Table.Briefing: China

Diktatur-Erkenntnis der Expats + Aus für US-asiatische Chip-Allianz

  • Expats merken: Sie leben in einer Diktatur
  • Südkorea lehnt Chip-Allianz mit USA ab
  • Termine der kommenden Woche
  • Jorge Toledo Albiñana soll EU-Botschafter werden
  • USA warnen vor Unterstützung für Moskau
  • Ölfirmen interessieren sich für Russland-Projekt von Shell
  • Unionpay verweigert Zusammenarbeit mit Sberbank
  • UN-Menschenrechtsrat stellt Fragen zu Tibetern
  • Portrait: Fu Zhenghua – Gefürchteter Sicherheitschef verhaftet
Liebe Leserin, lieber Leser,

wer als Europäer in China lebt, zumal als Mitarbeiter einer großen Firma, hatte bisher gut reden. Die Nachteile des Lebens in China waren in der Regel weit weg. Fehlende Rechtsstaatlichkeit spielte zwar manchmal auf geschäftlicher Ebene eine Rolle. Doch privat war das Leben zwischen Meeting-Räumen, deutscher Schule, Starbucks und Sportstudio meist angenehm.

Der Lockdown in Shanghai hat das verändert. Die rigiden Methoden der Staatsmacht schockieren viele Expats. Zwar gab es schon andere einschneidende Ereignisse in Chinas Großstädten, doch wegen des schnellen Generationswechsels der Ausländer kann sich daran kaum jemand erinnern.

Wenn Xi Jinping sagt, Beharrlichkeit führt zum Sieg über das Virus, dann denkt er an eine chinesische Bevölkerung, der die Partei regelmäßig Härten zumutet. In China bewegt sich die Politik zuweilen mit zerstörerischer Macht, die den einzelnen am Rande zermalmt. Das gilt dann als kleiner Nebenschaden im Sinne der großen Sache. Die Fähigkeit, “Bitteres zu essen” 吃苦 ist daher für das Überleben in China enorm wichtig. Europäer und US-Amerikaner kennen aus ihrem Leben nichts dergleichen. Marcel Grzanna analysiert heute, was das Trauma von Shanghai mit ihnen macht.

In der zweiten Analyse widmen wir uns dem Versuch der USA, mit dem Chip-Mangel fertigzuwerden. Sie haben Südkorea umworben, einer Halbleiter-Allianz beizutreten, die zumindest zum Teil gegen China gerichtet gewesen wäre. Doch Samsung-Land hat Joe Biden abblitzen lassen, schreibt Frank Sieren. Denn China ist der viel größere und wichtigere Markt.

Fu Zhenghua wurde am Donnerstag offiziell festgenommen. Es handelt sich um einen echten Tiger – also um einen hohen Kader, der ins Visier der Korruptionsermittler geraten ist. Fu ist sogar ein Königstiger: Er war selbst Justizminister und Geheimdienstchef. Michael Radunski zeigt, wie eng der Aufstieg und Fall von Fu Zhenghua mit der politischen Marschroute im Land zusammenhängen.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

Der Diktatur plötzlich ganz nah

Die Lockdowns in Shanghai und weiteren Städten Chinas zeigen auch für ausländische Einwohner:innen das wahre Gesicht der Demokratie.
Shanghai: Ein Sicherheitsmitarbeiter überwacht die Einhaltung der Ausgangssperre

In weniger als drei Wochen hat sich das China-Bild der 19-jährigen Lisa aus Münster komplett gewandelt. “Ich muss meine Meinung grundlegend revidieren. Ich habe die Kritik an diesem politischen System immer für völlig übertrieben gehalten. Jetzt bin ich fassungslos, was es tatsächlich bedeutet, in einer Diktatur zu leben“, sagt die junge Frau, deren chinesische Eltern bereits vor Jahrzehnten aus Shanghai nach Deutschland ausgewandert waren, um der autoritären Politik der Volksrepublik zu entfliehen.

Lisa wuchs in Deutschland mit Meinungsfreiheit und im Rechtsstaat auf. Dennoch wollte sie die Warnungen ihrer Familie vor der Unnachgiebigkeit der chinesischen Staatsführung nie so recht für bare Münze nehmen. Auch deshalb ging sie vor wenigen Monaten guter Dinge nach Shanghai, um ihre Mandarin-Sprachkenntnisse auf Vordermann zu bringen.

Als sich der Lockdown Ende März anbahnte, entschied sie sich, auf die chinesische Urlaubsinsel Hainan zu fliehen. Das bewahrte sie jedoch nicht vor einem positiven Coronavirus-Test. Schon seit mehr als zwei Wochen befindet sich Lisa deshalb in einem Krankenhaus in der Provinzhauptstadt Sanya in Quarantäne. “Ich fühle mich hier völlig hilflos, der Willkür von Behörden ausgesetzt und ohne Schutz der Privatsphäre“, sagt sie im Gespräch mit China.Table. Sie habe den Entschluss getroffen, die Heimat ihrer Eltern und Großeltern schnellstmöglich zu verlassen und in Zukunft nicht mehr in China leben zu wollen.

Kein Entkommen: Quarantänezentrum in Shanghai

Die bedingungslose Umsetzung von Corona-Schutzmaßnahmen in China versetzt viele Ausländer in Schockzustand. Zum ersten Mal während ihrer Zeit in China spüren sie den Verlust der eigenen Souveränität gegenüber dem Staat. Plötzlich rückt die Diktatur den privilegierten Gästen aus demokratischen Staaten ganz nah. “Als Ausländer lebst du hier in der Blase einer Subkultur, in der du von dem Wesen des Systems und den Konsequenzen normalerweise überhaupt nichts mitbekommst”, sagt Lisa.

Lockdown “chaotisch, unstrukturiert und unlogisch”

Es ist nicht das erste Mal in Chinas jüngerer Geschichte, dass romantische Verklärung der Volksrepublik durch ausländische Ortsansässige von der Realität eingeholt wird. Das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989 bedeutete eine dramatische Zäsur. Und auch die Handhabung des Ausbruchs des Corona-Vorläufers Sars im Jahr 2002 offenbarte zahlreichen Ausländern die Schattenseiten eines Machtmonopols in den Händen einer einzigen Partei.

Doch im Vergleich zu damals hat sich Chinas Rolle in der Welt drastisch verändert. Den Aufstieg des Landes zur zweitgrößten Volkswirtschaft verstehen manche als Rechtfertigung dafür, dass das autoritäre System seine Bürger von politischer Willensbildung ausschließt. Zwanzig Jahre nach dem Beitritt Chinas in die Welthandelsorganisation und der Ausrichtung von zwei Olympischen Spielen können sich viele Gäste im Land zudem nicht vorstellen, dass die KP-Diktatur auf ihre Reputation im Ausland keinen Wert legt, wenn sie eigene Interessen in Gefahr sieht.

Die totale Abhängigkeit von den Behörden und das Gefühl der Handlungsunfähigkeit hat auch den 48-Jährigen Ralf überrascht. “Einerseits schockiert mich die Rücksichtslosigkeit der Behörden gegenüber dem Einzelnen. Andererseits macht es mich sprachlos, wie chaotisch, unstrukturiert und unlogisch der Lockdown und die Isolation von positiv Getesteten umgesetzt werden”, sagt der Berliner, der seit knapp drei Jahren in Shanghai lebt. “Was wir hier erleben, spottet jeder Beschreibung. Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut. Keiner will für irgendetwas verantwortlich sein, und niemand trifft hier im Interesse der Bürger eigenständige Entscheidungen”, sagt er.

Der Mangel an Transparenz belastet die Ausländer

Ralf gibt zu, dass ihn die Situation in ein Gefühl der Angst versetzt. “Es gibt überhaupt keine Transparenz. Jederzeit kann es an deiner Wohnungstür klopfen und jemand will dich in ein Quarantäne-Lager verfrachten”, sagte er gegenüber China.Table. Nur zwei Tage später wurde er tatsächlich zur Isolation in ein Hotel gebracht. Anlass war ein positiver Test, der bereits zwei Wochen alt war.

Ein gut neunminütiges Telefongespräch zwischen ihm und einer chinesischen Mitarbeiterin eines Nachbarschaftskomitees darüber erlangte zu Beginn der Woche Aufmerksamkeit in Sozialmedien. Der Deutsche beschwert sich darin über die örtliche Covid-Politik. In den Kommentarspalten finden sich Bewunderung für die offene Beschwerde, aber auch viel Kritik an dem “Ausländer”, der sich das nur traue, weil er nicht mit drakonischen Strafen wie chinesische Staatsbürger rechnen müsse. Er hat mittlerweile entschieden, China schnellstmöglich zu verlassen.

Einen ähnlichen Impuls nimmt Janine Jakob wahr. “Ich fühle mich nicht mehr frei in China”, sagt die 29-Jährige. Sie erlebt seit einigen Tagen eine Form der Erniedrigung und Einschüchterung, die ihr schwer zu schaffen macht. Nach einem positiven Befund Anfang des Monats war sie, ähnlich wie Hayda, aus unerfindlichen Gründen nicht in Quarantäne gebracht worden. Stattdessen isoliert sie sich seitdem in ihrer Wohnung im Shanghaier Stadtbezirk Jing’an.

Nach einer Reihe negativer Antigen-Tests über mehrere Tage hatte sie jedoch eigenmächtig ihre Wohnung verlassen, um sich im Innenhof ihrer Wohnanlage für einen PCR-Test einzureihen. Ein negativer PCR-Test bietet ihr die einzige Möglichkeit, sich zumindest vor die Wohnungstür zu wagen, um beispielsweise den Müll herunterzubringen. Andernfalls ist ihr auch das verboten.

Was folgte, waren Denunziationen und Schuldzuweisungen durch Nachbarn. Die fürchteten weitere Ansteckungen in der Wohnanlage und damit wochenlange Einschränkungen für alle. Die örtliche Polizei rief Jakob an und warf ihr vor, sie habe die Corona-Regeln gebrochen. “Ich habe mich bei Nachbarn und Polizei entschuldigt und gesagt, dass ich die Regeln nicht bewusst brechen wollte”, sagt sie.

“War ich zu naiv? Ja.”

Ihre chinesische Mitbewohnerin hält die Deutsche jetzt genau im Auge und gibt ihr über das Mobiltelefon Anweisungen, was sie zu tun und zu lassen habe. Hilflos musste Jakob zuschauen, wie die Mitbewohnerin einen großen Teil ihres Gemüses wegschmiss. Das Badezimmer darf sie nur benutzen, wenn die Mitbewohnerin ihr per Wechat das Okay gibt. “Ich kann der Frau nicht mehr vertrauen. Ich fühle mich wie ein kleines Mädchen, das von ihrer Mutter bestraft wird“, sagt Jakob. Zu allem Überfluss machte ihr ein Freund Angst, dass ihr wegen Verstoßes gegen Quarantäne-Regeln drei Jahren Haft drohten.

“Ich versuche, das Positive in allem zu sehen”, sagt Jakob, die sich als Persönlichkeitstrainerin selbstständig gemacht hat und nun all die mentalen Techniken anwendet, die sie üblicherweise ihren Kunden vermittelt. Sie habe sich immer langfristig in China gesehen. Nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen stellt sie inzwischen jedoch ihren weiteren Aufenthalt im Land infrage. “War ich zu naiv?”, sagt sie. Und schickt die Antwort gleich hinterher: “Ja.”

Nach dem Tiananmen-Massaker und dem Sars-Ausbruch hatte der Aha-Effekt unter den Ausländern keine breite nachhaltige Wirkung auf die Wahrnehmung der KP-Diktatur außerhalb Chinas. Die aktuelle Naherfahrung mit dem autoritären Staat überschneidet sich jedoch mit Sorgen vor zu großer Abhängigkeit von China. Vor zwei oder drei Jahrzehnten war das komplett anders. Damals war der Wunsch nach enger Zusammenarbeit die dominierende Kraft. Außerdem war der Glaube an einen Wandel Chinas durch Handel noch weit verbreitet.

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Südkorea lässt Biden bei Halbleiter-Allianz abblitzen

Die US-Regierung ist mit einer geplanten Halbleiter-Allianz zwischen Südkorea, Japan und Taiwan abgeblitzt. Aus Angst, Peking zu verärgern, lehnten die Koreaner den Vorschlag der Amerikaner als “nicht vollständig akzeptabel” ab, wie südkoreanische Medien berichten. Der Hintergrund: Südkoreanische Chip-Riesen wie Samsung und SK Hynix unterhalten wichtige Fabriken auf dem chinesischen Festland und fürchten Sanktionen, sollten sie zu eng mit der US-Industrie zusammenarbeiten.

Die Versorgung mit Mikrochips ist derzeit einer der größten Engpässe für die Industrie und ein entscheidender Grund für die Knappheit vieler hochwertiger Produkte. Alle großen Volkswirtschaften versuchen derzeit, ihre Versorgung mit Halbleiterelementen sicherzustellen. Auch die EU versucht derzeit, eine Halbleiter-Allianz zu schmieden. Als Erfolg deutscher Ansiedlungspolitik investiert Intel gerade in Magdeburg. Die USA wollen nun ihrerseits ein Bündnis schaffen, um zu verhindern, dass China ihnen die kostbaren Teile laufend wegkauft.

Doch genau das ist zugleich Südkoreas Grund dafür, das amerikanische Werben abzulehnen. “Die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten hat natürlich höchste Priorität, und doch ist der größte Markt für uns auch von enormer Bedeutung”, zitiert die Zeitung Business Korea einen Brancheninsider. Gemeint ist: China. Halbleiter sind Koreas wichtigster Exportartikel im Handel mit dem großen Nachbarn.

Im Jahr 2021 erzielte das Land laut südkoreanischer Zollhandelsstatistik einen Handelsüberschuss von 26 Milliarden US-Dollar beim Chiphandel mit China. 2020 waren es noch 20 Milliarden US-Dollar. China ist laut der Semiconductor Industry Association (SIA) bereits heute der größte Chipmarkt der Welt, mit Verkäufen von 192 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr und einem Wachstum von 27 Prozent. China ist auch sonst mit großem Abstand der größte Handelspartner Südkoreas. Es exportiert rund doppelt so viel nach China wie in die USA.  

Der südkoreanische Samsung-Konzern hat daher bereits große Summen in der Volksrepublik investiert. Er betreibt seit Februar 2021 eine Fabrik für moderne Speicherchips in Xi’an in der nordwestlichen Provinz Shaanxi. Der 25 Milliarden US-Dollar teure Komplex ist die einzige im Ausland angesiedelte Samsung-Fabrik und beherbergt zwei Wafer-Fertigungsanlagen und eine Verpackungs- und Testanlage, die mehr als 40 Prozent der gesamten Produktionskapazität für NAND-Speicherbausteine des Konzerns ausmacht.

Samsung profitiert von der hohen Nachfrage nach Halbleitern, die durch die globale Knappheit angefeuert wird. Die Südkoreaner sind Weltmarktführer bei Speicherchips. Im vierten Quartal kletterte das operative Ergebnis von Samsung um 52 Prozent auf umgerechnet rund 11 Milliarden US-Dollar. Es ist der beste Wert seit vier Jahren, meldet der Konzern. Gleichzeitig legte der Umsatz um ein knappes Viertel auf 56 Milliarden Euro zu – ebenfalls ein Rekordwert.

Halbleiter: Wer wird schneller unabhängig?

Die USA versuchen derweil, von chinesischen Produkten unabhängig zu werden und setzen neben Kooperationen mit Ländern wie Südkorea auch auf den Ausbau der eigenen Industrie. So will die Biden-Regierung mit dem “America Competes Act” 52 Milliarden US-Dollar in die heimische Halbleiterherstellung und -forschung stecken. Auch Südkorea will ein Gesetz auf den Weg bringen, das Investitionen in die Chip-Herstellung in Höhe von 450 Milliarden US-Dollar über einen Zeitraum von zehn Jahren auslöst. Japan genehmigte im Winter 2021 ein Investitionspaket in Höhe von 5,71 Milliarden Euro, das die Halbleiterindustrie stärken soll. Der Anteil Japans an der weltweiten Chipproduktion lag Ende der 80er-Jahre noch bei über 50 Prozent. Heute sind es nur noch 10 Prozent.

Laut aktuellen Marktzahlen von IC Insights sind die USA weiter die dominante Chip-Kraft. 2021 hatten US-Unternehmen einen globalen Marktanteil von 54 Prozent. Es folgten südkoreanische Firmen mit 22 und taiwanische Firmen mit neun Prozent Marktanteil. Ganz Europa kommt auf sechs Prozent, China auf vier Prozent. Das Marktforschungsunternehmen berechnet die Länderanteile jedoch danach, wo sich das Hauptquartier befindet und nicht danach, wo tatsächlich produziert wird. Schaut man sich die Marktanteile anhand der tatsächlichen Produktion an, haben die USA nur noch einen Anteil von 12 Prozent. Im Jahr 1990 waren es noch rund 40 Prozent. Der German Marshall Fund befürchtet eine “Erodierung” der US-Position in dem Maße, in dem “strategische Rivalen ihre eigene Industrie aufbauen.”

Die staatliche chinesische Zeitung Global Times geht davon aus, dass die US-Sanktionen gegen Huawei und den chinesischen Chip-Produzenten Semiconductor Manufacturing International Corp (SMIC) für den weltweiten Halbleitermangel mitverantwortlich sind. “Die unerbittliche politische Einmischung der USA hat globale Unternehmen überfordert”, so die Zeitung. Der Versuch der USA, das chinesische Festland aus der globalen Chip-Lieferkette auszuschließen, sei “unrealistisch und kontraproduktiv”. Die Folge sei ein noch schlimmerer Mangel.

China will jedoch mit allen Mitteln selbst eine schlagkräftige Chip-Industrie aufbauen, und das möglichst ohne auf Zulieferteile aus dem Ausland zurückgreifen zu müssen. Dabei sucht Peking nicht unbedingt nach Allianzen im Ausland, sondern bündelt die Expertise verschiedener Tech-Firmen im Inland. So gab der chinesische Automobilhersteller SAIC Motor kürzlich bekannt, gemeinsam mit dem Tech-Unternehmen Horizon Robotics in den Bereich der Auto-Chips einzusteigen (China.Table berichtete).

Vorwürfe der Industriespionage

Bislang können Chinas Firmen die modernsten Chips mit einer Breite von nur wenigen Nanometern noch nicht selbst herstellen. Trotzdem hat sich die Volksrepublik vorgenommen, bis 2025 ganze 70 Prozent des Halbleiterbedarfs durch heimische Hersteller zu decken. Firmen wie Oppo und Huawei wollen dabei mit eigenen Chips vorne mitmischen. Derzeit produziert China weniger als 20 Prozent seiner benötigten Halbleiter selbst (China.Table berichtete).

Ganz ohne Hilfe aus dem Ausland geht es aber ganz offensichtlich noch nicht. So wirft unter anderem Taiwans Regierung chinesischen Firmen vor, aggressiv Taiwans Hightech-Talente abzuwerben und sich am Diebstahl von Technologien zu beteiligen.

Taiwans Justizministerium hat bereits Ermittlungen gegen 60 chinesische Staatsangehörige aufgenommen, denen unter anderem Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen vorgeworfen wird. Die Liste der untersuchten Unternehmen liest sich wie ein Branchenverzeichnis. Sie umfasst unter anderem Vimicro, GLC Semiconductor, Beijing Yinxing Technology und Analogix Semiconductor.

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Termine

25.04.2022, 18:00 Uhr (MESZ)
Konfuzius-Institut Leipzig / Veranstaltung: Wang Taos Tagebücher als Quelle für seine Beziehungen zu den Britischen Missionaren Mehr

26.04.2022, 16:00 Uhr (China Standard Time)
Wirtschaftsjunioren der AHK / Zoom Event: Selling software in China as a foreign entity Market Entry and Legal Issues Mehr

26.04.2022, 12:00 Uhr (EDT)
Fairbank Center for Chinese Studies / Zoom: Panel Discussion – How Will the War in Ukraine Impact China’s Engagement in Eastern Europe? Mehr

26.04.2022, 18:30 Uhr (China Standard Time)
AHK / Chamber Meeting : Lessons from Shanghai – Adjustment in China’s “Zero COVID” Policies? Mehr

27.04.2022, 16:00 Uhr (China Standard Time)
Dezan Shira / Webinar: China’s Tax Incentives for Enterprises in 2022: Updates Following the Two Sessions Mehr

27.04.2022, 10:00 Uhr (MESZ)
Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung / Online-Seminar: IP-Strategie in China für deutsche Unternehmen: Erfahrungen nutzen und Fallstricke vermeiden Mehr

27.04.2022, 11:00 Uhr (BST)
SOAS / Virtual Event (Teams): Talk on Coming to terms: Scaffolding family conflict reconciliation model from Taiwan tongzhi (LGBTQ+) and parents Mehr

27.04.2022, 19:00 – 21:00 Uhr (MESZ) – Kassel
Rosa-Luxemburg-Stiftung/ Diskussion/Vortrag: Der Machtkampf gegen China Mehr

28.04.2022, 11:00 Uhr (MESZ)
IfW Kiel / Vorträge und Diskussion: Global China Conversations #9 Chinas Sozialkreditsystem: Welche Auswirkungen hat es auf deutsche Unternehmen? Mehr

28.04.2022, 09:00 Uhr (MESZ)
AHK Hongkong / Webinar: Rethinking Global Supply Chains – Navigating Complex Challenges in 2022 and Beyond Mehr

29.04.2022, 16:00 Uhr (China Standard Time)
Dezan Shira / Webinar: Dormant vs Closed: Is China’s New Dormant Company Policy Right for You? Mehr

News

Kreise: Neuer EU-Botschafter in China steht fest

Der spanische Diplomat Jorge Toledo Albiñana soll neuer Botschafter der Europäischen Union in China werden. Das erfuhr China.Table am Donnerstag aus EU-Kreisen. Toledo ist derzeit spanischer Botschafter in Japan. Der 57-Jährige würde dem Franzosen Nicolas Chapuis als EU-Botschafter in Peking nachfolgen, der gegen Herbst seinen Posten verlässt. Der Europäische Auswärtige Dienst (EEAS) bestätigte die Personalie zunächst nicht.

Mit Toledo kommt ein zweiter hochrangiger europäischer Vertreter von Tokio nach China: Auch die neue deutsche Botschafterin in Peking, Patricia Flor, war vor ihrem Einsatz in der Volksrepublik in der japanischen Hauptstadt tätig (China.Table berichtete). Sie war dort EU-Botschafterin. Toledo wurde in Ludwigshafen geboren und war bereits auf verschiedenen diplomatischen Posten für Spanien und die EU im Einsatz. ari

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US-Vizeministerin warnt vor Hilfe für Moskau

US-Vizeaußenministerin Wendy Sherman hat bei einem Besuch in Brüssel China erneut vor “materieller Unterstützung” für Russland gewarnt. Peking habe gesehen, was der Westen an Sanktionen und Ausfuhrkontrollen erlassen habe, so Sherman bei einer Online-Veranstaltung des Brüsseler Thinktanks Friends of Europe. “Das sollte eine Vorstellung davon geben, aus welchem Angebot wir wählen könnten, wenn China materielle Unterstützung leisten würde.” Ob darunter Waffenlieferungen oder auch finanzielle Hilfe fällt, sagte Sherman nicht. “Wir wollen keinen Konflikt”, betonte Sherman nach einem Treffen mit dem Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS), Stefano Sannino, am Donnerstag.

Die USA hofften weiterhin auf Zusammenarbeit, so die Vizeministerin. Diese hat Sherman zufolge jedoch Grenzen: “Ich glaube, Präsident Xi hat eine Entscheidung darüber getroffen, was die Volksrepublik in der Welt sein soll. Und das ist eine sehr andere Sicht als die, die wir haben.” Sherman ist in der belgischen Hauptstadt, um Vertreter verschiedener Organisationen zu treffen. Das ist neben EEAS auch die Nato. Am Freitag wird Sherman am dritten EU-US-Dialog zu China teilnehmen. Dabei soll auch der Indo-Pazifik auf der Tagesordnung stehen. ari

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Shell will Beteiligung an russischer LNG-Anlage loswerden

Der Energieriese Shell befindet sich Medienberichten zufolge in Gesprächen mit chinesischen Unternehmen, um seine Beteiligung an einem großen russischen Gasprojekt zu verkaufen. Das in London notierte Unternehmen spreche mit den staatlichen chinesischen Ölunternehmen CNOOC, CNPC und Sinopec über seine 27,5-prozentige Beteiligung am Flüssigerdgas-Venture Sachalin II, berichtete die britische Zeitung The Telegraph am Donnerstag. In den Gesprächen ging es demnach um den möglichen Verkauf von Shells Anteilen an ein, zwei oder an alle drei Unternehmen, hieß es in dem Bericht. Shell sei aber auch für potenzielle Käufer außerhalb Chinas offen.

Sachalin II wird vom russischen Gasgiganten Gazprom kontrolliert und betrieben. Das Projekt zur Förderung von Erdgas und Öl befindet sich nördlich der russischen Pazifikinsel Sachalin im Ochotskischen Meer. Weitere Beteiligte sind die japanischen Unternehmen Mitsui & Co und Mitsubishi. Shell äußerte sich zunächst nicht zu den Berichten. Auch die chinesischen Ölunternehmen gaben Reuters zufolge keine Stellungnahme ab. Shell hatte im Februar angekündigt, seine Betriebe in Russland, einschließlich der LNG-Anlage Sachalin II, einzustellen, nachdem die Sanktionen gegen Moskau wegen der Invasion der Ukraine verschärft worden waren. rtr/ari

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Unionpay verzichtet auf Engagement in Russland

Der chinesische Zahlkartendienstleister Unionpay springt in Russland nicht für Mastercard und Visa ein, die sich als Teil der Sanktionen von dort zurückgezogen haben. Russische Kunden können daher derzeit keine Kreditkarten nutzen. Sie sind weiterhin auf die einheimische Debitkarte “Mir” angewiesen, die nur innerhalb Russlands funktioniert.

Russlands Banken hatte gehofft, auf Unionpay und sein eingespieltes internationales Netzwerk zurückgreifen zu können. China hatte Russland in der Vergangenheit bereits angeboten, die Nutzung von Unionpay auszuweiten. Bisher stieß das Angebot jedoch nur auf wenig Nachfrage, allenfalls ein Prozent der Transaktionen liefen über den chinesischen Dienstleister.

Weder Unionpay noch sein Partner Sberbank nannten einen offiziellen Grund für den Rückzieher des chinesischen Unternehmens. Es liegt allerdings die Annahme nahe, dass Unionpay nicht ins Kreuzfeuer sekundärer Sanktionen der USA und der EU geraten will. Diese sprechen bereits darüber, auch Firmen zu sanktionieren, die Russland beim Unterlaufen der Sanktionen helfen. fin

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UN fragt nach verschwundenen Tibetern

Das Verschwinden von drei Tibetern beschäftigt den UN-Menschenrechtsrat. In einem Schreiben an den Repräsentanten der Volksrepublik China bitten die Sonderberichterstatter des Gremiums mit Sitz in der Schweiz um Informationen zu Aufenthaltsort und Gesundheitszustand des Schriftstellers Lobsang Lhundup, des Sängers Lhundrup Dhrakpa und der Lehrerin Rinchen Kyi. Alle drei waren zwischen 2019 und 2021 festgenommen worden. Lhundrup und Dhraka wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Kyi ist ohne offizielle Verurteilung seit August 2021 verschwunden.

Die UN-Experten äußern sich besorgt darüber, dass die Intellektuellen willkürlich festgenommen worden seien, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung, künstlerische Freiheit und Teilnahme am kulturellen Leben wahrgenommen hatten. Die Inhaftierten setzten sich laut der Sonderberichterstatter für den Erhalt der tibetischen Sprache und Kultur ein. Die UN-Sonderberichterstatter appellieren in ihrem Schreiben an die chinesische Regierung zudem, sie möge den Inhaftierten “gemäß Artikel 9, 10 und 11 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte” ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht garantieren.

Der International Campaign for Tibet begrüßte die Initiative der UN-Sonderberichterstatter. “Die Fälle stehen für viele Tibeter, die aufgrund von Kritik an staatlicher Politik, wegen ihres Bürgerengagements, ihrer religiösen Überzeugungen und der Ausübung ihrer Kultur verfolgt werden. Die Inhaftierten müssen Zugang zu einem Rechtsbeistand erhalten, ihren Familien muss ermöglicht werden, sie in der Haft zu besuchen und sie müssen angemessen medizinisch versorgt werden” sagte ICT-Geschäftsführer Kai Müller. grz

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Presseschau

Chinas Präsident Xi spricht sich erneut gegen Sanktionen aus HANDELSBLATT
China’s Xi proposes ‘global security initiative’, without giving details REUTERS
Report: Chinese credit card processor rebuffs Russian banks APNEWS
China bestätigt Konvention gegen Zwangsarbeit NTV
UK ministers ready ban on health goods from China’s Xinjiang POLITICO
Solomon Islands: Will the security pact with China hurt regional security? DW
So vergrössert Peking seinen Einfluss im Pazifik SRF
Zeitenwende in China – Privates Rentensystem startet HANDELSBLATT
Ein Onlinekollektiv karikiert Pekings Friedenspropaganda ZEIT
Zweifel an Zahlungsfähigkeit bei Evergrande: Freitag endet Frist für Zwei-Milliarden-Bond HANDELSBLATT
Chinas Abschwung könnte fatale Folgen haben TONLINE
Konjunktursorgen belasten China-Börsen – Aktien in Japan gefragt HANDELSBLATT
China-Hardliner soll Hongkong-Chef werden BILD
Hong Kong and China denounce foreign interference after YouTube blocks leadership candidate’s channel REUTERS
Tibet builds makeshift Covid hospitals amid China’s latest outbreak THEGUARDIAN
China reinforces tight control over plane crash mystery FRANCE24
How to deter China from attacking Taiwan ECONOMIST
Taiwan investigates local TV network after it aired false reports of Chinese invasion CNN
Sanktionen, Verluste, “Einzelfehler”: Was China aus Putins Krieg in der Ukraine bereits gelernt hat RND

Portrait

Fu Zhenghua – Vom Jäger zum Gejagten

ild aus besseren Zeiten: Fu Zhenghua als Chinas Justizminister 2019 in Peking.
Bild aus besseren Zeiten: Fu Zhenghua als Chinas Justizminister 2019 in Peking

Fu Zhenghua galt als gefährlichster Jäger in der chinesischen Strafverfolgung und enger Verbündeter von Staatspräsident Xi Jinping. Es war Fu, der mit seinen Sonderermittlungen zwielichtige Barbesitzer in die Enge trieb und Chinas mächtigste Beamte zu Fall brachte. Doch all das ist Vergangenheit; nun hat es Fu Zhenghua selbst erwischt. Am Donnerstag meldete das chinesische Staatsfernsehen CCTV lapidar: Chinas Oberste Volksstaatsanwaltschaft hat beschlossen, Fu Zhenghua wegen des Verdachts der Annahme von Bestechungsgeldern und der Beugung des Gesetzes zum persönlichen Vorteil zu verhaften. Es ist das jähe Ende einer steilen Karriere.

Fu Zhenghua (傅政华) wurde 1955 in Luanzhou, in der nordöstlichen Provinz Hebei geboren. Schon früh weiß Fu, was er will – und vor allem wie er es erreichen kann: Nur wenige Monate nach seinem 18. Geburtstag tritt er der Kommunistischen Partei Chinas bei. Er ist nun eines von mehr als 80 Millionen KP-Mitgliedern. Sie alle wissen: Wer in den Staatsdienst möchte, kommt um eine Mitgliedschaft der größten und wohl auch mächtigsten Partei der Welt nicht herum. Und so ist es nicht verwunderlich, dass es lediglich rund fünf Prozent der erwachsenen Bevölkerung tatsächlich in die Partei schaffen. Fu gelingt es früh. Der Grundstein für eine rasante Karriere ist gelegt.

Nach einem Studium an der Juristischen Fakultät der Beijing Union University 北京联合大学 wechselt Fu ins Amt für öffentliche Sicherheit von Peking. Dort dient er in verschiedene Funktionen, arbeitet sich durch die verschiedenen Ebenen beharrlich nach oben, bis er schließlich im Februar 2010 zum Direktor des Amtes für öffentliche Sicherheit der chinesischen Hauptstadt ernannt wird.

Fu tritt ins Rampenlicht

In dieser Funktion tritt Fu erstmals ins Rampenlicht. Erst wenige Monate im Amt geht der frisch gebackene Polizeichef der Stadt sogleich gegen mehrere Besitzer von angesagten Luxus-Nachtclubs vor, und das, obwohl jenen Etablissements allesamt einflussreiche Verbindungen in die Politik nachgesagt werden. Doch Fus Rechnung geht auf: Seine Bereitschaft, sich auch den Geschäftsinteressen mächtiger Familien in den Weg zu stellen, beschert ihm Lob in den staatlichen Medien – und das Vertrauen der politischen Führung.

Es ist denn auch Xi Jinping persönlich, der ihn keine drei Jahre später die Leitung der Bestechungsuntersuchungen gegen Zhou Yongkang überträgt. Zhou wurde damals von den Medien als “Chinas Sicherheitszar” bezeichnet, er war Minister für öffentliche Sicherheit und Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas. Viel höher geht es nicht in der KP China.

Sieg über den einstigen Sicherheitszaren

Und Fu meistert auch diese Aufgabe zur Zufriedenheit der politischen Führung. 2015 wird der einst mächtige und einflussreiche Zhou wegen Korruption und Machtmissbrauch zu lebenslanger Haft verurteilt. Er ist der höchste Parteifunktionär, der im Rahmen der Antikorruptionskampagne von Xi Jinping gestürzt wurde.

Doch Fu nimmt es nicht nur mit korrupten Eliten auf. Als stellvertretender Minister für öffentliche Sicherheit ordnet er 2013 ein umfassendes Vorgehen gegen unliebsame Meinungsmacher der chinesischen Social-Media-Seite Weibo an. 2015 ist er verantwortlich für eine landesweite Razzia gegen Menschenrechtsanwälte und -aktivisten. Zudem übernimmt er die Führung der Spezialeinheit gegen das sogenannte Irrlehrenproblem (中央防范和处理邪教问题领导小组办公室, Englisch: Central Leading Group on Dealing with Heretical Religions).

Inoffiziell wird die Abteilung nur “Büro 610” genannt nach ihrem Gründungstag 10. Juni 1992. Einst für den Kampf gegen die Organisation Falun-Gong gegründet, richtet sich das Büro 610 inzwischen gegen etliche Gruppen, die von der Kommunistischen Partei als “ketzerisch” oder “schädlich” erachtet werden. Im März 2018 wird Fu schließlich sogar Justizminister – bis 2020.

Fus Werdegang ist ein Spiegelbild der Politik

Dann wurde es zunächst ruhig um Fu Zhenghua, was sich jedoch als die Ruhe vor dem Sturm herausstellen sollte. Im Oktober wurden schließlich Ermittlungen gegen ihn wegen Verstößen gegen die Disziplin aufgenommen (China.Table berichtete). Am gestrigen Donnerstag folgte die Verhaftung.  

Die genauen Gründe für Fus Fall sind nicht bekannt. Offiziell heißt es vage, er habe Gelder zum persönlichen Vorteil angenommen und das Recht gebeugt. Und so muss man Fus Werdegang im größeren politischen Kontext sehen: Fu soll sein Vorgehen einst als “eiserne Faust” bezeichnet haben – so stand sein Aufstieg exemplarisch für den zunehmend aggressiven Ansatz der politischen Führung gegenüber Andersdenkenden.

Nun steht im Herbst dieses Jahres der 20. Parteitag an, samt umfassender Umbildung der Parteiführung. Zudem will Xi für eine dritte Amtszeit an der Macht bleiben – nachdem er 2018 die Amtszeitbeschränkungen abgeschafft hat. Entsprechend groß scheint die Nervosität innerhalb der Führung. Beamte des chinesischen Staatssicherheitsapparats wurden aufgefordert, “die Klinge nach innen zu drehen und das Gift vom Knochen zu kratzen” und “Menschen mit zwei Gesichtern” zu entlarven, die der Partei gegenüber illoyal sind.

Und so passt denn auch Fus Fall – wie auch sein einstiger Aufstieg – ins aktuelle politische Klima: Auch hohe Politiker sind vor einem tiefen Sturz nicht sicher (China.Table berichtete). Wer zu mächtig wird, dem droht das Aus. Auf frühere Leistungen wird dabei keine Rücksicht genommen. Michael Radunski

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Personalien

Dr. Wiebke Rabe ist seit April Assistenzprofessorin am Department of China Studies an der Xi’an Jiaotong-Liverpool University in Suzhou. Davor war die Wissenschaftlerin am Institut für China-Studien an der Freien Universität Berlin tätig. Rabe forscht unter anderem zur digitalen Integration chinesischer Megastädte.

Norbert Dütsch wurde von der Volkswagen AG zum Key-Account-Manager China & Oversea Offices ernannt. Dütsch war zuvor als Manager und Senior Expert bei Porsche Consulting tätig.

Dessert

Erste Fahrt auf neuen Schienen: Dieser stolze Zug fährt von der Oasenstadt Dunhuang im Westen Chinas in Richtung Bangkok in Thailand los. Es handelt sich um die Jungfernfahrt auf der neuen Strecke Gansu-Laos.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    wer als Europäer in China lebt, zumal als Mitarbeiter einer großen Firma, hatte bisher gut reden. Die Nachteile des Lebens in China waren in der Regel weit weg. Fehlende Rechtsstaatlichkeit spielte zwar manchmal auf geschäftlicher Ebene eine Rolle. Doch privat war das Leben zwischen Meeting-Räumen, deutscher Schule, Starbucks und Sportstudio meist angenehm.

    Der Lockdown in Shanghai hat das verändert. Die rigiden Methoden der Staatsmacht schockieren viele Expats. Zwar gab es schon andere einschneidende Ereignisse in Chinas Großstädten, doch wegen des schnellen Generationswechsels der Ausländer kann sich daran kaum jemand erinnern.

    Wenn Xi Jinping sagt, Beharrlichkeit führt zum Sieg über das Virus, dann denkt er an eine chinesische Bevölkerung, der die Partei regelmäßig Härten zumutet. In China bewegt sich die Politik zuweilen mit zerstörerischer Macht, die den einzelnen am Rande zermalmt. Das gilt dann als kleiner Nebenschaden im Sinne der großen Sache. Die Fähigkeit, “Bitteres zu essen” 吃苦 ist daher für das Überleben in China enorm wichtig. Europäer und US-Amerikaner kennen aus ihrem Leben nichts dergleichen. Marcel Grzanna analysiert heute, was das Trauma von Shanghai mit ihnen macht.

    In der zweiten Analyse widmen wir uns dem Versuch der USA, mit dem Chip-Mangel fertigzuwerden. Sie haben Südkorea umworben, einer Halbleiter-Allianz beizutreten, die zumindest zum Teil gegen China gerichtet gewesen wäre. Doch Samsung-Land hat Joe Biden abblitzen lassen, schreibt Frank Sieren. Denn China ist der viel größere und wichtigere Markt.

    Fu Zhenghua wurde am Donnerstag offiziell festgenommen. Es handelt sich um einen echten Tiger – also um einen hohen Kader, der ins Visier der Korruptionsermittler geraten ist. Fu ist sogar ein Königstiger: Er war selbst Justizminister und Geheimdienstchef. Michael Radunski zeigt, wie eng der Aufstieg und Fall von Fu Zhenghua mit der politischen Marschroute im Land zusammenhängen.

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    Analyse

    Der Diktatur plötzlich ganz nah

    Die Lockdowns in Shanghai und weiteren Städten Chinas zeigen auch für ausländische Einwohner:innen das wahre Gesicht der Demokratie.
    Shanghai: Ein Sicherheitsmitarbeiter überwacht die Einhaltung der Ausgangssperre

    In weniger als drei Wochen hat sich das China-Bild der 19-jährigen Lisa aus Münster komplett gewandelt. “Ich muss meine Meinung grundlegend revidieren. Ich habe die Kritik an diesem politischen System immer für völlig übertrieben gehalten. Jetzt bin ich fassungslos, was es tatsächlich bedeutet, in einer Diktatur zu leben“, sagt die junge Frau, deren chinesische Eltern bereits vor Jahrzehnten aus Shanghai nach Deutschland ausgewandert waren, um der autoritären Politik der Volksrepublik zu entfliehen.

    Lisa wuchs in Deutschland mit Meinungsfreiheit und im Rechtsstaat auf. Dennoch wollte sie die Warnungen ihrer Familie vor der Unnachgiebigkeit der chinesischen Staatsführung nie so recht für bare Münze nehmen. Auch deshalb ging sie vor wenigen Monaten guter Dinge nach Shanghai, um ihre Mandarin-Sprachkenntnisse auf Vordermann zu bringen.

    Als sich der Lockdown Ende März anbahnte, entschied sie sich, auf die chinesische Urlaubsinsel Hainan zu fliehen. Das bewahrte sie jedoch nicht vor einem positiven Coronavirus-Test. Schon seit mehr als zwei Wochen befindet sich Lisa deshalb in einem Krankenhaus in der Provinzhauptstadt Sanya in Quarantäne. “Ich fühle mich hier völlig hilflos, der Willkür von Behörden ausgesetzt und ohne Schutz der Privatsphäre“, sagt sie im Gespräch mit China.Table. Sie habe den Entschluss getroffen, die Heimat ihrer Eltern und Großeltern schnellstmöglich zu verlassen und in Zukunft nicht mehr in China leben zu wollen.

    Kein Entkommen: Quarantänezentrum in Shanghai

    Die bedingungslose Umsetzung von Corona-Schutzmaßnahmen in China versetzt viele Ausländer in Schockzustand. Zum ersten Mal während ihrer Zeit in China spüren sie den Verlust der eigenen Souveränität gegenüber dem Staat. Plötzlich rückt die Diktatur den privilegierten Gästen aus demokratischen Staaten ganz nah. “Als Ausländer lebst du hier in der Blase einer Subkultur, in der du von dem Wesen des Systems und den Konsequenzen normalerweise überhaupt nichts mitbekommst”, sagt Lisa.

    Lockdown “chaotisch, unstrukturiert und unlogisch”

    Es ist nicht das erste Mal in Chinas jüngerer Geschichte, dass romantische Verklärung der Volksrepublik durch ausländische Ortsansässige von der Realität eingeholt wird. Das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989 bedeutete eine dramatische Zäsur. Und auch die Handhabung des Ausbruchs des Corona-Vorläufers Sars im Jahr 2002 offenbarte zahlreichen Ausländern die Schattenseiten eines Machtmonopols in den Händen einer einzigen Partei.

    Doch im Vergleich zu damals hat sich Chinas Rolle in der Welt drastisch verändert. Den Aufstieg des Landes zur zweitgrößten Volkswirtschaft verstehen manche als Rechtfertigung dafür, dass das autoritäre System seine Bürger von politischer Willensbildung ausschließt. Zwanzig Jahre nach dem Beitritt Chinas in die Welthandelsorganisation und der Ausrichtung von zwei Olympischen Spielen können sich viele Gäste im Land zudem nicht vorstellen, dass die KP-Diktatur auf ihre Reputation im Ausland keinen Wert legt, wenn sie eigene Interessen in Gefahr sieht.

    Die totale Abhängigkeit von den Behörden und das Gefühl der Handlungsunfähigkeit hat auch den 48-Jährigen Ralf überrascht. “Einerseits schockiert mich die Rücksichtslosigkeit der Behörden gegenüber dem Einzelnen. Andererseits macht es mich sprachlos, wie chaotisch, unstrukturiert und unlogisch der Lockdown und die Isolation von positiv Getesteten umgesetzt werden”, sagt der Berliner, der seit knapp drei Jahren in Shanghai lebt. “Was wir hier erleben, spottet jeder Beschreibung. Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut. Keiner will für irgendetwas verantwortlich sein, und niemand trifft hier im Interesse der Bürger eigenständige Entscheidungen”, sagt er.

    Der Mangel an Transparenz belastet die Ausländer

    Ralf gibt zu, dass ihn die Situation in ein Gefühl der Angst versetzt. “Es gibt überhaupt keine Transparenz. Jederzeit kann es an deiner Wohnungstür klopfen und jemand will dich in ein Quarantäne-Lager verfrachten”, sagte er gegenüber China.Table. Nur zwei Tage später wurde er tatsächlich zur Isolation in ein Hotel gebracht. Anlass war ein positiver Test, der bereits zwei Wochen alt war.

    Ein gut neunminütiges Telefongespräch zwischen ihm und einer chinesischen Mitarbeiterin eines Nachbarschaftskomitees darüber erlangte zu Beginn der Woche Aufmerksamkeit in Sozialmedien. Der Deutsche beschwert sich darin über die örtliche Covid-Politik. In den Kommentarspalten finden sich Bewunderung für die offene Beschwerde, aber auch viel Kritik an dem “Ausländer”, der sich das nur traue, weil er nicht mit drakonischen Strafen wie chinesische Staatsbürger rechnen müsse. Er hat mittlerweile entschieden, China schnellstmöglich zu verlassen.

    Einen ähnlichen Impuls nimmt Janine Jakob wahr. “Ich fühle mich nicht mehr frei in China”, sagt die 29-Jährige. Sie erlebt seit einigen Tagen eine Form der Erniedrigung und Einschüchterung, die ihr schwer zu schaffen macht. Nach einem positiven Befund Anfang des Monats war sie, ähnlich wie Hayda, aus unerfindlichen Gründen nicht in Quarantäne gebracht worden. Stattdessen isoliert sie sich seitdem in ihrer Wohnung im Shanghaier Stadtbezirk Jing’an.

    Nach einer Reihe negativer Antigen-Tests über mehrere Tage hatte sie jedoch eigenmächtig ihre Wohnung verlassen, um sich im Innenhof ihrer Wohnanlage für einen PCR-Test einzureihen. Ein negativer PCR-Test bietet ihr die einzige Möglichkeit, sich zumindest vor die Wohnungstür zu wagen, um beispielsweise den Müll herunterzubringen. Andernfalls ist ihr auch das verboten.

    Was folgte, waren Denunziationen und Schuldzuweisungen durch Nachbarn. Die fürchteten weitere Ansteckungen in der Wohnanlage und damit wochenlange Einschränkungen für alle. Die örtliche Polizei rief Jakob an und warf ihr vor, sie habe die Corona-Regeln gebrochen. “Ich habe mich bei Nachbarn und Polizei entschuldigt und gesagt, dass ich die Regeln nicht bewusst brechen wollte”, sagt sie.

    “War ich zu naiv? Ja.”

    Ihre chinesische Mitbewohnerin hält die Deutsche jetzt genau im Auge und gibt ihr über das Mobiltelefon Anweisungen, was sie zu tun und zu lassen habe. Hilflos musste Jakob zuschauen, wie die Mitbewohnerin einen großen Teil ihres Gemüses wegschmiss. Das Badezimmer darf sie nur benutzen, wenn die Mitbewohnerin ihr per Wechat das Okay gibt. “Ich kann der Frau nicht mehr vertrauen. Ich fühle mich wie ein kleines Mädchen, das von ihrer Mutter bestraft wird“, sagt Jakob. Zu allem Überfluss machte ihr ein Freund Angst, dass ihr wegen Verstoßes gegen Quarantäne-Regeln drei Jahren Haft drohten.

    “Ich versuche, das Positive in allem zu sehen”, sagt Jakob, die sich als Persönlichkeitstrainerin selbstständig gemacht hat und nun all die mentalen Techniken anwendet, die sie üblicherweise ihren Kunden vermittelt. Sie habe sich immer langfristig in China gesehen. Nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen stellt sie inzwischen jedoch ihren weiteren Aufenthalt im Land infrage. “War ich zu naiv?”, sagt sie. Und schickt die Antwort gleich hinterher: “Ja.”

    Nach dem Tiananmen-Massaker und dem Sars-Ausbruch hatte der Aha-Effekt unter den Ausländern keine breite nachhaltige Wirkung auf die Wahrnehmung der KP-Diktatur außerhalb Chinas. Die aktuelle Naherfahrung mit dem autoritären Staat überschneidet sich jedoch mit Sorgen vor zu großer Abhängigkeit von China. Vor zwei oder drei Jahrzehnten war das komplett anders. Damals war der Wunsch nach enger Zusammenarbeit die dominierende Kraft. Außerdem war der Glaube an einen Wandel Chinas durch Handel noch weit verbreitet.

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    Südkorea lässt Biden bei Halbleiter-Allianz abblitzen

    Die US-Regierung ist mit einer geplanten Halbleiter-Allianz zwischen Südkorea, Japan und Taiwan abgeblitzt. Aus Angst, Peking zu verärgern, lehnten die Koreaner den Vorschlag der Amerikaner als “nicht vollständig akzeptabel” ab, wie südkoreanische Medien berichten. Der Hintergrund: Südkoreanische Chip-Riesen wie Samsung und SK Hynix unterhalten wichtige Fabriken auf dem chinesischen Festland und fürchten Sanktionen, sollten sie zu eng mit der US-Industrie zusammenarbeiten.

    Die Versorgung mit Mikrochips ist derzeit einer der größten Engpässe für die Industrie und ein entscheidender Grund für die Knappheit vieler hochwertiger Produkte. Alle großen Volkswirtschaften versuchen derzeit, ihre Versorgung mit Halbleiterelementen sicherzustellen. Auch die EU versucht derzeit, eine Halbleiter-Allianz zu schmieden. Als Erfolg deutscher Ansiedlungspolitik investiert Intel gerade in Magdeburg. Die USA wollen nun ihrerseits ein Bündnis schaffen, um zu verhindern, dass China ihnen die kostbaren Teile laufend wegkauft.

    Doch genau das ist zugleich Südkoreas Grund dafür, das amerikanische Werben abzulehnen. “Die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten hat natürlich höchste Priorität, und doch ist der größte Markt für uns auch von enormer Bedeutung”, zitiert die Zeitung Business Korea einen Brancheninsider. Gemeint ist: China. Halbleiter sind Koreas wichtigster Exportartikel im Handel mit dem großen Nachbarn.

    Im Jahr 2021 erzielte das Land laut südkoreanischer Zollhandelsstatistik einen Handelsüberschuss von 26 Milliarden US-Dollar beim Chiphandel mit China. 2020 waren es noch 20 Milliarden US-Dollar. China ist laut der Semiconductor Industry Association (SIA) bereits heute der größte Chipmarkt der Welt, mit Verkäufen von 192 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr und einem Wachstum von 27 Prozent. China ist auch sonst mit großem Abstand der größte Handelspartner Südkoreas. Es exportiert rund doppelt so viel nach China wie in die USA.  

    Der südkoreanische Samsung-Konzern hat daher bereits große Summen in der Volksrepublik investiert. Er betreibt seit Februar 2021 eine Fabrik für moderne Speicherchips in Xi’an in der nordwestlichen Provinz Shaanxi. Der 25 Milliarden US-Dollar teure Komplex ist die einzige im Ausland angesiedelte Samsung-Fabrik und beherbergt zwei Wafer-Fertigungsanlagen und eine Verpackungs- und Testanlage, die mehr als 40 Prozent der gesamten Produktionskapazität für NAND-Speicherbausteine des Konzerns ausmacht.

    Samsung profitiert von der hohen Nachfrage nach Halbleitern, die durch die globale Knappheit angefeuert wird. Die Südkoreaner sind Weltmarktführer bei Speicherchips. Im vierten Quartal kletterte das operative Ergebnis von Samsung um 52 Prozent auf umgerechnet rund 11 Milliarden US-Dollar. Es ist der beste Wert seit vier Jahren, meldet der Konzern. Gleichzeitig legte der Umsatz um ein knappes Viertel auf 56 Milliarden Euro zu – ebenfalls ein Rekordwert.

    Halbleiter: Wer wird schneller unabhängig?

    Die USA versuchen derweil, von chinesischen Produkten unabhängig zu werden und setzen neben Kooperationen mit Ländern wie Südkorea auch auf den Ausbau der eigenen Industrie. So will die Biden-Regierung mit dem “America Competes Act” 52 Milliarden US-Dollar in die heimische Halbleiterherstellung und -forschung stecken. Auch Südkorea will ein Gesetz auf den Weg bringen, das Investitionen in die Chip-Herstellung in Höhe von 450 Milliarden US-Dollar über einen Zeitraum von zehn Jahren auslöst. Japan genehmigte im Winter 2021 ein Investitionspaket in Höhe von 5,71 Milliarden Euro, das die Halbleiterindustrie stärken soll. Der Anteil Japans an der weltweiten Chipproduktion lag Ende der 80er-Jahre noch bei über 50 Prozent. Heute sind es nur noch 10 Prozent.

    Laut aktuellen Marktzahlen von IC Insights sind die USA weiter die dominante Chip-Kraft. 2021 hatten US-Unternehmen einen globalen Marktanteil von 54 Prozent. Es folgten südkoreanische Firmen mit 22 und taiwanische Firmen mit neun Prozent Marktanteil. Ganz Europa kommt auf sechs Prozent, China auf vier Prozent. Das Marktforschungsunternehmen berechnet die Länderanteile jedoch danach, wo sich das Hauptquartier befindet und nicht danach, wo tatsächlich produziert wird. Schaut man sich die Marktanteile anhand der tatsächlichen Produktion an, haben die USA nur noch einen Anteil von 12 Prozent. Im Jahr 1990 waren es noch rund 40 Prozent. Der German Marshall Fund befürchtet eine “Erodierung” der US-Position in dem Maße, in dem “strategische Rivalen ihre eigene Industrie aufbauen.”

    Die staatliche chinesische Zeitung Global Times geht davon aus, dass die US-Sanktionen gegen Huawei und den chinesischen Chip-Produzenten Semiconductor Manufacturing International Corp (SMIC) für den weltweiten Halbleitermangel mitverantwortlich sind. “Die unerbittliche politische Einmischung der USA hat globale Unternehmen überfordert”, so die Zeitung. Der Versuch der USA, das chinesische Festland aus der globalen Chip-Lieferkette auszuschließen, sei “unrealistisch und kontraproduktiv”. Die Folge sei ein noch schlimmerer Mangel.

    China will jedoch mit allen Mitteln selbst eine schlagkräftige Chip-Industrie aufbauen, und das möglichst ohne auf Zulieferteile aus dem Ausland zurückgreifen zu müssen. Dabei sucht Peking nicht unbedingt nach Allianzen im Ausland, sondern bündelt die Expertise verschiedener Tech-Firmen im Inland. So gab der chinesische Automobilhersteller SAIC Motor kürzlich bekannt, gemeinsam mit dem Tech-Unternehmen Horizon Robotics in den Bereich der Auto-Chips einzusteigen (China.Table berichtete).

    Vorwürfe der Industriespionage

    Bislang können Chinas Firmen die modernsten Chips mit einer Breite von nur wenigen Nanometern noch nicht selbst herstellen. Trotzdem hat sich die Volksrepublik vorgenommen, bis 2025 ganze 70 Prozent des Halbleiterbedarfs durch heimische Hersteller zu decken. Firmen wie Oppo und Huawei wollen dabei mit eigenen Chips vorne mitmischen. Derzeit produziert China weniger als 20 Prozent seiner benötigten Halbleiter selbst (China.Table berichtete).

    Ganz ohne Hilfe aus dem Ausland geht es aber ganz offensichtlich noch nicht. So wirft unter anderem Taiwans Regierung chinesischen Firmen vor, aggressiv Taiwans Hightech-Talente abzuwerben und sich am Diebstahl von Technologien zu beteiligen.

    Taiwans Justizministerium hat bereits Ermittlungen gegen 60 chinesische Staatsangehörige aufgenommen, denen unter anderem Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen vorgeworfen wird. Die Liste der untersuchten Unternehmen liest sich wie ein Branchenverzeichnis. Sie umfasst unter anderem Vimicro, GLC Semiconductor, Beijing Yinxing Technology und Analogix Semiconductor.

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    Termine

    25.04.2022, 18:00 Uhr (MESZ)
    Konfuzius-Institut Leipzig / Veranstaltung: Wang Taos Tagebücher als Quelle für seine Beziehungen zu den Britischen Missionaren Mehr

    26.04.2022, 16:00 Uhr (China Standard Time)
    Wirtschaftsjunioren der AHK / Zoom Event: Selling software in China as a foreign entity Market Entry and Legal Issues Mehr

    26.04.2022, 12:00 Uhr (EDT)
    Fairbank Center for Chinese Studies / Zoom: Panel Discussion – How Will the War in Ukraine Impact China’s Engagement in Eastern Europe? Mehr

    26.04.2022, 18:30 Uhr (China Standard Time)
    AHK / Chamber Meeting : Lessons from Shanghai – Adjustment in China’s “Zero COVID” Policies? Mehr

    27.04.2022, 16:00 Uhr (China Standard Time)
    Dezan Shira / Webinar: China’s Tax Incentives for Enterprises in 2022: Updates Following the Two Sessions Mehr

    27.04.2022, 10:00 Uhr (MESZ)
    Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung / Online-Seminar: IP-Strategie in China für deutsche Unternehmen: Erfahrungen nutzen und Fallstricke vermeiden Mehr

    27.04.2022, 11:00 Uhr (BST)
    SOAS / Virtual Event (Teams): Talk on Coming to terms: Scaffolding family conflict reconciliation model from Taiwan tongzhi (LGBTQ+) and parents Mehr

    27.04.2022, 19:00 – 21:00 Uhr (MESZ) – Kassel
    Rosa-Luxemburg-Stiftung/ Diskussion/Vortrag: Der Machtkampf gegen China Mehr

    28.04.2022, 11:00 Uhr (MESZ)
    IfW Kiel / Vorträge und Diskussion: Global China Conversations #9 Chinas Sozialkreditsystem: Welche Auswirkungen hat es auf deutsche Unternehmen? Mehr

    28.04.2022, 09:00 Uhr (MESZ)
    AHK Hongkong / Webinar: Rethinking Global Supply Chains – Navigating Complex Challenges in 2022 and Beyond Mehr

    29.04.2022, 16:00 Uhr (China Standard Time)
    Dezan Shira / Webinar: Dormant vs Closed: Is China’s New Dormant Company Policy Right for You? Mehr

    News

    Kreise: Neuer EU-Botschafter in China steht fest

    Der spanische Diplomat Jorge Toledo Albiñana soll neuer Botschafter der Europäischen Union in China werden. Das erfuhr China.Table am Donnerstag aus EU-Kreisen. Toledo ist derzeit spanischer Botschafter in Japan. Der 57-Jährige würde dem Franzosen Nicolas Chapuis als EU-Botschafter in Peking nachfolgen, der gegen Herbst seinen Posten verlässt. Der Europäische Auswärtige Dienst (EEAS) bestätigte die Personalie zunächst nicht.

    Mit Toledo kommt ein zweiter hochrangiger europäischer Vertreter von Tokio nach China: Auch die neue deutsche Botschafterin in Peking, Patricia Flor, war vor ihrem Einsatz in der Volksrepublik in der japanischen Hauptstadt tätig (China.Table berichtete). Sie war dort EU-Botschafterin. Toledo wurde in Ludwigshafen geboren und war bereits auf verschiedenen diplomatischen Posten für Spanien und die EU im Einsatz. ari

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    US-Vizeministerin warnt vor Hilfe für Moskau

    US-Vizeaußenministerin Wendy Sherman hat bei einem Besuch in Brüssel China erneut vor “materieller Unterstützung” für Russland gewarnt. Peking habe gesehen, was der Westen an Sanktionen und Ausfuhrkontrollen erlassen habe, so Sherman bei einer Online-Veranstaltung des Brüsseler Thinktanks Friends of Europe. “Das sollte eine Vorstellung davon geben, aus welchem Angebot wir wählen könnten, wenn China materielle Unterstützung leisten würde.” Ob darunter Waffenlieferungen oder auch finanzielle Hilfe fällt, sagte Sherman nicht. “Wir wollen keinen Konflikt”, betonte Sherman nach einem Treffen mit dem Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS), Stefano Sannino, am Donnerstag.

    Die USA hofften weiterhin auf Zusammenarbeit, so die Vizeministerin. Diese hat Sherman zufolge jedoch Grenzen: “Ich glaube, Präsident Xi hat eine Entscheidung darüber getroffen, was die Volksrepublik in der Welt sein soll. Und das ist eine sehr andere Sicht als die, die wir haben.” Sherman ist in der belgischen Hauptstadt, um Vertreter verschiedener Organisationen zu treffen. Das ist neben EEAS auch die Nato. Am Freitag wird Sherman am dritten EU-US-Dialog zu China teilnehmen. Dabei soll auch der Indo-Pazifik auf der Tagesordnung stehen. ari

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    Shell will Beteiligung an russischer LNG-Anlage loswerden

    Der Energieriese Shell befindet sich Medienberichten zufolge in Gesprächen mit chinesischen Unternehmen, um seine Beteiligung an einem großen russischen Gasprojekt zu verkaufen. Das in London notierte Unternehmen spreche mit den staatlichen chinesischen Ölunternehmen CNOOC, CNPC und Sinopec über seine 27,5-prozentige Beteiligung am Flüssigerdgas-Venture Sachalin II, berichtete die britische Zeitung The Telegraph am Donnerstag. In den Gesprächen ging es demnach um den möglichen Verkauf von Shells Anteilen an ein, zwei oder an alle drei Unternehmen, hieß es in dem Bericht. Shell sei aber auch für potenzielle Käufer außerhalb Chinas offen.

    Sachalin II wird vom russischen Gasgiganten Gazprom kontrolliert und betrieben. Das Projekt zur Förderung von Erdgas und Öl befindet sich nördlich der russischen Pazifikinsel Sachalin im Ochotskischen Meer. Weitere Beteiligte sind die japanischen Unternehmen Mitsui & Co und Mitsubishi. Shell äußerte sich zunächst nicht zu den Berichten. Auch die chinesischen Ölunternehmen gaben Reuters zufolge keine Stellungnahme ab. Shell hatte im Februar angekündigt, seine Betriebe in Russland, einschließlich der LNG-Anlage Sachalin II, einzustellen, nachdem die Sanktionen gegen Moskau wegen der Invasion der Ukraine verschärft worden waren. rtr/ari

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    Unionpay verzichtet auf Engagement in Russland

    Der chinesische Zahlkartendienstleister Unionpay springt in Russland nicht für Mastercard und Visa ein, die sich als Teil der Sanktionen von dort zurückgezogen haben. Russische Kunden können daher derzeit keine Kreditkarten nutzen. Sie sind weiterhin auf die einheimische Debitkarte “Mir” angewiesen, die nur innerhalb Russlands funktioniert.

    Russlands Banken hatte gehofft, auf Unionpay und sein eingespieltes internationales Netzwerk zurückgreifen zu können. China hatte Russland in der Vergangenheit bereits angeboten, die Nutzung von Unionpay auszuweiten. Bisher stieß das Angebot jedoch nur auf wenig Nachfrage, allenfalls ein Prozent der Transaktionen liefen über den chinesischen Dienstleister.

    Weder Unionpay noch sein Partner Sberbank nannten einen offiziellen Grund für den Rückzieher des chinesischen Unternehmens. Es liegt allerdings die Annahme nahe, dass Unionpay nicht ins Kreuzfeuer sekundärer Sanktionen der USA und der EU geraten will. Diese sprechen bereits darüber, auch Firmen zu sanktionieren, die Russland beim Unterlaufen der Sanktionen helfen. fin

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    UN fragt nach verschwundenen Tibetern

    Das Verschwinden von drei Tibetern beschäftigt den UN-Menschenrechtsrat. In einem Schreiben an den Repräsentanten der Volksrepublik China bitten die Sonderberichterstatter des Gremiums mit Sitz in der Schweiz um Informationen zu Aufenthaltsort und Gesundheitszustand des Schriftstellers Lobsang Lhundup, des Sängers Lhundrup Dhrakpa und der Lehrerin Rinchen Kyi. Alle drei waren zwischen 2019 und 2021 festgenommen worden. Lhundrup und Dhraka wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Kyi ist ohne offizielle Verurteilung seit August 2021 verschwunden.

    Die UN-Experten äußern sich besorgt darüber, dass die Intellektuellen willkürlich festgenommen worden seien, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung, künstlerische Freiheit und Teilnahme am kulturellen Leben wahrgenommen hatten. Die Inhaftierten setzten sich laut der Sonderberichterstatter für den Erhalt der tibetischen Sprache und Kultur ein. Die UN-Sonderberichterstatter appellieren in ihrem Schreiben an die chinesische Regierung zudem, sie möge den Inhaftierten “gemäß Artikel 9, 10 und 11 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte” ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht garantieren.

    Der International Campaign for Tibet begrüßte die Initiative der UN-Sonderberichterstatter. “Die Fälle stehen für viele Tibeter, die aufgrund von Kritik an staatlicher Politik, wegen ihres Bürgerengagements, ihrer religiösen Überzeugungen und der Ausübung ihrer Kultur verfolgt werden. Die Inhaftierten müssen Zugang zu einem Rechtsbeistand erhalten, ihren Familien muss ermöglicht werden, sie in der Haft zu besuchen und sie müssen angemessen medizinisch versorgt werden” sagte ICT-Geschäftsführer Kai Müller. grz

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    Presseschau

    Chinas Präsident Xi spricht sich erneut gegen Sanktionen aus HANDELSBLATT
    China’s Xi proposes ‘global security initiative’, without giving details REUTERS
    Report: Chinese credit card processor rebuffs Russian banks APNEWS
    China bestätigt Konvention gegen Zwangsarbeit NTV
    UK ministers ready ban on health goods from China’s Xinjiang POLITICO
    Solomon Islands: Will the security pact with China hurt regional security? DW
    So vergrössert Peking seinen Einfluss im Pazifik SRF
    Zeitenwende in China – Privates Rentensystem startet HANDELSBLATT
    Ein Onlinekollektiv karikiert Pekings Friedenspropaganda ZEIT
    Zweifel an Zahlungsfähigkeit bei Evergrande: Freitag endet Frist für Zwei-Milliarden-Bond HANDELSBLATT
    Chinas Abschwung könnte fatale Folgen haben TONLINE
    Konjunktursorgen belasten China-Börsen – Aktien in Japan gefragt HANDELSBLATT
    China-Hardliner soll Hongkong-Chef werden BILD
    Hong Kong and China denounce foreign interference after YouTube blocks leadership candidate’s channel REUTERS
    Tibet builds makeshift Covid hospitals amid China’s latest outbreak THEGUARDIAN
    China reinforces tight control over plane crash mystery FRANCE24
    How to deter China from attacking Taiwan ECONOMIST
    Taiwan investigates local TV network after it aired false reports of Chinese invasion CNN
    Sanktionen, Verluste, “Einzelfehler”: Was China aus Putins Krieg in der Ukraine bereits gelernt hat RND

    Portrait

    Fu Zhenghua – Vom Jäger zum Gejagten

    ild aus besseren Zeiten: Fu Zhenghua als Chinas Justizminister 2019 in Peking.
    Bild aus besseren Zeiten: Fu Zhenghua als Chinas Justizminister 2019 in Peking

    Fu Zhenghua galt als gefährlichster Jäger in der chinesischen Strafverfolgung und enger Verbündeter von Staatspräsident Xi Jinping. Es war Fu, der mit seinen Sonderermittlungen zwielichtige Barbesitzer in die Enge trieb und Chinas mächtigste Beamte zu Fall brachte. Doch all das ist Vergangenheit; nun hat es Fu Zhenghua selbst erwischt. Am Donnerstag meldete das chinesische Staatsfernsehen CCTV lapidar: Chinas Oberste Volksstaatsanwaltschaft hat beschlossen, Fu Zhenghua wegen des Verdachts der Annahme von Bestechungsgeldern und der Beugung des Gesetzes zum persönlichen Vorteil zu verhaften. Es ist das jähe Ende einer steilen Karriere.

    Fu Zhenghua (傅政华) wurde 1955 in Luanzhou, in der nordöstlichen Provinz Hebei geboren. Schon früh weiß Fu, was er will – und vor allem wie er es erreichen kann: Nur wenige Monate nach seinem 18. Geburtstag tritt er der Kommunistischen Partei Chinas bei. Er ist nun eines von mehr als 80 Millionen KP-Mitgliedern. Sie alle wissen: Wer in den Staatsdienst möchte, kommt um eine Mitgliedschaft der größten und wohl auch mächtigsten Partei der Welt nicht herum. Und so ist es nicht verwunderlich, dass es lediglich rund fünf Prozent der erwachsenen Bevölkerung tatsächlich in die Partei schaffen. Fu gelingt es früh. Der Grundstein für eine rasante Karriere ist gelegt.

    Nach einem Studium an der Juristischen Fakultät der Beijing Union University 北京联合大学 wechselt Fu ins Amt für öffentliche Sicherheit von Peking. Dort dient er in verschiedene Funktionen, arbeitet sich durch die verschiedenen Ebenen beharrlich nach oben, bis er schließlich im Februar 2010 zum Direktor des Amtes für öffentliche Sicherheit der chinesischen Hauptstadt ernannt wird.

    Fu tritt ins Rampenlicht

    In dieser Funktion tritt Fu erstmals ins Rampenlicht. Erst wenige Monate im Amt geht der frisch gebackene Polizeichef der Stadt sogleich gegen mehrere Besitzer von angesagten Luxus-Nachtclubs vor, und das, obwohl jenen Etablissements allesamt einflussreiche Verbindungen in die Politik nachgesagt werden. Doch Fus Rechnung geht auf: Seine Bereitschaft, sich auch den Geschäftsinteressen mächtiger Familien in den Weg zu stellen, beschert ihm Lob in den staatlichen Medien – und das Vertrauen der politischen Führung.

    Es ist denn auch Xi Jinping persönlich, der ihn keine drei Jahre später die Leitung der Bestechungsuntersuchungen gegen Zhou Yongkang überträgt. Zhou wurde damals von den Medien als “Chinas Sicherheitszar” bezeichnet, er war Minister für öffentliche Sicherheit und Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas. Viel höher geht es nicht in der KP China.

    Sieg über den einstigen Sicherheitszaren

    Und Fu meistert auch diese Aufgabe zur Zufriedenheit der politischen Führung. 2015 wird der einst mächtige und einflussreiche Zhou wegen Korruption und Machtmissbrauch zu lebenslanger Haft verurteilt. Er ist der höchste Parteifunktionär, der im Rahmen der Antikorruptionskampagne von Xi Jinping gestürzt wurde.

    Doch Fu nimmt es nicht nur mit korrupten Eliten auf. Als stellvertretender Minister für öffentliche Sicherheit ordnet er 2013 ein umfassendes Vorgehen gegen unliebsame Meinungsmacher der chinesischen Social-Media-Seite Weibo an. 2015 ist er verantwortlich für eine landesweite Razzia gegen Menschenrechtsanwälte und -aktivisten. Zudem übernimmt er die Führung der Spezialeinheit gegen das sogenannte Irrlehrenproblem (中央防范和处理邪教问题领导小组办公室, Englisch: Central Leading Group on Dealing with Heretical Religions).

    Inoffiziell wird die Abteilung nur “Büro 610” genannt nach ihrem Gründungstag 10. Juni 1992. Einst für den Kampf gegen die Organisation Falun-Gong gegründet, richtet sich das Büro 610 inzwischen gegen etliche Gruppen, die von der Kommunistischen Partei als “ketzerisch” oder “schädlich” erachtet werden. Im März 2018 wird Fu schließlich sogar Justizminister – bis 2020.

    Fus Werdegang ist ein Spiegelbild der Politik

    Dann wurde es zunächst ruhig um Fu Zhenghua, was sich jedoch als die Ruhe vor dem Sturm herausstellen sollte. Im Oktober wurden schließlich Ermittlungen gegen ihn wegen Verstößen gegen die Disziplin aufgenommen (China.Table berichtete). Am gestrigen Donnerstag folgte die Verhaftung.  

    Die genauen Gründe für Fus Fall sind nicht bekannt. Offiziell heißt es vage, er habe Gelder zum persönlichen Vorteil angenommen und das Recht gebeugt. Und so muss man Fus Werdegang im größeren politischen Kontext sehen: Fu soll sein Vorgehen einst als “eiserne Faust” bezeichnet haben – so stand sein Aufstieg exemplarisch für den zunehmend aggressiven Ansatz der politischen Führung gegenüber Andersdenkenden.

    Nun steht im Herbst dieses Jahres der 20. Parteitag an, samt umfassender Umbildung der Parteiführung. Zudem will Xi für eine dritte Amtszeit an der Macht bleiben – nachdem er 2018 die Amtszeitbeschränkungen abgeschafft hat. Entsprechend groß scheint die Nervosität innerhalb der Führung. Beamte des chinesischen Staatssicherheitsapparats wurden aufgefordert, “die Klinge nach innen zu drehen und das Gift vom Knochen zu kratzen” und “Menschen mit zwei Gesichtern” zu entlarven, die der Partei gegenüber illoyal sind.

    Und so passt denn auch Fus Fall – wie auch sein einstiger Aufstieg – ins aktuelle politische Klima: Auch hohe Politiker sind vor einem tiefen Sturz nicht sicher (China.Table berichtete). Wer zu mächtig wird, dem droht das Aus. Auf frühere Leistungen wird dabei keine Rücksicht genommen. Michael Radunski

    • Gesellschaft
    • Innenpolitik der KP China
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    • Xi Jinping

    Personalien

    Dr. Wiebke Rabe ist seit April Assistenzprofessorin am Department of China Studies an der Xi’an Jiaotong-Liverpool University in Suzhou. Davor war die Wissenschaftlerin am Institut für China-Studien an der Freien Universität Berlin tätig. Rabe forscht unter anderem zur digitalen Integration chinesischer Megastädte.

    Norbert Dütsch wurde von der Volkswagen AG zum Key-Account-Manager China & Oversea Offices ernannt. Dütsch war zuvor als Manager und Senior Expert bei Porsche Consulting tätig.

    Dessert

    Erste Fahrt auf neuen Schienen: Dieser stolze Zug fährt von der Oasenstadt Dunhuang im Westen Chinas in Richtung Bangkok in Thailand los. Es handelt sich um die Jungfernfahrt auf der neuen Strecke Gansu-Laos.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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