēn), Hustensäfte (咳嗽糖浆 késòu tángjiāng) und Antigen-Testkits (抗原 kàngyuán) vergriffen, sondern auch Pfirsiche aus dem Glas oder der Dose (黄桃罐头 huángtáo guàntóu). Die nämlich gelten vor allem in Dongbei (东北 dōngběi), also Nordostchina, als Wunderwaffe gegen grippale Infekte. “Dongbei-Penicillin” (东北青霉素 dōngběi qīngméisù) taufte die Netzgemeinde sie deshalb scherzhaft. Im Sog des Corona-Strudels erlebte das goldgelbe Konservenobst im Reich der Mitte einen Hype der Herzen und tröstete manchen Chinesen durch die mausgrauen Fiebertage – so man denn ein Gläschen oder Döschen ergattert hatte.
Mancher Fan sagt dem Dosenobst eine appetitanregende Wirkung nach, die den Corona-Heilungsprozess unterstützen soll. Tatsächlich aber handelt es sich wohl doch in erster Linie um ein Pfirsich-Placebo, ein klassisches “comfort food” (安慰食品ānwèi shípǐn), das Kindheitserinnerung weckt. Nordostchinesische Omas und Mamas päppelten kränkelnde Kinderkörper nämlich lange liebevoll mit quietschsüßem Konservenobst aus dem Erkältungsjammertal. In den Siebziger- und Achtzigerjahren und auch noch bis in die Neunzigerjahre hinein galten Konserven in Nordchina als kostbares Gut. Erst recht in den kargen Wintermonaten, wo es dort an frischem Obst und Gemüse mangelte. Eingedostes war teuer. Für eine Dose Pfirsiche musste man damals so viel berappen wie für ein Pfund Schweinefleisch. Entsprechend wurden die zuckersüßen Früchtchen nur zu besonderen Anlässen hervorgekramt – etwa bei Verwandtenbesuchen oder zum alljährlichen Frühlingsfest, an Geburtstagen oder eben wenn ein Hascherl mit Husten und hoher Temperatur im Bett ausharrte.
Doch auch im Süden des Landes, wo es ja das ganze Jahr über nicht an frischen Früchten mangelt, fühlt sich mancher Chinese ebenfalls in Kindheitstage zurückversetzt, wenn zuckersüßes Dosenobst am Gaumen zergeht. Umwehte die eingelegten Früchte aufgrund ihres üppigen Zuckergehalts doch der Hauch von Süßigkeiten und damit des “Verbotenen”. Das Konservenobst galt als ungesundes Zuckerzeug voller Konservierungsstoffe und wurde von besorgten Eltern entsprechend mit Argusaugen rationiert. Dosenfrüchte landeten also auch in Südchina nicht jeden Tag auf dem Tisch. Den Kleinen hat’s natürlich trotzdem geschmeckt. Kein Wunder also, dass Chinas Netzgemeinde die Pfirsiche im süßen Sud momentan landesweit augenzwinkernd als “Wunderwaffe gegen Corona” (抗疫神器 kàng yì shénqì) feiert, dank nostalgischem Erinnerungsfaktor.
Auch bei der älteren Generation wecken die Weckgläser übrigens besondere Assoziationen. Glaubte man im alten China doch, Pfirsichzweige könnten böse Geister vertreiben. Pfirsiche gelten den Chinesen bis heute als Symbol für Gesundheit und Langlebigkeit. Das hängt – wie so oft – auch mit einem Gleichlaut zusammen. Denn das Zeichen für Pfirsich 桃 (táo) klingt genauso wie 逃 (táo) “fliehen”. Wer sich also mit Pfirsichen umgibt, springt – dem Volksglauben nach – Krankheit, Tod und anderem Ungemach von der Schippe. Bis heute hält sich der Brauch, an Geburtstagen “Langlebigkeitspfirsiche” (寿桃shòutáo – wörtlich “Menschenleben-Pfirsiche”) zu verschenken – entweder als echte, frische Früchte oder als pfirsichförmiges Gebäck, das ein langes Leben symbolisiert.
Chinesische Supermärkte griffen das Wortspiel anlässlich der Pandemie ebenfalls auf. In den sozialen Medien kursierten Schnappschüsse von Werbeschildern an Pfirsichglas-Paletten. 桃过疫情 táoguò yìqíng hieß es darauf – “Entflieht der Epidemie!”. Wobei das Hanzi für “fliehen” natürlich durch das für “Pfirsich” ersetzt war. Falls Sie also einen chinesischen Liebsten an Ihrer Seite haben: Vergessen Sie die Zwiebeln und heiße Zitrone und greifen Sie lieber zum Pfirsich-Trostpflaster.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.
Delegationsreisen nach Taiwan haben im vergangenen Jahr einen wahren Aufschwung erlebt. Die wohl prominenteste Visite war der Trip der damaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi. Ihr Besuch in Taipeh und Chinas Reaktion darauf hielten im August die Weltöffentlichkeit für einige Tage in Atem. Nach Pelosi besuchten weitere US-Abgeordnete Taiwan. Auch EU-Delegationsreisen auf die Insel bekamen im vergangenen Jahr zunehmend Dynamik.
Nun schickt auch Berlin Politiker nach Taipeh: Eine hochrangige Delegation der FDP-Bundestagsfraktion besucht Taiwan offiziell ab Montag. Finn Mayer-Kuckuk hat mit Vize-Delegationsleiter Johannes Vogel über die politische Botschaft des Besuchs sowie die Positionierung der Ampelregierung in der Taiwan-Debatte und gegenüber Peking gesprochen. “In der Koalition hat das Nachdenken über eine Neuausrichtung auf breiter Front begonnen”, sagt Vogel. “Über die Details müssen wir allerdings noch ausführlich reden.”
Nach fast drei Jahren sind seit Sonntag endlich wieder Reisen nach China ohne Quarantäne möglich. Der Grenzverkehr zwischen Hongkong und dem Festland nimmt dadurch auch wieder zu. Wir werfen einen Blick auf die Grenzposten zwischen Hongkong und Shenzhen, wo sich Familien, Freunde und Paare jetzt wieder ohne Quarantäne-Zeit in die Arme schließen können. Wann ausländische Touristen mit Visa nach China einreisen können, ist noch offen. Bisher haben Geschäftsreisen Vorrang. Das Auswärtige Amt rät von Trips in die Volksrepublik ohnehin noch ab.
In unserem Zur Sprache klären wir Sie heute über die heilenden Kräfte des “Dongbei-Penicillin” auf. In der aktuellen Grippe-, Erkältungs- und Corona-Welle hilft das Wundermittel aus der Dose vielleicht auch Ihnen oder Ihrem Umfeld.
Wir wünschen Ihnen einen gesunden Start in die neue Woche!
Was ist die politische Aussage dieses Besuchs?
Der neue Systemwettbewerb zwischen Demokratien und Autokratien erfordert eine umfassende Herangehensweise. Eine der Dimensionen davon ist, dass wir Aussagen von Autokraten wie Xi Jinping ernst und wörtlich nehmen müssen, und dieser spricht nun einmal offen auch von militärischen Aggressionen zur Wiedervereinigung mit Taiwan. Es ist daher nötig, ein klares Signal der Unterstützung in Richtung Taiwan zu senden.
China nimmt diese Reisen sehr ernst.
Wir tun, was wir für politisch richtig halten, als selbstbewusste Parlamentarier. Es handelt sich hier ja nicht um eine Abkehr von der Ein-China-Politik. Unser Vorgehen steht im Einklang mit der Linie der Bundesregierung.
Immerhin, Sie sind eine hochrangig besetzte Delegation.
In der Tat, aber es handelt sich ja auch um eine wichtige Frage. Mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann reist die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses mit, und ich bin Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion und stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP. Zudem haben wir weitere profilierte Kollegen aus dem Fraktionsvorstand und unserem außenpolitischen Arbeitskreis dabei. Das soll ein Zeichen im Sinne der ersten Antwort sein.
Gibt es konkrete Angebote, die Deutschland und Europa jetzt Taiwan machen sollten, beispielsweise Vollmitgliedschaften in internationalen Gremien?
Wir haben uns ja in der Koalition im Koalitionsvertrag vorgenommen, unterhalb der Ebene staatlicher Anerkennung die Einbindung Taiwans zu stärken. Dafür engagieren wir uns.
Das Ziel ist es jedoch, einen Krieg letztlich zu vermeiden.
Ja, und im Sinne der Vermeidung einer Konfrontation muss sich der Westen insgesamt im Sinne so positionieren, dass er auch durch Abschreckung den Krisenfall selbst unwahrscheinlich macht.
Hat es aus Sicht der westlichen Allianzen Sinn, rote Linien zu ziehen: Wenn China A macht, passiert B?
Es ist nicht klug, hier in hätte-wenn-Szenarien zu denken. Es wurde aber ja bereits eindeutig formuliert, dass eine militärisch erzwungene Wiedervereinigung nicht ohne Konsequenzen bleiben würde.
Welche Vorüberlegungen sind dafür gegenwärtig nötig und geboten?
Dazu gehört vor allem neben einer sicherheitspolitischen auch eine wirtschaftliche Dimension. Darüber habe ich auch bereits mit klugen Gesprächspartnern unserer Verbündeten in Washington gesprochen, die insbesondere diesen Punkt auch für Europa betonen.
Welche Änderung der Wirtschaftspolitik von EU und Deutschland strebt die FDP hier an?
Wir müssen uns stärker vom chinesischem Markt unabhängig machen und dabei aus einer Position wirtschaftlicher Stärke heraus agieren. Dazu gehört es zum einen, die eigene Innovationskraft wieder nach vorn zu bringen und zum anderen, Abhängigkeiten dadurch zu reduzieren, dass wir gerade jetzt mehr Freihandel mit marktwirtschaftlichen Demokratien vorantreiben. Es geht hier also nicht um Decoupling-Fantasien, sondern um eine ökonomische Strategie “beyond China”, also über China hinaus. Es gibt viele marktwirtschaftliche Partner für eine solche Politik auch um den Pazifik, neben Südkorea oder Japan zum Beispiel auch die ASEAN-Staaten, Australien oder Indien.
Volkswagen und BASF machen keine Anstalten, ihre China-Abhängigkeit zu verringern. Um dort Marktanteile zu halten, wollen sie sogar mehr investieren. Wie bewerten Sie das?
Ich nehme insgesamt schon wahr, dass deutsche Unternehmen – etwa auch im Mittelstand bei mir im Sauerland – immer stärker auch über die eigenen Abhängigkeiten bei solchen Entscheidungen nachdenken. Aber der Prozess steht sicher gerade erst am Anfang. Deshalb muss er Teil eines stärkeren strategischen Vorgehens als Gesamtgesellschaft sein. Der von mir geforderte China-Stresstest kann hier helfen, weil er Transparenz und Sensibilität erhöht.
Wenn Sie ihre Vorstellungen umreißen, klingen Sie sehr ähnlich wie die China-Strategien aus grün geführten Ministerien.
In der Koalition hat das Nachdenken über eine Neuausrichtung auf breiter Front begonnen. Das ist gut, denn hier folgen die Koalitionspartner unserer Linie. Über die Details müssen wir allerdings noch ausführlich reden.
Es wirkt jedoch so, als engagiere sich die FDP besonders für Taiwan. SPD und Grüne haben in jüngerer Zeit keine eigenen Delegationen geschickt.
Dass die Partei der Freiheit sich für Freiheitsfragen engagiert, dürfte Sie nicht überraschen. Das ist aber eben auch eine Frage des neuen Systemwettbewerbs. Wir müssen die Herausforderungen, vor die uns Chinas KP stellt, sehr viel systematischer angehen.
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Als Alvin am Sonntagmorgen die Grenze von Hongkong nach Shenzhen passiert, nimmt ihn auf der anderen Seite sofort seine Frau mit einer Umarmung in Empfang. Nach fast drei Jahren, in denen Einreisen nach China nur mit einem Aufenthalt im Quarantäne-Hotel möglich waren, ist das Leben für das Paar nun endlich wieder einfacher geworden.
“Quarantäne? Das machen wir nie wieder”, sagt der 36-Jährige, bevor er mit seiner Frau in einem Taxi verschwindet. Während Alvin einen Job in Hongkong hat, arbeitet seine Partnerin in Shenzhen. Beide haben in den vergangenen Jahren zahllose Aufenthalte in Quarantäne-Hotels hinter sich gebracht. Das war der einzige Weg, um sich wenigstens manchmal sehen zu können. Doch damit ist jetzt Schluss.
Zwar sind noch nicht alle Grenzübergänge zwischen Hongkong und Shenzhen wieder offen. Die Schnellzugstrecke, die beide Metropolen verbindet, soll erst in den kommenden Tagen langsam wieder den Betrieb aufnehmen. Auch gilt zunächst eine Quote, damit es zu Beginn nicht zu Überlastungen kommt. Jeweils 60.000 Menschen dürfen die Grenze pro Tag in beide Richtungen überqueren. Ausgenommen davon sind Hongkonger und Festland-Chinesen, die jeweils in ihre Heimat zurückkehren. Am Grenzposten Shenzhen Bay sieht es am Sonntag dennoch schon fast wieder wie vor der Pandemie aus.
Die Grenzpolizisten tragen keine weißen Ganzkörper-Schutzanzüge mehr. Verschwunden sind auch die Container, in denen Reisende bei der Ankunft ihre Corona-Tests machen mussten. Die hohen Zäune rund um den Grenzposten, wo Ankömmlinge auf den Bus ins Quarantäne-Hotel warten mussten, haben Arbeiter abgebaut.
Auch an chinesischen Flughäfen freuten sich Reisende am Sonntag über den Wegfall der Quarantänepflicht. In Peking landete am Sonntagvormittag mit Air China Flug 932 der erste quarantänefreie Direktflug aus Deutschland. Zeitweise hatten Reisende nach China drei Wochen in strenger Isolation in einem Hotelzimmer verbringen müssen. Zuletzt wurden noch fünf Tage plus drei Tage Isolation daheim verlangt. Nun braucht man nur noch einen negativen PCR-Test 48 Stunden vor Abflug.
Trotz der drastisch vereinfachten Regeln gehen Beobachter mit Ausnahme der Grenze zu Hongkong zunächst nicht von einer riesigen Reisewelle in beide Richtungen aus. Dafür gibt es bisher noch nicht wieder genügend Flugverbindungen. Sowohl chinesische als auch internationale Airlines brauchen Zeit, um ihre Pläne umzustellen. Auch beginnt China gerade erst damit, neue Reisepässe auszustellen. Chinesische Konsulate und Botschaften im Ausland wollen zwar auch wieder mehr Visa-Anträge genehmigen. Wann ausländische Touristen wieder nach China reisen dürfen, ist bisher jedoch nicht bekannt. Vorrang haben erstmal Geschäftsreisen.
Trotz nur weniger verfügbarer Flüge hat das Auswärtige Amt über das Wochenende dennoch vor unnötigen Reisen in die Volksrepublik abgeraten. Begründet wurde die Warnung mit der massiven Corona-Welle in China, durch die Krankenhäuser überlastet werden. Die Bundesregierung hat China in einer neu geschaffenen Risikoklasse eingestuft. Virusvariantengebiete gibt es schon eine ganze Weile. Neu ist nun das “Virusvariantengebiet in dem eine besorgniserregende Virusvariante aufzutreten droht”. Oder kurz: Drohendes Virusvariantengebiet.
Die Infektionszahlen in China seien auf dem höchsten Stand seit Beginn der Pandemie 2020: “Das chinesische Gesundheitssystem ist überlastet, auch die ausreichende Versorgung in medizinischen Notfällen ist davon betroffen”, heißt es in den Reise- und Sicherheitshinweisen des Außenamtes. Die chinesischen Behörden vermeldeten am Samstag offiziell zwei neue Todesfälle in Zusammenhang mit der vom Coronavirus ausgelösten Infektionskrankheit Covid-19. Am Tag zuvor seien es drei Todesfälle gewesen, teilt das Zentrum für Krankheitskontrolle und -prävention mit.
Gespräche über eine Aufnahme des Covid-Medikaments Paxlovid in die Medikamentenliste der staatlichen Basis-Krankenversicherung waren am Wochenende gescheitert. Als Grund nannte die Gesundheitsbehörde die vom Anbieter Pfizer gestellten Bedingungen. Deutschland und die EU hatten Peking angeboten, Biontech-Impfstoff zur Verfügung zu stellen. Eine Antwort auf das Angebot gab es zunächst nicht. Jörn Petring
In einer Fabrik in Chongqing kam es laut Berichten der South China Morning Post am Wochenende zu gewaltsamen Ausschreitungen. Videos in den sozialen Netzwerken zeigen, wie Arbeiter Sicherheitskräfte in einem Industriepark mit Gegenständen bewerfen. Aus einem Polizeilautsprecher ertönt die Durchsage “illegale Aktivitäten” seien unverzüglich zu unterbinden.
Kommentaren auf Social Media und Bildauswertungen von AFP zufolge könnte es sich bei den Protestierenden um Arbeiter des Pharma-Herstellers Zybio handeln, der unter anderem Covid-Testkits herstellt. Berichten zufolge hat das Unternehmen zuletzt mehrere Tausend Arbeiter entlassen und Löhne nicht ausgezahlt. Das Unternehmen äußerte sich bislang nicht zu den Vorkommnissen. Hashtags, die mit den Protesten in Zusammenhang stehen, wurden von den Behörden zensiert. fpe
Jack Ma wird die Kontrolle über den von ihm gegründeten Finanzdienstleister Ant Financial abgeben. Das teilte die Ant Group am Samstag in einer Erklärung mit. Der 58 Jahre alte Multimilliardär und Gründer der E-Commerce-Plattform Alibaba hielt zuletzt nur noch zehn Prozent der Anteile an Ant Financial, hatte aber noch über die Hälfte der Stimmrechte. Nun sollen seine Stimmrechte auf rund sechs Prozent reduziert werden. Kein Anteilseigner hat damit künftig die alleinige Kontrolle über das Unternehmen.
Die chinesischen Aufsichtsbehörden hatten vor zwei Jahren den geplanten Börsengang des Fintech-Konzerns kurzfristig unterbunden (China.Table berichtete). Der Rückzug von Ma könnte Beobachtern zufolge die Pläne für einen Börsengang der Ant Group wiederbeleben. Allerdings erfordern chinesische Aktienmärkte nach solchen Veränderungen in der Unternehmensführung eine Wartezeit von zwei bis drei Jahren. Für Hongkong gilt hingegen nur ein Jahr.
Die Ant-Gruppe betreibt den in China allgegenwärtigen mobilen Zahlungsdienst Alipay sowie eine Kreditvergabeplattform und Versicherungsgeschäfte. Dem Staat war das Unternehmen im streng kontrollierten Finanzsektor dabei über die Jahre zu mächtig geworden. Auch wegen einer kritischen Rede über die Finanzbehörden stand Ma im Fokus eines staatlichen Crackdowns gegen Chinas Tech-Unternehmen (China.Table berichtete). Im vergangenen Jahr soll er seinen Wohnsitz von China nach Japan verlegt haben. fpe
Die Chinese Academy of Engineering (CAE) berichtet von einer Häufung von Todesfällen unter ihren Mitgliedern nach den abrupten Corona-Öffnungen Mitte Dezember. Im Zeitraum vom 15.12. bis zum 04.01. seien 22 betagte Ingenieure und Naturwissenschaftler unter den 900 Akademikern verstorben. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre starben nur 16 Mitglieder im ganzen Jahr.
Die CAE verstieß insofern nicht gegen die Parteilinie, als sie nur einen zeitlichen, keinen ursächlichen Zusammenhang zur Corona-Öffnung herstellte. In China gelten nur Patienten als “an Corona gestorben”, bei denen absolut keine andere Todesursache wie hohes Alter, Lungenentzündung oder Vorerkrankungen eine Rolle spielt.
Zu den prominenten Verstorbenen der vergangenen Wochen gehören:
Im Fall des profilierten Bauingenieurs Long Yuqiu nennt der Nachruf auf der Akademie-Website ausdrücklich “unzureichende medizinische Behandlung” als Todesursache. Pekings Krankenhäuser sind derzeit von Covid-Patienten überschwemmt, sodass andere Erkrankungen zu kurz kommen. fin
Taiwan möchte bei den WTO-Konsultationen im Zuge der chinesische Klage gegen das US-Chip-Embargo teilnehmen. Peking hatte Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO) gegen die USA wegen der Beschränkungen für die Ausfuhr von Halbleitern und anderen Hightech-Produkten eingereicht (China.Table berichtete).
Wegen der weltweiten Bedeutung für den Chip-Markt will nun auch Taiwan als größter Produzent an den Gesprächen teilnehmen, wie Taipeh in einer Mitteilung an die Organisation mitteilte. Die Insel habe nicht die Absicht, Chinas WTO-Klage zu unterstützen, hieß es in dem Statement. Der Schritt impliziere auch keine “Unzufriedenheit mit den Maßnahmen der Vereinigten Staaten”.
Auch Russland hatte Ende Dezember angekündigt, den Konsultationen beitreten zu wollen. Wann diese beginnen, wurde bisher nicht offiziell mitgeteilt. ari
Japan erwägt in Vorbereitung auf einen möglichen Konflikt um Taiwan einem Medienbericht zufolge die Einrichtung Dutzender Munitions- und Waffendepots auf Inseln vor China. Japanische Streitkräfte, die die China zugewandten Inseln des Landes verteidigen sollen, hätten so besseren Zugang zu Nachschub, berichtete die japanische Wirtschaftszeitung Nikkei Asia unter Berufung auf entsprechende Erwägungen im japanischen Verteidigungsministerium. Japan verfüge landesweit derzeit über etwa 1.400 Munitionslager, wovon sich jedoch 70 Prozent auf der nördlichsten Hauptinsel Hokkaido befänden.
Das Verteidigungsministerium schätze, dass Japans Landstreitkräfte innerhalb des nächsten Jahrzehnts etwa 90 zusätzliche Munitionsdepots benötigen. Etwa 40 weitere solcher Lager brauche zudem die Marine. Ein Vorschlag sehe den Bau von fast 70 Munitionslagern innerhalb der nächsten fünf Jahre vor, berichtete die Zeitung. Die neuen Depots würden demnach auf Inseln eingerichtet, die sich von der Südspitze der südwestlichsten Hauptinsel Kyushu in Richtung Taiwan erstrecken. Die Regierung in Tokio werde diesbezüglich Gespräche mit den lokalen Behörden und Einwohnern der Inseln aufnehmen, hieß es in dem Bericht.
Japan vollzieht derzeit einen historischen Kurswechsel seiner Sicherheitspolitik und will seine Verteidigungsausgaben massiv aufstocken (China.Table berichtete). Der Wehretat soll sich statt wie bisher auf ein Prozent künftig auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes belaufen. ari
Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping hat sich für eine engere Zusammenarbeit im Energiebereich mit Turkmenistan ausgesprochen. “Die Erdgaskooperation ist der Eckpfeiler der Beziehungen zwischen China und Turkmenistan”, sagte Xi dem turkmenischen Präsidenten Serdar Berdimuhamedow bei einem Treffen in Peking. Das zentralasiatische Turkmenistan ist Chinas größter Einzellieferant von Pipeline-Erdgas. Konkrete Details zur künftigen Energiekooperation zwischen den beiden Ländern nannte Xi nicht.
Chinas Einfuhr von turkmenischen Gas legt zu. In den ersten elf Monaten von 2022 hatte China laut Zolldaten Gas im Wert von rund 9,3 Milliarden US-Dollar eingeführt. Im Jahr zuvor war es nach Angaben derselben Quelle noch 6,79 Milliarden US-Dollar. Laut dem norwegischen Energieforschungsunternehmen Rystad Energy entspricht das etwas mehr als 50 Prozent der Pipeline-Gasimporte Chinas. Bei dem Treffen am Freitag einigten sich Xi und Berdimuhamedow darauf, die bilateralen Beziehungen zu einer “umfassenden strategischen Partnerschaft” auszubauen. ari/rtr
Ein Lastwagen ist in Südostchina in eine Warteschlange auf der Straße vor einem Krematorium gekracht. 19 Menschen kamen bei dem Vorfall ums Leben. Weitere 20 wurden verletzt, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Das Unglück passierte demnach kurz am Sonntag nach Mitternacht im Dorf Taoling südöstlich der Stadt Nanchang in der Provinz Jiangxi. Wie Staatsmedien berichteten, warteten die Angehörigen und Freunde vor dem Gebäude, hatten Opfergaben für die Toten am Straßenrand aufgestellt. Demnach wollten die Menschen bei einer Massen-Einäscherung am nächsten Morgen dabei sein. Nähere Angaben zum Hergang des Unfalls gab es zunächst nicht. ari
Chinas jüngste Entscheidung, die strikte Null-Covid-Politik aufzugeben, hat viele zu der Annahme bewogen, dass sich die chinesische Wirtschaft jetzt erholen wird. So hat beispielsweise die Economist Intelligence Unit ihre Prognose für das chinesische BIP-Wachstum des Jahres 2023 auf 5,2 Prozent nach oben revidiert. Die Erholung des Wachstums ist jedoch kein Automatismus und China hat mit mehreren Herausforderungen zu kämpfen. Kurzfristig zählen dazu das schwindende Vertrauen der Unternehmen und Haushalte hinsichtlich ihrer künftigen Einkommen, mittelfristig das unzureichende Produktivitätswachstum und langfristig eine ungünstige demografische Entwicklung.
Auf kurze Sicht könnte die Wiederherstellung des Vertrauens wichtiger sein als die Ausweitung der Kreditvergabe. Nach einer längeren Phase wiederholter Lockdowns zögern viele Kleinunternehmen und Beschäftigte in traditionellen Dienstleistungssektoren, die um Arbeitsplätze und Einkommen gefürchtet haben, Anschaffungen zu tätigen. Und nach den jüngsten Einnahmeausfällen sowie angesichts verschärfter regulatorischer Kontrolle im Bildungswesen, in der Technologiebranche und in anderen Sektoren sind zahlreiche Unternehmen vorsichtig mit Investitionen. In einer kürzlich durchgeführten Umfrage unter chinesischen und in China tätigen ausländischen Firmen hat die in Shanghai ansässige China Europe International Business School festgestellt, dass das Geschäftsvertrauen in China auf einen neuen Tiefstand gesunken ist.
Dieser Pessimismus kann selbsterfüllende Wirkung haben. Wenn genügend Unternehmen und Haushalte das Vertrauen verlieren und ihre Ausgaben kürzen, sinkt die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen anderer Unternehmen. Von deren niedrigeren Einkünften wären letztendlich die Zulieferer dieser Unternehmen betroffen. Um diesen Pessimismus-Kreislauf zu durchbrechen, gilt es für die chinesischen Entscheidungsträger, kurzfristig das Vertrauen wiederherzustellen. Allerdings sind ihre Möglichkeiten begrenzt. Eine bessere Berechenbarkeit künftiger politischer Maßnahmen wäre überaus hilfreich zur Stärkung des Vertrauens, doch diese Berechenbarkeit lässt sich nicht einfach durch staatliche Verlautbarungen erreichen. Eine Kreditausweitung würde zwar die Gesamtnachfrage ankurbeln, könnte aber die unerwünschte Nebenwirkung haben, die Inflation in die Höhe zu treiben. Unterdessen haben die kostspieligen Covid-19-Tests und Quarantänen Chinas fiskalische Kapazitäten strapaziert.
Eine denkbare politische Maßnahme wäre eine zeitlich befristete Senkung der Umsatz- und Körperschaftsteuer. Durch eine nur vorübergehende Senkung dieser Steuern könnte China seine Staatsverschuldung verringern und den Verbrauch der privaten Haushalte ankurbeln. In ähnlicher Weise könnte eine befristete Senkung der Körperschaftsteuer zu mehr Investitionen des Privatsektors führen als eine entsprechende dauerhafte Senkung.
Um mittelfristig das Tempo des Produktivitätswachstums zu erhöhen, benötigt die chinesische Wirtschaft mehr als zusätzliche Patente und Software. Es bedarf vielmehr einer besseren Ressourcenallokation zwischen Einzelpersonen, Unternehmen und Sektoren. So könnte China beispielsweise durch eine Reform des als “Hukou”bezeichneten Systems der staatlichen Haushaltsregistrierung die gleiche Menge an Humanressourcen weit effizienter einsetzen und gleichzeitig die soziale Gerechtigkeit verbessern. Ein weiterer Schritt, der möglicherweise zur Steigerung der Produktivität beiträgt, besteht in der Angleichung der Rahmenbedingungen für staatliche und private Unternehmen bei der Vergabe von Bankkrediten und staatlichen Genehmigungen.
Um das mittelfristige Wachstum zu steigern, gilt es für China, die Lehren aus seiner eigenen Geschichte zu ziehen und sich auf die Beseitigung von Hindernissen für Marktzugang und Unternehmertum zu konzentrieren. Die Wachstumsrate einer Volkswirtschaft ergibt sich aus der Kombination einer Zunahme der durchschnittlichen Größe bestehender Unternehmen (intensives Wachstum) und einer Steigerung der Anzahl von Unternehmen (extensives Wachstum). Eine von mir gemeinsam mit Xiaobo Zhang durchgeführte Studie über den chinesischen Fertigungssektor legt nahe, dass in den letzten Jahrzehnten ungefähr 70 Prozent der gesamten BIP-Expansion auf das extensive Wachstum entfiel.
Langfristig gesehen besteht die größte wirtschaftliche Herausforderung für China in der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung des Landes. Im Gegensatz zu wirtschaftlichen Konkurrenten wie Vietnam und Indien nimmt die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in China seit fast einem Jahrzehnt ab. Selbst wenn das Produktivitätswachstum konstant bliebe, würde diese demografische Verschiebung zu einem immer geringeren BIP-Wachstum führen. Einige politische Maßnahmen, wie etwa der massenhafte Import ausländischer Arbeitskräfte, könnten Abhilfe schaffen, würden aber wohl zu sozialen oder politischen Verwerfungen führen. Andere Maßnahmen wie die Erhöhung der Geburtenrate, die Anhebung des Renteneintrittsalters oder die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen präsentieren sich nicht besonders vielversprechend.
Ein realistischeres Ziel wäre es jedoch, die Qualifikation der Arbeitskräfte zu verbessern. So könnte China beispielsweise das durchschnittliche Bildungsniveau seiner Arbeitskräfte erhöhen, indem man Verbleib- und Abschlussquoten in höheren und berufsbildenden Schulen in ländlichen Gebieten verbessert. Die Allgegenwart von Smartphones und Tablets bietet einen neuen potenziellen Ansatzpunkt für die Verbesserung der Qualifikationen von Beschäftigten. Doch nach einer Phase der Verschärfung der Bestimmungen für Online-Bildungsdienste würde derartiges ein freizügigeres politisches Umfeld erfordern, das den Unternehmergeist in diesem Bereich fördert.
Schließlich sollte sich China nicht zu sehr auf rasches BIP-Wachstum fixieren, sondern sich stattdessen darauf konzentrieren, das Pro-Kopf-Einkommen zu erhöhen und die Lebensqualität zu verbessern. Diese Faktoren sind für die Menschen in China von wesentlich höherer Bedeutung als das BIP-Wachstum und hängen auch nicht so sehr von der Bevölkerungszahl ab.
Shang-Jin Wei ist ehemaliger Chefökonom der Asiatischen Entwicklungsbank sowie derzeit Professor für Finanz- und Wirtschaftswissenschaften an der Columbia Business School und der School of International and Public Affairs der Columbia University. Übersetzung: Helga Klinger-Groier.
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Jutta Ludwig ist neues Vorstandsmitglied beim Medizintechnik-Hersteller Eckert & Ziegler. Die China-Expertin mit eigener Beratungsfirma war bisher als Aufsichtsrätin bei dem Unternehmen tätig.
Mohamed Zied Aouini ist seit Beginn des Monats Section Lead – Project Management bei Mercedes-Benz China in Shanghai. Er arbeitete zuvor im Project Management Cooperation Engine bei Mercedes in Stuttgart.
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Heiße Zitrone, Zwiebelsirup, Ingwertee und Hühnerbrühe, Erkältungsbäder und Wadenwickel … vielleicht sollten Sie beim nächsten Grippe- oder Corona-Knockout noch ein weiteres Hausmittelchen in diese Riege aufnehmen: nämlich eingelegte Pfirsiche.
Während der Corona-Tsunami durch China wogt, sind in den Hotspots teils nicht nur Fiebermittel wie Ibuprofen (布洛芬 bùluòfēn), Hustensäfte (咳嗽糖浆 késòu tángjiāng) und Antigen-Testkits (抗原 kàngyuán) vergriffen, sondern auch Pfirsiche aus dem Glas oder der Dose (黄桃罐头 huángtáo guàntóu). Die nämlich gelten vor allem in Dongbei (东北 dōngběi), also Nordostchina, als Wunderwaffe gegen grippale Infekte. “Dongbei-Penicillin” (东北青霉素 dōngběi qīngméisù) taufte die Netzgemeinde sie deshalb scherzhaft. Im Sog des Corona-Strudels erlebte das goldgelbe Konservenobst im Reich der Mitte einen Hype der Herzen und tröstete manchen Chinesen durch die mausgrauen Fiebertage – so man denn ein Gläschen oder Döschen ergattert hatte.
Mancher Fan sagt dem Dosenobst eine appetitanregende Wirkung nach, die den Corona-Heilungsprozess unterstützen soll. Tatsächlich aber handelt es sich wohl doch in erster Linie um ein Pfirsich-Placebo, ein klassisches “comfort food” (安慰食品ānwèi shípǐn), das Kindheitserinnerung weckt. Nordostchinesische Omas und Mamas päppelten kränkelnde Kinderkörper nämlich lange liebevoll mit quietschsüßem Konservenobst aus dem Erkältungsjammertal. In den Siebziger- und Achtzigerjahren und auch noch bis in die Neunzigerjahre hinein galten Konserven in Nordchina als kostbares Gut. Erst recht in den kargen Wintermonaten, wo es dort an frischem Obst und Gemüse mangelte. Eingedostes war teuer. Für eine Dose Pfirsiche musste man damals so viel berappen wie für ein Pfund Schweinefleisch. Entsprechend wurden die zuckersüßen Früchtchen nur zu besonderen Anlässen hervorgekramt – etwa bei Verwandtenbesuchen oder zum alljährlichen Frühlingsfest, an Geburtstagen oder eben wenn ein Hascherl mit Husten und hoher Temperatur im Bett ausharrte.
Doch auch im Süden des Landes, wo es ja das ganze Jahr über nicht an frischen Früchten mangelt, fühlt sich mancher Chinese ebenfalls in Kindheitstage zurückversetzt, wenn zuckersüßes Dosenobst am Gaumen zergeht. Umwehte die eingelegten Früchte aufgrund ihres üppigen Zuckergehalts doch der Hauch von Süßigkeiten und damit des “Verbotenen”. Das Konservenobst galt als ungesundes Zuckerzeug voller Konservierungsstoffe und wurde von besorgten Eltern entsprechend mit Argusaugen rationiert. Dosenfrüchte landeten also auch in Südchina nicht jeden Tag auf dem Tisch. Den Kleinen hat’s natürlich trotzdem geschmeckt. Kein Wunder also, dass Chinas Netzgemeinde die Pfirsiche im süßen Sud momentan landesweit augenzwinkernd als “Wunderwaffe gegen Corona” (抗疫神器 kàng yì shénqì) feiert, dank nostalgischem Erinnerungsfaktor.
Auch bei der älteren Generation wecken die Weckgläser übrigens besondere Assoziationen. Glaubte man im alten China doch, Pfirsichzweige könnten böse Geister vertreiben. Pfirsiche gelten den Chinesen bis heute als Symbol für Gesundheit und Langlebigkeit. Das hängt – wie so oft – auch mit einem Gleichlaut zusammen. Denn das Zeichen für Pfirsich 桃 (táo) klingt genauso wie 逃 (táo) “fliehen”. Wer sich also mit Pfirsichen umgibt, springt – dem Volksglauben nach – Krankheit, Tod und anderem Ungemach von der Schippe. Bis heute hält sich der Brauch, an Geburtstagen “Langlebigkeitspfirsiche” (寿桃shòutáo – wörtlich “Menschenleben-Pfirsiche”) zu verschenken – entweder als echte, frische Früchte oder als pfirsichförmiges Gebäck, das ein langes Leben symbolisiert.
Chinesische Supermärkte griffen das Wortspiel anlässlich der Pandemie ebenfalls auf. In den sozialen Medien kursierten Schnappschüsse von Werbeschildern an Pfirsichglas-Paletten. 桃过疫情 táoguò yìqíng hieß es darauf – “Entflieht der Epidemie!”. Wobei das Hanzi für “fliehen” natürlich durch das für “Pfirsich” ersetzt war. Falls Sie also einen chinesischen Liebsten an Ihrer Seite haben: Vergessen Sie die Zwiebeln und heiße Zitrone und greifen Sie lieber zum Pfirsich-Trostpflaster.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.