Google, Facebook, Amazon, Apple – die großen US-Tech-Unternehmen haben in den vergangenen Jahrzehnten einen gigantischen Schatz an Nutzerdaten gesammelt. Jede Google-Suche, jedes Gespräch mit Siri, jede Amazon-Bestellung und jedes Posting auf Facebook wird gespeichert und ist potenziell für immer abrufbar. Im Alltag haben wir uns damit fast schon arrangiert. Doch was passiert, wenn auch ein chinesischer Konzern auf unsere Smartphones drängt?
Tiktok aus dem Reich des chinesischem Mutterkonzerns Bytedance greift massiv Daten von Nutzerinnen und Nutzern ab, die schließlich beim chinesischen Staat landen können, wie technisch Analysen zeigen. Zyniker mögen einwenden, dass die US-amerikanische NSA doch ohnehin alle Daten hat, warum sollten wir dann bei China vorsichtiger sein? Doch das wäre eine falsche Lehre aus den Enthüllungen Edward Snowdens. Datenschutz sollte im digitalen Zeitalter nicht lästige Aufgabe der Nutzer sein, sondern muss von Staaten durchgesetzt werden.
Und wussten Sie eigentlich, dass es in China keine Dugongs mehr gibt? Forscher haben den als Seeschwein bekannten Meeressäuger für ausgestorben erklärt. Überfischung und Schiffsunfälle führten wohl zu seinem tragischen Abschied vom Planeten Erde. Die Volksrepublik wollte gegen das Artensterben eigentlich ins Feld ziehen und hatte nicht zuletzt bei der Biodiversitätskonferenz in Kunming Großes versprochen. Bei der Umsetzung hapert es nun allerdings massiv, wie Ning Wang analysiert.
Vor allem die Auslandsprojekte Chinas tragen nur wenig zum Erhalt der Biodiversität bei – im Gegenteil. Und hinzu kommt noch: Die Aussichten dafür, dass es gelingen wird, auf der COP-Biodiversitätskonferenz im Dezember weltweit gültige Ziele zu vereinbaren, sind alles andere als rosig.
Was der ausgestorbene Dugong mit Menschenrechten zu tun? Vordergründig nichts. Doch das Ende einer weiteren Tierart ist abermals ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass entfesselte wirtschaftliche Interessen die Kraft haben, das Leben auf unserem Planeten zu zerstören. Und das betrifft auch den Menschen unmittelbar.
Stündliche Ermittlung des Standorts, uneingeschränkter Zugang zum persönlichen Kalender und penetrante Nachfragen, um die Kontaktliste eines Nutzers einsehen zu können: Die Video-App Tiktok wühlt so intensiv in der Privatsphäre von Nutzern, wie es sich nicht einmal Facebook & Co erlauben. Bei seiner Öffentlichkeitsarbeit setzt Tiktok deswegen auch eine klare Priorität: Distanz schaffen zum chinesischen Mutterkonzern Bytedance. Zwei interne Leitfäden der PR-Abteilung von Tiktok lassen darauf schließen, dass seine enge Verwandtschaft mit Bytedance die PR-Leute umtreibt.
Die Liste an Bullet Points eines 53-seitigen Dokuments mit dem Titel Tiktok Master Messaging gibt den Presseabteilungen des Unternehmens eine klare Linie vor, was deren zentrale Botschaft in Gesprächen mit Journalisten sein muss: Sie sollen betonen, dass Tiktok eine eigenständige Marke ist und dabei explizit die Verbindungen zu Bytedance und zur Volksrepublik China herunterspielen. Das berichtet der Technikblog Gizmodo, der die Leitfäden von Tiktok-Mitarbeitern zugespielt bekam.
Die Dokumente aus dem vergangenen Jahr reichen zwar keineswegs aus, um Tiktok als unmittelbares Werkzeug politischer chinesischer Interessen zu brandmarken. Doch mindestens belegen sie, wie problematisch die chinesische Abstammung eines Technologie-Anbieters ist, der außerhalb der Volksrepublik das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer gewonnen hat. Zumal die Gesetzeslage in China nicht zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit des Unternehmens beiträgt.
Entsprechend bemüht ist Tiktok darum, seine Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von Bytedance herauszustellen. In einer 15-seitigen Anleitung namens Tiktok Key Messages aus dem Februar 2021 gibt das Unternehmen Formulierungen vor, die PR-Mitarbeiter nutzen sollen. Gizmodo listet drei Beispiele auf. “Im Moment gibt es viele Fehlinformationen über Tiktok. Die Realität ist, dass die TikTok-App nicht einmal in China verfügbar ist”, lautet eine Standardantwort. “Wir haben und werden keine Benutzerdaten an die chinesische Regierung weitergeben und würden dies auch nicht tun, wenn wir darum gebeten werden”, lautet eine andere.
Doch tatsächlich haben die Gesetze zur Cybersicherheit oder zur Nationalen Sicherheit der Regierung umfangreiche Befugnisse zum Zugriff auf Daten des Privatsektors gewährt. Der chinesische Staat habe Mechanismen und Machtstrukturen etabliert, “um den Datenzugriff durch Regierungsbehörden im In- und Ausland sicherzustellen”, heißt es in einer umfangreichen Bestandsaufnahme aus dem Herbst vergangenen Jahres für den Europäischen Datenschutzausschuss (EDSA), einer unabhängigen Einrichtung zur einheitlichen Anwendung der Datenschutzvorschriften in der EU.
Herunterspielen sollen die Tiktok-Sprecher auch den Einsatz der Künstlichen Intelligenz. Die Algorithmen des Anbieters sind in die Kritik geraten, weil sie zumindest in der Vergangenheit gewisse Inhalte zensiert haben. Das australische Forschungsinstitut Aspi hatte in einer Untersuchung festgestellt, dass Tiktok Videos unterdrückt hatte, die Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang oder die Protestbewegung in Hongkong 2019 aus China-kritischer Perspektive schilderten. In mindestens acht Sprachen waren zudem Hashtags zu LGBTQ-Inhalten zensiert.
Auslöser der jüngsten Kontroverse um die Videoplattform war eine Analyse der ebenfalls australischen Cybersecurity-Firma Internet 2.0. Die fand heraus, dass zu den Erfassungsmethoden von TikTok neben dem Zugriff auf den Kalender des Nutzers, dessen Kontaktliste und dessen Standort, auch die technischen Voraussetzungen gegeben sind, um den Speicher des Geräts zu scannen.
“Damit die Tiktok-Anwendung ordnungsgemäß funktioniert, werden die meisten erfassten Zugriffs- und Gerätedaten nicht benötigt”, heißt es in dem Bericht. Die Anwendung würde ohne diese Daten ebenso reibungslos funktionieren. “Dies lässt uns glauben, dass Datenbeschaffung der einzige Grund ist, diese Informationen zu sammeln”, folgern die Autoren.
Auffällig ist zudem Tiktoks Hartnäckigkeit, um an Nutzer-Daten heranzukommen. Obwohl die Anwendung sie nicht benötigt, fragt Tiktok immer und immer wieder nach bestimmten Zugriffsrechten und hofft dabei wohl auf die Unaufmerksamkeit oder Resignation der Nutzer, die nach Dutzenden Ablehnungen das ständige Weiterfragen leid sind. “Wenn du Facebook sagst, du willst etwas nicht teilen, wird es dich nicht noch einmal danach fragen. Tiktok ist viel aggressiver“, sagte Robert Potter aus der Geschäftsführung von Internet 2.0, einer der Autoren der Studie.
Die Untersuchung ergab außerdem, dass sich Tiktok-Server außerhalb der Volksrepublik über Subdomänen in regelmäßigen Abständen mit Servern in der Volksrepublik verbinden – zumindest beim iPhone. Nach kurzer Zeit würden sich diese Verbindungen automatisch auflösen, schreiben die Autoren, um sich dann wieder unter anderer IP-Adresse erneut zu verbinden. Doch es sei nicht klar, weshalb sie überhaupt geknüpft würden.
Es gibt noch geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten auf der Erde, zehn Prozent davon kommen auch in China vor. Ob es der (rote) Panda, Schneeleoparden oder Alligatoren sind: Die Lebensräume vieler Arten sind durch die Ausbreitung des Menschen und die Zerstörung von Lebensräumen immer kleiner geworden. Die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen, die Versiegelung von Flächen und das Abholzen von Wäldern sind zentrale Faktoren, weshalb Tiere aus ihren Lebensräumen verdrängt werden und immer mehr Pflanzenarten verschwinden. Laut Weltbiodiversitätsrat (IPBES) sind etwa eine Million Tier- und Pflanzenarten akut vom Aussterben bedroht.
Weil China eines der Länder mit den meisten Tier- und Pflanzenarten ist, hat die Pekinger Führung im Jahr 2012 den Beginn einer neuen Ära zum Schutz der biologischen Vielfalt ausgerufen. Chinesische Wissenschaftler sparen nicht mit Lobgesang auf die bisher erreichten Errungenschaften, wenn es um die Erhaltung der biologischen Vielfalt im eigenen Land geht. Laut Huang Chengming, Professor am Zoologischen Institut der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS), hat China in den vergangenen 20 Jahren das Netzwerk zur Überwachung der Biodiversität der Wälder weiter verbessert, indem es ein Überwachungssystem der Waldflächen aufgebaut hat.
Die Volksrepublik hat zudem eine Keimplasma-Ressourcenbank aufgebaut, die mehr als 10.000 Arten und 85.000 Kopien biologischer Ressourcen zählt. Darunter fallen Samen oder Gewebe, die zum Beispiel für die zukünftige Tier- oder Pflanzenzüchtung und -konservierung archiviert und erhalten werden.
“Monitoring und Forschung betreiben ist wichtig, um zu verstehen, wie ein Ökosystem und die darin lebende Arten funktionieren und was dagegen getan werden kann, um das Artensterben zu stoppen. Es ist aber nur eine von vielen nötigen Maßnahmen”, sagt Florian Titze, WWF-Experte für Internationale Biodiversitätspolitik. Er betont, dass nicht nur die Erhaltung der Vielfalt eine wichtige Rolle spiele, sondern dass ein funktionierendes Ökosystem in der Lage sei, sauberes Wasser und saubere Luft zu produzieren. “Wie viele andere Länder der Erde, ist auch China noch weit davon entfernt, den nötigen Systemwechsel einzuleiten, den wir für den Erhalt der biologischen Vielfalt brauchen” so Titze.
Unter dem blumigen Motto “Wie Mensch und Natur in Harmonie koexistieren” hat Staats- und Parteichef Xi Jinping zuletzt auf der 15. UN-Biodiversitätskonferenz (COP15) dazu aufgerufen, gemeinsam für die biologische Vielfalt zu kämpfen.
Für Xi Jinping ist der Zeitpunkt dennoch günstig, als Gastgeberland der UN-Artenschutzkonferenz ein Zeichen zu setzen. Und wie so häufig tut er dies durch finanzielle Versprechen. Gleich beim ersten Treffen des COP15-Gipfels kündigte er einen neuen Fonds in Höhe von 237 Millionen US-Dollar (200 Millionen Euro) zur Unterstützung des Schutzes der biologischen Vielfalt in Entwicklungsländern an (China.Table berichtete). Der Economist bewertete Xis Ankündigung als Versuch, sich in Sachen Biodiversität von den USA abzusetzen. Diese hatte die UN-Konventionen zur Biodiversität von 1993 nicht unterzeichnet – China hingegen gehört zu den Unterzeichnern der ersten Stunde. Außerdem hätten die USA derzeit einen Senat, “der eine schlechte Bilanz in der Ratifizierung von Umweltabkommen hat“, urteilte das Wirtschaftsmagazin im Februar dieses Jahres.
Laut WWF-Experte Titze gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten bei den Vorstellungen, was für mehr Artenschutz gebraucht und bereitgestellt werden müsste. Einer Studie nach sind rund 700 Milliarden US-Dollar dafür nötig. So betrachtet ist die Summe, die von den chinesischen Staatsmedien überall propagiert wird, in einer Größenordnung, die kaum signifikant ist.
Die Tatsache, dass Xi das Geld vor allem für Entwicklungsländer bereitstellen will, scheint auf den ersten Blick löblich. Doch bei genauerem Blick erscheint der Plan in einem anderen Licht. Denn eine Studie aus dem Herbst vergangenen Jahres zeigt, dass Chinas Entwicklungsfinanzierungen im Ausland Risiken für die weltweite Biodiversität erzeugen. Autoren des Nature Magazins kommen zu dem Ergebnis, dass sich 63 Prozent der von China finanzierten Projekte mit kritischen Lebensräumen, Schutzgebieten oder indigenen Gebieten überschneiden.
Hinzu kommt, dass bis zu 24 Prozent der weltweit bedrohten Vögel, Säugetiere, Reptilien und Amphibien potenziell von diesen Projekten betroffen sind. Sie leben in sogenannten Hotspots, die vor allem im nördlichen Subsahara-Afrika, in Südostasien und in Teilen Südamerikas liegen. “Insgesamt bergen Chinas Entwicklungsprojekte größere Risiken als die der Weltbank, insbesondere im Energiesektor”, so das Fazit des Nature-Berichts.
Die Aussichten dafür, dass es gelingen wird, auf der COP-Biodiversitätskonferenz im Dezember weltweit gültige Ziele zu vereinbaren, sind alles andere als rosig. Bereits der vorherige UN-Plan, die biologische Vielfalt zu erhalten, der 2010 in Aichi in Japan beschlossen wurde, zeigt, wie wenig in der Zwischenzeit erreicht worden ist.
Die dort gesetzten Ziele für den Zeitraum 2011 bis 2020 sind größtenteils verfehlt worden. Der Bericht zum Zustand der Biodiversität (CBD) zeigte zuletzt, dass von den damals gesetzten 20 Zielen gerade mal sechs erreicht wurden. Für das Treffen im Dezember sieht es derzeit nicht besser aus. Anstatt, wie erwartet, einen Konsens über viele der 23 im Rahmendokument enthaltenen Ziele zu erreichen, einigten sich die Delegierten im Juni nur auf zwei.
Die Veröffentlichung eines UN-Berichts zur Menschenrechtslage in Xinjiang könnte sich weiter verzögern. Hochkommissarin Michelle Bachelet kündigte an, dass ihr Büro die seit Monaten erwartete Einschätzung auch zum 31. August wohl nicht liefern könne. Die Veröffentlichung war in der Vergangenheit bereits mehrfach verschoben worden. Der kommende Mittwoch wurde deswegen zum finalen Datum erklärt, weil er zugleich Bachelets letzter Tag nach vier Jahren im Amt ist.
Bei ihrer abschließenden Pressekonferenz als UN-Hochkommissarin gab die Chilenin am Donnerstag in Genf Einblicke in die Umstände, die eine Veröffentlichung des Reports begleiten. Demnach sei zuletzt “gewaltiger Druck” auf ihr Büro ausgeübt worden, nachdem sie Ende Mai Xinjiang besucht hatte. Der Druck sei sowohl von Seiten derer, die eine schnellstmögliche Veröffentlichung fordern, ausgegangen, als auch von der Volksrepublik China und deren Fürsprechern.
Peking bekam zudem das Recht eingeräumt, den Bericht vorab einzusehen und zu kommentieren. Die Hochkommissarin hatte die letzte Verzögerung damit begründet, dass sie die Eindrücke ihres Besuches in das Dokument integrieren wollte. Allerdings war die Reise nach Xinjiang keine offizielle Untersuchung und durch Restriktionen, die Peking mit strengen Covid-Auflagen begründete, stark eingeschränkt. Fraglich ist sogar, ob er Bericht überhaupt noch veröffentlicht wird, wenn Bachelets Amtszeit ausgelaufen ist.
China weist trotz der Internierung von mehr als einer Million Uiguren in Xinjiang jegliches Fehlverhalten von sich. Zahllose Berichte und Beweise über Folter, Vergewaltigungen oder Zwangssterilisationen verbannt die Regierung ins Reich der Fabeln. Die Koalition, die China im Menschenrechts-Rat unterstützt, wird angeführt vom karibischen Inselstaat Kuba, der in einer Stellungnahme sämtliche Vorgänge in Xinjiang, Hongkong oder Tibet als “innere chinesische Angelegenheiten” bezeichnete, aus denen sich der Rest der Welt heraushalten solle. grz
Sechs hochrangige Mitarbeiter der eingestellten Hongkonger Tageszeitung Apple Daily akzeptieren den Vorwurf der Verschwörung mit ausländischen Kräften auf Basis des Nationalen Sicherheitsgesetzes. Einzig ihr Gründer, der namhafte Regierungskritiker Jimmy Lai, plädierte am Montag in einer öffentlichen Anhörung vor dem Hohen Gericht der Stadt auf nicht schuldig. Die Staatsanwaltschaft wirft den sieben Journalisten vor, am 1. Juli 2020, einen Tag nach Einführung des Sicherheitsgesetzes, das Ausland öffentlich zu Sanktionen und feindlichen Maßnahmen gegen Hongkong aufgerufen zu haben.
Medienunternehmer Lai (74) sitzt zurzeit bereits eine 13-monatige Haftstrafe wegen der Teilnahme einer Gedenkfeier zum Jahrestag des Massakers auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens 1989 ab. Sollte er jetzt trotz seines Plädoyers auch für den vermeintlichen Verstoß gegen das Nationale Sicherheitsgesetz schuldig gesprochen werden, drohen ihm bis zu zehn Jahren Haft. Sein Prozess werde gesondert von dem gegen seine sechs Ex-Kollegen eingeleitet, kündigte die Staatsanwaltschaft an.
Bei den sechs Mitarbeitern handelt es sich um Chefredakteur Ryan Law, den geschäftsführenden Chefredakteur Lam Man-chung, Verleger Cheung Kim-hung, Verlagsteilhaber Chan Pui-man sowie die Kolumnisten Fung Wai-kong und Yeung Ching-kee. Gegen alle sieben laufen parallel noch weitere Ermittlungen auf Basis des Seditionsgesetzes aus Kolonialzeiten.
Die Behörden werfen ihnen eine Verschwörung vor, um im Jahr 2019 abspalterische Publikationen “gedruckt, veröffentlicht, verkauft, zum Kauf angeboten, dargestellt oder reproduziert” zu haben. Weil das Sicherheitsgesetz erst 2020 eingeführt worden ist, hat die Staatsanwaltschaft kurzerhand das Seditionsgesetz wiederbelebt. Davor war es jahrzehntelang von der Justiz der Stadt nicht angewandt worden. Höchststrafe bei einer erstmaligen Verurteilung sind zwei Jahre Haft und eine Geldstrafe.
Das Hohe Gericht setzt sich aus drei Richtern zusammen, die über Mechanismen bei Verstößen gegen das Sicherheitsgesetz von der politischen Führung der Stadt ausgewählt werden können. Entgegen der üblichen Praxis, Anhörungen bei Fällen des Sicherheitsgesetzes nicht öffentlich zu behandeln, hatten die Richter in diesem Fall die Presse zugelassen. grz
Ein Gericht in Shanghai hat am Freitag den chinesisch-kanadischen Milliardär Xiao Jianhua zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt. Es verhängte zudem eine Geldstrafe in Höhe von 55 Milliarden Yuan (acht Milliarden Euro) gegen sein Unternehmen Tomorrow Holdings. Xiao war vor fünf Jahren verschwunden und befand sich vermutlich seitdem in Haft.
Xiao und Tomorrow Holdings wurde Veruntreuung von Investorengeld und staatlichen Fördermitteln vorgeworfen. Das Geld soll zur Bestechung von Beamten verwendet worden sein. Das teilte das zuständige Mittlere Gericht in Shanghai mit.
Der in China geborene Xiao hatte beste Verbindungen zur Elite der Kommunistischen Partei. Er wurde zuletzt gesichtet, wie er in den frühen Morgenstunden in einem Rollstuhl und mit bedecktem Kopf aus einem Luxushotel in Hongkong gebracht wurde.
Von 2001 bis 2021 haben Xiao und Tomorrow Aktien, Immobilien, Bargeld und andere Vermögenswerte im Gesamtwert von mehr als 680 Millionen Yuan an Regierungsbeamte verschenkt, um sich der Regulierung durch die Finanzaufsicht zu entziehen. rtr/fin
Wenn China heute anfinge, Taiwan gewaltsam zu erobern: Die große Mehrheit der chinesischen Bevölkerung würde dies aus vollem Herzen unterstützen. Wer sich jedoch offen dagegen ausspräche, würde bestenfalls als Verräter beschimpft werden. Im schlimmsten Fall drohen Gefängnis oder körperliche Gewalt durch patriotische Landsleute. Mit “Chinesen” sind in diesem Text sowohl die chinesische Bevölkerung als auch Staatsbürger außerhalb des Landes gemeint, sowie Menschen, die ihre prägenden Jahre im Land verbracht haben, nun aber ausländische Pässe besitzen.
Taiwan ist für die Chinesen ein emotional hochgradig aufgeladenes Thema. Es steht an der Spitze einer langen Liste von Problemen, die ihre Wurzeln in der Geschichte eines von den westlichen Mächten im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geplagten Chinas haben. Ebenfalls auf dieser Liste stehen Hongkong, Macao und Territorien, die von Russland geraubt wurden, was wiederum eine große Rolle bei der Abspaltung der heutigen Mongolei spielt.
Diese Themen nehmen in den Geschichtslehrbüchern, bei Schüler und Studenten und in den offiziellen Medien Chinas eine immense Rolle ein. Sie finden immer wieder Erwähnung und fördern neben einer schwer überwindbaren nationalen Opfermentalität auch ein niemals verheilendes Trauma. Die Kommunistische Partei nutzt diese Ausgangslage. Sie bettet die Demütigungen in ein Narrativ ein, in der sie sich selbst als den alleinigen Retter der Nation aus ihrer tiefen Erniedrigung präsentiert. Dies ist einer der Gründungsmythen der Volksrepublik und wird bis heute als eine der wichtigsten Legitimationen für die Herrschaft der Partei eingesetzt.
Der bereits erwähnte Verlust von Territorien an Russland im 19. Jahrhundert wurde in den letzten Jahren aus offensichtlichen Gründen heruntergespielt. Aber das von den USA unterstützte Taiwan wird immer wieder zu einem Brennpunkt in den internationalen Beziehungen. Jede neue Episode ruft die bittere Vergangenheit in Erinnerung: Genau wegen solcher Einmischung aus dem Ausland, vor allem seitens der USA, konnte die Volksrepublik bei ihrer Gründung Taiwan nicht übernehmen. Und nun wollen die USA und ihre Verbündeten Taiwan immer noch daran hindern, sich mit der Heimat wiederzuvereinigen. Nach Ansicht der Chinesen dient Taiwan den USA letztendlich als das, was US-General Douglas MacArthur einen “unsinkbaren Flugzeugträger” nannte, um China kleinzuhalten.
Was die Chinesen noch mehr erzürnt, ist die Tatsache, dass Taiwan seit den 1990er-Jahren erheblich von Exporten nach China und Investitionen in China profitiert hat. Das Land ist wirtschaftlich so wichtig, dass sich manche taiwanischen Popstars in Großstädten wie Shanghai niederließen, um näher an ihrem größten Markt zu sein. Auch wenn sie, angesichts der sich verschlechternden Beziehungen zwischen beiden Seiten der Taiwanstraße – bei denen es keine Anzeichen für eine Besserung gibt – dies vielleicht noch einmal überdenken sollten.
Der jüngste Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi hat den Hass der Festlandbevölkerung auf die USA und Taiwan auf einen neuen Höhepunkt getrieben. In den sozialen Medien wurde lautstark der Abschuss von Pelosis Flugzeug gefordert und dann auch tatsächlich erwartet. Die sichere Landung ihres Flugzeugs in Taipeh löste große Enttäuschung und sogar Frustration aus, die sogar die darauffolgenden Militärübungen irgendwie glanzlos erscheinen ließ.
Ja, über militärische Handlungen kann man in China tatsächlich leichtfertig spekulieren. Generell sind die Chinesen Realisten, die in den internationalen Beziehungen auf Geld, militärische Gewalt, Sozialdarwinismus und schiere Stärke vertrauen. “Politische Macht kommt aus den Gewehrläufen” ist ein Zitat von Mao Zedong, das jeder auswendig kennt und das im Reich der Mitte stets großen Anklang findet.
Doch wie ist es um den Willen des taiwanischen Volkes bestellt? Was wäre, wenn das Ergebnis eines hypothetischen Referendums in Taiwan ein klares Ja zur Unabhängigkeit wäre?
In der chinesischen Öffentlichkeit gibt es unterschiedliche Auffassungen zu diesen Fragen.
Die erste ist Zynismus über die öffentliche Meinung in Demokratien: Sie sei nicht vertrauenswürdig, weil sie lediglich das Ergebnis von Manipulationen durch machthungrige Politiker sei, die letztlich nur die Reichen oder verschiedene Gruppen von Reichen vertreten. Die zweite Frage ist einfacher zu beantworten: Taiwan ist unser Land – was die dort lebenden Menschen denken, ist schlichtweg irrelevant. Falls taiwanische Politiker den Mumm hätten, ein Referendum zu initiieren, wäre das an sich schon eine strafbare Provokation.
Die Befürworter einer gewaltsamen Wiedervereinigung würden sich auch auf Beispiele in der vordemokratischen Geschichte großer ausländischer Demokratien berufen – oder auf Beispiele aus der Gegenwart. Am populärsten sei dabei der Umgang Russlands mit nach Unabhängigkeit strebenden Republiken wie Tschetschenien. Sollte die Ukraine letztendlich in Putins Hände fallen, wäre dies ein Paradebeispiel.
Unabhängigkeitsreferenden in Schottland und Quebec oder die friedliche Abspaltung der Tschechischen Republik und der Slowakei werden von der Mehrheit gar nicht erst wahrgenommen. Und wer sich damit doch etwas auskennt, kann sie bequem mit der Patentlösung erklären: Es muss ein wirtschaftliches oder finanzielles Interesse hinter den Vorgängen stecken. Oder ein weiteres Totschlagargument für alle Fragen, die China betreffen: China sei einzigartig, die Taiwan-Frage unterscheidet sich von allen anderen Konstellationen – war es doch schon seit der Antike chinesisches Territorium.
Konfrontiert man einen chinesischen Bürger mit der Frage, ob der chinesische Enthusiasmus für die Wiedervereinigung Taiwans mit China auf Manipulation beruht, so wäre die Antwort kategorisch: “NEIN! Wie können Sie es wagen?” Willkommen im Land der Irrtümer, nicht unähnlich den Trugschlüssen von Trump-Anhängern und Verschwörungstheorien.
Die Geschichte Taiwans seit dem Zeitalter der Entdeckungen ist weitaus komplizierter als die der meisten Teile Chinas. Das Land wurde zweimal kolonisiert: von den Niederländern im 17. Jahrhundert und von den Japanern zwischen 1895 und 1945. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es an die Republik China unter der Führung von Chiang Kai-shek zurückgegeben. Seine Regierung vertrat China als eines der wichtigsten Gründungsmitglieder der UNO. Jedoch wurden Chiang Kai-shek und seine Anhänger im Bürgerkrieg 1945-49 von den Kommunisten besiegt und zogen sich daraufhin nach Taiwan zurück.
Die einheimische Bevölkerung Taiwans musste sich damals mit einer korrupten Regierung der Republik China abfinden, deren brutale Herrschaft eine große Narbe im Bewusstsein der Taiwaner und eine tiefe Kluft zwischen ihnen und dem Festland hinterließ. Zu allem Überfluss wurde Taiwan aus der UNO ausgeschlossen und verlor nach dem diplomatischen Tauwetter zwischen den USA und der Volksrepublik im Jahr 1972 schrittweise die diplomatischen Beziehungen zu allen Ländern bis auf wenige Ausnahmen.
Das “Waisenkind Asiens” (Orphan of Asia) ist sowohl der Buchtitel eines taiwanischen Schriftstellers als auch der Titel eines Popsongs. Ersteres schildert die Identitätskrise der Taiwaner, letzteres beklagt die Isolation des Landes. Der in diesen Werken auf rührende Weise geschilderte Schmerz wird jedoch leider bei den nationalistischen Zuhörern auf dem Festland zweifellos auf taube Ohren stoßen.
“Wer hat unseren Film verändert?” – “Na, die Behörden in China”, “Echt?”. Wie Beiträge und Screenshots auf der chinesischen Mikroblogging-Seite Weibo zeigen, hat der US-Animationsfilm “Minions: The Rise of Gru” in China ein alternatives Ende verpasst bekommen.
Standbilder und Untertitel in der Abspannsequenz erzählen in der angepassten Version für den chinesischen Markt, dass Hauptcharakter Gru am Ende vom Bösewicht zum guten “Vater dreier Töchter” wird, sein Mentor, der Superschurke Wild Knuckles dagegen für “20 Jahre im Gefängnis” landet. Ein Happy End, ganz nach dem Geschmack der KP.
In der internationalen Version kommt der kriminelle Knuckles mit seinen Missetaten davon, indem er seinen Tod vorgibt. Er macht sich mit Gru zu neuen Abenteuern auf.
Google, Facebook, Amazon, Apple – die großen US-Tech-Unternehmen haben in den vergangenen Jahrzehnten einen gigantischen Schatz an Nutzerdaten gesammelt. Jede Google-Suche, jedes Gespräch mit Siri, jede Amazon-Bestellung und jedes Posting auf Facebook wird gespeichert und ist potenziell für immer abrufbar. Im Alltag haben wir uns damit fast schon arrangiert. Doch was passiert, wenn auch ein chinesischer Konzern auf unsere Smartphones drängt?
Tiktok aus dem Reich des chinesischem Mutterkonzerns Bytedance greift massiv Daten von Nutzerinnen und Nutzern ab, die schließlich beim chinesischen Staat landen können, wie technisch Analysen zeigen. Zyniker mögen einwenden, dass die US-amerikanische NSA doch ohnehin alle Daten hat, warum sollten wir dann bei China vorsichtiger sein? Doch das wäre eine falsche Lehre aus den Enthüllungen Edward Snowdens. Datenschutz sollte im digitalen Zeitalter nicht lästige Aufgabe der Nutzer sein, sondern muss von Staaten durchgesetzt werden.
Und wussten Sie eigentlich, dass es in China keine Dugongs mehr gibt? Forscher haben den als Seeschwein bekannten Meeressäuger für ausgestorben erklärt. Überfischung und Schiffsunfälle führten wohl zu seinem tragischen Abschied vom Planeten Erde. Die Volksrepublik wollte gegen das Artensterben eigentlich ins Feld ziehen und hatte nicht zuletzt bei der Biodiversitätskonferenz in Kunming Großes versprochen. Bei der Umsetzung hapert es nun allerdings massiv, wie Ning Wang analysiert.
Vor allem die Auslandsprojekte Chinas tragen nur wenig zum Erhalt der Biodiversität bei – im Gegenteil. Und hinzu kommt noch: Die Aussichten dafür, dass es gelingen wird, auf der COP-Biodiversitätskonferenz im Dezember weltweit gültige Ziele zu vereinbaren, sind alles andere als rosig.
Was der ausgestorbene Dugong mit Menschenrechten zu tun? Vordergründig nichts. Doch das Ende einer weiteren Tierart ist abermals ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass entfesselte wirtschaftliche Interessen die Kraft haben, das Leben auf unserem Planeten zu zerstören. Und das betrifft auch den Menschen unmittelbar.
Stündliche Ermittlung des Standorts, uneingeschränkter Zugang zum persönlichen Kalender und penetrante Nachfragen, um die Kontaktliste eines Nutzers einsehen zu können: Die Video-App Tiktok wühlt so intensiv in der Privatsphäre von Nutzern, wie es sich nicht einmal Facebook & Co erlauben. Bei seiner Öffentlichkeitsarbeit setzt Tiktok deswegen auch eine klare Priorität: Distanz schaffen zum chinesischen Mutterkonzern Bytedance. Zwei interne Leitfäden der PR-Abteilung von Tiktok lassen darauf schließen, dass seine enge Verwandtschaft mit Bytedance die PR-Leute umtreibt.
Die Liste an Bullet Points eines 53-seitigen Dokuments mit dem Titel Tiktok Master Messaging gibt den Presseabteilungen des Unternehmens eine klare Linie vor, was deren zentrale Botschaft in Gesprächen mit Journalisten sein muss: Sie sollen betonen, dass Tiktok eine eigenständige Marke ist und dabei explizit die Verbindungen zu Bytedance und zur Volksrepublik China herunterspielen. Das berichtet der Technikblog Gizmodo, der die Leitfäden von Tiktok-Mitarbeitern zugespielt bekam.
Die Dokumente aus dem vergangenen Jahr reichen zwar keineswegs aus, um Tiktok als unmittelbares Werkzeug politischer chinesischer Interessen zu brandmarken. Doch mindestens belegen sie, wie problematisch die chinesische Abstammung eines Technologie-Anbieters ist, der außerhalb der Volksrepublik das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer gewonnen hat. Zumal die Gesetzeslage in China nicht zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit des Unternehmens beiträgt.
Entsprechend bemüht ist Tiktok darum, seine Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von Bytedance herauszustellen. In einer 15-seitigen Anleitung namens Tiktok Key Messages aus dem Februar 2021 gibt das Unternehmen Formulierungen vor, die PR-Mitarbeiter nutzen sollen. Gizmodo listet drei Beispiele auf. “Im Moment gibt es viele Fehlinformationen über Tiktok. Die Realität ist, dass die TikTok-App nicht einmal in China verfügbar ist”, lautet eine Standardantwort. “Wir haben und werden keine Benutzerdaten an die chinesische Regierung weitergeben und würden dies auch nicht tun, wenn wir darum gebeten werden”, lautet eine andere.
Doch tatsächlich haben die Gesetze zur Cybersicherheit oder zur Nationalen Sicherheit der Regierung umfangreiche Befugnisse zum Zugriff auf Daten des Privatsektors gewährt. Der chinesische Staat habe Mechanismen und Machtstrukturen etabliert, “um den Datenzugriff durch Regierungsbehörden im In- und Ausland sicherzustellen”, heißt es in einer umfangreichen Bestandsaufnahme aus dem Herbst vergangenen Jahres für den Europäischen Datenschutzausschuss (EDSA), einer unabhängigen Einrichtung zur einheitlichen Anwendung der Datenschutzvorschriften in der EU.
Herunterspielen sollen die Tiktok-Sprecher auch den Einsatz der Künstlichen Intelligenz. Die Algorithmen des Anbieters sind in die Kritik geraten, weil sie zumindest in der Vergangenheit gewisse Inhalte zensiert haben. Das australische Forschungsinstitut Aspi hatte in einer Untersuchung festgestellt, dass Tiktok Videos unterdrückt hatte, die Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang oder die Protestbewegung in Hongkong 2019 aus China-kritischer Perspektive schilderten. In mindestens acht Sprachen waren zudem Hashtags zu LGBTQ-Inhalten zensiert.
Auslöser der jüngsten Kontroverse um die Videoplattform war eine Analyse der ebenfalls australischen Cybersecurity-Firma Internet 2.0. Die fand heraus, dass zu den Erfassungsmethoden von TikTok neben dem Zugriff auf den Kalender des Nutzers, dessen Kontaktliste und dessen Standort, auch die technischen Voraussetzungen gegeben sind, um den Speicher des Geräts zu scannen.
“Damit die Tiktok-Anwendung ordnungsgemäß funktioniert, werden die meisten erfassten Zugriffs- und Gerätedaten nicht benötigt”, heißt es in dem Bericht. Die Anwendung würde ohne diese Daten ebenso reibungslos funktionieren. “Dies lässt uns glauben, dass Datenbeschaffung der einzige Grund ist, diese Informationen zu sammeln”, folgern die Autoren.
Auffällig ist zudem Tiktoks Hartnäckigkeit, um an Nutzer-Daten heranzukommen. Obwohl die Anwendung sie nicht benötigt, fragt Tiktok immer und immer wieder nach bestimmten Zugriffsrechten und hofft dabei wohl auf die Unaufmerksamkeit oder Resignation der Nutzer, die nach Dutzenden Ablehnungen das ständige Weiterfragen leid sind. “Wenn du Facebook sagst, du willst etwas nicht teilen, wird es dich nicht noch einmal danach fragen. Tiktok ist viel aggressiver“, sagte Robert Potter aus der Geschäftsführung von Internet 2.0, einer der Autoren der Studie.
Die Untersuchung ergab außerdem, dass sich Tiktok-Server außerhalb der Volksrepublik über Subdomänen in regelmäßigen Abständen mit Servern in der Volksrepublik verbinden – zumindest beim iPhone. Nach kurzer Zeit würden sich diese Verbindungen automatisch auflösen, schreiben die Autoren, um sich dann wieder unter anderer IP-Adresse erneut zu verbinden. Doch es sei nicht klar, weshalb sie überhaupt geknüpft würden.
Es gibt noch geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten auf der Erde, zehn Prozent davon kommen auch in China vor. Ob es der (rote) Panda, Schneeleoparden oder Alligatoren sind: Die Lebensräume vieler Arten sind durch die Ausbreitung des Menschen und die Zerstörung von Lebensräumen immer kleiner geworden. Die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen, die Versiegelung von Flächen und das Abholzen von Wäldern sind zentrale Faktoren, weshalb Tiere aus ihren Lebensräumen verdrängt werden und immer mehr Pflanzenarten verschwinden. Laut Weltbiodiversitätsrat (IPBES) sind etwa eine Million Tier- und Pflanzenarten akut vom Aussterben bedroht.
Weil China eines der Länder mit den meisten Tier- und Pflanzenarten ist, hat die Pekinger Führung im Jahr 2012 den Beginn einer neuen Ära zum Schutz der biologischen Vielfalt ausgerufen. Chinesische Wissenschaftler sparen nicht mit Lobgesang auf die bisher erreichten Errungenschaften, wenn es um die Erhaltung der biologischen Vielfalt im eigenen Land geht. Laut Huang Chengming, Professor am Zoologischen Institut der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS), hat China in den vergangenen 20 Jahren das Netzwerk zur Überwachung der Biodiversität der Wälder weiter verbessert, indem es ein Überwachungssystem der Waldflächen aufgebaut hat.
Die Volksrepublik hat zudem eine Keimplasma-Ressourcenbank aufgebaut, die mehr als 10.000 Arten und 85.000 Kopien biologischer Ressourcen zählt. Darunter fallen Samen oder Gewebe, die zum Beispiel für die zukünftige Tier- oder Pflanzenzüchtung und -konservierung archiviert und erhalten werden.
“Monitoring und Forschung betreiben ist wichtig, um zu verstehen, wie ein Ökosystem und die darin lebende Arten funktionieren und was dagegen getan werden kann, um das Artensterben zu stoppen. Es ist aber nur eine von vielen nötigen Maßnahmen”, sagt Florian Titze, WWF-Experte für Internationale Biodiversitätspolitik. Er betont, dass nicht nur die Erhaltung der Vielfalt eine wichtige Rolle spiele, sondern dass ein funktionierendes Ökosystem in der Lage sei, sauberes Wasser und saubere Luft zu produzieren. “Wie viele andere Länder der Erde, ist auch China noch weit davon entfernt, den nötigen Systemwechsel einzuleiten, den wir für den Erhalt der biologischen Vielfalt brauchen” so Titze.
Unter dem blumigen Motto “Wie Mensch und Natur in Harmonie koexistieren” hat Staats- und Parteichef Xi Jinping zuletzt auf der 15. UN-Biodiversitätskonferenz (COP15) dazu aufgerufen, gemeinsam für die biologische Vielfalt zu kämpfen.
Für Xi Jinping ist der Zeitpunkt dennoch günstig, als Gastgeberland der UN-Artenschutzkonferenz ein Zeichen zu setzen. Und wie so häufig tut er dies durch finanzielle Versprechen. Gleich beim ersten Treffen des COP15-Gipfels kündigte er einen neuen Fonds in Höhe von 237 Millionen US-Dollar (200 Millionen Euro) zur Unterstützung des Schutzes der biologischen Vielfalt in Entwicklungsländern an (China.Table berichtete). Der Economist bewertete Xis Ankündigung als Versuch, sich in Sachen Biodiversität von den USA abzusetzen. Diese hatte die UN-Konventionen zur Biodiversität von 1993 nicht unterzeichnet – China hingegen gehört zu den Unterzeichnern der ersten Stunde. Außerdem hätten die USA derzeit einen Senat, “der eine schlechte Bilanz in der Ratifizierung von Umweltabkommen hat“, urteilte das Wirtschaftsmagazin im Februar dieses Jahres.
Laut WWF-Experte Titze gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten bei den Vorstellungen, was für mehr Artenschutz gebraucht und bereitgestellt werden müsste. Einer Studie nach sind rund 700 Milliarden US-Dollar dafür nötig. So betrachtet ist die Summe, die von den chinesischen Staatsmedien überall propagiert wird, in einer Größenordnung, die kaum signifikant ist.
Die Tatsache, dass Xi das Geld vor allem für Entwicklungsländer bereitstellen will, scheint auf den ersten Blick löblich. Doch bei genauerem Blick erscheint der Plan in einem anderen Licht. Denn eine Studie aus dem Herbst vergangenen Jahres zeigt, dass Chinas Entwicklungsfinanzierungen im Ausland Risiken für die weltweite Biodiversität erzeugen. Autoren des Nature Magazins kommen zu dem Ergebnis, dass sich 63 Prozent der von China finanzierten Projekte mit kritischen Lebensräumen, Schutzgebieten oder indigenen Gebieten überschneiden.
Hinzu kommt, dass bis zu 24 Prozent der weltweit bedrohten Vögel, Säugetiere, Reptilien und Amphibien potenziell von diesen Projekten betroffen sind. Sie leben in sogenannten Hotspots, die vor allem im nördlichen Subsahara-Afrika, in Südostasien und in Teilen Südamerikas liegen. “Insgesamt bergen Chinas Entwicklungsprojekte größere Risiken als die der Weltbank, insbesondere im Energiesektor”, so das Fazit des Nature-Berichts.
Die Aussichten dafür, dass es gelingen wird, auf der COP-Biodiversitätskonferenz im Dezember weltweit gültige Ziele zu vereinbaren, sind alles andere als rosig. Bereits der vorherige UN-Plan, die biologische Vielfalt zu erhalten, der 2010 in Aichi in Japan beschlossen wurde, zeigt, wie wenig in der Zwischenzeit erreicht worden ist.
Die dort gesetzten Ziele für den Zeitraum 2011 bis 2020 sind größtenteils verfehlt worden. Der Bericht zum Zustand der Biodiversität (CBD) zeigte zuletzt, dass von den damals gesetzten 20 Zielen gerade mal sechs erreicht wurden. Für das Treffen im Dezember sieht es derzeit nicht besser aus. Anstatt, wie erwartet, einen Konsens über viele der 23 im Rahmendokument enthaltenen Ziele zu erreichen, einigten sich die Delegierten im Juni nur auf zwei.
Die Veröffentlichung eines UN-Berichts zur Menschenrechtslage in Xinjiang könnte sich weiter verzögern. Hochkommissarin Michelle Bachelet kündigte an, dass ihr Büro die seit Monaten erwartete Einschätzung auch zum 31. August wohl nicht liefern könne. Die Veröffentlichung war in der Vergangenheit bereits mehrfach verschoben worden. Der kommende Mittwoch wurde deswegen zum finalen Datum erklärt, weil er zugleich Bachelets letzter Tag nach vier Jahren im Amt ist.
Bei ihrer abschließenden Pressekonferenz als UN-Hochkommissarin gab die Chilenin am Donnerstag in Genf Einblicke in die Umstände, die eine Veröffentlichung des Reports begleiten. Demnach sei zuletzt “gewaltiger Druck” auf ihr Büro ausgeübt worden, nachdem sie Ende Mai Xinjiang besucht hatte. Der Druck sei sowohl von Seiten derer, die eine schnellstmögliche Veröffentlichung fordern, ausgegangen, als auch von der Volksrepublik China und deren Fürsprechern.
Peking bekam zudem das Recht eingeräumt, den Bericht vorab einzusehen und zu kommentieren. Die Hochkommissarin hatte die letzte Verzögerung damit begründet, dass sie die Eindrücke ihres Besuches in das Dokument integrieren wollte. Allerdings war die Reise nach Xinjiang keine offizielle Untersuchung und durch Restriktionen, die Peking mit strengen Covid-Auflagen begründete, stark eingeschränkt. Fraglich ist sogar, ob er Bericht überhaupt noch veröffentlicht wird, wenn Bachelets Amtszeit ausgelaufen ist.
China weist trotz der Internierung von mehr als einer Million Uiguren in Xinjiang jegliches Fehlverhalten von sich. Zahllose Berichte und Beweise über Folter, Vergewaltigungen oder Zwangssterilisationen verbannt die Regierung ins Reich der Fabeln. Die Koalition, die China im Menschenrechts-Rat unterstützt, wird angeführt vom karibischen Inselstaat Kuba, der in einer Stellungnahme sämtliche Vorgänge in Xinjiang, Hongkong oder Tibet als “innere chinesische Angelegenheiten” bezeichnete, aus denen sich der Rest der Welt heraushalten solle. grz
Sechs hochrangige Mitarbeiter der eingestellten Hongkonger Tageszeitung Apple Daily akzeptieren den Vorwurf der Verschwörung mit ausländischen Kräften auf Basis des Nationalen Sicherheitsgesetzes. Einzig ihr Gründer, der namhafte Regierungskritiker Jimmy Lai, plädierte am Montag in einer öffentlichen Anhörung vor dem Hohen Gericht der Stadt auf nicht schuldig. Die Staatsanwaltschaft wirft den sieben Journalisten vor, am 1. Juli 2020, einen Tag nach Einführung des Sicherheitsgesetzes, das Ausland öffentlich zu Sanktionen und feindlichen Maßnahmen gegen Hongkong aufgerufen zu haben.
Medienunternehmer Lai (74) sitzt zurzeit bereits eine 13-monatige Haftstrafe wegen der Teilnahme einer Gedenkfeier zum Jahrestag des Massakers auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens 1989 ab. Sollte er jetzt trotz seines Plädoyers auch für den vermeintlichen Verstoß gegen das Nationale Sicherheitsgesetz schuldig gesprochen werden, drohen ihm bis zu zehn Jahren Haft. Sein Prozess werde gesondert von dem gegen seine sechs Ex-Kollegen eingeleitet, kündigte die Staatsanwaltschaft an.
Bei den sechs Mitarbeitern handelt es sich um Chefredakteur Ryan Law, den geschäftsführenden Chefredakteur Lam Man-chung, Verleger Cheung Kim-hung, Verlagsteilhaber Chan Pui-man sowie die Kolumnisten Fung Wai-kong und Yeung Ching-kee. Gegen alle sieben laufen parallel noch weitere Ermittlungen auf Basis des Seditionsgesetzes aus Kolonialzeiten.
Die Behörden werfen ihnen eine Verschwörung vor, um im Jahr 2019 abspalterische Publikationen “gedruckt, veröffentlicht, verkauft, zum Kauf angeboten, dargestellt oder reproduziert” zu haben. Weil das Sicherheitsgesetz erst 2020 eingeführt worden ist, hat die Staatsanwaltschaft kurzerhand das Seditionsgesetz wiederbelebt. Davor war es jahrzehntelang von der Justiz der Stadt nicht angewandt worden. Höchststrafe bei einer erstmaligen Verurteilung sind zwei Jahre Haft und eine Geldstrafe.
Das Hohe Gericht setzt sich aus drei Richtern zusammen, die über Mechanismen bei Verstößen gegen das Sicherheitsgesetz von der politischen Führung der Stadt ausgewählt werden können. Entgegen der üblichen Praxis, Anhörungen bei Fällen des Sicherheitsgesetzes nicht öffentlich zu behandeln, hatten die Richter in diesem Fall die Presse zugelassen. grz
Ein Gericht in Shanghai hat am Freitag den chinesisch-kanadischen Milliardär Xiao Jianhua zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt. Es verhängte zudem eine Geldstrafe in Höhe von 55 Milliarden Yuan (acht Milliarden Euro) gegen sein Unternehmen Tomorrow Holdings. Xiao war vor fünf Jahren verschwunden und befand sich vermutlich seitdem in Haft.
Xiao und Tomorrow Holdings wurde Veruntreuung von Investorengeld und staatlichen Fördermitteln vorgeworfen. Das Geld soll zur Bestechung von Beamten verwendet worden sein. Das teilte das zuständige Mittlere Gericht in Shanghai mit.
Der in China geborene Xiao hatte beste Verbindungen zur Elite der Kommunistischen Partei. Er wurde zuletzt gesichtet, wie er in den frühen Morgenstunden in einem Rollstuhl und mit bedecktem Kopf aus einem Luxushotel in Hongkong gebracht wurde.
Von 2001 bis 2021 haben Xiao und Tomorrow Aktien, Immobilien, Bargeld und andere Vermögenswerte im Gesamtwert von mehr als 680 Millionen Yuan an Regierungsbeamte verschenkt, um sich der Regulierung durch die Finanzaufsicht zu entziehen. rtr/fin
Wenn China heute anfinge, Taiwan gewaltsam zu erobern: Die große Mehrheit der chinesischen Bevölkerung würde dies aus vollem Herzen unterstützen. Wer sich jedoch offen dagegen ausspräche, würde bestenfalls als Verräter beschimpft werden. Im schlimmsten Fall drohen Gefängnis oder körperliche Gewalt durch patriotische Landsleute. Mit “Chinesen” sind in diesem Text sowohl die chinesische Bevölkerung als auch Staatsbürger außerhalb des Landes gemeint, sowie Menschen, die ihre prägenden Jahre im Land verbracht haben, nun aber ausländische Pässe besitzen.
Taiwan ist für die Chinesen ein emotional hochgradig aufgeladenes Thema. Es steht an der Spitze einer langen Liste von Problemen, die ihre Wurzeln in der Geschichte eines von den westlichen Mächten im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geplagten Chinas haben. Ebenfalls auf dieser Liste stehen Hongkong, Macao und Territorien, die von Russland geraubt wurden, was wiederum eine große Rolle bei der Abspaltung der heutigen Mongolei spielt.
Diese Themen nehmen in den Geschichtslehrbüchern, bei Schüler und Studenten und in den offiziellen Medien Chinas eine immense Rolle ein. Sie finden immer wieder Erwähnung und fördern neben einer schwer überwindbaren nationalen Opfermentalität auch ein niemals verheilendes Trauma. Die Kommunistische Partei nutzt diese Ausgangslage. Sie bettet die Demütigungen in ein Narrativ ein, in der sie sich selbst als den alleinigen Retter der Nation aus ihrer tiefen Erniedrigung präsentiert. Dies ist einer der Gründungsmythen der Volksrepublik und wird bis heute als eine der wichtigsten Legitimationen für die Herrschaft der Partei eingesetzt.
Der bereits erwähnte Verlust von Territorien an Russland im 19. Jahrhundert wurde in den letzten Jahren aus offensichtlichen Gründen heruntergespielt. Aber das von den USA unterstützte Taiwan wird immer wieder zu einem Brennpunkt in den internationalen Beziehungen. Jede neue Episode ruft die bittere Vergangenheit in Erinnerung: Genau wegen solcher Einmischung aus dem Ausland, vor allem seitens der USA, konnte die Volksrepublik bei ihrer Gründung Taiwan nicht übernehmen. Und nun wollen die USA und ihre Verbündeten Taiwan immer noch daran hindern, sich mit der Heimat wiederzuvereinigen. Nach Ansicht der Chinesen dient Taiwan den USA letztendlich als das, was US-General Douglas MacArthur einen “unsinkbaren Flugzeugträger” nannte, um China kleinzuhalten.
Was die Chinesen noch mehr erzürnt, ist die Tatsache, dass Taiwan seit den 1990er-Jahren erheblich von Exporten nach China und Investitionen in China profitiert hat. Das Land ist wirtschaftlich so wichtig, dass sich manche taiwanischen Popstars in Großstädten wie Shanghai niederließen, um näher an ihrem größten Markt zu sein. Auch wenn sie, angesichts der sich verschlechternden Beziehungen zwischen beiden Seiten der Taiwanstraße – bei denen es keine Anzeichen für eine Besserung gibt – dies vielleicht noch einmal überdenken sollten.
Der jüngste Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi hat den Hass der Festlandbevölkerung auf die USA und Taiwan auf einen neuen Höhepunkt getrieben. In den sozialen Medien wurde lautstark der Abschuss von Pelosis Flugzeug gefordert und dann auch tatsächlich erwartet. Die sichere Landung ihres Flugzeugs in Taipeh löste große Enttäuschung und sogar Frustration aus, die sogar die darauffolgenden Militärübungen irgendwie glanzlos erscheinen ließ.
Ja, über militärische Handlungen kann man in China tatsächlich leichtfertig spekulieren. Generell sind die Chinesen Realisten, die in den internationalen Beziehungen auf Geld, militärische Gewalt, Sozialdarwinismus und schiere Stärke vertrauen. “Politische Macht kommt aus den Gewehrläufen” ist ein Zitat von Mao Zedong, das jeder auswendig kennt und das im Reich der Mitte stets großen Anklang findet.
Doch wie ist es um den Willen des taiwanischen Volkes bestellt? Was wäre, wenn das Ergebnis eines hypothetischen Referendums in Taiwan ein klares Ja zur Unabhängigkeit wäre?
In der chinesischen Öffentlichkeit gibt es unterschiedliche Auffassungen zu diesen Fragen.
Die erste ist Zynismus über die öffentliche Meinung in Demokratien: Sie sei nicht vertrauenswürdig, weil sie lediglich das Ergebnis von Manipulationen durch machthungrige Politiker sei, die letztlich nur die Reichen oder verschiedene Gruppen von Reichen vertreten. Die zweite Frage ist einfacher zu beantworten: Taiwan ist unser Land – was die dort lebenden Menschen denken, ist schlichtweg irrelevant. Falls taiwanische Politiker den Mumm hätten, ein Referendum zu initiieren, wäre das an sich schon eine strafbare Provokation.
Die Befürworter einer gewaltsamen Wiedervereinigung würden sich auch auf Beispiele in der vordemokratischen Geschichte großer ausländischer Demokratien berufen – oder auf Beispiele aus der Gegenwart. Am populärsten sei dabei der Umgang Russlands mit nach Unabhängigkeit strebenden Republiken wie Tschetschenien. Sollte die Ukraine letztendlich in Putins Hände fallen, wäre dies ein Paradebeispiel.
Unabhängigkeitsreferenden in Schottland und Quebec oder die friedliche Abspaltung der Tschechischen Republik und der Slowakei werden von der Mehrheit gar nicht erst wahrgenommen. Und wer sich damit doch etwas auskennt, kann sie bequem mit der Patentlösung erklären: Es muss ein wirtschaftliches oder finanzielles Interesse hinter den Vorgängen stecken. Oder ein weiteres Totschlagargument für alle Fragen, die China betreffen: China sei einzigartig, die Taiwan-Frage unterscheidet sich von allen anderen Konstellationen – war es doch schon seit der Antike chinesisches Territorium.
Konfrontiert man einen chinesischen Bürger mit der Frage, ob der chinesische Enthusiasmus für die Wiedervereinigung Taiwans mit China auf Manipulation beruht, so wäre die Antwort kategorisch: “NEIN! Wie können Sie es wagen?” Willkommen im Land der Irrtümer, nicht unähnlich den Trugschlüssen von Trump-Anhängern und Verschwörungstheorien.
Die Geschichte Taiwans seit dem Zeitalter der Entdeckungen ist weitaus komplizierter als die der meisten Teile Chinas. Das Land wurde zweimal kolonisiert: von den Niederländern im 17. Jahrhundert und von den Japanern zwischen 1895 und 1945. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es an die Republik China unter der Führung von Chiang Kai-shek zurückgegeben. Seine Regierung vertrat China als eines der wichtigsten Gründungsmitglieder der UNO. Jedoch wurden Chiang Kai-shek und seine Anhänger im Bürgerkrieg 1945-49 von den Kommunisten besiegt und zogen sich daraufhin nach Taiwan zurück.
Die einheimische Bevölkerung Taiwans musste sich damals mit einer korrupten Regierung der Republik China abfinden, deren brutale Herrschaft eine große Narbe im Bewusstsein der Taiwaner und eine tiefe Kluft zwischen ihnen und dem Festland hinterließ. Zu allem Überfluss wurde Taiwan aus der UNO ausgeschlossen und verlor nach dem diplomatischen Tauwetter zwischen den USA und der Volksrepublik im Jahr 1972 schrittweise die diplomatischen Beziehungen zu allen Ländern bis auf wenige Ausnahmen.
Das “Waisenkind Asiens” (Orphan of Asia) ist sowohl der Buchtitel eines taiwanischen Schriftstellers als auch der Titel eines Popsongs. Ersteres schildert die Identitätskrise der Taiwaner, letzteres beklagt die Isolation des Landes. Der in diesen Werken auf rührende Weise geschilderte Schmerz wird jedoch leider bei den nationalistischen Zuhörern auf dem Festland zweifellos auf taube Ohren stoßen.
“Wer hat unseren Film verändert?” – “Na, die Behörden in China”, “Echt?”. Wie Beiträge und Screenshots auf der chinesischen Mikroblogging-Seite Weibo zeigen, hat der US-Animationsfilm “Minions: The Rise of Gru” in China ein alternatives Ende verpasst bekommen.
Standbilder und Untertitel in der Abspannsequenz erzählen in der angepassten Version für den chinesischen Markt, dass Hauptcharakter Gru am Ende vom Bösewicht zum guten “Vater dreier Töchter” wird, sein Mentor, der Superschurke Wild Knuckles dagegen für “20 Jahre im Gefängnis” landet. Ein Happy End, ganz nach dem Geschmack der KP.
In der internationalen Version kommt der kriminelle Knuckles mit seinen Missetaten davon, indem er seinen Tod vorgibt. Er macht sich mit Gru zu neuen Abenteuern auf.